Kapitel 11
Ein romantisches Ende und anderer Unsinn
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Solange du da nur rumhängst, paß auf. Die einzigen Regeln, auf die es ankommt, sind diese: Was ein Mann tun kann und was nicht.
– Captain Jack Sparrow, Fluch der Karibik
Tu uns einen Gefallen. Ich weiß, es ist schwer für dich, aber bleib einfach, wo du bist, und versuch, nichts Dummes zu tun.
– Captain Jack Sparrow, Fluch der Karibik
Ich frage mich oft, ob es intelligentes Leben auf irgendeinem anderen Planeten gibt. Ich denke, es muß welches geben, denn sie haben noch nicht versucht, uns zu kontaktieren.
– (paraphrasiert) John Maloney, britischer Komödiant
(ohne Zusammenhang) mädchenhaftes Kreischen: Mom! McDonald's kann nicht auf einer Schokoladenorange balancieren! Was hast du dir gedacht!
– David Felix
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Der große, schlaksige Mann saß an einem Tisch, seine großen, von der Arbeit rauhen Hände um einen Becher mit einem dunklen, schweren Gebräu geschlungen. Er war kein gutaussehender Mann, aber er war auch nicht häßlich. Das beste, was man über ihn sagen konnte, war, daß er „schlicht" war. Jedenfalls bis er lächelte. Sein Lächeln war breit, offen und freundlich und wärmte diejenigen, die es sahen. Im Moment lächelte er jedoch nicht. Was er tat war, abwechselnd in die Tiefen der dampfenden Flüssigkeit zu starren und die Tür des kleinen Ladens, in dem er saß, zu beobachten. Sobald er vorhin den Laden betreten hatte, hatte eine Schuleule von Hogwarts auf ihn gewartet, von der jungen Frau, die die ungewöhnliche Unruhe verursachte, die ihn gepackt hielt. Ein schneller Blick auf die Uhr zeigte, daß sie zu spät war, aber das Brodeln in seinem Magen sagte ihm, daß er nicht sonderlich versessen darauf war, daß sie kam. Als er sehnsüchtig sein Getränk ansah und darüber nachdachte, noch einen Schluck zu nehmen, klingelte die Glocke über der Ladentür.
Er holte Atem und blickte auf, um den kleinen, molligen Rotschopf den Laden betreten zu sehen. Er schluckte etwas zwischen einem Fluch und einem Seufzen herunter und erhob sich, wobei er seine Schürze glattstrich und die Hand hob. Das war es, dachte er. Jetzt ging es ums Ganze.
Ginny betrat den Laden beinahe zögerlich. Fast wollte sie sich einfach davonschleichen, aber sie hatte dem jungen Mann, der hier arbeitete, versprochen, daß sie sich mit ihm treffen würde. Und Ginny mußte ohnehin mit ihm sprechen. Es gab etwas, das sie ihm sagen mußte. Als Bob aufstand und ihr mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht zuwinkte, holte Ginny tief Luft und winkte zurück. Sie zwang sich zu einem Lächeln, straffte die Schultern und ging hinüber zu seinem Tisch.
Das Lächeln gefror auf seinem Gesicht, als er sie näherkommen sah. Er starrte auf ihren Kopf.
„Deine Haare!"
Das war das erste, was ihm einfiel. Ihr langer Zopf war weg, und ihr Haar war etwas über Schulterlänge abgeschnitten in einem wuscheligen, schelmischen Stil. Es sah sehr attraktiv aus, es spielte die etwas lange Nase herunter und lenkte mehr Aufmerksamkeit auf ihre schönen Augen. Ihm stockte der Atem, als sie vor ihm stehenblieb.
Ginny widerstand dem Drang, nach ihrem Zopf zu greifen. Er war nicht mehr da. Das war die „Erledigung", die sie heute morgen hatte machen müssen. Sie hatte wieder und wieder darüber nachgedacht, was mit Pansy Parkinson passiert war und was Malfoy danach in der Bibliothek gesagt hatte. Und obwohl er ein Riesenidiot war und sich den Teufel um sie scherte, hatte er recht gehabt. Weshalb ließ sie ihre Haare lang, wenn sie sie nie offen trug? Es war ein großes Ärgernis, ohne war sie besser dran. Aber das vertraute Gewicht nicht am Rücken oder auf der Schulter zu spüren, war ein wenig irritierend, genauso wie die Art un Weise, auf die Bob sie anstarrte. Sie sammelte ihre Lebensgeister und wandte sich an den großen Mann vor sich.
„Ja, ich weiß. Ich hatte mich auch irgendwie dran gewöhnt. Aber so sind sie wesentlich pflegeleichter, und ich finde, es sieht besser aus. Außerdem, wie mir mal jemand gesagt hat, ich konnte es genausogut abschneiden, da ich nicht vorhatte, was damit zu machen."
Er hatte auf ihre Haare gestarrt und sogar eine große, rauhe Hand zu ihrem Kopf gehoben, als ihre Worte ihn unterbrachen.
„Wer immer das gesagt hat, hat eine dämliche große Klappe", sagte er rundweg. „Der Blödmann aus der Schule?"
Ginny, die sich jetzt unbehaglich fühlte, zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle? Er hatte recht. Außerdem gefällt's mir." Dann bildete sich eine Falte zwischen ihren Augenbrauen. „Wieso? Sieht es nicht gut aus?"
Sie hatte gedacht, es wäre ein reizvoller Stil, aber nun war sie nicht mehr sicher. Im nächsten Augenblick wurden ihre Ängste zerstreut.
„Es ist wunderschön", sagte Bob aufrichtig. „Ich war nur … Es war eine Überraschung! Als …"
Er ließ den Satz unbeendet, während er sie weiterhin ansah. Jetzt griff Ginny doch nach oben und tätschelte ihre neue Frisur. Grinsend gab sie zu: „Ich hab's gerade erst machen lassen. Ist es wirklich in Ordnung?"
Als würde er aus einer Starre erwachen, blinzelte der Mann und betrachtete sie richtig. Er erwiderte ihr Lächeln und nahm ihre Hände. „Ginny-Mädchen", sagte er ruhig und gefühlvoll, „du warst schon vorher hübsch. Jetzt bist du nur noch hübscher. Willst du dich setzen?"
Ginny ließ sich von ihm zu ihrem Stuhl geleiten, aber sie zog ihre Hände sanft weg, als sie sich setzten. Es würde wahrscheinlich besser sein, das so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, dachte sie. Sie war wirklich nicht sicher, welcher Art genau die Gefühle waren, die dieser junge Mann für sie hegte, aber sie wollte nicht, daß er einen falschen Eindruck erhielt. Auch wenn Draco Malfoy der größte gefühllose Idiot der Welt war und sie für ihn nicht mehr als eine Freundin war, war er ihr sehr ans Herz gewachsen, und sie würde diesen Mann nicht an der Nase herumführen, nur weil sie verärgert über den nervigen Slytherin war. Daher räusperte Ginny sich, bevor Bob etwas sagen konnte.
„Ähm, es ist schön, dich wiederzusehen, Bob", sagte sie. „Es ist immer schön, Freunde zu sehen."
Nicht besonders subtil, dachte sie, wenn man bedachte, wie sie das Wort „Freunde" betont hatte. Er hatte es auch bemerkt, denn er sah sie sonderbar an.
„Ja, es ist großartig, Freunde zu sehen, Ginny-Mädchen, besonders wenn diese Freunde Leute sind, die einem zuhören, wenn man was Wichtiges zu sagen hat, richtig?"
Oh-oh, worauf das hinauszulaufen schien, gefiel Ginny gar nicht. Sie redete schnell weiter, um ihm zuvorzukommen.
„Ja, ich weiß, was du meinst", platzte sie heraus. „Und ich habe etwas Wichtiges zu sagen. Ich wollte es nur loswerden, damit es keine Mißverständnisse gibt, in Ordnung? Ich wollte nur …"
Weiter kam sie nicht. Der Mann ihr gegenüber unterbrach sie.
„Sieh mal, Ginny, ich muß dir auch was wirklich Wichtiges erzählen. Bitte laß es mich einfach sagen."
Ginny biß sich auf die Lippe, aber sie war entschlossen. „Okay, Bob, aber erst nachdem ich fertig bin. Ich muß es wirklich gleich machen, bevor ich die Nerven verliere. Also, es ist so. Ich weiß, ich interpretiere wahrscheinlich mehr rein, als da ist, aber ich muß dir sagen, daß – obwohl ich dich gern hab, sehr sogar – ich mag jemand anderen. Verstehst du?"
„Ginny, bitte", unterbrach er, konnte Ginnys Redefluß aber nicht aufhalten.
„Wir haben uns wirklich sehr gut verstanden in den Ferien. Und ich bin gerne mit dir zusammen. Aber dieser andere Junge, eigentlich nicht wirklich ein Junge, aber auch kein Mann, und ich weiß, daß ich brabble, aber ich mag ihn wirklich, auch wenn er nicht weiß, daß ich ein Mädchen bin, weißt du. Ich wollte nur nicht, daß du denkst …"
Schließlich erstarb ihre Stimme, als sie Bob den Blick abwenden sah, sein Gesicht düster.
„Bob?" Ginny griff nach einer Hand, hielt aber inne, bevor sie sie ergreifen konnte. „Es tut mir wirklich leid", flüsterte sie. „Vielleicht sollte ich gehen."
„Nein", murmelte er und sah sie wieder an. „Noch nicht. Ich muß dir immer noch was sagen."
Er stand auf, wanderte zum Tresen und dann zurück. „Aber vergiß nicht", sagte er, als er wieder vor ihr stand, „ich wollte anfangen. In Ordnung?"
Ginny nickte, wenngleich sie nicht wirklich sicher war, weshalb das einen Unterschied machte. Der Mann setzte sich wieder und legte die Hände um seinen Becher. Er hob ihn sogar an, schüttelte aber den Kopf und stellte ihn entschlossen wieder hin, ohne zu trinken.
„Okay, es ist so", sagte er schließlich. „Ich war nicht ganz ehrlich zu dir. Ich hab dir erzählt, daß ich in dem Café arbeite, als wir uns kennengelernt haben, aber eigentlich bin ich der Besitzer. Das hier gehört mir auch. Ich hatte vor, in Paris zu eröffnen, hab mich aber entschieden, statt dessen Hogsmeade zu probieren, als mein Manager sagte, er würde England nicht verlassen wollen."
Er machte eine Pause, aber Ginny starrte ihn nur mit großen Augen an. Er war der Besitzerdes Cafés? Nun ja, soviel zu Malfoys schlauen Bemerkungen darüber, daß er keine zwei Sickel zum Aneinanderreiben hätte. Noch während sie das dachte, störte sie im Hinterkopf etwas. Etwas stimmte nicht. Irgendwas war falsch an Bobs Stimme und der Art, wie er sprach. Ihre Stirn legte sich in Falten, als er fortfuhr.
„Jedenfalls ist meine Familie jetzt pleite, aber ich hab auf den einzig anständigen Rat gehört, den mein Vater mir gegeben hat. Er sagte, ich solle in Immobilien investieren, also hab ich meine geringen Ersparnisse genommen und das Café gekauft. Ich hab den letzten Sommer damit verbracht, mich einzuarbeiten, aber ich hab auch jemanden gefunden, der dieses Geschäft in- und auswendig kennt, und er führt den Laden, wenn ich nicht da sein kann."
Ginny starrte noch immer, während sie herauszufinden versuchte, was an diesem Bild nicht stimmte.
Mit einem leichten Kopfschütteln sagte sie: „Ich versteh' nicht. Ich hab dort nie jemand anderen gesehen. Nur dich. Wer ist diese andere Person? Und warum redest du jetzt anders?"
Bob stand wieder auf. Dieses Mal ergriff er Ginnys Hände und zog sie hoch. „Das ist kompliziert", sagte er. „Als wir uns in London begegnet sind, war ich … das heißt, ich … ach, zum Teufel, das ist schwerer, als ich gedacht hatte. Denk dran, ich wollte anfangen. Also, wie auch immer, ich bin nicht einfach irgendein Typ aus einem Café, in Ordnung?"
Ginnys Augen weiteten sich, als sie diese Phrase irgendwoher wiedererkannte. So was in der Art hatte sie schon einmal gehört, und es war noch nicht lange her.
„Sieh mal, Ginny, du wirst es sowieso bald rauskriegen, merk dir das hier immer, ja?"
Er schlang seine große Hand um ihren Nacken und zog sie an sich. Er sah ihr geradewegs in die Augen und sagte: „Ich liebe sich, Kleine, klar?"
Ginny riß sich los und schüttelte den Kopf. „Nein, tust du nicht, Bob", sagte sie beinah panisch. „Du weißt nicht mal … WAS?"
Ihr Kinn klappte nach unten, als ihr bewußt wurde, was genau der Mann vor ihre gerade gesagt hatte. Sie schloß ihn wieder, bevor sie langsam sagte: „Nein, das kann nicht sein. Du könntest nicht … Er könnte nicht … Nicht mal erwürde etwas so Gemeines tun!"
Bob machte einen Schritt auf sie zu, aber sie wich zurück und brachte den Tisch zwischen sie beide.
„Du bleibst genau, wo du bist!" stieß sie aus, als er langsam näherkam.
„Komm schon, Kleine", sagte er und packte fest die Lehne eines Stuhls. „Du kannst mir nicht ewig aus dem Weg gehen. Ich hab ja versucht, es dir zuerst zu sagen! Rechnest du mir das überhaupt nicht an?"
„Versucht, mir was zu sagen?" fragte sie. „Daß du mich zu einem Weltklasse-Trottel gemacht hast? Daß du vorgegeben hast, jemand anderer zu sein, um mich zu demütigen? Warum solltest du das tun?"
„Es war dumm, okay? Ich geb's zu. Ich wollte nur, ich weiß auch nicht, sehen, ob du es wirklich ernstgemeint hast, was du darüber gesagt hast, daß Persönlichkeit wichtiger ist als Aussehen. Ich dachte, ich könnte dich damit nach den Ferien aufziehen. Es war alles geplant, und dann hatten wir diesen dummen Streit. Und dann hast du nicht mit mir geredet. Als du es endlich getan, konnte ich dir nicht die Wahrheit sagen."
Ginny funkelte ihn wütend an. „Ich hab mich geirrt", sagte sie hitzig. „Du kannst so tief sinken. Du hast dich die ganze Zeit über mich lustig gemacht! Jedesmal, wenn ich – gemeckert hab über die Auseinandersetzung mit meinem Freund, muß es dich fast umgebracht haben, nicht zu lachen! Du bist … Du bist … Ach, ich weiß immer noch kein Wort, daß schlimm genug ist!" Ginny wirbelte zur Tür herum, aber sie war noch nicht einmal zur Hälfte dort, als er sie festhielt.
„Ich hab nicht gelacht, Ginny", sagte er ernst. „Ich hab mir selbst in den Arsch getreten! Mein Manager hat deine Briefe weitergeleitet, und ich hab immer geglaubt, wenn ich sie nicht beantworte, dann würdest du den Kerl, den du in den Ferien getroffen hast, einfach vergessen."
Ginny kämpfte, aber er war zu kräftig. „Laß los, Bob, oder Malfoy, oder wer immer du auch bist! Wenn nicht, werd' ich dir einen Tritt an eine Stelle versetzen, die dir nicht gefallen wird!"
Er zog sie nur enger an sich und schlang seine Arme um sie. „Ich hätte es besser wissen müssen", sagte er, als hätte sie nichts gesagt. „Selbstverständlich würdest du ihn nicht vergessen. Du bist immerhin eine Gryffindor. Und – verdammt, Kleine! Hör auf zu treten! Ich laß nicht los, bis du versprichst zuzuhören!"
Ginny hatte versucht, einen anständigen Tritt gegen seine Schienbeine zu landen, aber sie war zu nah dran. Schließlich gab sie nach. „Also gut, ich geb' dir zwei Minuten", brachte sie mit zusammengebissenen Zähnen heraus. Sie mußte zustimmen, er hielt sie so fest, daß er sie praktisch erstickte!
Er ließ sie los und sah sie ernst an.
„Was es auch ist, ich hoffe, es ist gut, denn du bist offiziell die Nummer Eins auf meiner Abschußliste!"
Eine Seite seines großen Munds zuckte leicht. „Ich hab eigentlich nur eins zu sagen."
Er schlang wieder seine Hand um ihren Nacken wie zuvor, aber bevor er etwas sagen konnte, stieß er einen Schrei aus und brach auf dem Boden zusammen.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße", murmelte er.
Ginny starrte ihn mit entsetzter Faszination an, als er sich auf dem Boden zu einer Kugel einrollte. Seine Muskeln schienen zu verkrampfen und sich zu verdrehen. Das dunkle Haar begann, heller zu werden, und die breiten Schultern wurden schmaler. Nach einiger Zeit, die wie Stunden erschien, aber vermutlich nur ein paar Sekunden gewesen war, stieß Draco ein heftiges Seufzen aus und lehnte sich zurück. Seine Augen waren fest geschlossen, und auf seinem Gesicht lag noch immer ein Ausdruck von Schmerz.
„Großer Gott, Malfoy!" hauchte Ginny. „Das sah schmerzhaft aus!"
„Tat verdammt weh", brummelte er, während er immer noch versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
„Gut!" schnappte Ginny und trat ihn, wenn auch vorsichtig, in die Hüfte. „Das verdienst du, dafür, daß du so ein erbärmlicher „Typ-aus-einem-Café" warst!"
Dann kniete sie sich neben ihn und strich ihm die Haare aus der Stirn. „Wie oft mußtest du das durchmachen?"
Draco öffnete die Augen und grinste sie an. „Besorgt um mich, Kleine?"
„Kein bißchen", erklärte sie und erwiderte seinen selbstgefälligen Blick. „Ich finde nur, daß das ausgleichende Gerechtigkeit ist für das, was du mir angetan hast. Also, wie oft?"
Er mühte sich, sich aufrecht hinzusetzen, und zuckte zusammen bei den verbliebenen Schmerzen, die sein kürzlicher Gestaltwandel verursacht hatte. Als er neben ihr saß, zuckte er die Schultern. „Jeden Tag in den Ferien, außer am letzten Tag, als ich dich nicht gesehen hab. Heute. Das ist alles. Nichts, womit ich Karriere machen wollen würde."
Ginny dachte darüber nach. „Ich nehme an, du warst es, der mir heute diesen Brief geschickt hat. Warum hast du geschrieben, wenn du gehofft hast, daß ich dich – Bob – wen auch immer vergessen würde?" fragte sie schließlich stirnrunzelnd.
„Es war blöd, ich weiß. Mein Ego, nehm' ich an. Ich konnte nicht fassen, daß du immer noch über jemanden geredet hast, den du vor Monaten getroffen hast und der dir nie zurückgeschrieben hat. Ich wußte einfach, daß du kommen und mir sagen würdest, daß du ihm gesagt hast, daß er abhauen kann. Ich hätte nie erwartet, daß du …"
Er unterbrach sich plötzlich und sah sie fest an.
„Was?" fragte Ginny.
„Hättest du ihn tatsächlich „um den Verstand geknutscht"?" fragte Draco unvermittelt. „Irgend so einen Kerl, den du nur einmal getroffen hast?"
Ginnys Wangen röteten sich, aber sie antwortete mit fester Stimme: „Wenn ich das gewollt hätte, natürlich hätte ich."
„Aber wolltest du?"
„Malfoy", schnappte Ginny und stand auf. „Du hast dir große Mühe gegeben, über die Ferien charmant zu sein. Fang bloß nicht an, dir toll vorzukommen, nur weil dein Charme tatsächlich gewirkt hat. Hätte ich gewußt, daß das eigentlich du warst …" Der Satz blieb in der Luft hängen, als sie erneut auf die Tür zu ging.
Draco rappelte sich auf und versperrte ihr rasch den Weg. „Wenn du gewußt hättest, daß ich es bin? Was dann?"
„Dann … Es spielt eigentlich keine Rolle, oder? Du hast versucht zu beweisen, daß Aussehen und Geld wichtiger sind als die Persönlichkeit eines Menschen, aber du hast überhaupt nichts bewiesen, oder? Jedenfalls ist es nach hinten losgegangen, nicht? Du hast mir einen scheußlichen Streich gespielt, und jetzt ist es vorbei. Ich gehe. Jetzt beweg dich!"
Sie hätte sich an ihm vorbeigeschoben, aber er hielt ihren Arm fest. Ginny konnte keinen sehr großen Wunsch verspürt haben zu gehen, denn sie wehrte sich nicht. Draco nahm das als ein ermunterndes Zeichen.
„Ich weiß, Kleine, was ich gemacht hab war ziemlich mies. Aber ich hab eine Menge über dich gelernt, als du nicht geglaubt hast, daß du mit dem „Feind" sprichst. Ich würde es noch mal tun, wenn ich müßte."
Ginny sah ihm ins Gesicht, verwundert, daß sein übliches selbstgefälliges Grinsen fehlte. Er hatte etwas wirklich Hinterhältiges getan, aber es hatte ihr nicht wirklich weh getan, oder? Auf einmal fiel ihr wieder ein, was er vorhin gesagt hatte. Schlimmer noch, sie erinnerte sich wieder, was siedarüber gesagt hatte, daß sie jemand anderes mochte. Ginny lief tiefrot an und wandte den Blick ab.
„Ich denke, ich sollte besser gehen", sagte sie leise.
„Warte", erwiderte er. „Nur noch eine Sache, dann laß ich dich gehen."
Er zog sie mit sich zum Tisch und hob eine kleine Tüte auf. Er nahm ein Buch heraus und reichte es ihr. „Das hast du in der Bibliothek vergessen."
Ginny sah, daß es der Liebesroman war, den sie an diesem Morgen gelesen hatte, immer noch mit „Bobs" Brief darinnen. Sie hob den Blick.
„Ginny-Mädchen", sagte er leise. „Ich hab dich gern so genannt, weißt du das? Es paßt besser zu dir als „Weasley", aber nicht so gut wie „Kleine"." Er konnte nicht anders, als wieder süffisant zu grinsen, als sie die Nase rümpfte. „Wie auch immer, ich weiß, daß ist nichts, was in deinen Liebesromanen passiert …" Er streckte die Hand aus, um erneut ihren Nacken zu umfassen, und zog sie dichter heran. „Aber ich liebe dich wirklich. Und es tut mir leid, daß ich dich reingelegt hab. Wenn du also ernstgemeint hast, was du vorhin gesagt hast, daß du jemand anders magst …"
Er verstummte wieder, anscheinend waren ihm die Worte ausgegangen. Ginny schluckte. Sie sollte eigentlich wütend sein, das sollte sie wirklich, aber wie konnte sie, wenn er so gut aussah, so dich bei ihr stand und so herrliche Dinge sagte? Aber sie konnte es ihm nicht soeinfach machen.
„Eigentlich hab ich über jemand anders gesprochen", sagte sie schnell und schüttelte seine Hand ab. Als er sie skeptisch ansah, sprach sie weiter. „Ich meinte, äh, Neville Longbottom! Er ist wirklich ein sehr netter Kerl, weißt du. Und ein wesentlich besserer Zauberer, jetzt wo er seinen eigenen Zauberstab hat!"
„Das reicht!" sagte er und kam auf sie zu. „Du bist ein durchtriebenes, hinterlistiges, verlogenes kleines Biest, und ich weiß nicht, was ich an dir finde! Du weißt, daß du von mir geredet hast. Jetzt sag mir, daß du mich auch liebst, oder ich muß etwas Drastisches tun, daß sehr gut in die kitschigen Romane passen würde, die du liest! Oder vielleicht muß ich dich einfach übers Knie legen und versohlen, wie das kleine Biest, das du bist!"
Ginny fühlte sich bei dieser Drohung angegriffen, aber er hatte wieder seine Hand um ihren Nacken und zog sie näher an sich. Sie legte eine Hand auf seine Brust und hielt ihn auf Armeslänge von sich. „Ziemlich eingebildet, was?" sagte sie und schenkte ihm einen selbstzufriedenen Blick. „Du weißt genau, was an mir findest, Malfoy. Ich bin durchtrieben. Ich bin so hinterlistig wie du, und ich lasse mich nicht von dir rumschubsen wie alle anderen. Und ich scharwenzle nicht vor dir rum. Und versuch nie wieder, mir zu drohen, Malfoy, oder es könnte sein, daß ich dich verfluchen muß!"
„Das würdest du wirklich, nicht?" flüsterte er lächelnd.
„Ich hab es schon mal getan, oder etwa nicht?" gab sie zurück, aber sie lächelte ebenfalls.
„Das hast du allerdings", stimmte er zu. „Ich schätze, das heißt, ich sollte dich besser nicht lange genug loslassen, daß du deinen Zauberstab ziehen kannst." Er zog sie noch enger an sich und schlang seine Arme um sie. „Also, Ginny-Mädchen, vergibst du mir?"
„Krieg ich freien Kaffee, wenn ich dir verzeihe?"
„Nur, wenn du mich küßt", erwiderte er und strich mit seinen Lippen über ihre.
Ginny wich leicht zurück, ihre Augen funkelten vor Belustigung. „Ah, na gut, wenn ich muß!"
Die Glocke über der Tür läutete, aber weder Ginny noch Draco bemerkten es wirklich. Sie bemerkten es auch nicht, als drei Siebtkläßler aus Gryffindor eintraten, die ihre Neugier zu dem neuen Laden geführt hatte. Sie bemerkten nicht einmal das geschockte Keuchen, das ihre verliebte Umarmung allen drei Schülern entlockte, insbesondere dem großen, rothaarigen jungen Mann. Er ballte eine Hand zur Faust und erwägte, seinen Zauberstab zu ziehen, entschied sich jedoch dagegen.
„Laßt uns von hier verschwinden", murrte er an seine beiden Begleiter gewandt.
Die junge Frau nickte, als ihr Blick von seinem starren Gesicht zu dem widerlichen Anblick von Ginny Weasley, die Draco Malfoy küßte und umgekehrt, angezogen wurde. Aber der andere junge Mann zögerte.
„Aber Ron", sagte er dringlich, „es sind Ginny und Malfoy!"
Ron wandte mühevoll den Blick ab und sah seinen Freund an, als wäre ihm etwas übel. „Ja, und sieh dir an, wie sie mich fertiggemacht hat, als ich ihr zu sagen versucht habe, daß sie nicht mit ihm befreundet sein kann! Vergiß es, Harry. Ich schick einfach Mum eine Eule, dann kann sie das regeln."
Ende
