41. Blutvergießen

Aragorn hielt den Atem an. Angespannt ruhten seine Augen auf dem Geschehen im Dorf. Von der Hügelkette aus konnte er gut erkennen, wie die Angreifer zurückprallten, als die Kampfeslustigen Männer ihren Widerstand herausbrüllten. Sogar die Uruk-hai hielten inne. Der Schock wehrte nicht lange, denn schon hob die Anführerin der dunklen Rotte ihr Schwert und befahl ihren Orks zu kämpfen. Die setzten mit einem verzweifelten Ausfall zur Gegenwehr an. Die Haradrim waren eindeutig die besseren Kämpfer und sie brachten die Dörfler in arge Bedrängnis. Aragorn hatte in seinem Plan nicht bedacht, dass die Südländer zurückkehren könnten, um sich abermals mit den Uruks zusammen zu schließen. Hier drohte Gefahr.

Ihm blieb nicht viel Zeit zu überlegen, denn schon verlor der Sturm der Dorfbewohner an Heftigkeit und sie wurden von den Haradrim in harte Zweikämpfe verwickelt. Aragorn wechselte einen Blick mit Faramir und sah dieselbe Sorge in dessen Augen. Eine kurze Beratung, nur wenige Sätze, dann hatten sie einen Entschluss gefasst.

Sharka wehrte den Dreschflegel erneut ab. Befriedigt nahm sie zur Kenntnis, wie das Holz splitterte. Der Mann taumelte zurück von der Wucht des Schlages, direkt in die geschwungene Klinge eines Haradrim. Der erstickte Todesschrei des Menschen ging im Ruf des Triumphes des dunkelhäutigen Mannes unter. Sharka wandte sich ab, bereit sich dem nächsten Gegner zu stellen. Dabei glitt ihr Blick kurz über die anderen Mitglieder ihrer Rotte. Lurtz war an Pheras Seite, wie sie es erwartet hatte. Er hatte sein Schwert in der linken Hand und wehrte sich verbissen gegen einen Mann, der ihn mit einer nagelgespickten Holzlatte attackierte. Funken stoben, als die Klinge über die Nägel streifte. Aber es sah nicht so aus, als wäre der große Ork hilflos.

Shakor hatte gleich mehrere Gegner, denen er tapfer Widerstand bot. Kharan arbeitete sich zu seinem Bruder zu, um das Verhältnis wieder etwas auszugleichen. Zwei der Männer hatten Sensen und die anderen beiden schartige Schwerter. Gerade noch konnte Shakor der blitzenden Sensenklinge ausweichen, doch nicht weit genug, denn sie streifte sein Bein und der Schnitt begann sofort stark zu bluten. Kharan hieb dem Mann die Breitseite seines Schwertes gegen den Kopf, was ihn besinnungslos zu Boden schickte. Blieben noch drei Gegner, aber Shakor war verwundet, was ihn nicht hinderte, sondern anstachelte.

Kharek hatte sich eines Gegners entledigt, den er durch gekonntes Ausweichen und einen kräftigen Tritt ins Hinterteil in einen Schweinekoben befördert hatte. Er beherzigte Sharkas Anweisung keinen Menschen zu töten, wenn es nicht unbedingt erforderlich war. Sie waren nicht hier um zu töten, sondern um Nahrungsmittel und andere Dinge zu beschaffen. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Nakur Hilfe gebrauchen konnte, denn zwei Männer bedrängten die Schamanin mit Mistgabeln. Er eilte zu ihr herüber…um erschrocken inne zu halten.

Nicht nur Kharek wandte seine Augen zu den Hügeln. Eigentlich stoppten fast alle Kampfhandlungen für einen Wimpernschlag. Der Grund waren die Elben, welche mit gezogenen Schwertern die Hügel hinab kamen. Aragorn und Faramir waren unter ihnen. Ein Teil der Elben blieb zurück, hatte allerdings die Bögen gespannt und Pfeile angelegt.

Einen hellen aber durchaus einschüchternden Kampfschrei auf den Lippen, trafen die Elben auf die Gruppen der Kämpfer, um die Dorfbewohner zu unterstützen. Der Kampf entbrannte mit neuer Heftigkeit und schon bald zeigte sich, dass die Elben es vornehmlich auf die Kämpfer der Haradrim abgesehen hatten, die sie in unerbittliche Kämpfe verwickelten. Hier gab es keine Gnade und Blut wurde mit Blut vergolten.

Sharka atmete tief durch, als der Mann vor ihr die Sense fallen ließ und sich zur Flucht umwandte. Sie hatte das Sensenblatt mit einem harten Hieb vom Stiel getrennt. Ein kleiner Rundblick zeigte ihr, dass ihre Leute noch immer ziemlich nah zusammen waren. Sie hatten die Dörfler auf sich zukommen lassen, anstatt ihnen entgegen zu stürmen. Die Elben, welche ihr zunächst einen Schock versetzt hatten, kümmerten sich um die Menschen aus Harad und in diesem Moment erkannte sie eine Möglichkeit für sich und die Rotte. Sicher, der Gedanke war abwegig und widersprach allen Prinzipien, nach denen sie bisher gelebt hatte. Doch die Zeiten hatten sich geändert und vielleicht musste sie beginnen umzudenken.

Ihre Stimme erklang, laut und unmissverständlich: „Rückzug…zieht euch zurück in die Hügel!" brüllte sie in der Sprache Mordors, den Kampflärm zu übertönen versuchend. Die Uruks gerieten ins Stocken, wer keinen Gegner hatte, wandte die Augen ungläubig in ihre Richtung. Shakor schrie wütend auf und wirbelte herum.

„Feige willst du sein? Kriechen willst du? Du bist kein Krieger Sharka…es ist eine Schande von deinem Blut zu sein…nie wieder soll ein Uruk-hai fliehen. Wie kannst du dich nur so vergessen?" Mit raschen Schritten kam er auf sie zu, das Schwert erhoben, Hass in den gelben Augen. Die Klinge schwang auf und herum, doch sie schaffte es, den Angriff zu parieren. Voller Zorn begann er sie mit heftigen Hieben zu attackieren. Sharka erholte sich schnell von dem Schrecken, dass ihr eigener Sohn sich gegen sie stellte. Und das war auch gut so, denn Shakor war rasend und seine Schläge machten ihr zu schaffen. Er war ein guter Kämpfer, sein Vater hatte viel mit ihm geübt. Wieder machte er einen Ausfall, sie angreifend, doch erwies es sich als geschickte Finte, denn als sie zu parieren versuchte, verhakte er seine Klinge mit ihrer. Eine kleine Drehung des Handgelenkes reichte aus um sie zu entwaffnen. Sharkas Blick glitt herum auf der Suche nach irgendetwas, das ihr als Waffe dienen konnte. Doch da war ihr Sohn schon heran. sein Schwert blitzte auf, als er in einem tödlichen Schwung auf ihren Hals ausholte. Er beendete diesen Schlag niemals, denn noch ehe er seine Mutter erreichte stieß er einen kurzen erstickten Laut aus. Dann rollte der Kopf des jungen Uruk in den Staub. Sein Körper blieb noch einen langen Moment aufrecht stehen, als wollte er selbst im Tod noch Stolz zeigen, dann folgte er dem Schädel.

Sharkas Augen trafen die von Lurtz, ehe er sich umwandte, weg von dem Jungen, dessen Leben er soeben beendet hatte, bevor jener das seiner Mutter nehmen konnte. Der große Ork bellte Sharkas Befehl erneut über die Köpfe der Kämpfenden hinweg. Die Uruks begannen sich zu sammeln, die meisten hatten Shakors Ende zumindest aus dem Augenwinkel gesehen.

Kharek jedoch wusste nichts davon denn er wurde von zwei Dörflern bedrängt. Er hörte sowohl Sharkas Ruf, als auch den von Lurtz kurze Zeit später. Doch noch war es ihm nicht möglich zu ihnen zu stoßen. Gerade war es ihm gelungen einen der Männer zu entwaffnen und gegen den anderen zu schubsen, da kamen ihm zwei Haradrim Krieger zu Hilfe. Nun wollte Kharek zu Sharka und den anderen, doch jemand versperrte ihm den Weg. Eine geschwungene Klinge über der helle Augen blitzten, schmerzlich vertraut. Rûmil.

Der Elb hatte sich einen Weg gebahnt, immer auf der Suche nach der großen dunklen Gestalt seines Freundes. Nun hatte er ihn gefunden. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass an der Klinge des Uruks kein Blut klebte. Auch vermisste er den Ausdruck blinder Wut, den er damals in Bruchtal gesehen hatte.

Ihre Augen trafen sich und Rûmil konnte den inneren Kampf in Khareks Herzen erkennen. Sehr langsam senkte der Elb sein Schwert, er war sich bewusst, dass er sich hier nur auf ein Gefühl verließ. Wenn er sich irrte, dann würde das hier sehr böse enden.

„Kharek…ich will nicht gegen dich kämpfen. Ich möchte dich nicht zum Feind haben. Ich werde mich jetzt umdrehen und was du dann tust liegt in deiner Hand. Ich werde dir nicht sagen, wie du dich entscheiden sollst, aber ich hoffe immer noch, dass ich meinen Freund, dessen Weg ich begleiten wollte, nicht verloren habe." So geschah es dann auch, Rûmil drehte sich um, das Schwert gesenkt, Kharek den Rücken zuwendend.

Kharek schaute ihm nach und schluckte hart. In ihm tobten widersprüchliche Gefühle. Ein Teil von ihm wollte Rûmil folgen, ihm erklären, warum er gegangen war, ihm sagen, was er gesehen und erfahren hatte. Der andere Teil wollte abschließen, dieses Kapitel beenden und sich voll und ganz den Uruk-hai anschließen mit allen Konsequenzen.

Der zweite Teil gewann das Ringen, zumindest für diesen Moment und er zog sich zusammen mit den anderen Uruks zurück, die sich immer mehr in Richtung der Hügel zurückzogen. Ein paar Männer aus dem Dorf folgten ihnen halbherzig, blieben aber dann, wüste Schmähungen ausstoßend, zurück. Die Haradrim bemerkten zu spät, dass ihre wilden Verbündeten das Weite gesucht und auch gefunden hatten, sie waren zu sehr mit den Elben beschäftigt.

So konnten die Uruks es den Haradrim heimzahlen, was diese ihnen beim Zusammentreffen mit den Elben damals angetan hatten, als sie Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Sharka führte die Rotte unerbittlich voran, durch die Hügel, einem schmalen Pfad folgend, bis in die Ausläufer der flachen Gebirgsausläufer. Erst hier gönnte sie sich und den anderen eine Pause. Heftig atmend ließ sie ihren Blick über ihre Leute wandern. Alle hatten mehr oder weniger Blessuren davon getragen, von Prellungen bis zu tiefen Schnitten. Tote gab es keine zu beklagen…bis auf einen.

Die Anführerin seufzte leise. Shakor hatte sein Ende selbst herbeigeführt und noch immer saß der Schreck über seinen unerwarteten Angriff tief in ihrem Herzen. Sie hegte keinen Groll gegen ihn, ihr Sohn hatte gehandelt, wie er es gelernt hatte. Vielleicht wäre er mit einem neuen Weg nicht zurechtgekommen. Er lebte für den Kampf und der Kampf der Uruk-hai war zu einem beständigen Überlebenskampf geworden. Ihre Gegner waren Hunger, Heimatlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die es zu bekämpfen galt. Und hier war ein Schwert nicht immer die effektivste Waffe.

Müde glitt Sharka zu Boden, ihre Blessuren aus dem Kampf ignorierend. Sie lehnte sich mit dem Rücken an einen Baum und ließ ihren Blick über die Baumkronen der fernen Hügel gleiten, als könne sie dort eine Antwort finden…eine Antwort auf die Frage, was ihnen die Zukunft wohl bringen würde.

Sorry schon mal, ich hab's nicht so mit Kampfszenen. Irgendwie bin ich nicht so glücklich mit diesem Kapitel, aber andererseits ist alles drin, was ich bis hier hin drin haben wollte. Ich bin mal gespannt, wie es euch so gefällt…