Ameisen II
Endlich hatte er seinen Gefährten eingeholt und blickte sich neugierig um. Irgendwo musste hier etwas sehr interessantes zu sehen sein, wenn Aragorn, der ja sonst durch nichts aus der Ruhe zu bringen war, so ausflippte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, der Zwerg konnte nichts Außergewöhnliches entdecken. Sie waren auf eine kleine Lichtung hinausgetreten. Diese war mit kurzem, saftigem Gras bedeckt und wurde von den mächtigen Bäumen des Waldes eingerahmt. Sie wirkte sogar ganz romantisch, aber Gimli konnte sich nicht vorstellen, dass der raue Waldläufer solche Gefühle überhaupt in sich trug. "Der und romantisch veranlagt! Dass ich nicht lache! Sogar der hungrigste Zwerg ist romantischer als der!", brummelte Gimli vor sich hin. Aber was war dann der Grund für diesen Freudenschrei gewesen? "Na, was sagst du? Is der nich einfach wunderschön?", wollte Aragorn schwärmerisch wissen und sah Gimli erwartungsvoll an. Der Zwerg wollte seinen neuen Kumpel nicht enttäuschen und begann noch mal die Lichtung mit den Augen abzusuchen. Er entdeckte ein kleines Flüsschen, das sich lustig durch das Gras schlängelte. Auch ein paar Büsche waren zu sehen, an denen Gimli leckere Beeren vermutete. Einige morsche Äste lagen verstreut auf der Wiese und direkt neben Gimli war ein großer Ameisenhaufen zu sehen. Der Ex-Bergwerker und Vorbildszwerg konnte beim besten Willen nicht herausfinden, was Aragorn so in Verzückung brachte. "Äh, Aragorn? Es tut mir wirklich leid, aber ich weiß nicht was du meinst!", versuchte er den Waldläufer wieder auf sich aufmerksam zu machen. Dieser stand nämlich direkt hinter dem Zwergen und glotzte verträumt auf eine Stelle schräg neben ihm. Er schien wie in Trance und reagierte gar nicht auf des Zwergen Äußerung. Nachdem Gimli festgestellt hatte, das der Unromantiker nicht ansprechbar war, versuchte er eben dessen Blick zu folgen.
"Aragorn, komm zurück aus deiner Traumwelt und sag mir, was hier so toll sein soll! Dieser Ameisenhaufen, den du mit deinen lüsternen Blicken beehrst kannst du wohl nicht meinen oder? Oder?", fragte der Zwerg mit wachsendem Entsetzen. Doch es gab wohl keine andere Möglichkeit. Aragorn starrte unaufhörlich auf den braunen Haufen neben ihm, auf dem es von den kleinen Krabbeltieren nur so wimmelte. "Siehst du seine formvollendete Schönheit? Und die Gewandtheit seiner Bewohner, die so fleißig zu seiner Vergrößerung beitragen? Sie haben ihre eigene kleine Stadt gegründet und haben sogar Straßen gebaut! Has du je etwas Schöneres und Faszinierenderes als diesen Ameisenhaufen gesehen mein Freund?", sprach Aragorn langsam und mit traumverlorener Stimme. Der Zwerg fiel aus allen Wolken. Nun war es endgültig bewiesen. Dieser Mensch war total übergeschnappt. Der war sicher Mitglied einer der "Gemeinschaften für Unintelligente" und diese durfte man ja, wie man wusste, nicht ernst nehmen! Und diesem Wesen hatte er sein Leben anvertraut! Er hätte sterben können! (Dass Aragorn ihn aus den Fängen der Schlingpflanze gerettet, in vor dem Verhungern bewahrt und aus der Hasenfalle befreit hatte, schob er in Gedanken beiseite. Das waren sicher alles nur große, glückliche Zufälle gewesen.) Nachdem er sich von diesem Schock erholt hatte, beschloss der Axtträger, sehr tapfer zu sein und den Verwirrten wieder zurück in den Schutz der Gemeinschaft zu bringen. Er wusste nur noch nicht, wo er eine solche finden konnte. Im Zwergedorf hatte man noch nie jemanden einer solchen Gemeinschaft gesehen, da alle Bartträger so bodenständig waren, dass sie einfach nicht unintelligent werden konnten und somit auch keine Gemeinschaft brauchten. Nur die Handelsreisenden hatten ihnen von solchen Gruppierungen erzählt und die Zwerge hatten mit angehaltenem Atem diesen ungeheuerlichen Geschichten gelauscht. Doch Gimli war zuversichtlich, dass er schon jemanden finden würde, der ihm einen Hinweis auf solche Leute geben konnte. Zuerst aber musste er darauf achten, dass Aragorn auch bei ihm blieb. Das hieß, er durfte ihn nicht verschüchtern, erschrecken oder enttäuschen. Und das bedeutete, dass sich der Zwerg unglaublich für diesen Ameisenhaufen interessieren musste.
"Oh, Aragorn! Das ist ja wundervoll! Ich habe noch nie so etwas Schönes gesehen! Erkläre mir doch bitte, wie dieses Zusammenleben der Ameisen funktioniert!", bat er seinen Schützling. Dieser tat das natürlich mit Begeisterung! Er erwachte aus seiner Trance und erklärte Gimli alle Einzelheiten, die er schon beobachtet hatte (darunter auch, dass es nur der Königin erlaubt war Sex zu haben) und das waren nicht wenige! Aragorn redete und redete und war nicht mehr zu bremsen. Erst als es schließlich dunkel zu werden begann, schaffte Gimli es, den Krabblerfreund dazu zu überreden seine Ameisenvolkszählungen am nächsten Tag fortzuführen (der Naturfreund wollte sich vergewissern, ob noch alle seiner Freunde und Freundinnen lebten und ob sie sich gut weitervermehrten, und und und) und jetzt ein Nachtlager einzurichten. Widerwillig rappelte sich Aragorn auf und baute in Windeseile aus den morschen Ästen eine Art Überdachung unter der der Zwerg und er die Nacht vor Regen geschützt schlafen konnten. Es sah zwar nicht nach Regen aus, doch der Zwerg hatte darauf bestanden (und wie er wusste, sollte man rotbärtigen Zwergen nicht widersprechen). Nun konnte er aber auch das Feuer selber anmachen, er würde wieder zu seinen kleinen Freunden zurückkehren. Gimli machte sich also murrend daran noch mehr Äste zu sammeln und ein Lagerfeuer zu entfachen, auf dem er die zwei Hasen, die der Waldmeister plötzlich aus den Untiefen seines Mantels gezogen hatte (was da wohl noch alles drin war), zu braten begann. Als sie gegessen hatten, wickelten sie sich in ihre Mäntel und Jacken und rollten sich unter dem provisorischen Dach zusammen, ohne darauf zu achten, ob wilde Tiere oder andere Wesen ihr Unwesen hier trieben. Wie sie bald feststellen sollten, war das ein schwerer Fehler gewesen!
A/N: die spannung steigt (hoffe ich doch g) wie wär's mit einer kleinen review?