6.
***Zuerst mal wieder ein Dankeschön an meine nun wohl schon Stammleser und ihrer hilfreichen Kritik und dem aufmunternden Lob. Es macht wirklich Spaß für euch zu schreiben. ***
Das Horn rief zum zweiten Mal und mit einem leisen Seufzen richtete Rûmil sich auf und trat aus der Höhle, wo er ein kleines Horn von seinem Gürtel nahm und Antwort gab. Dann ging er zurück zu Kharek. Seine Stimme klang bedauernd, als er ihm mitteilte, dass er ihn vorerst verlassen musste.
„Das ist das Signal für den Wachwechsel" erklärte er. „Ich muss zurück ins Dorf und werde erst heute Abend zurückkommen. Dass du hier in der Höhle bleibst zu deinem eigenen Schutz muss ich dir wohl nicht groß erklären."
Zuerst schien der Uruk etwas erwidern zu wollen, doch dann nickte er nur.
Er nahm seinen Wasserschlauch vom Gürtel und legte ihn Kharek hin, dann ging er zu einer der Truhen im rückwärtigen Teil der Höhlen, in denen sich auch Proviant befand, meist Elbenbrot, also Lembas, aber auch Streifen von getrocknetem Fleisch und Dörrobst, durch altes Wissen auf lange Zeit haltbar gemacht. Auch davon brachte er etwas zu Khareks Lager. Der Uruk beobachtete ihn interessiert und sagte nichts. Er schnupperte an den Sachen, welche Rûmil ihm hinlegte, aber er schwieg.
Ein letzter Blick, dann wollte Rûmil die Höhle verlassen. Ein letztes leises Knurren ließ ihn innehalten. Dieses Mal verstand er das Wort sofort, auch wenn es sich anhörte, als wäre es noch nicht oft über diese Lippen gekommen.
„Danke…" klang Khareks Stimme hinter ihm. Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen trat Rûmil den Rückweg zum Dorf an.
***
Kharek schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Ein seltsames Gefühl hatte sich seiner bemächtigt und hätte er ein Wort dafür gehabt, so hätte er es als friedlich oder harmonisch bezeichnet. Ihm war warm, seine Wunden schmerzten kaum, außer jener in seiner Seite, die immer noch unangenehm brannte. Er hatte Wasser und Nahrung, ein Dach gegen Regen und Wind und er hatte anscheinend etwas gefunden, was ihn weiter bringen konnte auf seiner Suche.
Seine Gedanken wanderten zurück zu den Tagen in denen er seinen Entschluss gefasst hatte, zuerst noch nur ein Einfall, erschreckend fast und so widersprüchlich zu seiner Natur, aber mit der Zeit immer klarere Formen annehmend.
Dann der Tag, an welchem er sein Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte, nicht ohne Probleme, nein ganz und gar nicht.
Seine Pranke legte sich auf die Flanke, in welcher der Schmerz pochte. Doch er hatte überlebt, er war entkommen, wild entschlossen etwas zu finden, was er in sich hoffte.
Er hatte die Geschichte so oft gehört, zuerst hatte er sie nicht verstanden und dann hatte sich dieser Gedanke in seinem Kopf festgesetzt. Allerdings begann er bereits zu zweifeln, nun, da er sie gesehen hatte, die beiden andere Hälften, edel, schön und stolz waren sie, nicht zu vergleichen mit den dunklen Schatten seiner Brut.
Und doch, in jedem Uruk-hai schlummerten auch Teile von Menschen und Elben, so hatten sie es ihm doch erzählt. Seine Finger hoben sich zu seinem Kopf, fuhren sanft die Umrisse des empfindlichen Ohres nach. Etwas derart filigranes und schön anmutendes passte nicht zu ihm hatte er manches Mal gedacht, wenn er sein Bild im klaren Wasser eines Tümpels betrachtete. Und doch war es ein Teil von ihm.
Kharek wollte es wissen, es ließ ihm keine Ruhe. Konnte er sein Dasein verändern? Seine Schritte auf neue Pfade lenken, einen neuen Weg gehen, ohne Krieg, ohne sinnloses Morden? Konnte er die anderen Seiten in sich wecken? Er wünschte es sich und er hoffte, dass der Elb…Rûmil…ihm dabei helfen konnte und würde.
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Rûmil musste sich auf dem Rückweg ständig zur Eile ermahnen, wollte er doch keine neugierigen Fragen beschwören, die sein zu spätes Heimkommen betrafen. Seiner Ablösung auf dem Wachtalan hatte er von einem Orküberfall aus Moria erzählt, was ja nahe an der Wahrheit war und zudem durch die Leichen der toten Orks auf der Lichtung bestätigt wurde.
Nun war er auf dem Weg ins Dorf, wo er sich möglichst rasch absetzen würde, um in der Abgeschiedenheit seines Talans über die Geschehnisse nachdenken zu können.
Nach einem rasch eingenommenem Nachtmahl verabschiedete er sich, sobald er meinte, es sei genug Zeit verstrichen und suchte seine Heimstatt auf. Er ließ sich auf die Felle und Decken fallen, welche ihm als Bett gereichten und seine Augen wanderten durch das schmale Fenster hinaus zum Himmel, wo die ersten Sterne ihr sanftes Licht durch Löcher in der zerfetzten Wolkendecke schickten.
‚Wenn er aus der Höhle schaut, sieht er dieselben Sterne' ging es ihm plötzlich durch den Kopf und er lächelte. was für ein seltsamer Gedanke, und dennoch wahr. Die Sterne schienen für alle Geschöpfe, welche sie sehen wollten, ohne zu urteilen, ohne zu verdammen oder zu bevorzugen. In ihrem sanften Licht waren alle gleich.
Rûmil schüttelte den Kopf. Er sollte wirklich schlafen, aber immer wenn er seinen Geist zur Ruhe schicken wollte glitten ihm wieder Bilder durch den Kopf, Khareks Rettung, er selbst, wie er die Wunden versorgte, die seltsamen Augen des Uruks, die fragend auf ihm ruhten… Er hörte Khareks Stimme, grollend, knurrend, aber nicht unfreundlich. Ein wahrlich wunderliches Geschöpf, welches ihm da wortwörtlich vor die Füße gestolpert war. Er blickte zuversichtlich auf den nächsten Tag, an dem er den Uruk wieder besuchen würde und endlich Antworten erhalten, auf die Fragen, die ihn so sehr beschäftigten.
Gerade, als er endgültig zur Ruhe kommen wollte durchzuckte es ihn wie ein Peitschenhieb: Was, wenn die Wächter die Lichtung untersuchten, nach weiteren Orks Ausschau hielten? Was, wenn sie die toten Orks untersuchen würden? Sicher, die meisten waren durch seine Pfeile gefallen, und Köpfe und andere Glieder konnte er mit dem Schwert abgehackt haben, doch war er nicht in der Lage einem Ork den Hals umzudrehen…oder vielleicht doch? Und was war mit den Spuren, die Kharek in dem weichen Gras hinterlassen hatte, und noch schlimmer, konnten sie die Spuren finden, die er selber verursacht hatte, als er den Uruk zur Höhle schleppte?
Rûmil sprang auf, jetzt war es um seine Ruhe geschehen. Vor seinem inneren Auge sah er bereits die Wächter auf die Höhle zu schleichen, tödliche Pfeile im Anschlag.
Vielleicht würde Kharek sie hören, aber er war ziemlich hilflos mit dem verletzten Bein. Und vielleicht würde er auch denken, dass er zurück kam und mit erwartungsvollem Blick auf den Höhleneingang blicken, nicht wissen, dass sich sein Tod näherte.
Rûmil flog förmlich über den weichen federnden Waldboden dahin, sein Herz klopfte hart gegen seine Brust in Sorge um ein Wesen, welches er noch vor wenigen Tagen mit einem kalten Lächeln niedergestreckt hätte.
Da war der Wachtalan und schon kam der Ruf, er möge sich zu erkennen geben. Vor Erleichterung wurden ihm beinahe die Knie weich, als er sah, dass beide Wächter auf ihrem Posten waren und schnell nannte er seinen Namen. Er kletterte hinauf und Feonen schaute ihn fragend an.
„Was treibt dich hierher mitten in der Nacht? Deine Schicht ist doch am Tage? Gibt es ein Problem? Wir hörten keinen Alarm?"
Rûmil winkte ab. „Nein, alles ist ruhig, und es besteht kein Grund zur Sorge, ich habe nur…ich wollte nur…ähm…"
Er geriet ins Stocken auf der Suche nach einer Ausrede für sein Kommen, da fiel sein Blick auf seinen Gürtel und eben dort fand er die Lösung.
„Ich habe mein Messer verloren, auf der Lichtung, als ich die Orks aufscheuchte, und da es ein Geschenk von Haldir war, kann ich nicht ruhen, ehe ich es wieder habe."
Die Wächter schienen ihm zu glauben und wünschten ihm viel Glück bei der Suche, boten sich sogar an ihm zu helfen, was Rûmil zu seiner Erleichterung jedoch abwenden konnte.
Rasch verließ er den Talan und huschte durch die Bäume zu der Lichtung, auf welcher der Kampf stattgefunden hatte. Erst als er sicher war, dass er außer Sicht der Wächter war, schlug er einen Bogen und erreichte so die Höhle. Ein kurzer Blick hinein zeigte ihm, dass Kharek schlief, ein leises monotones Schnarchgeräusch drang an seine Ohren und beruhigt machte er sich auf den Rückweg.
Doch ihm war bewusst, dass es keine Dauerlösung war, den Uruk dort unter zu bringen, er würde einen anderen Ort finden müssen, oder den anderen von ihm erzählen. Aber gegen letzteres sträubte sich alles in ihm, denn er konnte sich einfach nichts anderes vorstellen, als dass sie ihn aufspüren und töten würden, ungeachtet seiner Andersartigkeit.
Wieder in seinem Talan war ihm immer noch keine praktikable Lösung eingefallen, dafür spürte er, wie tiefe Müdigkeit ihn überkam und er beschloss, seine Gedanken auf den morgigen Tag zu verschieben. Morgen…endlich Antworten, weitere Schritte auf diesem fremden Weg in eine ungewisse Zukunft.
Mit dem Bild von schwefelgelben Augen, welche fragend und zugleich voller Hoffnung auf ihm ruhten glitt Rûmil nun in tiefen Schlaf.
Über dem Talan, dem Elbendorf, der Lichtung voller toter Orks und der kleinen versteckten Höhle wachten die Sterne mit ihrem friedlichen Licht, ohne zu werten, ohne zu verdammen oder zu bevorzugen…
***Und wieder eins geschafft, wenn auch dieses Mal eher ein ruhiges Kapitel, mal abgesehen von Rûmil, der sich die Hacken abrennt in Sorge um „seinen" Uruk *g* Naja, ist ja noch mal gut gegangen. Meldet euch, damit ich weiß, ob es sich lohnt meine weiteren Gedanken zu Papier zu bringen, denn da sind noch eine Menge, auch wenn die Geschichte in meinem Kopf nun fertig ist.***
