38. Die Stimme des Gewissens
Elladan legte Rûmil eine Hand auf die Schulter, doch der andere Elb seufzte nur leise und erhob sich, die tröstende Geste ignorierend.
„Ich möchte gern eine Weile allein sein Elladan, bitte lass mich." Elronds Sohn nickte verständnisvoll und lächelte. „Sicher, geh nur. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, dann weißt du ja, wo wir sind."
Rûmil ging langsam durch das Lager, aber er verweilte nicht an seiner Lagerstätte, er wanderte weiter, bis er einen kleinen Hügel fand, den er erklomm und sich dann niedersetzte. Er sah zum Himmel auf, doch die Sterne konnten ihm keine Antwort geben. Seine Gedanken kreisten immer wieder um denselben Punkt. Was würde er tun, wenn sich Kharek den anderen Uruks anschloss und sie sich dann auf gegnerischen Seiten gegenüberstanden? Würde er gegen seinen Freund kämpfen müssen? Würde Kharek die Klinge gegen ihn erheben?
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Im Lager saßen Aragorn, Faramir, die Zwillinge und Alagosion zusammen. Gerade hatte der König seinen Vorschlag für ihr weiteres Vorgehen unterbreitet. Faramir runzelte die Stirn.
„Du willst also keinen direkten Angriff, sondern ihnen folgen? Ich verstehe das nicht ganz. Warum willst du den Schandfleck nicht sofort auslöschen? Wir bräuchten nur bei Tagesanbruch ihren Spuren folgen und sie dann bei der ersten Gelegenheit stellen."
Aragorn schüttelte den Kopf. „Nein Faramir, ich will ihnen folgen, weil ich sehen möchte, ob sie sich mit ihren Verbündeten treffen, ob sie mehr Leute hinzuziehen. Ich möchte, wenn es möglich ist das ganze Geschwür aus dem Körper dieses Landes schneiden und nicht nur an der Oberfläche kratzen. Die Gruppe ist zersprengt, wenn die Späher es richtig gesehen haben. Die Uruks haben sich in die Hügel zurückgezogen. Die Menschen jedoch hatten Pferde, sie sind weiter zurück über die Ebene zu irgendeinem Unterschlupf. Sie werden sich also irgendwie und irgendwann wieder vereinen müssen, und dann ist unsere Stunde gekommen."
Von dieser Erläuterung schien der junge Prinz befriedigt zu sein, denn er nickt nur kurz zu Aragorn. „Ich werde mich nun zurückziehen. Ich möchte den Rest der Nacht nutzen, um noch ein wenig stärkenden Schlaf zu finden. Aragorn stimmte dem zu. „Ja, dass sollten wir alle versuchen. Die Wachen sind eingeteilt und wir werden vielleicht eine längere Zeit keine Rast finden, wenn wir auf der Jagd sind."
Nach diesen Worten zog auch der gondorianische König sich mit einem kurzen Nachtgruß in die Runde in sein Zelt zurück. Alagosion begleitete die Zwillinge und Faramir suchte seinen Schlafplatz auf. Langsam kehrte Ruhe in das Lager ein, nur die Wachen waren auf ihren Posten und ihre scharfen Sinne wachten über den Frieden dieses Ortes.
Und Rûmil fand keinen Schlaf. Noch immer saß er auf dem Hügel, den Kopf auf die Knie gebettet und in tiefe trübe Gedanken versunken.
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Sharka führte Kharek nun in eine andere Höhle, welche geräumiger war als die erste. Hier saßen die restlichen Uruks beisammen. Ein kleines Feuer brannte und spendete beinahe behagliches Licht. Kharek witterte nicht nur die anderen Orks, sondern vor allem den Geruch von frischem Blut. Dann machte er auch die Quelle aus. Auf einer dünnen Schicht aus Blättern lagen etwa ein Dutzend gehäuteter Kaninchen und ein paar gerupfte Vögel. Daneben auf einem Haufen die Innereien und auf einem kleineren Haufen der Abfall. Fell und Federn waren nicht zu sehen und wohl schon verpackt worden, da diese Dinge ja weiter verarbeitet werden konnten. Eine junge Urukfrau kniete bei den Fleischvorräten und teilte gerade mit einem Messer kleinere Portionen ab, die wohl als Proviant dienen sollten. Als Sharka eintrat und mit leisen Rufen begrüßt wurde erhob sich diese Frau und kam zu ihr herüber. Kharek schaute sie aufmerksam an, denn etwas an ihr irritierte ihn. In ihren Augen stand eine deutliche Scheu, und ein großer Schmerz. Ihre Haltung war beinahe unterwürfig zu nennen, doch Sharka gab ihr einen kleinen fast liebevollen Stoß, was die Starre der anderen Frau löste.
„Wir haben mit dem Essen auf dich gewartet, Sharka." sagte sie leise und ein schüchterner Blick streifte Kharek. Die Anführerin bemerkte diesen und stellte ihn vor. „Das hier ist Kharek, Phera. Ich denke mal, die anderen haben dich schon in Kenntnis gesetzt über unseren Gast?" Phera nickte nur unmerklich und entfernte sich dann wieder. Sie ging in einer dunklere Ecke der Höhle und sprach dort mit jemandem, der dann zu ihr trat und mit ihr in den Schein des Feuers kam.
Khareks Verwirrung wuchs, als er die Witterung des großen Uruk-hai an ihrer Seite wahrnahm. Er kannte dessen Geruch, den er nie vergessen würde. Sein Blick glitt über die große muskulöse Gestalt, das markante Gesicht mit den wachen gelben Augen. Der andere fixierte ihn ebenfalls, mit regloser Mine. Sollte er ihre Gemeinsamkeit erkannt haben, so ließ er es sich nicht anmerken.
Kharek verneigte sich vor dem großen Uruk. „Ich grüße dich Erstgeborener. Viele Stimmen sagten, du seiest gefallen in der Schlacht am Parth Galen. Umso mehr freut es mich dich hier zu treffen."
Der andere Uruk-hai sprach leise, aber seine Stimme war nicht unfreundlich.
„Hier gibt es keine Erstgeborenen…hier gibt es nur Uruk-hai. Und wie du siehst, ich lebe. Ob das ein Grund zur Freude ist überlasse ich dir. Ich bin zumindest zufrieden mit meinem Los."
Er legte Phera einen Arm um die Schulter, den linken und sie schmiegte sich fast schutzsuchend gegen seine breite Brust.
Eine Bewegung an seiner Seite erregte seine Aufmerksamkeit. Sharka hatte ihn beobachtet und deutete nun zum Feuer. Er folgte ihr und ließ sich an ihrer Seite nieder. Ihnen gegenüber saßen nun Phera und ihr Gefährte, der Erstgeborene Uruk von Saruman, dessen Name in Isengart nur voller Ehrfurcht genannt worden war.
Sharka nahm sich eines der Kaninchen und riss mit einem kurzen Ruck einen der Hinterläufe ab, reichte ihn an Kharek weiter, der das rohe Fleisch leicht befremdlich ansah. Sicher hatte er schon solches Fleisch gegessen, zumindest in der ersten Zeit seines Daseins, doch inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, dass es zubereitet wurde. Etwas in ihm sträubte sich gegen den Geruch des frischen Blutes, während eine leisere Stimme in ihm danach begehrte.
Shakor beobachtete Khareks Zaudern und seine Stimme war höhnisch, als er seine Gedanken aussprach. „Ist dir unsere Nahrung nicht gut genug. Hättest wohl lieber Elbenbrot und feines Wildbret, hah?"
„Shakor…" setzte Sharka tadelnd an, doch ihr Sohn funkelte sie nur kühl an, ehe er weiter sprach. „Schau doch Mutter. Er mag ja aussehen wie wir, obwohl er nicht mal das tut, aber er hat nichts mehr von einem ehrenvollen Krieger an sich. Er benimmt sich nicht wie ein Uruk-hai, er redet nicht wie einer, er ist ein verzerrtes Bild eines ehemaligen Kriegers und ich kann und werde ihn nicht respektieren."
Sharka zog scharf die Luft ein, doch Lurtz, der Isengarter kam ihr zuvor. Seine Augen blitzten und in seiner Stimme schwang ein drohendes Knurren mit.
„Urteilst du so, Shakor? Nachdem, was du siehst? Was du als erstes wahrnimmst? Dann siehst du auch mich nicht als ehrenvollen Krieger?"
Er hob mit der linken Hand die rechte hoch und ließ los. Der rechte Arm schlug mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden. Anscheinend konnte der große Ork ihn nicht benutzen.
„Ich bin kein Krieger mehr, dennoch bin ich bei euch, ich esse eure Nahrung, ich trinke euer Wasser. Willst du mich nun Schmarotzer nennen?"
Shakor schwieg und schaute Lurtz trotzig ins Gesicht. Der grollte tief in der Brust. „Du urteilst zu schnell. Du hast noch nicht viel gesehen in deinem Leben. Du bist voller Wut, weil ihr eure Heimat verloren habt, weil ihr auf der Flucht seid und gejagt werdet. Doch sollte das nicht deinen Blick verschleiern. Beobachte und sei nicht so hastig mit deinem Urteil, vielleicht irrst du dich nämlich."
Shakor schnaubte leise. „DU bist ein Krieger, du wurdest im Kampf verwundet gegen diese grässlichen Menschen. Du hast deinen Wert bewiesen. Und du bietest uns Schutz an und lehrst uns mit deiner großen Erfahrung. Nie würde ich dich Schmarotzer nennen."
Er funkelte Kharek an. „Aber ER ist nicht wie du. Er riecht wie ein Elb. Er wirkt nicht mal gefährlich. Er hat in meinen Augen nichts an sich, wofür ein Uruk-hai steht."
Shakor erhob sich und stapfte aus der Höhle. Seine Mutter schaute ihm nach. „Er ist wie sein Vater, genauso stur. Es tut mir leid Kharek." Er wollte abwinken, doch ihre nächsten Worte ließen ihn innehalten. „Aber in einigen Dingen muss ich ihm zustimmen. Du wirkst auch auf mich eher verweichlicht und zahm. Nur mache ich dir das nicht zum Vorwurf. Du warst eben nur in schlechter Gesellschaft. Aber dem werden wir abhelfen. ich werde dir schon zeigen, was es bedeutet ein Uruk-hai zu sein."
Er zögerte einen Moment, ehe er langsam nickte. Vielleicht war es besser, wenn er sich hier nicht äußerte. In seinem Kopf jedoch jagten die Gedanken wie graue Wolken über einen Sturmhimmel. Es wurde ihm langsam klar, dass, wenn er hier bleibe, er diese Lebensweise der Rotte teilen würde. Er würde mit ihnen auf Raubzüge gehen, um Nahrung und andere Dinge zu beschaffen. Und er würde zu einem Gejagten werden. Doch was ihn am meisten beschäftigte war der Gedanke daran, dass einer der Jäger sein Freund sein würde…Rûmil. Was, wenn sie sich plötzlich auf gegensätzlichen Seiten gegenüberstanden? Würde er gegen seinen Freund kämpfen? Würde Rûmil seine Klinge gegen ihn erheben? Kein schöner Gedanke…
Doch Sharka riss ihn aus seinem trüben Sinnen. Noch immer hielt sie ihm den Kaninchenschlegel hin, und nach kurzem zaudern nahm er ihn nun und schlug ohne weiter darüber nachzudenken seine Fänge hinein. Der Geschmack des Fleisches und vor allem des Blutes weckte Erinnerungen an frühere Tage und eine leise Stimme in ihm begann einen leisen Gesang. Das Lied des Kriegers erwachte erneut, das Raubtier in ihm erwachte träge aus seinem Schlummer und reckte seine Glieder…
***So,
langsam komme ich wieder in Schwung. Auch wenn die Gruppe meiner Reviewer
schrumpft, so bin ich weiterhin für Lob und Kritik offen und ich werde die
Geschichte auf jeden Fall weiter machen. Zu den Vorkommnissen im letzten
Kapitel: Bitte denkt immer daran, dass es ein Alternatives Universum ist und bei
mir Totgesagte länger leben, wenn ich das so möchte *g* Also, viel Spaß
weiterhin und schreibt mal wie es euch weiterhin gefällt. ***
