Kapitel 8
Ein grünäugiges Ungeheuer, das nicht Harry heißt

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Man könnte meinen, Eifersucht wäre ihr einziges Vergnügen gewesen.

– Erica Jong, „Fear of Flying", 1973

Just call me Cleopatra, everyone, 'cause I'm the queen of denial.

– Pam Tillis, „Cleopatra, Queen of Denial"

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Draco Malfoy sah zu, wie das Mädchen in die Bibliothek hüpfte, ihre Tasche über die Schulter geschwungen und den immer präsenten schnulzigen Liebesroman in einer Hand. Es war dieser Gang, der Draco zuerst für dieses Mädchen als etwas anderes als ein Opfer für seine Schikanen und sarkastischen Bemerkungen interessiert hatte. Er hatte vor einigen Monaten in der nahezu leeren Bibliothek gesessen, beinah zu Tränen gelangweilt, als die jüngste Weasley mit wippendem Zopf hereingehüpft kam, ein leises heimliches Lächeln auf dem Gesicht. Draco hatte die Stirn gerunzelt, dann gelächelt. Seine Absicht war gewesen, sie zu nerven, zu beleidigen und sie vielleicht sogar dazu zu bringen, weinend aus der Bibliothek zu flüchten.

Mit einem neuerlichen Grinsen erinnerte sich Draco daran, wie überrascht er gewesen war, daß sie eher genervt als beleidigt schien. Die freche kleine Trottelin hatte nur ruhig dagesessen und die Vorzüge ihrer albernen Romanzen mit ihm diskutiert. Draco hatte ihre Unterhaltung tatsächlich genossen, sogar, wie sie ihn aufgezogen hatte, er wisse nichts darüber, wie ein Verliebter reden würde.

Noch besser war jedoch gewesen, wie Weasley ihm geholfen hatte, dieser dämlichen Schlampe Parkinson einen Streich zu spielen. Sie war genial gewesen. Sie war nicht in Panik geraten, als Draco sie an sich gezogen und ihre Lippen aufeinandergepreßt hatte. Und sie hatte es nicht falsch verstanden und eine lächerliche Schwärmerei für ihn entwickelt. Sie sprachen tatsächlich schon seit sechs Monaten miteinander (abgesehen von dem Monat nach den Ferien), und Weasley war wahrscheinlich die beste Freundin, die er je gehabt hatte.

Damit machte er eine bedeutende Aussage über seine Bekanntschaften mit Hauskameraden. Er mußte allerdings zugeben, daß weder Crabbe noch Goyle jemals mehr als seine Leibwächter und Idioten für alles gewesen waren. Sie verneigten sich vor ihm und schleimten sich ein und erweckten in Draco im allgemeinen den Wunsch, sich zu übergeben.

Weasley auf der anderen Seite interessierte sich nicht im geringsten dafür, wieviel Geld er hatte. Es interessierte sie nicht, wie einflußreich seine Familie war. Sie hatte vielmehr allen Grund, seine Familie zu hassen, ihn selbst eingeschlossen. Sie ließ nie eine Gelegenheit aus, ihm einen Dämpfer zu versetzen, damit er nicht „zuviel von sich hielt". Draco konnte sich nur an eine Situation erinnern, in der er gedacht hatte, sie könnte sich in ihn verlieben, und als sie es herausgefunden hatte, hatte sie ihm geradewegs ins Gesicht gelacht.

Er beobachtete, wie sie zum hinteren Teil der Bibliothek ging. Plötzlich sah sie hoch und begegnete seinem Blick. Sie lächelte, dieses neugierige, listige, Zu-allen-Schandtaten-bereit-Lächeln, an das er sich gewöhnt hatte. Er wollte verdammt sein, wenn sie nicht nach Slytherin gepaßt hätte, dachte er sich, als er das Lächeln erwiderte. Sie war hinterhältig genug. Unglücklicherweise hatte sie diesen widerlich ehrenhaften Charakterzug, der verhindert hätte, daß sie rücksichtslos genug war, um in seinem Haus zu überleben.

Dann war sie weg, hinter den Regalen außer Sicht verschwunden. Draco legte sie Stirn in Falten. In all der Zeit, die sie jetzt miteinander redeten, war sie noch nicht ein einziges Mal zuerst auf ihn zugegangen. Er kam immer zuerst zu ihr. Vor den Ferien, als sie diesen dummen Streit gehabt hatten (nun ja, gab er mit uncharakteristischer Ehrlichkeit zu, nachdem er ausgerastet und explodiert war), war Draco sicher gewesen, daß sie in gerechter Entrüstung zu ihm kommen und eine Entschuldigung, eine Erklärung oder beides verlangen würde. Das war sie nicht. Statt dessen war sie nicht mehr in die Bibliothek gekommen. Nach den Ferien hatte sie so verdammt zufrieden mit sich gewirkt, auf selbstgefällige Art voller Selbstvertrauen. Sie war auch dann nicht zu ihm gekommen, wegen des Ratschlags von diesem verfluchten Kellner aus dem Café, über den sie jetzt die ganze Zeit zu seufzen schien.

Schließlich, nach fast einem Monat, war Draco zu ihr gekommen. Nicht, daß es eine große Sache war. Er wurde wahnsinnig, ohne jemand Normales, mit dem er sich unterhalten konnte. Er hatte sich daran gewöhnt, mit der jüngsten Weasley zu lachen und zu scherzen, und er war der erste, der zugeben würde, daß er weder das richtige Temperament noch die Erziehung hatte, um sich etwas zu versagen, das er wollte.

Aber jetzt wurde es lästig. Er saß direkt hier, direkt vor ihr! Sie hatte ihn gesehen, aber abgesehen von diesem Lächeln, das sie ihm zugeworfen hatte, ignorierte sie ihn vollkommen! Hatte ihr idiotischer Bruder letztendlich Erfolg damit gehabt, sie abzuschrecken? Draco kochte vor Wut bei der Vorstellung, wie Ron Weasley seiner Schwester sagte, sie solle sich von ihm fernhalten. Das war einfach zuviel.

Obwohl er bereits beschlossen hatte, Weasley zu ignorieren, falls sie in die Bibliothek kommen sollte, stopfte Draco die Zettel, die er durchgegangen war, in seine Tasche und hatte Ginny ausfindig gemacht, bevor er überhaupt gemerkt hatte, daß er aufgestanden war.

Sie blickte auf, als er sich näherte. Mit einem Lächeln rutschte sie auf dem gepolsterten Sitz zur Seite und tätschelte den Platz neben sich.

„Du machst also doch keine Hausaufgaben?"

„Seit wann mache ich in der Bibliothek Hausaufgaben?" Er knurrte es beinahe.

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?" gab Ginny freundlich zurück.

Malfoy war nicht die rationalste Person, die sie kannte, und seine gelegentlichen, unerklärten Ausbrüche waren einfach etwas, woran sie sich gewöhnt hatte. Gewöhnlich beachtete sie sie nicht. Manchmal nervte sie ihn deswegen oder neckte ihn, aber meistens war es der Mühe nicht wert. Sie sah ihn noch immer an, wobei sie sowohl das verärgerte Stirnrunzeln auf seinem Gesicht bemerkte als auch die Anspannung seines Körpers. Irgendwas hatte ihn stinksauer gemacht, und sie war nicht sicher, ob sie wissen wollte, was es war. Dann, so plötzlich wie sie gekommen war, schien seine schlechte Laune dahinzuschmelzen.

„Weißt du, Kleine", sagte er, „irgendwann werd ich dich endlich noch mal erschrecken. Auch wenn ich es zu meiner Lebensaufgabe machen muß, dich dazu zu bringen zu kauern und dich zu verstecken, du wirst es tun!"

„In deinen Träumen, Malfoy", witzelte Ginny. „Willst du einen Schokofrosch?"

Mit einem theatralischen Seufzen nahm Draco die angebotene Süßigkeit. „Sogar wenn ich dir unverblümt drohe, ignorierst du mich. Du bist furchtbar für mein Ego, Kleine."

„Und vor nicht langer Zeit hast du mir gesagt, wie gut ich für dein Ego wäre, nicht?" entgegnete sie ohne Zögern. „Also, wenn du nicht Hausaufgaben gemacht hast, was hast du dann gemacht?"

„Nichts, bin nur ein paar Unterlagen durchgegangen. Du?"

„Ich sollte eigentlich Hausaufgaben machen", gab sie in listigem Ton zu. „Aber ich hab dieses Buch gefunden, das ich in den Ferien gekauft hab, und ich hab mich entschlossen, es endlich zu lesen."

Sie zeigte ihm das Titelbild des Schundromans und öffnete ihn an der richtigen Stelle.

„Du hast das aus diesem blöden Laden? Wo dieser Idiot gearbeitet hat?"

Sie wandte dem gutaussehenden jungen Mann neben sich einen fragenden Blick zu. „Bitte?"

„Ich sagte: Hast du dieses Buch in diesem Café gekauft, wo dieser dämliche Kerl hinter der Theke sich an dich rangeschmissen hat?"

Ginny spürte, wie sich ihre Augenbrauen fast bis zu ihrem Haaransatz hoben. Sie wußte, es war ausgeschlossen, aber Malfoy hörte sich tatsächlich eifersüchtigan. Mit einem leisen Lächeln legte sie eine Hand auf die Brust und versuchte, seinen Tonfall zu imitieren.

„Großer Gott, Malfoy, wofür war der Blick?"

„Welcher Blick?" fragte Malfoy.

Sie konnte sich nicht helfen, sie fing an zu kichern. „D-dieser „Oh-Ginny-Blick"! So einen B-Blick hab ich von d-dir noch nie g-gesehen!"

„Was!?"

Draco schoß so schnell in die Höhe, daß er seine Tasche umstieß und sich seine Zettel auf dem Boden verteilten. Ginny mühte sich verzweifelt, ihr Lachen zu dämpfen, aber der Ausdruck in seinem Gesicht war so komisch gewesen, daß es ihr schwerfiel.

„Oh Gott, das war großartig!" platzte sie heraus, als er sich hinkniete, um seine Zettel einzusammeln. „Meine Güte, Malfoy! Ich hab so lange darauf gewartet, mich dafür zu revanchieren! Das war perfekt!"

Draco blickte schließlich mit finsterem Gesicht auf. Das Mädchen platzte fast bei dem Versuch, ihr Gelächter zu unterdrücken. Schließlich sah er jedoch die witzige Seite der Situation. Mit einem verstimmten Schnauben sagte er: „Nun ja, ich lebe, um dich zu amüsieren, Weasley."

Ginny erstickte endlich ihr Kichern und sprang von ihrem Platz hinunter, um ihm beim Aufheben seiner Papiere zu helfen. Als er die letzten Zettel in seine Tasche steckte, legte sie ihm eine Hand auf den Arm. Ihr plötzlich ernster Ausdruck verwunderte ihn.

„Sieh mal, Malfoy", sagte sie ruhig, „mach dir keine Sorgen. Ich werde nicht schwach werden, in Ordnung? Ich mag deine Gesellschaft und alles, aber Romantik?" Sie zuckte die Schultern und grinste dann wieder. „Außerdem, ich würde ja nicht zu den „unerwünschten Massen" gehören wollen, nicht wahr?"

Draco blickte hinunter zu ihrer Hand auf seinem Arm. Er entschied in diesem Moment, daß er eine große Klappe hatte.


Anmerkungen:

Die Überschrift des Kapitels bezieht sich auf eine Wendung von Shakespeare, der Eifersucht als grünäugiges Ungeheuer bezeichnet.

Gute Nacht allerseits:-)

SpoiltAngelVirginia: Hmmm … Ja, ich denke, das merkt man. ;-) Und nein, keiner von beiden wird überlaufen. Sie sind völlig harmlos.

silver moonstone: Mach dir keine Gedanken, ich liebe lange Reviews. :-) Du verschläfst also nicht die Schulvormittage, sehr vorbildlich ;-). Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich das meistens so gemacht hab …
Wie Ron sind wohl wirklich nicht alle, obwohl ich das auch nicht richtig beurteilen kann. Ich hab nur zwei jüngere Brüder, das ist natürlich sowieso immer was anderes. ;-) Aber ich glaube, ich würde mir wohl auch von älteren Geschwistern nichts gefallen lassen …
Viel Erfolg mit . :-)

h0n3ym0on:Danke für Dein Vertrauen :-). Ich hoffe, ich erfülle Deine Erwartungen auch weiterhin … :-)

Vielen Dank an: LadyEvelyn und skateZ!