31. Konfrontation

Glorfindel erhob sich aus dem Sessel, in welchem er die letzte Stunde verbracht hatte. Seine Gedanken waren um seine Tochter gekreist und seine umwölkte Stirn verriet, dass es keine glücklichen Gedanken gewesen waren. Er hatte sie beobachtet in der letzten Zeit, hatte ihre erblühenden Gefühle bemerkt. Er war sich nicht sicher, ob er sich für sie freuen sollte oder sich Sorgen machen.

Nun hatte ihn ein leises Klopfen an der Tür aus seinen Gedanken gerissen und erwartungsvoll schaute er dem Eintretenden entgegen.

Es war seine Tochter. Gloráre war etwas blass, aber ansonsten sah sie nicht so aus, als habe ihr die Nacht im Freien geschadet. Als sie nun vor ihm stand schloss er sie liebvoll in die Arme. Auch wenn sie manchmal aneinander gerieten, weil sie ihren sturen Kopf durchbringen wollte liebte er sie von ganzem Herzen. Nach dem Tod seiner Geliebten Gefährtin hatte er es nicht immer leicht gehabt mit der Erziehung seiner charakterstarken Tochter, jedoch glaubte er, dass er nicht allzu viele Fehler gemacht hatte.

Gloráre schmiegte sich an ihn, genoss einen Moment die Sicherheit in den Armen ihres Vaters. Eine letzte Ruhepause, bevor sie sich ihm anvertraute. Khareks Reaktion hatte sie gelinde gesagt erschreckt und sie hatte sich nicht getraut ihm nachzulaufen. Ziellos war sie die Wege entlang gelaufen und hatte sich schließlich vor dem Arbeitszimmer ihres Vaters wieder gefunden. Nach kurzer Überlegung hatte sie die Entscheidung getroffen sich ihm anzuvertrauen, egal wie er es aufnehmen würde.

Glorfindel wartete, er wusste, es würde keinen Sinn haben sie zu drängen. Und richtig, nach einem kurzen Moment in inniger Umarmung löste sie sich von ihm und ging zu einem Sessel am Fenster hinüber, wo sie sich niederließ.

Er folgte seiner Tochter und setzte sich ihr gegenüber, blickte sie ruhig und abwartend an.

„Ada, ich möchte mit dir reden und ich möchte dich bitten, mir erst zuzuhören, ehe du mir antwortest, ja?"

Der blonde Elb nickte nur, ein wenig erstaunt über ihre Bitte und den ernsten Klang ihrer Stimme. Gloráre fuhr nun rasch fort, ehe sie der Mut verließ. Sie erzählte von dem Ausritt mit Kharek und wie der Sturm sie überraschte. Das sie die Höhle gefunden hatte und sie dann beschlossen die Nacht dort zu verbringen.

„Wir waren beide nass bis auf die Haut und wollten uns am Feuer wärmen. Jedoch war mir so kalt, das es nicht ausreichte und Kharek beschloss mich zu wärmen. Es blieb nicht dabei Ada, ich habe so lange gegen meine Gefühle angekämpft, doch in dieser absoluten Nähe war es mir nicht mehr möglich. Wir kamen uns näher und näher und dann haben wir uns vereinigt…"

Sie bemerkte den erschrockenen Blick ihres Vaters und es gab ihr einen Stich ins Herz. Aber sie hatte angefangen und sie würde nun auch alles erzählen.

„Ich habe es so gewollt Ada, ich liebe Kharek und er liebt mich auch. Und wir werden zusammen bleiben…und wir werden ein Kind haben."

Jetzt war es heraus, sie hatte es gesagt und sie konnte es in seinem Gesicht sehen, noch ehe er sprach, es hatte ihm einen Schock versetzt.

Glorfindel schluckte mit trockener Kehle, er hatte wirklich Mühe, das zu begreifen, was ihm seine Tochter da eben gestanden hatte. Er hatte ihr viele Freiheiten gegeben, hatte versucht sie zu Offenheit und Toleranz zu erziehen, doch als er nun mit den Früchten dieser Erziehung konfrontiert wurde, war es doch zuviel für ihn.

„Gloráre, danke für deine Offenheit und das Vertrauen, das du mir damit zeigst. Aber wie du sicher bemerkt hast, fällt es mir schwer dein Verhalten zu verstehen. Ich kann es nicht gutheißen, was du getan hast. Du hast völlig unverantwortlich gehandelt."

Er spürte, dass sie ihm ins Wort fallen wollte, aber er hielt sie mit einer Handbewegung zurück.

„Nein, ich sollte dir zuhören, jetzt bitte ich dich um dasselbe. Du hast unverantwortlich gehandelt, für dich, für Kharek und nicht zuletzt für dieses Kind, so es denn wirklich wahr ist. Eine Verbindung zwischen dir und Kharek wird dich vor große Probleme stellen. Es wird hier nicht geduldet werden, und nicht zuletzt muss auch ich dir sagen, dass ich nicht glücklich damit bin. Eine Freundschaft, sicher, das kann ich gutheißen aber mehr, nein Gloráre, das möchte ich nicht."

Wieder setzte sie zum Sprechen an und wieder gebot er ihr Einhalt.

„Und was deine Schwangerschaft betrifft, das ist so unbegreiflich für mich. Ich kann und will mir nicht mal vorstellen, was eine Verbindung zwischen euch hervorbringen könnte, aber davon abgesehen, hast du je daran gedacht, dass du ein solches Kind vielleicht nicht austragen kannst, weil es gegen dich kämpft, von innen heraus? Das ist zwar nur eine Befürchtung, aber was, wenn es so ist? Ich will dich nicht verlieren Gloráre, du bist mein Lebenslicht."

Er nahm eine ihrer Hände in seine, schaute ihr fest in die Augen, fand seine Lieb erwidert darin.

Gloráre seufzte leise, beugte sich vor und lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Vaters.

„Ach Ada, warum kann ich nicht lieben, wen ich will? Mein Herz hat sich für Kharek entschieden und nur weil er kein Elb ist, soll es nicht sein dürfen? Wäre er ein Mensch, dann hätte ich nicht mal die Hälfte dieser Probleme, nicht wahr?", fragte sie leise.

Glorfindel strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Nein, die hättest du dann nicht. Aber du hast dich doch bereits entschieden, es gibt kein Zurück für dich. Selbst wenn ich auch noch so gegen eine Verbindung von euch beiden bin, so werde ich es doch nicht verhindern können. Aber die Sorge um dieses Kind, das du unter deinem Herzen trägst, die ist groß in mir."

Gloráre nickte gegen seine Schulter.

„Du hast ja Recht, ich habe nicht darüber nachgedacht, vielleicht wollte ich es einfach nicht. Aber nun gibt es dieses Kind und ich werde es bekommen, wenn es nur irgendwie möglich ist. Und wenn es geboren ist, dann werde ich dafür Sorge tragen, dass es nicht ein Opfer von Dummheit und Intoleranz wird."

Mit neu gefasstem Mut löste sie sich von ihrem Vater.

„Ich weiß, dass wir einen langen Weg vor uns haben, dass viele es nicht gutheißen werden und all diese Dinge. Aber das wird mich nicht abhalten. Du solltest dich an den Gedanken gewöhnen, dass ich von nun an mit Kharek zusammen bin. Und nun werde ich zu ihm gehen und mit ihm reden."

Glorfindel seufzte leise. Er würde im Moment nicht mehr bei ihr erreichen, das wusste er. Aber er war sich sicher, dass sie seine Worte im Herzen tragen und später darüber nachdenken. Und das war im Moment das Wichtigste. Als sie nun aufstand erhob er sich ebenfalls.

„Was sagt er denn eigentlich dazu, dass du sein Kind bekommen wirst? Oder hast du es ihm noch nicht gesagt?"

Gloráre hielt inne, drehte sich noch einmal zurück zu ihm. „Doch, ich habe es ihm gesagt, aber er schien es nicht gleich richtig zu begreifen. Ich möchte nun noch einmal in Ruhe mit ihm sprechen."

Glorfindel nickte und nahm sie dann noch einmal in die Arme.

„Gib mir etwas Zeit Gloráre, große Veränderungen brauchen Zeit. Ich liebe dich nicht weniger, auch wenn ich dich vielleicht dieses Mal nicht gleich verstehe." sagte er liebevoll.

Gloráre nickte lächelnd und wandte sich dann zur Tür. Mit raschen Schritten eilte sie den Gang entlang und folgte dann dem Pfad zum See, denn sie hatte so ein Gefühl, dass sie Kharek dort finden würde.

Glorfindel schloss die Tür hinter ihr und seufzte noch einmal leise. „Ich wünsche dir das du glücklich wirst mein Stern, das ist das Wichtigste, das darf ich nicht vergessen."

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Kharek roch sie, ehe er sie sah, ihr zarter weicher Duft wurde ihm vom Wind zugetragen und langsam drehte er sich zu ihr um, noch immer eine steile Falte zwischen den Augen.

Gloráre ließ sich jedoch davon nicht aufhalten, sie kam zu ihm und setzte sich neben ihn ins Gras. Eine Weile schwiegen sie ehe der Uruk als Erster das Schweigen brach.

„Hast du vorhin die Wahrheit gesagt? Wirst du ein Kind bekommen? Von mir?", fragte er leise, sie nicht ansehend.

„Ja, Kharek, das ist wahr. Ich werde dein Kind bekommen. Findest du diesen Gedanken so schrecklich?"

Sanft berührte sie ihn an der Schulter, was ihn veranlasste sie anzusehen. Khareks Gesicht war besorgt, als er nun wieder sprach.

„Ich weiß nicht, was ich davon halten oder denken soll, ich kann mir nicht mal vorstellen ein Kind zu haben. Ich weiß nicht wie es ist ein Kind zu sein, oder was ein Kind ausmacht. Ich war nie ein Kind…und dieser Gedanke macht mir Angst. Was wenn dieses Kind eben eine solche Entwicklung durchmacht und in dir zu seiner vollen Größe heranwächst. Das würde dich töten, und ich möchte nicht für deinen Tod verantwortlich sein, verstehst du?"

Gloráre nickte, denn schließlich hatte ihr Vater sich ähnlich geäußert. Langsam begann sie zu begreifen, dass sie sich hier auf etwas eingelassen hatte, was ihr leicht über den Kopf wachsen konnte. Sie senkte den Kopf und ließ die Schultern hängen. Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern, als sie wieder sprach.

„Kharek, ich verstehe deine Angst, mein Vater denkt ähnlich. Aber ich kann es nicht ungeschehen machen, selbst wenn ich es wollte. Doch will ich es gar nicht. Das Kind lebt in mir, ich trage es unter meinem Herzen und was nun passiert liegt nicht mehr in meinen Händen. Ich werde auf mich achten, das kann ich dir versprechen. Ich habe viele Schwangerschaften erlebt und vielen Kinder auf die Welt geholfen, ich kenne die Anzeichen einer Gefahr. Wir können jetzt nur abwarten und hoffen…"

Unvermutet spürte sie seine starke Hand auf ihrer Schulter, dann strich er ihr behutsam über die Wange.

„Dann werden wir hoffen Gloráre. Ich war zwar sehr erschrocken, als du mir das mit dem Kind gesagt hast, aber ich liebe dich und werde an deiner Seite bleiben, egal was passiert."

Die blonde Elbe rieb ihre Wange zärtlich an seiner Hand, dann lehnte sie sich gegen ihn, wurde in einer warmen Umarmung empfangen. Ihre Lippen fanden sich und während diesem Kuss fühlte Gloráre wie ihr Herz etwas leichter wurde, in dem Wissen, dass sie nicht allein war in dieser Situation.

***So, nun habe ich es geschafft ein Kapitel zu schreiben, obwohl mein kleiner Sohn hier rumflitzt. Die nächsten werden wohl bis zum Wochenende warten müssen, aber ihr könnt ja langsam lesen *g* und mir vielleicht die Zeit mit ein paar lieben Reviews versüßen. *smiles* ***