33. Abschied und Aufbruch

Zufrieden glitt ihr Blick über die Kästen, Flaschen und Tiegel in den Regalen. Alles war sauber aufgeräumt, die Kräutervorräte aufgefüllt und neue Heilsalben abgefüllt. Gloráre arbeitete gern hier. Ihre Handgriffe waren geübt und sicher, und so konnte sie ihre Gedanken schweifen lassen, während sie alles in Ordnung brachte. Doch nun wurde die Stille unterbrochen. Schritte nahten sich, die eindeutig nicht elbisch waren und mit erwartungsvollem Gesicht wandte sie sich der Tür zu.

Kharek fand sich erwartet, denn Gloráre schaute ihm entgegen, als er den Raum betrat, in welchem sie sich aufhielt. Mit zwei raschen Schritten überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und schloss sie in die Arme, wo sie sich an seine Brust schmiegte. Einen Moment lang verharrten sie so, genossen jeweils die Nähe des anderen, dann blickte sie auf und ihr Blick drang forschend zu ihm.

„Kharek, du wirkst so angespannt. Ist etwas passiert?" fragte sie, die Nervosität in ihrer Stimme nur schwer unterdrückend.

Doch zu ihrer Erleichterung schüttelte er den Kopf, aber seine Mine blieb ernst. „Nun ja, es ist schon etwas passiert, Besuch ist eingetroffen, hohe Menschenherren, die um Hilfe bitten. Aber besorgt bin ich wegen dem, was passieren wird."

Gloráre schaute ihn weiter fragend an. „Du sprichst in Rätseln Kharek, Was wird denn passieren?"

Der Uruk-hai seufzte leise, er hatte sich so viele Worte überlegt auf dem Weg hierher, doch nun war sein Kopf leer und er sah nur noch ihre Augen in denen ein winziger furchtsamer Funke glomm. Und beinahe hätte er es sich anders überlegt. Doch dann atmete er tief durch.

„Ich werde Rûmil begleiten und für die Menschenherren kämpfen, wenn es sein muss. Ihr Land wird bedroht von gemeinen Gestalten, die den Frieden nicht akzeptieren. Diesen muss Einhalt geboten werden."

Ruhig hatte sie ihm zugehört. Nun löste sie sich ein Stück von ihm, ihre Hand lag auf seiner Brust und ihre Augen schauten nun mehr prüfend zu ihm auf.

„Ich werde deine Entscheidung nicht in Frage stellen Kharek, du bist frei zu gehen, wo immer du hin möchtest. Aber ich möchte auch, dass du weißt, dass ich mich sorge, denn es klingt nicht ungefährlich, was ihr da vorhabt. Ich werde dich nicht aufhalten, sicher nicht, ich verstehe auch, dass du helfen möchtest, schon um deinetwillen, aber ich werde dich nicht mit Jubel verabschieden, oder dich zum Aufbruch drängen. Verstehst du das?"

Kharek nickte, fast ein wenig erleichtert. Sie würde ihn also nicht bitten zu bleiben. Das ihr der Gedanke nicht gefiel, dass er in eine ungewisse Zukunft zog, das hatte er sich bereits gedacht und fand dies nur bestätigt.

Langsam zog er sie wieder in seine Arme, strich ihr beruhigend über den Rücken. „Ich werde gut auf mich aufpassen, das kann ich dir versprechen. Ich werde mich nicht unnötig in Gefahr begeben. Und ich werde zurückkehren, sobald wir nicht mehr gebraucht werden."

Sie schmiegte sich erneut an ihn, atmete seinen warmen Geruch ein, schon jetzt wissend, wie sehr er ihr fehlen würde. Doch dann gewann ihre praktische Seine Oberhand.

„Ich werde dir ein paar Sachen zusammensuchen, damit ihr unterwegs kleine Verletzungen behandeln könnt. Du hast mir oft genug geholfen, das sollte kein Problem sein."

Froh, etwas tun zu können löste sie sich aus der wohligen Umarmung, ehe sie ihre Gefühle übermannten. Sie eilte zu den Regalen hinüber und begann beschäftigt verschiedene Dinge ich eine große Ledertasche zu packen.

Kharek schaute ihr einen Moment schweigend zu, dann ging er zu ihr und fing ihre Hand mitten in der Bewegung ab, er hielt sie ruhig fest und schaute ihr ins Gesicht.

„Gloráre bitte…ich habe dir versprochen, was ich konnte. Mach mir das Herz nicht schwer mit Sorge, wo noch kein Anlass ist."

Sie nickte, er hatte ja recht, dass wusste sie. Aber dennoch war da diese kalte Hand, die nach ihrem Herzen griff, wenn sie an seine bevorstehende Reise dachte. Sie ließ sich wieder in seine Arme fallen und er fing sie sanft auf. Wieder standen sie eine lange Weile da und hielten einander nur fest. Dann lösten sie sich ein wenig. Gloráre hob sich auf die Zehenspitzen und küsste Kharek sanft.

„Ich werde dir diese Tasche auf jeden Fall mitgeben und ich vertraue darauf, dass du dich nicht unnötig in Gefahr begibst." Nun schon etwas ruhiger drehte sie sich um und packte weiter Sache ein. Kharek trat hinter sie und schnupperte an ihren Haaren, was sie zum Lachen brachte.

„He, das kitzelt!" kicherte sie, was fast vergnügt klang. Das veranlasste Kharek dazu, ihr in den Nacken zu pusten. Mit einem gespielt empörten Ausdruck wandte sie sich zu ihm um und schaute ihn tadelnd an, wenn auch das Glitzern in ihren Augen diesem Blick die Schärfe nahm.

„Ich packe hier Medizin ein. Was, wenn du mich ablenkst und ich gebe euch Schlafmittel mit, statt Heiltrank?" Kharek schmunzelte. „Dann schlafen wir uns eben gesund."

Zärtlich stupste sie seine flache Nase an, dass er sie kraus zog und lachte noch einmal. „Wenn du nichts zu tun hast, mein Großer, dann geh zu den Stallungen und bereite dein Pferd vor."

Das brachte ihm ins Gedächtnis zurück, dass er ja noch wegen Baran fragen wollte und er nickte. „Ja, das ist ein guter Gedanke, ich wollte sowieso noch zu den Stallungen."

Nach einem zärtlichen Abschiedskuss machte Kharek sich auf den Weg. Gloráre blieb zurück. Sie setzte sich in ihren Lieblingssessel und versuchte sich den Gedanken der Trennung von Kharek durch die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu versüßen. Dennoch blieb da ein dunkler Schatten, denn sie fürchtete um die Bedrohungen, die ihm auf seiner Reise widerfahren könnten.

Kharek erreichte die Stallungen und rief nach Alagosion. Der würde die Pferde für die Reise einteilen, soweit welche benötigt wurden. Rûmil, die Zwillinge und die Menschenherren hatten eigene Pferde. Die Elben, welche sie begleiten würden brauchten welche, da die Wächter sich zu mehreren ein Tier teilten, normalerweise.

Ruhig betrat er die Stallungen und ging zu Barans Box. Ein paar Tiere schnaubten nervös, aber inzwischen hatten auch sie erkannt, dass von dieser großen dunklen Gestalt keine Gefahr ausging, so bleib es beim Augenrollen und leichtem Tänzeln, ehe sich weiche Nasen wieder in Futtertröge senkten.

Baran begrüßte Kharek mit einem dumpfen leisen Wiehern und der Uruk strich seinem treuen Pferd den Mähnenkamm entlang, die Krallen wie einen Kamm benutzend, was den braunen Wallach genießerisch seufzen ließ.

Während er ihn weiter streichelte glitt sein Blick aus dem Fenster hinaus, von wo aus man die Quartiere der Wächter sehen konnte. Und eben trat Erestor vor das Haus, gefolgt von Alagosion. Beide wechselten noch ein paar Worte, dann drückte Erestor die Hand des anderen Elben, als hätten sie soeben einen Handel besiegelt. Allerdings wirkte Alagosion nicht sehr glücklich, im Gegensatz zu Erestor, der mit einem seltsamen Lächeln davon schritt.

Alagosion hingegen betrat die Stallungen und zuckte fast erschrocken zurück, als er Kharek im Halbdunkel bemerkte. Dann entspannten sich seine Züge jedoch sofort.

„Ach du bist das Kharek. Besuchst du Baran?"

Kharek nickte kurz und beschloss dann gleich zu fragen, was ihm auf dem Herzen lag. „Ja, und ich habe auch dich gesucht. Ich wollte nämlich fragen, ob es möglich ist, dass ich Baran auf der Reise reite?"

Alagosion überlegte nicht lange, lächelnd sah er zu Kharek. „Sicher kannst du das. Er ist so sehr an dich gewöhnt, ich denke es ist die beste Lösung für euch beide. Ich hatte es mir schon so notiert bei der Einteilung."

Aufatmend tätschelte Kharek dem Wallach den Hals, ehe er die Box verließ. Dankend wandte er sich an Alagosion. „Dann danke ich dir und wünsche eine gute Nacht."

Alagosion verabschiedet Kharek mit einem freundlichen Nicken. „Dann bis morgen früh."

In dieser Nacht fand Kharek nicht viel Schlaf und er war früher an den Stallungen, als es abgesprochen war. Jedoch zeigte sich, dass es wohl nicht ihm allein so ging, denn einige Elben der Wachen waren auch schon hier um ihre Pferde zu versorgen. Und eben trat Rûmil mit seiner Stute Tavaril auf den Vorplatz. Die Schimmeldame schien nicht begeistert zu sein zu dieser frühen Stunde den warmen Stall verlassen zu müssen und wehrte sich ein wenig. Doch Rûmils sanfte Worte und ein paar Leckerbissen von seiner Hand überzeugten sie schließlich doch.

Kharek und Rûmil begrüßten sich im Vorübergehen nur kurz, denn er war auf dem Weg Baran zu holen. Nach und nach füllte sich der Platz und die letzten Vorkehrungen wurden getroffen.

Immer ungeduldiger begann Kharek nach Gloráre Ausschau zu halten. Fast befürchtete er schon, dass sie einen Abschied unter den Augen der anderen Elben vermeiden wollte, da schon viele bereits auf den Pferden saßen. Doch da kam sie, ein wenig atemlos, die große Tasche über der Schulter. Ungeachtet der Blicke warf sie sich in die ausgebreiteten Arme des Uruk-hai, der sie fest umschloss.

„Halte dein Versprechen Kharek und komm bald zurück. Ich werde jeden Tag Ausschau halten nach dir." sagte sie leise, aber er hatte sie verstanden. Antworten konnte er nicht, denn ein Kloß saß in seiner Kehle. Gloráre scheute sich nicht, ihm einen Abschiedskuss zu geben, was für mehr als eine hochgezogene Augenbraue sorgte und Aragorn veranlasste sich zu Elladan herüber zu beugen und zu flüstern:

„Na das nenn ich doch mal Glück, an seiner Stelle würde ich hier bleiben."

Elladan knuffte seinen „Bruder" neckend und lachte leise. „Er hat einen Grund zurück zu kehren, einen wunderschönen Grund."

Kharek schwang sich auf Barans Rücken und als dann auch die letzten Elben aufgesessen waren, da gab Alagosion das Zeichen zum Aufbruch, indem er ein kleines silbernes Horn ertönen ließ.

Wohl an die sechzig Elben begleiteten Aragorn und Faramir auf ihrem Weg zurück nach Ithilien. Und in Rohan würden sie weitere Hilfe erbitten, so hieß es.

Mit mutigen Herzen und voller Hoffnung ritten sie in den erwachenden Morgen. Kharek wandte sich im Sattel um und warf einen langen Blick zurück. Als er sich wieder herumdrehte fand er Rûmils Blick, der wohl dasselbe dachte:

„Werden wir das hier wieder sehen?"

***So, nun sind sie also auf dem Weg. Bitte sagt mir doch, ob ich schon irgendwo etwas zu der Stärke des Heeres von Imladris geschrieben hatte, denn ich mochte mich nun nicht durch die ganzen Kapitel wälzen. Danke im Voraus. Ansonsten hoffe ich, es gefällt, denn es war dieses Mal nicht einfach, mir fehlte Inspiration. *smiles* Viel Spaß euch allen***