21. Vertauschte Rollen

Nass war es. Nass und kalt prasselte der Regen auf sein Gesicht. Unangenehm wurde es nach einiger Zeit und er fand es sei an der Zeit, seine Position zu ändern. Langsam rollte er sich auf die Seite, fühlte sich ungewohnt leicht. Dann stützte er sich auf die Hände und richtete sich zu einer halbsitzenden Position auf.

Dabei fielen ihm die Haare vor die Augen und ungeduldig wischte er die blonden Strähnen fort, nur um mitten in der Bewegung innezuhalten und irritiert auf die helle Haut seiner Hand zu starren, die langen schlanken Finger, dann weiter über den schmalen Unterarm, den Oberarm hinauf. Sein Blick folgte dem Schwung der Schulter zu den wohlgeformten runden Brüsten, über den flachen Bauch, die Beine und schließlich die zierlichen Füße.

Dies war jedenfalls nicht sein Körper, den er da betrachtete. Allerdings drang diese Erkenntnis nur langsam in seinen Geist vor und als er langsam begriff, was er sah, wurde er durch einen rauen Schreckensschrei dazu gebracht zur Seite zu schauen. Dort saß eine dunkle Gestalt, nein, dort saß ER, also zumindest sein Körper und seine eigene gelben Augen starrten ihn fassungslos an.

Er ließ langsam die Hand sinken.

„Was ist denn…?"

Er hielt inne als er die helle klare Stimme Gloráres aus seinem Mund hörte, also eigentlich war es ja ihr Mund. Verwirrt schüttelte er den Kopf und fiel wieder in Schweigen.

Dafür hatte Gloráre sich jetzt wieder etwas in der Gewalt und fand ihre Stimme wieder, die ja nun Khareks war.

„Was bei den Valar ist passiert? Ich bin irgendwie in deinem Körper und du bist in meinem. Das kann doch nicht wahr sein. Bitte lass mich aufwachen, dieser Albtraum muss enden."

Nichts geschah. Sie blieb zumindest äußerlich ein großer kräftiger Uruk-hai, der eine blonde Elbe anstarrte, welche nicht allzu weit entfernt von ihm im Gras saß.

„Nun sag doch auch mal was…" fuhr Gloráre den Uruk an, was Kharek veranlasste mit den schmalen Schultern zu zucken und eine fein geschwungene Augenbraue hochzuziehen.

‚Er berührt meinen Körper…' schoss es ihr in diesem Moment durch den Kopf, als sie sah, wie Kharek eine Hand auf den Oberschenkel legte, der bis vor kurzem noch ihrer gewesen war.

„Nimm deine Hand da weg…ich meine, nimm meine Hand da weg…fass mich nicht an, also dich sollst du nicht anfassen und überhaupt, denk nicht mal daran…" brauste sie auf, brach dann aber ab, weil sie zu durcheinander war, um ihre Gedanken klar zu formulieren.

Außerdem hatte sie sich an den scharfen Fängen schon dreimal die Zunge geritzt und die knurrende Stimme trug nicht dazu bei ihre Laune zu bessern.

„Wie bei Elbereth kannst du mit diesen Dingern sprechen? Geschweige denn, wie soll man damit essen können?"

Vorsichtig glitt ihre Zunge über das prachtvolle Raubtiergebiss und sie schüttelte den Kopf.

Kharek legte den Kopf schräg und schaute sie aus den hellen Augen leicht gekränkt an.

„Hey…das sind meine Zähne, und die mag ich so wie sie sind, ja? Wenn du nicht damit klar kommst ist das nicht mein Problem."

Das war nun nicht das, was sie hören wollte und es beruhigte sie keinesfalls. Sie erhob sich, verharrte kurz, überrascht von der Geschmeidigkeit des mächtigen Körpers und der Kraft, die darin steckte und stapfte dann zu Kharek hinüber. Von oben herab funkelte sie ihn an, eindrucksvoll unterstrichen durch die gelben Augen.

„Nicht dein Problem? Hör mal, wir werden jetzt meinen Vater aufsuchen und um Hilfe fragen. Es muss einen Weg geben diese Sache umzukehren. Ich habe nicht vor in diesem Körper zu bleiben, allein diese hässlichen Pranken, mit den Klauen daran, da muss ich ja Angst haben mich zu verletzen."

Kharek schnaubte wütend und sprang leichtfüßig auf, kurz innehaltend als er die grazile Leichtigkeit des Elbenkörpers bemerkte. Doch dann loderte der Zorn erneut auf.

„Nicht einmal jetzt kannst du aufhören mich zu beleidigen. Du bist unverbesserlich, du Elbe ohne Namen. Du bist unzufrieden, voller Hass und Trauer. Aber ich bin nicht der Grund, versteh das endlich. Und überhaupt, ich sage ja auch nicht, dass dein Körper weich und verletzlich ist, deine Haut viel zu dünn und deine Zähne schwach, oder? Also halte dich bitte zurück. Ich mag meinen Körper zufällig wie er ist, weil er so ist. Und du wirst dich damit abfinden müssen, solange wir in dieser Lage sind."

Trotz der hellen klaren Elbenstimme konnte man deutlich hören, dass Kharek wütend und verletzt war.

Gloráre wich tatsächlich einen Schritt zurück, was für einen Unbeteiligten komisch ausgesehen hätte, aber für sie eine natürliche Reaktion war, egal in welchem Körper sie gerade steckte.

„Gut, ich werde es versuchen." sagte sie leise, eine kleine Kapitulation war es, die sie aber so nicht stehen lassen konnte.

„Aber du halte die Hände von meinem Körper ja?" fügte sie dann gleich wieder mit scharfer Stimme hinzu.

Kharek seufzte leise und hielt die Hände dann vorgestreckt.

„Dann sag mir bitte, wie ich mich verhalten soll, ich meine, es gibt Situationen, die es erfordern, den Körper zu berühren. Ich meine, ich kann es ja auch unterlassen mich zu waschen, solange dieser Zustand andauert. Ich kämme deine Haare nicht, ich ziehe keine andere Kleidung an…alles wie du es wünscht."

Langsam wurde es ihm zu dumm. Sie stand da und beklagte sich, machte ihm Vorschriften, als habe er das alles herbeigeführt. Und sein Geduldsfaden war nicht mehr der dickste.

Gloráre schnaubte entrüstet, was sehr eindrucksvoll von einem leisen Knurren untermalt wurde.

„Untersteh dich, meinen Körper verdrecken zu lassen…du wirst dich waschen, kämmen, dich umziehen und was alles dazu gehört, aber ICH werde dabei sein und dich genau beobachten."

Kharek zog die Augenbraue wieder in die Höhe, als traue er seinen Ohren nicht.

„Bitte, wenn du es so wünschst. Ich habe zwar keine Ahnung, was du glaubst, das ich deinem wertvollen Körper antun könnte, aber wenn es dich glücklich macht, dann werde ich nichts tun, ohne deine Erlaubnis. Können wir jetzt bitte deinen Vater aufsuchen? Ich möchte nämlich auch so schnell wie möglich in meinen Körper zurück, das kannst du glauben. Wer ist überhaupt dein Vater?"

Gloráre stemmte die Hände in die Hüften, unterließ es jedoch zu schnauben, denn dieses Geräusch gefiel ihr nicht sonderlich.

„Mein Vater? Das weißt du nicht? Mein Vater ist Glorfindel, Herr von Imladris…und ich bin Gloráre, seine Tochter."

Kharek nickte und strich nun doch die feuchten Haarsträhnen hinter die Ohren zurück.

„Also Gloráre ist dein Name, gut zu wissen. Und Glorfindel ist dein Vater. Nun, er ist weise und verfügt über großes Wissen. Wenn einer einen Weg aus diesem Wirrwarr findet, dann wohl er. Lass uns gehen, schnell."

Gloráre nickte nur und drehte sich auf dem Absatz herum. Noch immer pochte es in ihrem Kopf und sie hatte eigentlich nur den Wunsch sich hinzulegen, zu schlafen und dann die Augen zu öffnen und alles wieder im Ursprungszustand zu finden.

***

Sie hatten Glück. Auf dem Weg zu Glorfindels Räumen begegnete ihnen niemand. Der blonde Elb war mehr als erstaunt als er das ungleiche Paar vor seiner Tür erblickte, aber noch viel erstaunter war er, als sie ihre Geschichte erzählt hatten.

Sie saßen vor dem erloschenen Kamin, dessen letzte Glut noch ein wenig Wärme ausschickte. Kharek war sehr darauf bedacht seine Hände ruhig und für Gloráre deutlich sichtbar rechts und links auf den Armlehnen des Sessels liegen zu lassen.

Die hingegen saß angespannt auf der Kante ihres Stuhles und umklammerte mit den Pranken die Lehnen so fest, dass die schwarzen Krallen winzige Kerben in das Holz rissen.

„Bitte Ada, du musst uns einfach helfen. Dieser Zustand ist unzumutbar. wie soll ich mich denn um Kranke und Verletzte kümmern, wenn ich in diesem Körper stecke…und was werden die anderen Elben sagen. Ich will meinen eigenen Körper zurück, so schnell wie möglich."

Glorfindel seufzte.

„Nun, diese Sache ist in der Tat sehr verwirrend und ich kann mich nicht erinnern, je von einem solchen Körpertausch gehört zu haben, oder gelesen. Ich fürchte, ihr werdet noch eine Weile damit zurechtkommen müssen, denn ich kann euch leider nicht helfen."

Bedauernd ruhte Glorfindels Blick auf Gloráre und Kharek.

***Tja, die beiden haben echt Pech, findet ihr nicht auch? *fiesgrinst* Lasst mich bitte wissen, wie euch diese Wendung der Dinge gefällt. *liebschaut* ***