16. Eine verhängnisvolle Nacht
Zwei Wochen waren vergangen, seit jener denkwürdigen Verhandlung auf dem Ratsplatz und noch immer hatte sich die Aufregung nicht ganz gelegt. Nach wie vor waren viele Elben von Glorfindels Urteil geradezu geschockt, während der andere Teil seine Weisheit lobten und bereit war zumindest vorerst zu beobachten und zu sehen, wie weit er Recht behalten würde.
Weder Kharek noch Rûmil ließen sich von dieser Unruhe stören, sie verbrachten viel Zeit bei Glorfindel und Erestor, die dem Ork eine Menge erzählten und so seinen Wissensdurst zu stillen versuchten. Kharek hatte viele Fragen, er wollte verstehen wie alles gekommen war, die Hintergründe des Ringkrieges, Sarumans Rolle und einfach alles über die Orks, was den Elben bekannt war, egal ob es nun Legenden, Gerüchte oder Wahrheit war. Rûmil leistete ihm gern Gesellschaft in diesen Stunden und Kharek erwies sich als sehr gelehrig.
Zu anderen Zeiten streiften die beiden durch das Tal und entdeckten viele schöne Orte, oder sie gingen auf den Übungsplatz und maßen sich mit Schwert und Bogen, wobei Kharek seine sehr guten Fähigkeiten unter Beweis stellte. Die meisten Elben, die sie trafen, begegneten ihnen eher mit einer freundlichen Zurückhaltung, manche sogar mit Neugier, aber es gab auch jene, die keinen Hehl aus ihrer Abneigung machten und sie feindselig betrachteten. Rûmil bekam zu Ohren, dass er abfällig „Orkfreund" genannt wurde und Kharek eben „Orkbrut", doch ins Gesicht sagte es ihnen niemand. Glorfindel bat sie Geduld zu haben, denn große Veränderungen erforderten ein langsames Umdenken, um erreicht zu werden.
Also bemühten sie sich keinen Anlass zu übler Nachrede zu geben und keinem zu nahe zu treten, der es nicht wünschte.
Rûmil wurde bald in den Tagesablauf eingebunden, er nahm an Patroullienritten teil, an den Kampfübungen, den Abendlichen Gesang- und Lesestunden, doch bei alledem vergaß er Kharek nicht und besuchte ihn so oft es ihm möglich war in seinem Quartier. Die Tür wurde übrigens nicht verschlossen, Glorfindel vertraute auf das Wort des Uruks, dass er das Gebäude nicht ohne Erlaubnis und Rûmils Begleitung verlassen würde. Und er hatte Recht damit.
Auch an diesem Abend war Rûmil erst bei Kharek gewesen und dann zur Halle des Feuers gegangen um sich dort mit den anderen zu treffen und Liedern und Geschichten zu lauschen. Er hatte Kharek Glorfindels Einladung überbracht mitzukommen, aber der Uruk hatte abgelehnt, denn in so großer Nähe zu den anderen Elben fühlte er sich nicht wohl, zu groß war noch immer die offene Abneigung, die viele zur Schau stellten. So war Rûmil mit leichtem Kummer im herzen allein gegangen, doch er erreichte die Halle nicht, denn kurz vorher drang ein Warnruf an seine Ohren, begleitet vom hellen Klang der Alarmglocke, die einer der Grenzwächter schlug und deren Signal sich rasch von Posten zu Posten ausbreitete. Etwas war geschehen, Gefahr war im Verzug und schon rannten die ersten Elben aus Richtung der Wächterhäuser an ihm vorbei, Schwerter und Bögen bei sich, bereit jeder Gefahr zu begegnen.
*"Was ist passiert? Was sagt das Signal?"* versuchte Rûmil rasch zu erfragen und tatsächlich hielt einer der Wächter inne, welchen er als Alagosion erkannte.
*"Orks am Westrand des Tales, wir werden angegriffen…"*
Rûmil zögerte nicht lange, er machte auf dem Absatz kehrt und eilte zu seinem Quartier, welches nicht weit von Khareks entfernt lag, da er es sich so erbeten hatte. Er holte seine Waffen und machte sich auf den Weg, den die anderen Wächter genommen hatten, teils zu Fuß, teils auf Pferden, deren Hufschlag ihm deutlich die Richtung wies.
Doch er machte erst noch Halt an Khareks Gebäude, wo er den Ork mit besorgter Mine am Fenster stehend fand. Kharek drehte sich herum, als er die Tür hörte und sein fragender Blick traf Rûmil.
„Was haben diese Glocken zu bedeuten, Rûmil, es ist große Aufregung im Tal und ich hörte viele Füße an meiner Tür vorbeilaufen…?"
Rûmil trat zu Kharek und legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Es gibt einen Überfall auf das Tal, Kharek. Die Wächter sind auf dem Weg die Orks zurück zu schlagen."
Khareks Blick blieb an Rûmils Schwert hängen.
„Und du gehst mit ihnen? Lass mich an deiner Seite kämpfen, ich kann helfen…"
Rûmil schüttelte den Kopf.
„Nein Kharek, ich möchte nicht, dass du in der Hitze des Kampfes mit dem Feind verwechselt wirst und ich möchte es zwar niemandem unterstellen, aber noch immer gibt es hier Elben, die dir nicht wohlgesonnen sind und die eine „Verirrung" ihres Schwertes billigend in Kauf nehmen würden, wenn du verstehst…"
Kharek nickte widerstrebend, es fiel ihm schwer Rûmils Einwand zu akzeptieren, aber er wusste, dass es die Wahrheit war. Schweren Herzens willigte er ein, sich aus dem Kampfgeschehen heraus zu halten und Rûmil ziehen zu lassen. Als dieser gegangen war lief Kharek unruhig auf und ab, sah aus dem Fenster und strengte seine Ohren an, aber er konnte weder etwas sehen noch etwas Eindeutiges hören, was den Kampf betraf. Sicher konnte er Waffenklirren ausmachen, die Rufe der Elben und das kehlige Brüllen der Orks, welches seltsam vertraut klang. Die Haare in seinem Nacken stellten sich auf, als er erkannte, dass die keine gewöhnlichen Orks waren, sondern Uruks, deren kehlige Sprache er selbst über die Entfernung hin ausmachen konnte.
Vor seinem geistigen Auge tauchte plötzlich das Bild Rûmils auf, von den großen Orks in die Enge getrieben und sein Blut wallte heiß auf, ein leises Knurren entrang sich seiner Kehle. Entschlossen stieß er die Tür auf und stapfte, den Befehl missachtend hinaus und den Pfad entlang, den Spuren der Elben folgend.
Er brauchte nicht weit zu gehen, der Kampflärm wies ihm den Weg und schon konnte er die ersten Kämpfenden sehen. Tatsächlich waren es sicher drei Dutzend Uruks gegen die halbe Zahl von Elben, die aber durch Bögen und Pferde einen kleinen Vorteil hatten. Doch die Uruks empfanden keinen Schmerz und ließen sich nur durch den Tod aufhalten. Viele Elben trugen Wunden durch die klingen der Feinde und ein paar lagen gar erschlagen auf der Lichtung. Kharek kam an einem toten Ork vorbei und entriss ihm das Schwert aus der erkalteten Pranke. Er fand Rûmil in einem erbitterten Zweikampf mit einem riesigen Ork, mit dem Rücken an einen breiten Baum gedrängt. Mit einem wütenden Knurren kam er seinem Freund zu Hilfe und köpfte den Ork, welcher Rûmil bedrängte. Der Elb starrte mit Schreckgeweiteten Augen auf seinen Freund. Und das zu Recht, denn Khareks Gesicht war zu einer zornigen Fratze verzerrt, er hatte das blutige Schwert erhoben und ein heiseres Knurren kam aus seinem Maul mit den entblößten Fängen. Für jemanden, der ihn nicht kannte, war er von den angreifenden Uruks nicht zu unterscheiden.
Und eben dieses wurde zu seinem Verhängnis denn eben nun bohrte sich ein Pfeil in seinen Arm, so dass er das Schwert fallen ließ. Er hatte keinen Trunk genommen, so fühlte er den Schmerz heiß in sich aufwallen. Mit einem zornigen schmerzerfüllten Fauchen fuhr der Uruk herum, direkt in die Klinge des angreifenden Elben, die ihn in den Bauch fuhr, von der Rüstung um einige lebensrettende Zentimeter abgelenkt, doch heißes schwarzes Blut floss aus der tiefen Wunde und Kharek griff rasend vor Schmerz zu und schmetterte den Körper des Elben gegen den nächsten Baum, von welchem er abprallte und dann leblos liegen blieb. Das letzte was der große Ork sah, war Rûmil, der ihn fassungslos anstarrte, das Gesicht verzogen zu einer Maske aus Unglauben und…Abscheu…
Die schwarze warme Dunkelheit der Ohnmacht streckt ihre Arme aus und nahm Kharek sanft und gnädig in Empfang.
***Sorry, wieder mal ne blöde Stelle um aufzuhören, ihr dürft mich auch (verbal) hauen dafür, solange ihr weiter so lieb und motivierend reviewt. Ich beeile mich auch mit den Updates, versprochen. ***
