17. Licht und Schatten

*"Nein, dass kannst du nicht von mir verlangen!"*

Gloráre schüttelte aufgebracht den Kopf, ihre blauen Augen waren dunkel vor Zorn, als sie nun den anderen Elben anfunkelten.

Glorfindel seufzte leise. Sie war nicht die Erste, welche seine Entscheidung in Frage stellte, aber er würde sich nicht davon abbringen lassen.

Er hatte Kharek nach dem Kampf ebenso wie die Verletzen Elben in die Hallen der Heilung bringen lassen, Häuser in denen nun je vier Verwundete auf Genesung hofften und der Uruk war einer davon. Die Elben waren mehr als überrascht gewesen, als Glorfindel angeordnet hatte, dass auch Kharek hier her gebracht werden sollte, vor allem nachdem, sie ihm berichtet hatten, dass der Ork einen Elben getötet hatte. in ihren Augen verdiente Kharek den Tod und nicht die Hilfe der Heiler.

*"Gloráre, bitte glaub mir, ich habe meine Gründe so zu handeln. Und es ist deine Pflicht als Heilerin JEDEN Verwundeten gleich zu behandeln und zu versorgen. Ich werde nicht vorschnell urteilen, du solltest mich gut genug kennen, um das zu wissen. Sicher kenne ich die Berichte der Wächter, aber ich möchte auch hören, was Kharek zu sagen hat. Ich werde niemanden vorschnell verurteilen, das habe ich nie getan und ich fange jetzt nicht damit an."*

Glorfindel erwiderte den zornigen Blick der jungen Elbe ruhig und liebevoll. Er wusste ja, was sie so auffahren ließ, sie hatte durch die Hände der Orks ihren Mann verloren und diesen Verlust noch nicht verwunden. Aber er hoffte, dass er sich nicht irrte und sie hier eine Möglichkeit finden würde sich mit eben diesen Dingen auseinander zu setzen und neue Erkenntnisse zu erlangen. Sollte er sich jedoch geirrt haben...

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des blonden Elben. Dann würde er Khareks Tod nicht verhindern können, ihn sogar noch befehlen müssen. Aber noch war nichts entschieden und er wollte einfach weiter hoffen und optimistisch bleiben.

Gloráre stemmte die Hände in die Hüften und noch immer blickte Glorfindel zornig an, aber in seinen Augen konnte sie lesen, dass er sein Urteil zumindest in dieser Angelegenheit bereits gefällt hatte und aus Erfahrung wusste sie, dass sie hier nun nichts mehr erreichen konnte.

*"Gut, dann akzeptiere DU auch, dass ich nicht jetzt damit anfange meine Gefühle zu verdrehen, denn das kann ich nicht. Ich werde tun, was meine Aufgabe ist, aber wie ich es tue, dass wirst du mir überlassen müssen…Ada..."*

Mit diesen Worten ließ sie ihn einfach stehen und lief den Gang entlang, welcher zu den Hallen der Heilung führte. Das zeugte sicher nicht von guter Erziehung, aber hätte sie dieses Gespräch noch einen Moment weiter führen müssen, dann hätte die vermutlich Worte gesagt, die ihr später leid getan hätten.

***

Glorfindel blickte seine Tochter nach, er war nicht wütend auf sie, eher ein wenig traurig, dass sie sich so verschloss: er würde sie später aufsuchen, wenn sich ihr erster Zorn gelegt hatte und dann versuchen noch einmal in Ruhe mit ihr zu sprechen.

Er ging dann zurück in sein Arbeitszimmer, in welchem Erestor auf ihn wartete. Dessen Gesicht drückte fast dieselbe Missbilligung aus, die er bereits in so vielen anderen gelesen hatte, doch paarte sie sich hier mit dem Wunsch nach Verständnis.

Mit einem leisen Seufzen trat Glorfindel an die Seite des dunkelhaarigen Elben und zusammen blickten sie einen Moment schweigend über das nun wieder stille Tal hinweg. Als Erestor zu sprechen begann, klang seine Stimme ruhig und verhalten, als fürchte er ein zu lautes Gespräch könnte den zerbrechlichen Frieden des Augenblickes zerstören.

*"Drei von uns sind gefallen, sieben verwundet…die Uruks sind alle vernichtet…bis auf einen…"*

Glorfindels Hände umfassten den Fenstersims fest, seine Knöchel traten ein wenig hervor, als er eine harte Antwort herunterschluckte.

*"Dieser eine, den du meinst, stand nicht auf Seiten der Angreifer."* presste er dann hervor.

Erestor hob eine Augenbraue, noch immer mied er den Blick des anderen Elben.

*"Woher willst du das wissen? Du warst nicht dort…ich hörte er habe einen Elben angegriffen, Lhûnrhofal wurde durch die Hand des Orks, den du hier in Schutz nimmst getötet. Das kannst du nicht leugnen, es wurde von mehreren gesehen."*

Fester wurde Glorfindels Griff um das harte Holz des Fensterbrettes, doch seine Stimme blieb beherrscht.

*"Und andere sahen, dass ein Elbenpfeil in Khareks Arm steckte, das Lhûnrhofal ihn mit dem Schwert schlug. Und nun sag mir, wenn ein Pfeil so gezielt abgeschossen werden kann, dass er genau den Muskel trifft, der den Griff des Schwertes bestimmt, ist es dann nicht möglich, wenn du nur einen Schritt entfernt von jemandem stehst zu erkennen, um wen es sich handelt? Kharek sah sicher nicht aus, wie die Angreifer, zumindest nicht, für jemanden, der einen Unterschied sehen will. Ja, du hast Recht, ich war nicht dort, und ich habe verschiedene Dinge gehört zu dem was geschehen ist, aber bislang nur aus den Mündern von Elben. ich möchte nun auch Khareks Version hören."*

Erestor wandte den Blick vom Fenster und schaute Glorfindel an, als traue er seinen Ohren nicht.

*"Das ist sicher nicht nötig und Lord Elrond hätte niemals…"*

Hier unterbrach ihn der blonde Elb nun doch recht harsch.

*"Was Elrond getan hätte, werden wir wohl nicht erfahren, aber wenn es dir so wichtig ist, dann reise zu den Anfurten und segle nach Valinor um ihn zu fragen, doch bin ich mir sicher, dass er nicht zurück kehren wird, um mich in Frage zu stellen."*

Erestor errötete ob dieses Tadels und wandte sich abrupt der Tür zu.

*"Ich bin nicht der einzige, der sich hin und wieder über deine Entscheidungen wundert, aber dieses Mal werde ich es sicher nicht einfach so hinnehmen…"*

Mit diesen Worten verließ er ohne Verabschiedung das Zimmer und ließ einen ihm verwirrt nachblickenden Glorfindel zurück.

***

Gloráre wartete geduldig, bis Celoniell den Verband angelegt hatte und dann mit fragendem Blick zu ihr trat. Dann brachte sie eilig ihre Bitte vor.

*"Celoniell, ich kam um dich zu bitten mit mir die Häuser zu tauschen. Ich kann in meinem nicht arbeiten und wäre dir daher sehr dankbar, wenn du an meiner Stelle dorthin gehen könntest."*

Celoniell legte überrascht den Kopf schräg, bei diesen Worten. Gerade wollte sie fragen, was Gloráre dazu brachte solch eine Bitte zu äußern, da erinnerte sie sich an den schrecklichen Verlust, welchen ihre Freundin erlitten hatte, den Mann verloren, den sie liebte, durch die Hände von Orks, welche damals die kleine Patroullie überfallen hatten. Und nun lag der Uruk-hai, welchen sie Kharek nannten in eben ihrem Haus und sie sollte sich fürsorglich um ihn kümmern.

Celoniell schaute ihr sanft in die Augen und es kümmerte sie, dass sie diese Bitte nicht erfüllen konnte.

*"Gloráre…ich kann verstehen, warum du meinst nicht in deinem Haus arbeiten zu können, dennoch muss ich dir diese Bitte abschlagen, denn ich werde nicht von der Seite meines Gefährten weichen, welcher hier schwer verletzt liegt und direkt daneben mein Bruder. Du wirst dich überwinden müssen, aber wenn es dir gar zu schwer fällt, dann lass es mich wissen und schaue zwischendurch bei dir herein."*

Zuerst hatte Gloráre eine scharfe Ablehnung des Angebotes auf der Zunge, aber dann nickte sie nur schweigend, ihre Verärgerung herunterschluckend. Sie würde sich einfach nicht um den Ork kümmern und wenn Celoniell dann vorbeikam, würde sie ihr diese Aufgabe überlassen.

*"Danke Celoniell, damit hilfst du mir schon sehr…ich werde nun gehen und mich um meine Patienten kümmern."*

Sie wandte sich nun dem Gang zu, welcher zu ihrem Bereich der Halle führte. Dort waren die Verwundeten bereits auf die Betten gelegt worden, frisches Wasser war da und Lampen tauchten den Raum in warmes helles Licht. Zwei Helferinnen waren gerade dabei die Wunden zu reinigen. Gloráre ging herum und ließ sich die Verletzungen schildern, ordnete dann die Erstversorgung an, welche ihre Novizinnen übernehmen konnten.

Doch ein Bett mied sie. Kharek lag auf einer einfachen Pritsche in einem Winkel des Raumes, etwas separat von den anderen. Hier war es auch nicht so hell, denn hier standen keine Lampen. Gloráre biss fest die Zähne aufeinander, als eine der Schülerinnen sie fragte, was denn mit dem verletzen Uruk zu tun sei.

Dann zwang sie sich ruhig zu atmen, denn vor den jungen Elbinnen wollte sie sich keine Blöße geben. Aber sie würde sich nicht nähern, dass stand für sie fest. Die beiden anderen konnten dass nach ihrer Anleitung übernehmen.

*"Reinigt seine Wunden, stoppt die Blutung wenn möglich, wie ich es euch gezeigt habe, dann lasst ihn einfach in Ruhe. Er bedarf keine besonderen Aufmerksamkeit."*

Die beiden Mädchen machten sich sogleich an die Arbeit und Gloráre ging um nach den Elben zu sehen, die schwerer verwundet worden waren und größerer Heilkunst bedürften.

***

Endlich kehrte Ruhe ein, dass Stöhnen und Seufzen der Verwundeten wurde weniger, als die sanften Schlafmittel Wirkung zeigten. Gloráre ging im Erwachen des frühen Morgens mit einem Wasserkrug herum und gab denen, die danach verlangten zu trinken.

Gerade wollte sie sich wieder zurückziehen zu dem bequemen Kissen, auf dem sie über den Heilschlaf ihrer Schützlinge wachte, da drang ein heiseres Krächzen an ihre Ohren.

„Bitte…Wasser…"

Sie drehte sich zu dem Sprecher um und ihre Augen funkelten in die Dunkelheit von Khareks Nische hinein. Sie zwang sich einen Schritt auf ihn zuzugehen…dann noch einen, bis sie direkt in die hässlichen gelben Augen blicken konnte, die selbst im Schmerz noch heimtückisch funkelten. Augen, die sie im Schlaf verfolgten…das letzte was ihr Mann von dieser Welt gesehen hatte, wie sie sich immer wieder sagte. Und einer solchen Kreatur sollte sie nun helfen?

Gloráre schüttelte den Kopf und unterdrückte den Drang Kharek das Wasser einfach über den Kopf zu schütten, aber eine solche Verschwendung wollte sie dann doch nicht begehen, immerhin müsste sie dann neues Wasser holen. Also zwang sie sich noch einen Schritt weiter, so dass sie neben der Pritsche stand. Ihre Augen waren wie Eiskristalle in der Dunkelheit.

Kharek spürte die Flüssigkeit, die ihn im Gesicht traf, über seine Lippen, Nüstern und Wangen spritzte. Warm und ein wenig zähflüssig…in seine Augen trat ein neuer Ausdruck…Verzweiflung…

„DAS ist das einzige Wasser, welches ich für dich erübrigen kann, Orkbrut!"

fauchte Gloráre ihn an, während sie einen letzten Speicheltropfen von ihrem Mund wischte. Dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und stürmte aus dem Raum, auf den Gang, wo sie auf einem kleinen Balkon an der frischen Luft um Fassung rang.

Kharek hob den unverletzten Arm und wischte den Speichel fort. In seinem Herzen breitete sich ein Gefühl aus, für das er keinen Namen hatte und zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich tot zu sein…

Während vor den Fenstern der Halle, das frühe Licht vom Erwachen des neuen Morgens kündete, nahm in Khareks Inneren die Dunkelheit zu.

***

***Ist etwas länger geworden, aber dieses Kapitel hatte ich schon länger im Kopf und mochte es auch nicht stückeln. Ich hoffe es gefällt euch, auch wenn es Kharek gerade nicht leicht hat…lasst es mich einfach wissen…ich arbeite schon am nächsten Kapitel…***