51. Minas Tirith

---- So, ich lass das vorige Kapitel einfach mal so stehen, wie es ist. Dieses wird länger, denn tatsächlich tauchte in den letzten beiden (durchwachten) Nächten meine Muse wieder auf und knutschte mich heftig. Tja, manchmal hat eine Mittelohrentzündung auch was Gutes, aber ich möchte nicht, dass mein Sohn nun immer erst krank werden muss, damit ich wieder kreativ werde. Doch nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel.----

Beeindruckend. Das erste Wort, was ihm einfiel war dieses. Sein Blick glitt hinauf, die strahlend weißen Mauern ragten hoch auf, sieben Ebenen zählte er und hoch droben ragte wie der Kiel eines Schiffes eine Felsnadel hervor. Das war sie also, die Menschenstadt Minas Tirith. Unbewusst zog er Barans Zügel an und der braune Wallach kam zum Stehen. Rûmil zügelte sein Pferd und kam an Khareks Seite. Fragend traf der Blick des Elben den Ork, er aber zuckte nur mit den breiten Schultern und trieb sein Pferd dann wieder an um Aragorn und Faramir zu folgen. Ratlos blickte Rûmil ihm nach und seufzte leise. Kharek war seitdem er wieder bei ihnen war sehr verschlossen und nachdenklich, doch schien er nicht über seine Sorgen reden zu wollen, nicht mal zu ihm, was ihn schmerzte.

Kharek hätte vermutlich seine Befürchtungen nicht mal in klare Worte fassen können. Es war einfach ein unangenehmes Gefühl, welches ihn ergriffen hatte. Sicher keine Angst oder etwas in der Art. Er war es einfach nur leid, sich wieder und wieder erklären zu müssen, immer wieder Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Aber genau dass erwartete ihn, dass wusste er. Die Menschen in dieser Stadt würden ihm ablehnend gegenüber stehen, ängstlich sein oder sogar gewalttätig reagieren. Wieder einmal ging ihm durch den Kopf, dass er vielleicht bei Sharka und ihren Orks besser aufgehoben gewesen wäre. Doch da war auch noch Rûmils Versprechen, dass sie jederzeit nach Bruchtal zurückkehren würden, wenn er es auch nur kurz erwähnte. Diese Sicherheit beruhigte ihn dann wieder ein wenig. Er hätte es Rûmil einfach nicht erklären können, von daher zog er es vor zu Schweigen, auch wenn er seine Besorgnis spüren konnte.

Doch noch jemand war von gemischten Gefühlen erfüllt. Er war erfreut gewesen, als Kharek sich ihnen wieder angeschlossen hatte. Eine Zeitlang hatte er nicht mehr daran geglaubt, vor allem, als er ihn in Begleitung der anderen Orks gesehen hatte. Es wirkte so richtig, wie er bei ihnen war. Doch nun war er wieder da und seine Sorge galt dem Weg, der vor ihm lag. In Minas Tirith würde der Uruk nicht mit offenen Armen empfangen werden und es war an ihm, die negativen Reaktionen voraus zu sehen und durch Erklärungen möglichst gering zu halten. Er hatte die Verantwortung für Kharek, so empfand er es und als König würde sein Handeln sicher sehr viel kritischer hinterfragt werden. Er brachte einen Feind mit, aber war dieser inzwischen ein Freund, ein Wandel, den das Volk von Gondor sicher nicht nachvollziehen konnte. Faramir stimmte ihm in diesen Dingen zu und hatte erst heute Morgen wieder Zweifel angemeldet, ob es eine gute Entscheidung war, den Uruk mit in die Stadt zu nehmen. Für den jungen Fürsten von Ithilien stand außer Frage, dass Kharek bei den anderen Orks hätte bleiben sollen. Aber nun standen sie vor den Toren der weißen Stadt und es würde sich bald zeigen, wie groß die Probleme nun in Wirklichkeit waren.

Ein helles Signal verkündete die Ankunft der Reiter und die Rückkehr des Königs. Die Tore der weißen Stadt öffneten sich und die Wachen nahmen Haltung an. Aragorn setzte sich nicht, wie er es eigentlich vorgehabt hatte an die Spitze der Gruppe, sondern ließ sich zurück fallen, bis er an Khareks Seite war. So wurde der Ork nun von beiden Seiten flankiert und vielleicht auch ein bisschen abgeschirmt, vor unliebsamen Überraschungen. Kharek hob nur kurz eine Augenbraue, sagte aber nichts weiter, als Aragorn an seiner Seite auftauchte. Sie ritten über eine breite Straße durch das Tor in die Stadt hinein. Es waren nicht viele Leute auf der Straße unterwegs, hier am Tor waren es tatsächlich nur die Wachen. Doch schon diese verhielten sich, wie Aragorn es befürchtet hatte, zuerst schien ihr Blick von grimmiger Freude erfüllt, als sie den Ork erblickten, doch als sie das Fehler jeglicher Fesseln und Ketten registrierten wandelte sich ihr Blick. Unverständnis stand nun in ihren Augen, überdeckt von Furcht. Aragorn beschloss das dieses nicht der richtige Zeitpunkt für eine Erklärung war, also nickte er den Männern nur beruhigend zu. Die kleine Gruppe setzte ihren Weg fort, über den Marktplatz der unteren Ebene, bis zu den Aufgängen, die weiter nach oben führten. Die wenigen Händler und Bürger, die zur Mittagszeit hier unterwegs waren zeigten in etwa dasselbe Minenspiel, wie die Wachen am Tor. Aragorn traf die Entscheidung, den Weg über den äußeren Ring zu nehmen, so dass sie mit möglichst wenig Kontakt zur obersten Ebene kamen. So geschah es dann auch und Aragorn atmete erleichtert auf, als er den Vorplatz erreichte und die vertrauten Türen zu seinen privaten Gemächern erblickte. Hier stiegen sie nun ab. Zwei Wachposten näherten sich, um ihnen die Pferde abzunehmen, hielten jedoch in dem Moment inne, da sie Kharek sahen und erkannten, dass dieser Uruk-hai in Freiheit war. Aragorn unterdrückte ein Seufzen. Er schob sich an Kharek vorbei, dessen Anspannung registrierend. Der große Ork hatte die Nüstern gebläht und seine Brauen waren zusammengezogen.

„Hört meine Worte. Dieser Uruk-hai Krieger ist mein persönlicher Gast und ich erwarte, dass er nicht anders behandelt wird, wie ein jeder Gast, den ich habe. Ich werde später erklären, wie es sich zutrug, dass wir Seite an Seite reiten. Aber bis dahin gilt, dass ihm in keiner Weise feindlich oder abwertend begegnet werden darf."

Zögernd traten die beiden Wächter näher, ergriffen die Zügel der Pferde und beeilten sich, diese zu den Ställen zu bringen. Faramir trat an Aragorns Seite. „Diese Worte werden sich wie ein Lauffeuer im Volk verbreiten. Jedoch hege ich Zweifel, dass ein jeder deine Anweisungen befolgen wird. Nach außen hin gewiss, aber im Inneren kannst du den Menschen ihr Feindbild nicht von jetzt auf gleich nehmen. Das sitzt zu tief."

Aragorn nickte langsam, sein Blick war nachdenklich, als er sich an Kharek und Rûmil wandte. „Rûmil, bitte bleib an Khareks Seite, bis ich eine öffentliche Erklärung abgeben konnte. Es wird nicht lange dauern. Bis dahin werde ich euch erst mal ein Quartier in meinem Gästehaus geben. Folgt mir bitte."

Er brachte sie dann in eines der großen Gästehäuser des Palastes, wo sie sich zusammen mit Elronds Söhnen einrichteten. Aragorn ging mit Faramir in sein Studienzimmer, um mit seiner Hilfe die Erklärung für das Volk zu verfassen. In knappen Worten würde er schildern, wie sie die Plünderungen unterbunden hatten, was dahinter steckte und welche Lösung sich für dieses Problem gefunden hatte. Khareks Rolle würde er als Vermittler zwischen den Rassen darstellen und sich auf sein Willkommen in Bruchtal berufen. Dabei zählte er auf die Hilfe von Rûmil, Elladan und Elrohir.

Kurz vor dem Abendläuten fand dann die öffentliche Verkündung statt und wie es aussah war ganz Minas Tirith auf den Beinen. Es gab heftige Reaktionen, als Aragorn geendet hatte. Sicher wagte niemand den König verbal anzugreifen, aber unter dem Volk kam es zu lautstarken Debatten darüber, ob die Anwesenheit eines Uruk-hai in der weißen Stadt geduldet werden konnte. Viele schworen im Flüsterton, dass sie niemals mit einer dunklen Kreatur Frieden schließen würden. Es zeichnete sich bereits jetzt schon deutlich ab, dass sie Kharek voller Hass und Vorurteile begegnen würden, so wie ihr Feindbild sich über die Jahrzehnte ihrer Leben hinweg geformt hatte. Kharek war nicht bei der Verkündung zugegen, er blieb mit Rûmil und Elronds Söhnen im Gästehaus, vielleicht wäre er ansonsten schon in diesem Moment auf dem Weg zurück nach Bruchtal.

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Missmutig blickte er zur Tür hinüber. Wieder einmal kam Rûmil nicht zur verabredeten Zeit zurück. Sie hatten zusammen zu Abend essen wollen, aber wie es aussah würde er wieder allein essen. Die Alternative wäre ihn suchen zu gehen, aber Kharek zog es immer noch vor, sich nicht allein außerhalb des Gästehauses zu bewegen. Rûmil hingegen traf sich oft mit Elronds Söhnen und Faramir mit Aragorn, um über die neuen Verteidigungsanlagen der Stadt zu grübeln oder andere Fragen des neuen alten Reiches zu erörtern. Viele Dinge galt es zu klären, die Folgen des Krieges aufzuzeigen und Hilfsmaßnahmen einzuleiten, so es möglich war. Kharek freute sich für Rûmil, dass seine Meinung dem König so viel bedeutete, aber andererseits bedeutete es eben auch, dass der Elb weniger Zeit mit ihm verbrachte. Kharek interessierte sich nicht besonders für Wehranlagen oder Dienstpläne der Wachmannschaften. Er würde lieber an der frischen Luft sein, sich bewegen, so wie er es in Bruchtal getan hatte. Er vermisste sein regelmäßiges Schwerttraining mit Rûmil und auch die langen Gespräche mit Gloráre. Immer öfter stellte er seine Entscheidung in Frage, Sharka zu verlassen und inzwischen spielte er sogar mit dem Gedanken heimlich nachts aus der Stadt zu reiten um sich auf die Suche nach der Rotte zu machen. Er hatte eine Karte von Mordor gesehen, er wusste also ungefähr, wo sich die Uruks aufhalten würden, wenn sie ihr Ziel erreichten. Doch es war ein langer Weg durch ein ihm fremdes Land. Aber nicht nur der Gedanke an das Ungewisse ließ ihn zögern, immer öfter dachte er auch an Gloráre und das Kind, welches sie trug, sein Kind. Anstatt dem Wunsch nach einer heimlichen Flucht nachzugeben würde er Rûmil um die Rückkehr nach Bruchtal bitten. Hier in der weißen Stadt, das wusste er, würde er nicht glücklich werden. Er hatte einfach keine Lust die Menschen hier zum Umdenken zu bringen. Sollten sie auf ihren alten Feindbildern hocken bleiben. Er hatte eine Zukunft, und um die würde er sich nun kümmern, jetzt gleich.

Mit diesem Gedanken stand er auf und nahm seinen langen Umhang vom Haken neben der Tür. Er schloss ihn vor der Brust und streifte sich die Kapuze über den Kopf. Wenn man nicht genau hinsah, dann konnte man ihn für einen Mann von kräftiger Statur halten. Kharek verließ das Gästehaus und machte sich auf den Weg, Rûmil zu suchen. Die Wächter an den Türen zu Aragorns privaten Räumen mochte er nicht fragen, also beschloss er einen kleinen Rundgang zu machen, in der Hoffnung vielleicht eine Hintertür zu finden. Die frische klare Abendluft tat ihm gut und er dehnte die Runde etwas weiter aus, als er es eigentlich wollte. Doch die Nacht war recht dunkel und nur wenige Laternen waren entzündet, so dass er allzu neugierigen Blicken gut ausweichen konnte. Mit der Zeit wurden seine Schritte ausgreifender und seine Haltung gerader. Er begann sich ernsthaft zu fragen, warum er das nicht schon eher gemacht hatte. Was sollten ihm die Menschen schon anhaben? Er war ein Uruk-hai, ein Krieger. Er war groß und stark, und diesem einfachen Volk doch weit überlegen. Warum sollte er sich in einer Kammer verstecken? Wenn sie ihn nicht sehen wollten, dann sollten sie doch den Blick abwenden. Wenn sie sich nicht mit seiner Gesellschaft abfinden konnten, dann sollten sie sich doch einen anderen Ort suchen, um sich aufzuhalten. Er war hier als Freund des Königs und er hatte dessen Erlaubnis sich frei in der Stadt zu bewegen. Mit einem zufriedenen Grollen in der Kehle bog er in eine breitere Straße ab. Ein kleiner Hund nahm sicherheitshalber Reißaus, als ihm die Witterung des großen Orks zugetragen wurde.

Plötzlich hielt Kharek inne und schnupperte. Der laue Abendwind trug ihm köstliche Gerüche nach frischem Fleisch zu, rohes Fleisch, wie er mit einem kleinen grimmigen Lächeln feststellte. Die Zeit, die er mit den anderen Orks verbracht hatte und ihre gemeinsamen Mahlzeiten hatten ihn auf den Geschmack gebracht. Er schaute auf und sah, dass er vor einem Gasthaus stand, genauer neben der Seitentür, die dem Geruch nach in die Küche führte. Sein knurrender Magen erinnerte ihn daran, dass es Zeit fürs Abendessen war und er beschloss dieses nicht allein einzunehmen. Also betrat er den Schankraum durch die Vordertür.

Schummeriges Licht von Kerzen und Öllampen erhellte den Raum mäßig. Die Luft war rauchgeschwängert, was Khareks empfindlichen Nüstern nicht gefiel. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen und seine Nase an diese Umgebung gewöhnt hatten. Dann aber suchte er sich einen Tisch in einer Ecke, wo es ziemlich dunkel war, doch das kam ihm schon recht. Das Gasthaus war gut besucht zu dieser Stunde und Kharek wurde keine große Aufmerksamkeit zuteil, denn die Gäste waren mit sich selber und ihrem Essen beschäftigt und der Wirt eben damit seine Gäste zufrieden zu stellen. Kharek behielt zunächst seine Kapuze auf, denn ganz so wohl war ihm im Moment dann doch nicht, umgeben von Menschen in dieser Umgebung, die seine Sinne beeinträchtigte.

Er versuchte möglichst unauffällig dazusitzen, lehnte sich an die Wand und begann dann eher zufällig einem Gespräch am Nebentisch zu lauschen. Doch als er das Wort Uruk aufschnappte wurde er hellhörig und die beiden Männer, die er nur von hinten sehen konnte hatten jetzt seine volle Aufmerksamkeit. Einer von ihnen war glatzköpfig, bis einen dünnen Zopf schwarzer Haare, der von der Schädelmitte über seinen Rücken hinab hing. Der andere hatte ungepflegte schwarze Haare, die er im Nacken zusammengebunden hatte. Der erste sprach mit rauer Stimme, wobei seine schwere Zunge davon zeugte, dass er schon reichlich dem Wein zugesprochen hatte.

„Uruks…wo findest du denn heute noch welche? Es gibt keine männlichen mehr in Mordor und die Weibchen halten sich gut versteckt und wenn sie rausgehen, dann nur in großen Gruppen und wachsam wie nix Gutes. Ich sach dir Ulmahr…die Zeiten sind lausig… Ich würde den großen Ork echt gern allein erwischen, hehehe…der würde ein hübsches Sümmchen bringen…nich so nett wie die Weibchen, die abzurichten is einfach besser…da kannste intensiver mitarbeiten…hehehe…"

Beide Männer brachen in fieses Lachen aus und hauten sich gegenseitig auf die Schultern. Kharek spürte wie lodernd heiße Wut in ihm aufstieg, als er den Männern zuhörte. Solche wie diese waren es gewesen, die Phera all das angetan hatten, was sie erlitten hatte. Sklavenhändler aus Rhûn. Abschaum dessen Aufenthalt in der weißen Stadt er sich nicht erklären konnte. Doch ihre Anwesenheit hier war ein klarer Fall von zur falschen Zeit am falschen Ort. Kharek stand langsam auf und schob sich hinter den Stuhl des Zopfträgers… Der wurde gerade von dem anderen Mann an einen großen Fehler erinnert. „Sicher machen die Weibchen mehr Spaß, wenn du vorsichtig genug bist. Denk nur an das Biest, welches dein Aussehen so unvorteilhaft verändert hast…die war echt gefährlich…da hattest du Glück, dass du noch lebst."

Der Zopfträger setzte zu einer Antwort an, die er nie geben würde. Stattdessen schaute er erschrocken auf die dunkle Pranke, die sich auf seine Schulter senkte. Schwarze scharfe Krallen bohrten sich in den Stoff seiner groben Tunika und als er aufblickte, schaute er direkt in ein paar gefährlich funkelnder Augen unter einer Kapuze…

---- So, genug jetzt erst mal…ich hab den Stoff für das nächste Kapitel aber schon im Kopf, also nur ein wenig Geduld, ich lass euch nicht zu lange dürsten. Vielleicht nutzt ihr die Wartezeit für das eine oder andere Review?