29. Offene Worte und ein Geheimnis
Am Morgen war das Wetter so klar und heiter, als hätte es den Gewittersturm nie gegeben. Jedoch glänzte jedes Blatt, leuchtete jede Blüte besonders hell, die ganze Umgebung war wie frisch gewaschen und präsentierte sich in einem reinen strahlenden Gewand.
Durch diesen frischen Morgen ritten Kharek und Gloráre langsam zurück nach Imladris. Sie hatten die Höhle aufgeräumt, den Holzvorrat aufgefüllt und nun konnte sie wieder müden Wanderern als Lager dienen.
Die Pferde gingen in gemächlichem Schritt, denn ihre Reiter hatten es nicht eilig. In einem einvernehmlichen Schweigen ritten sie Seite an Seite, sich an den Händen haltend. Beide waren tief in ihren eigenen Gedanken versunken und erst als Bruchtal in Sicht kam, hielten sie und schauten sich an.
Gloráre lächelte ein stilles Lächeln, ihre Wangen waren sachte gerötet und während sie ihren Blick auf Kharek richtete strich sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Ihr Herz tat einen kleinen Sprung, als sich ihre Augen trafen, denn heiß war die Liebe in ihr entflammt und sie war schon immer bekannt gewesen dafür, dass sie ihre Gefühle intensiv auslebte.
Kharek brach das Schweigen. „Wie wird es nun weiter gehen, Gloráre?", fragte er leise, und ein winziges Flackern in seinen goldenen Augen verriet die Spur von Angst die ihn durchfloss. „In der Höhle waren wir allein, wie aber wirst du dich unter deinesgleichen verhalten? Was wenn sie dich für deine Gefühle meiden, dich zurückweisen? Wirst du mich dann zurückweisen?"
Sie schüttelte augenblicklich den Kopf. Sicher hatte sie über genau diese Dinge nachgedacht, während des Rückrittes. Aber sie hatte eine Entscheidung getroffen und von dieser würde sie nicht abweichen.
„Nein Kharek, ich werde diesen Weg, den ich zusammen mit dir begonnen habe weiter gehen, egal wohin er führt, egal, wie viele Steine sie mir in den Weg legen möchten und egal wie steil oder beschwerlich er wird. Du hast mein Herz erwärmt, du hast mich glücklich gemacht und eine Melodie in mir zum Erklingen gebracht, die ich längst für immer verstummt glaubte. Ich liebe dich Kharek, und für seine Liebe sollte man bereit sein zu kämpfen."
Erleichterung zeigte sich in Khareks Zügen und kurz drückte er dankbar ihre Hand. Einen Moment schien er sie loslassen zu wollen, doch sie verflocht ihre Finger mit seinen und schüttelte leicht den Kopf.
Also ritten sie nun den breiten Pfad entlang, sich an den Händen haltend, bis sie zu den Stallungen kamen.
Thârnathron war hier damit beschäftigt sein Pferd zu striegeln und blickte neugierig auf, als er den Hufschlag zweier Pferde hörte. Zu seinem großen Erstaunen erblickte er Kharek und Gloráre, die gestern von ihrem Ausritt nicht zurückgekommen waren. Sicher hatte das Gewitter sie zu einer Übernachtung in den Wäldern gezwungen. Eigentlich wollte er Mitleid mit Gloráre haben, doch es schien, als brauche sie es nicht, denn sie und der große Ork hatten ihre Finger ineinander verflochten, sie wirkten zufrieden, fast glücklich.
Gloráre hob grüßend eine Hand und nickte Thârnathron lächelnd ein Willkommen zu.
„Ich grüße dich Thârnathron. Weißt du, wo ich deine Gefährtin finden kann? Ich möchte gern mit ihr reden…"
Der andere Elb überlegte kurz, dann nickte er. „Ja, sie ist im Küchengarten, sie wollte frische Kräuter holen."
Mit einem leisen Seufzen löste sie nun ihre Hand von Khareks, da sie sonst nicht vom Pferderücken gleiten konnte.
„Ich werde nun Celoniell aufsuchen Kharek, wir treffen uns dann später am See, ja?"
Kharek nickte und stieg ebenfalls vom Pferd. Er hatte das dringende Bedürfnis mit Rûmil zu sprechen, so dass er nicht traurig war über die zeitweilige Trennung von Gloráre.
Thârnathron nahm ihnen die Zügel ab und meinte, er würde ihre Pferde mit versorgen und dann gemeinsam mit seinem auf die Weide bringen.
Gloráre und Kharek trennten sich mit einem stillen einvernehmlichen Lächeln, kurz trafen sich ihre Fingerspitzen, dann schlug die Elbe den Weg in Richtung Küchengarten ein, während Kharek sich zu Rûmils Quartier aufmachte.
Gloráre fand ihre Freundin im hinteren Teil des Gartens wo sie gerade dabei war einige Gelbwurzeln auszugraben, doch sie schien ihr Kommen bemerkt zu haben, denn sie wandte sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu ihr um. Dann jedoch glitt ein Lächeln über ihre Züge und sie erhob sich in einer fließenden Bewegung, wobei sie die feuchte Erde von ihren Händen an der Schürze abwischte.
„Gloráre, da bist du ja. Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Dieser furchtbare Sturm und ihr da draußen. Das war sicher eine furchtbare Nacht." Mitfühlend schaute die Heilerin ihre Freundin an, doch zu ihrer großen Verwunderung schüttelte diese den Kopf.
„Nein Celoniell, es war keine furchtbare Nacht, ganz im Gegenteil. Aber ich möchte dir das gern in Ruhe bei einer Tasse Tee erzählen, wenn du Zeit hast."
Celoniell nickte und musterte Gloráre neugierig. „Gut, dann lass uns in die Küche gehen, ich will die Wurzeln hier in die Kühlkammer legen und dann machen wir uns einen Tee."
Kurze Zeit später saßen die beiden Frauen gemütlich bei Tee und kleinen Kuchen zusammen. Celoniell hatte das seltsame Leuchten in Gloráres Blick bemerkt und brannte nun darauf endlich zu erfahren was in der Nacht passiert war.
Mit wachsendem Unglaube lauschte sie den Worten ihrer Freundin, die ihr die Geschichte erzählte, wie sie mit Kharek in die Höhle geflüchtet war, als das Unwetter sie überraschte und wie nahe sie sich dort gekommen waren. Es brauchte keine Details um Celoniell zu erklären, wie stark ihre Gefühle für Kharek waren. Ihre Augen glänzten und ihre Wangen waren zart gerötet.
Schweigen…langes unangenehmes Schweigen folgte, nachdem Gloráre geendet hatte. Celoniells Gesicht wirkte nachdenklich, fast verschlossen und sie stellte ihre Tasse härter auf dem Tisch ab, als sie wollte. Dieses Geräusch ließ die blonde Elbe zusammenzucken.
„Celoniell? Was hast du denn? Du wirkst so…ernst.", fragte Gloráre leise, verunsichert durch die Reaktion ihrer Freundin.
Die Heilerin nickte langsam. „Ja, Gloráre, die Sache ist ernst, darum bin ich es auch. Du erzählst diese Geschichte voller Gefühl und Leidenschaft, aber du scheinst völlig den Blick für die Realität verloren zu haben. Kharek ist ein Uruk-hai, du bist eine Elbe. Eine solche Verbindung ist ohne Zukunft wenn du mich fragst. Und du wirst auf jede Menge Ablehnung treffen."
Zwischen den Augen von Glorfindels Tochter bildete sich eine steile Falte und ihre Augen blitzen zornig auf.
„Dann treffe ich eben darauf. Das ist mir egal. Ich werde meine Gefühle nicht verleugnen. Ich will und werde mit Kharek zusammen sein und er will es auch. Wir werden uns allen Widerständen entgegen stellen und für uns kämpfen wenn es sein muss." sprach sie hitzig.
Celoniell hob besänftigend die Hände und bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. „Gloráre, bitte beruhige dich. ich bin doch auf deiner Seite, aber bedenke auch, dass du hier nicht unbedingt nur Toleranz und Verständnis finden wirst. Auch wenn wir gern davon sprechen, so fällt es doch den meisten schwer es zu praktizieren. Ich möchte nur, dass du dich keiner falschen Illusion hingibst und dein Entscheidung vielleicht noch einmal überdenkst. Eine tiefe Freundschaft kann für den Anfang doch genug sein, meinst du nicht?"
Gloráres Zorn ebbte langsam ab. Die ruhigen Worte ihrer Freundin besänftigten ihr erhitztes Gemüt. Sie atmete tief durch, denn es wurde Zeit für das letzte Geständnis.
„Celoniell, dafür ist es jetzt zu spät. Wir sind über eine Freundschaft hinaus. Und wenn ich es richtig sehe, dann werden wir bald eine noch tiefere Bindung haben, eine immerwährende, verstehst du?"
Sie verstand nicht, dass konnte Gloráre in ihren Augen lesen. Also beschloss sie den direkten Weg zu gehen.
„Ich sehe, du verstehst mich nicht, aber wenn ich dich nun um deine Hilfe bitte, dann wirst du es verstehen…ich brauche Blaufarnblätter, hast du welche?"
„Blaufarn?" Celoniells Augen weiteten sich, denn diese hatten nur einen Verwendungszweck. Sie dienten dazu eine Schwangerschaft endgültig nachzuweisen, wenn eine Elbe sich nicht allein auf ihr Gefühl verlassen mochte.
Gloráre nickte langsam, als sie die unausgesprochene Frage beantwortete, die zwischen ihnen im Raum schwebte.
„Ja, ich denke unsere Vereinigung wird Früchte tragen, zumindest sagt mir das mein Gefühl, aber ich will absolut sicher sein."
Entsetzt schüttelte Celoniell den Kopf. „Das ist nicht dein Ernst, bitte Gloráre sag mir, das du einen Scherz machst, aber einen schlechten."
Doch Gloráre erfüllte ihr diesen Wunsch nicht, denn sie fuhr fort: „Nein Celoniell, ich mache keinen Scherz. Und wenn du mir nicht helfen möchtest, dann ist es in Ordnung, gib mir nur die Blätter, ich weiß sie zu benutzen."
Schweigend drehte Celoniell sich um und ging zu einem Regal im hinteren Teil der Küche. Hier wurden in abgedunkelten Fächern verschiedene Kräuter aufbewahrt, unter anderem auch der Blaufarn. Sie entnahm einige und kehrte damit zurück zu Gloráre, legte sie auf den Tisch.
„Ich hoffe, du weißt was du tust Gloráre, das hoffe ich wirklich. Wenn du mich brauchst, dann weißt du ja, wo du mich findest."
Sie verließ die Küche und die blonde Elbe blickte ihr lange nach, traurig, aber verständnisvoll. Sie hatte nicht damit gerechnet volles Verständnis zu finden, aber Celoniells Angebot zur Hilfe war ein Zeichen, dass sie es zumindest versuchen würde.
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Vorsichtig goss Gloráre das Wasser von den Blättern ab, in das sie ein paar Tropfen ihres Urins gegeben hatte. Behutsam zog sie die Blätter auseinander…und stieß lächelnd den Atem aus, den sie vor Spannung angehalten hatte…denn die Farnwedel verrieten ihr, was sie bereits gespürt hatte…und dieses Geheimnis wollte sie noch eine Weile wie einen kostbaren Schatz hüten.
***Wieder ist es vollbracht. Ich widme dieses Kapitel Bettina, und möchte ihr damit den Abend versüßen, nach der getanen Arbeit. Und ich danke euch allen, die ihr mich weiter antreibt indem ihr mir durch eure lieben Reviews zeigt, dass euch der Fortgang der Story wichtig ist…danke noch mal.***
