18. Zweifel und Hoffnung
***Soso, da wollt ihr alle wissen, wo denn der Rûmil steckt? Na dann mache ich doch mal mit ihm weiter und lasse Gloráre erst einmal Luft schnappen und Kharek das Erlebte überdenken. Und zu der Frage, woher denn Glorfindel eine Tochter hat kann ich nur sagen, er hat sie genauso bekommen, wie andere Elbenväter, indem er nämlich mit der Mutter etwas gemacht hat, was beiden viel Spaß machte *g* Und zur Mutter…tja, eigentlich wollte ich Glorfi allein erziehend lassen, denn wer einen Balrog erschlägt, der wird wohl auch mit einer störrischen Tochter fertig. *g* ***
Blut, überall klebte schwarzes geronnenes Blut an ihm, an Händen, Armen, Kleidung, Rüstung, sogar im Gesicht und den Haaren. Angewidert blickte Rûmil an sich herunter, dann entledigte er sich mit raschen Griffen von Kleidung und der Lederrüstung. Aufatmend watete er ins kühle Wasser des Bruinen, dessen Nebenarm sich hier durch ein kleines Waldstück schlängelte. Gewissenhaft wusch er sich von dem geronnenen Blut rein, spülte den Dreck des Kampfes fort. Aber was er nicht abwaschen konnte war das dumpfe Gefühl in seinem Herzen und der schale Geschmack in seinem Mund. Immer wieder sah er Kharek vor sich, so voller Zorn, wild und gefährlich. Wie hatte er nur seine Augen derart verschließen können, glauben können, dass die Bestie nicht mehr in dem Ork schlummerte? Er war blind gewesen, geblendet von der Hoffnung auf einen neuen Weg. Er hatte leichtfertig sein Vertrauen gegeben ohne gewissenhaft zu prüfen, ob es angebracht war.
Kharek hatte einen Elben getötet, in wilder Raserei hatte er den Körper gegen den Baum geschleudert, wo dem Wächter das Genick und der Kopf zerschmettert worden waren. Er war tot, ehe er auf den Boden prallte, so viel Wucht hatte in dem Wurf gelegen. Und er, Rûmil hatte dieses Verderben nach Bruchtal gebracht, hatte andere mit seinem blinden Vertrauen angesteckt und bekam nun die Rechnung präsentiert.
Mit einem leisen Frösteln stieg er aus dem Wasser und sah an sich herunter. Bis auf ein paar Prellungen und kleine Schnitte war er unverletzt geblieben. Während er nun seine Unterkleidung wieder anzog, begannen seine Gedanken zurückzuwandern zu dem Kampf und Khareks Rolle dabei. Der Uruk war zuerst zur Stelle gewesen, um ihm zu helfen, so schien es zumindest in jenem Moment. Doch dann, nachdem er den anderen Ork erschlagen hatte, war er herumgewirbelt und hatte Lhûnrhofal gegen den Baum geschleudert. Das passte nicht zusammen in Rûmils Augen, es verwirrte ihn und es machte ihm auch Angst. Dieses Gefühl ließ ihn langsamer zurückgehen, als er es eigentlich vorgehabt hatte, doch er fürchtete den Moment, in dem er den anderen Elben begegnete. Sie würden ihn vielleicht spüren lassen, dass sie ihm die Schuld gaben, immerhin hatte er sich für Kharek verbürgt und diese Bürgschaft hatte er nicht einhalten können.
Doch irgendwann kam er dann natürlich doch ins Dorf zurück, zögerte erst, schlug aber dann den Weg zu Glorfindels Arbeitszimmer ein, in der Hoffnung ihn dort anzutreffen. Er wollte es nicht zu lange aufschieben, denn es würde kein angenehmes Gespräch werden.
Der Gang
lag ruhig und verlassen da, so dass seine Schritte laut in seinen Ohren
widerhallten. Vor der Tür zögerte er, eine Hand schon auf der Klinke, weil ihn
sein Mut nun doch zu verlassen drohte. Gerade wollte es sich umdrehen und wieder
gehen, da hörte er Schritte, die näher kamen. Zwei Personen waren es und als sie
jetzt um die Ecke bogen, erkannte Rûmil die Zwillinge Elladan und Elrohir.
Sie blieben stehen, als sie den Elben aus Lorien erblickten und fragend wandten
sich zwei Augenpaare zu ihm.
Elladan sprach zuerst. „Suchst du Glorfindel? Er ist nicht in seinen Räumen, zuletzt sahen wir ihn im Quartier der Grenzwächter."
Er musterte Rûmil aufmerksam und runzelte leicht die Stirn.
„Verzeih meine Neugier, aber darf ich fragen, was so wichtig ist, dass es nicht warten kann? Warum bist du nicht bei deinem Freund, er wurde verletzt, als er dich rettete und würde sich sicher freuen dich zu sehen."
Mit einem kleinen Seufzen und der Erkenntnis, dass es nichts schaden konnte, begann Rûmil in kurzen Sätzen seine Sorgen und Ängste zu schildern. Die Zwillinge hörten ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Erst als er geendet hatte trat Elladan nah zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Rûmil, ich glaube, wir drei machen jetzt einen Spaziergang und dabei werden mein Bruder und ich dir mal eine kleine Geschichte erzählen, welche dich die Dinge sicher klarer sehen lässt. Und ich glaube weiterhin, dass du danach nicht mehr den Wunsch haben wirst mit Glorfindel zu sprechen."
Mit einem aufmunternden Lächeln drehte der ältere Zwilling sich um und Elrohir nickt Rûmil zu, mit ihnen zu gehen.
Dieser zuckte kurz die Schultern, schaden konnte es nicht, sich anzuhören, was sie zu erzählten hatten und wenn sie ihm wirklich seine Sorgen mildern konnte, dann gab er ihnen die Zeit gerne.
***
Eine halbe Stunde später schlug ein sichtbar erleichterter Rûmil den Weg zu den Hallen der Heilung ein. Die Worte von Elronds Söhnen hatten nicht nur sein Gemüt erhellt, nein, sie hatten auch sein Herz erleichtert und ihm einen Großteil der Ängste genommen. Sehr interessant war es gewesen, was sie ihm berichten konnten, und er war sehr neugierig darauf, welche Auswirkungen es haben würde.
Doch nun wollte er rasch zu Kharek, inzwischen hatte er sogar schon ein schlechtes Gewissen. Denn Elladan hatte Recht gehabt, der Uruk hatte ihm das Leben gerettet, alles was danach kam war in diesem Moment nicht wichtig, egal wie schlimm es sein mochte.
Im Gang traf er auf eine Elbe in der Tracht der Heiler. Ihr Gesicht war düster, als würde sie finsteren Gedanken nachhängen, ihre feinen Brauen waren zusammengezogen und ein harter Zug lag um ihren Mund. Ihre verschlossene Mine ließ Rûmil zögern, aber dann straffte er sich und trat an sie heran.
„Verzeiht, aber ist in euer Haus der verwundete Uruk-hai gebracht worden? Ich wüsste gern, wie es ihm geht."
Der Ausdruck in ihren Augen ließ ihn zurückweichen. Mit funkelnden Augen gab sie mit leiser gepresster Stimme zurück:
„Oh ja, das Viech ist hier und verpestet die Luft mit seinem Gestank. Und nur weil ich einen Eid geleistet habe, werde ich mich zusammennehmen, soweit es mit möglich ist."
Zuerst hatte Rûmil eine scharfe Erwiderung auf den Lippen, aber dann fühlte er auf einmal nur noch die große Müdigkeit, die ihn einhüllte und ihm die Kraft nahm. Also schaute er sie nur an, ruhig, traurig, resigniert. Seine Stimme war leise, als er schließlich doch eine Antwort fand.
„Warum ist es eigentlich so schwer für viele von euch, etwas Neues zu akzeptieren, etwas zu sehen, was man so nicht erwartet hat? Immer nur die Oberfläche, ein schnelles Urteil, eine klare Entscheidung, nur das Sichtbare zählt zuerst. Doch das ist falsch in meinen Augen."
Gloráre wollte ihn unterbrechen, aber Rûmil hatte zu lange geschwiegen, nun brach der Damm und seine Worte strömten aus seinem Mund, eindringlich und voller Gefühl, so dass sie sich seiner Rede nicht entziehen konnte.
„Ich möchte dir nur ein Beispiel geben, wie ich dein Verhalten hier einschätze und das vieler anderer hier. Jedes Jahr werden tausende von Flussmuscheln ans Ufer des Bruinen gespült, zuerst noch nassschwarz glänzend, dann trocken und rau, verkrustet und unscheinbar, vielleicht sogar hässlich zu nennen. Doch das ist nur ihr Äußeres, denn wenn du unter die Schale schaust, dann kannst du im Inneren bei wenigen schon etwas anderes finden, zarte Farben in schimmerndem dunklen Perlmutt, aber wenn du wirklich bereit bist, Zeit aufzuwenden, bereit bist tiefer zu sehen und zu forschen, dann kannst du einer dieser tausend Muscheln eine Perle finden. Aber das wird sich nicht auf den ersten Blick offenbaren. Und für mich ist Kharek eine Perle, die ich unter der dunklen rauen Schale fand, denn ich war bereit zu suchen und wurde fündig. Und ich bin nicht länger bereit andauernd gegen eine Wand von Intoleranz anrennen zu müssen. Also vielleicht beginnen all jene, die sich so verschließen mal ihre Augen zu öffnen. Und wenn das nicht möglich sein sollte, dann sollen sie ihre Augen eben ganz fest zumachen, damit sie nicht mehr sehen, was sie so sehr stört, denn dann ist ihnen nicht mehr zu helfen."
Mit diesen Worten ließ er Gloráre stehen und trat mit raschen Schritten in den Raum, wo die Verwundeten lagen. Zuerst konnte er Kharek nicht ausmachen, aber dann fand sein Blick die dunkle Nische und mit einem zornigen Seufzen, ging er hinein und hockte sich neben der Pritsche auf den Boden. Er betrachtete Kharek eingehend und fand zumindest seine Wunden ordentlich versorgt, soweit schien die Heilerin ihrem Eid Folge zu leisten. Aber dass er hier in der zugigen dunkeln Ecke auf der rohen Pritsche platziert worden war, ohne Licht und ohne Wasserschale neben sich, dass sprach von der tiefen Abneigung, die er eben bei ihr gespürt hatte.
Anscheinend schlief Kharek, seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig und sein Gesicht hatte einen entspannten Ausdruck, soweit Rûmil das beurteilen konnte.
Er wollte seinen Freund nicht wecken, also legte er ihm sehr vorsichtig eine Hand auf die Pranke, welche ihm zugewandt war und erzählte ihm ganz leise, dass er sich keine Sorgen machen sollte, es würde weiter Hoffnung bestehen. Seine ruhigen Worte brachten ein winziges Lächeln in Khareks dunkle Züge und ein leises Seufzen entrang sich seiner Brust.
Nach einer Weile verließ Rûmil den Raum so leise, wie er gekommen war. Die Heilerin stand wieder am Fenster, doch er hatte keinen Blick mehr für sie, als er mit langen Schritten den Gang entlang schritt um endlich in sein Quartier und zum ersehnten Schlaf zu kommen. Hätte er sie angesehen, dann wäre ihm vielleicht ihr in sich gekehrter, nachdenklicher Blick aufgefallen.
***Ist keine Meisterleistung dieses Kapitel, aber ich brauchte ein Bindeglied für das nächste. Ich hoffe, ihr bleibt mir weiter treu. *liebschaut* ***
