14. Unerwartete Begegnung
Kharek hatte eine ganze Weile im Schatten einer alten Eiche gesessen, hatte die Vorräte im Rucksack noch mal überprüft und neu eingeräumt, dann aus Gewohnheit die Wasserschläuche neu gefüllt. Dabei war ihm in den Sinn gekommen, dass er auch am Ufer warten könnte und dabei ein wenig die Füße kühlen.
Also begab er sich an eine flache Stelle des Bruinen, der hier zwischen den lichten Bäumen einherfloß, legte Hose und Stiefel ab und watete in das frische Wasser. Sicher, er ermüdete nicht rasch, aber dennoch mochte auch er eine Erfrischung von Zeit zu Zeit. Nach einiger Zeit, beschloss er auch die schwere Lederrüstung abzulegen und die Tunika aus rauem Rupfenstoff folgte kurz darauf. Der leichte Wind kühlte seine Haut und erfrischte ihn zusätzlich.
Kharek ließ sich nach hinten überfallen, die Füße im Wasser blickte er zu den Wolken auf, die er durch die Baumkronen vereinzelt sehen konnte und dachte mal wieder darüber nach, wie sich sein Dasein gewandelt hatte, nachdem er es endlich geschafft hatte, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Und er war sicher nicht böse darüber. Er fragte sich, wie wohl die Elben in Bruchtal auf Rûmils Geschichte reagieren würden? Vielleicht waren sie toleranter, eher bereit zuzuhören und sich ein eigenes Bild zu machen. Rûmil schien große Stücke auf diesen Elrond zu halten und Kharek war sehr neugierig auf diesen Elben. Überhaupt, nach allem, was er bislang gesehen hatte, schien es ein Ort zu sein, an dem es sich gut leben ließ.
Ein Geräusch zu seiner Rechten riss ihn jäh aus seinen Überlegungen und er wandte den Kopf in die Richtung. Mit einem erschrockenen Grunzen wollte er sich aufrappeln, doch eine laute Stimme hielt ihn zurück, während die auf ihn gerichteten tödlichen Pfeilspitzen keinen Zweifel daran ließen, dass er nicht in der Position war, um eine Diskussion anzufangen.
„Rühr dich nicht, Orkbrut, oder ich gebe dir meinen Pfeil zwischen die Augen. Wo ist der Rest deiner Truppe? Warum seid ihr hier? Antworte, oder stirb gleich"
In Khareks Magen bildete sich ein Klumpen aus Eis, so fühlte es sich an, als sich seine Hoffnungen so jäh in diese unmittelbare Bedrohung verwandelten. Sollte jetzt alles vorbei sein, bevor er überhaupt eine Gelegenheit hatte, seine wahren Absichten zu zeigen? Er verhielt sich absolut still, darauf bedacht keine falsche Bewegung zu machen, während er die beiden Elben kurz musterte, die sich ihm langsam näherten, wobei er eine interessante Entdeckung machen.
‚Es sind Zwillinge…absolut identisch…' dachte er bei sich.
***
Elladan tauschte einen kurzen Blick mit seinem Bruder. Der Uruk war schlau, er bewegte sich nicht, aber er antwortete auch nicht, nur seine gelben Augen glitten in einem kurzen Aufflackern erst über ihn, dann über Elrohir hinweg. Allerdings sagte er auch nichts, er saß nur da, gekleidet in einen speckigen Lendenschurz aus Leder, die Füße im Wasser, eine Lederrüstung neben sich und…
‚Er hat keine Waffen bei sich, wie merkwürdig. Obwohl ein Tier wie er sicher keine braucht um sich zu verteidigen.'
Er drehte sich zu seinem Bruder um.
*"Elrohir, ich glaube er versteht uns nicht, was meinst du? Ich mag ihn nicht einfach töten, ohne zu wissen, welche Gefahren noch hier lauern."*
Der Angesprochene blickte kurz zwischen seinem Bruder und Kharek hin und her.
*"Dann sollten wir ihn vielleicht mitnehmen, nur weiß ich dann nicht, wie wir das anstellen, wenn er uns nicht versteht. Frag ihn noch mal."*
Elladan nickte und funkelte Kharek erneut an.
„Los antworte du Biest, ich gebe dir ein letztes Mal die Gelegenheit dazu. Wo sind die anderen Orks? Rede endlich, wenn du mich verstehst!"
Kharek seufzte leise, während er fieberhaft nach den richtigen Worten suchte, um sich zu erklären. Vermutlich war es am besten, wenn er einfach die Wahrheit sagte. Ruhig atmete er ein und verkniff sich gerade noch rechtzeitig das Kollern, welches er sonst beim Ausatmen machte. Die beiden Elben konnten es falsch deuten, was ziemlich fatal wäre. Er bemühte sich dann seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben.
„Es gibt
keine anderen Orks hier. Mein Name ist Kharek und ich bin allein hier. Ich warte
auf einen Freund, der aber kein Ork ist, sondern ein Elb, wie ihr auch."
Weiter kam er nicht, denn Elladan brach in ein kaltes Lachen aus.
„Wem
möchtest du das erzählen Orkbrut? Allein hier? Du wartest auf einen Elben? Ich
wusste gar nicht, dass Uruks Humor haben. Wenn du uns also nicht die Wahrheit
sagst, dann verabschiede dich von deinem überflüssigen Dasein."
Er zog die Sehne seines Bogens fester an, bereit den Pfeil ab zu schießen, doch die Stimme seines Bruders hielt ihn zurück.
*"Warte Bruder, da waren Spuren an der Furt, die durchaus von einem Elben stammen könnten, wir sollten ihn doch mitnehmen und zu Glorfindel bringen."*
Elladan zögerte tatsächlich, warf einen abschätzenden Blick auf den großen Ork.
„Gut, dann werden wir ihm Fesseln anlegen und ihn zu Glorfindel bringen, aber sollte er nur den kleinsten Versuch eines Angriffes oder einer Flucht zeigen, dann töten wir ihn."
Elrohir nickte und zog dann die Stricke aus der Satteltasche, mit denen sie noch vor kurzem ein Brückengeländer repariert hatten.
Kharek, der hier seine Möglichkeit sah, es doch noch zum Guten zu bewenden, streckte seine Hände nach vorne, zum Zeichen, dass er die Worte verstanden hatte und bereit war zu kooperieren.
Dieses Verhalten brachte ihm den nächsten erstaunten Blick der beiden Elben ein, doch Elladan nahm seinem Bruder die Stricke aus den Händen und band Kharek die Handgelenke fest zusammen, während Elrohir den Bogen auf den Uruk gerichtet hielt.
Dann nickte der ältere Zwilling seinem Bruder zu und der begab sich nun auf die andere Seite, so dass er von hinten auf Kharek zielte, während Elladan die Führung übernahm und sie sich nun zu dritt auf den Weg über die Furt nach Imladris machten.
Kharek war einerseits froh, dass er noch am Leben war, aber andererseits gefiel ihm der Gedanke nicht, dass Rûmil eben nun dort war, um für ihn zu sprechen und er nun als Gefangener in das Elbendorf gebracht wurde. Er hatte seinen Freund enttäuscht und das war kein schönes Gefühl. Mit schwerem Herzen tappte er nun auf bloßen Füßen zwischen den beiden Elben her.
Sie führten ihn auf einem breiten Pfad vorbei an alten Bäumen und kleinen Gebäuden, die sich nahtlos in die Landschaft einfügten, bis in einen Hof, wo er schon von weitem die Pferde riechen konnte, ehe er die Gebäude der Stallungen sah, welche flankiert wurden von langen einstöckigen Gebäuden, vor denen mehrere Elben beschäftigt waren, Rüstungen zu reparieren und Schwerter zu schleifen.
Als sie jedoch die Zwillinge und ihren Gefangenen erblickten, da gerieten sie in Aufruhr und kamen ihnen entgegen. Sie riefen etwas in der Sprache, welche Kharek nicht verstand.
*"Sie haben einen gefangen, sie bringen einen Ork mit, einen der Uruk-hai!"*
Kharek bemühte sich, niemanden direkt anzusehen, er hob nicht einmal den Blick, sonst hätte er vielleicht an einem Fenster in einem der hohen Gebäude im Hintergrund ein vertrautes Gesicht erblickt, welches sich in großer Sorge verdunkelte, ehe der Elb seinen Platz verließ um einen Weg zu den Stallungen zu finden…
***
***So, und hier muss ich euch wieder verlassen, denn mein Bett ruft nach mir…aber wenn alles gut geht, dann bekommt ihr schon morgen ein neues Kapitel von mir. Gute Nacht und liebe Träume an all die Lieben, welche es sich nicht nehmen lassen, mir nach jedem Kapitel Mut machen, weiter zu schreiben…*knuddels* ***
