Disclaimer: Nichts an dieser Geschichte gehört mir, außer dem Plot. Alle originalen Charaktere und Schauplätze die aus dem HP-Universum entnommen sind, gehören J. K. Rowling oder Warner Bros. oder wem auch immer. Ich mache damit kein Geld.

Kapitel 5 – Gewißheit / Duelle / Entscheidung

Nach dem Abendessen machte Harry mit den anderen das in seinen Augen einzig Sinnvolle und ging mit ihnen in die Bibliothek, um dort mit ihnen zu lernen. Irgendwie machte es ihm langsam richtig Spaß, und selbst Ron empfand es als immer weniger schlimm. Hermine war glücklich, weil sie niemanden mehr zum Lernen animieren mußte, doch war da noch immer die Ungewißheit, die zwischen ihr und Harry hing. Harry war sich noch immer nicht sicher, doch fühlte er, daß es bald soweit sein würde. Sie schien ihn im Augenblick ein wenig zu meiden, doch nie so, daß es ihm wirklich aufgefallen wäre. Hätte er sie gebraucht, sie wäre sofort für ihn dagewesen, ohne nachzudenken, ohne zu zögern.

Diese ganze Sache schleppte sich durch die komplette nächste Woche, bis er sich am Freitag plötzlich sicher war. Sie hatten Verteidigung gegen die dunklen Künste, und er schaffte es nicht, sich auf den wirklich spannenden Unterricht zu konzentrieren. Ständig sah er nur Hermine und konnte einfach nicht die Augen von ihr nehmen. Sie sah auf einmal noch viel süßer aus, obwohl sie – wenn sie ein Außenstehender betrachtet hätte – so aussah wie immer. Bei jedem Blick, den sie ihm zuwarf, spürte er ein unglaublich schönes Gefühl im Magen, und er hatte ununterbrochen das starke Verlangen, sie zu küssen … sie überall zu berühren. Als er am Ende zehn Punkte wegen mangelnder Aufmerksamkeit abgezogen bekam, störte es ihn im ersten Moment nicht im geringsten, bis er einen Blick von Hermine auffing. Er schämte sich in Grund und Boden und fühlte sich gleichzeitig so glücklich, daß sie ihn überhaupt angesehen hatte. Er konnte sich das alles nur durch eine Sache erklären.

Ich liebe Hermine Jane Granger, dachte Harry und folgte ihr in einem Meter Abstand zum Mittagessen. Er betrachtete ihre schönen, bei jedem Schritt schwingenden Haare und wollte nichts lieber als daran riechen. Er sah ihre zarten Hände und wollte nichts lieber, als sie in die seinen zu nehmen. Er blickte in ihre herrlich rehbraunen Augen und wünschte sich nichts mehr, als sich in ihnen zu verlieren. Er wollte ihre Lippen küssen und ihre Wangen streicheln. Er wollte an ihren Ohrläppchen knabbern und ihren Nacken liebkosen. Wäre nicht die Mittagspause gewesen, er hätte wegen mangelnder Aufmerksamkeit gleich noch einmal Hauspunkte abgezogen bekommen. So saß er einfach nur in ihrer Nähe und versuchte sie möglichst unauffällig zu beobachten. Bloß nicht zu nah an sie ran, dachte er die ganze Zeit und betrachtete sie beim Essen, während er selbst nicht einen Bissen herunterbekam. Gott sei Dank achtete niemand auf ihn, so daß es wohl unbemerkt blieb.

Nach dem Abendessen fand ein weiteres DA-Treffen statt, und inzwischen waren zweiundfünfzig junge Hexen und Zauberer Teil dieser Gruppe. Deshalb beschloß er, die Gruppe zu teilen. Er selbst wollte die Fortgeschrittenen unterrichten, während Hermine und Ron die Anfänger unter ihre Fittiche nehmen und sie so schnell wie möglich an die anderen heranführen sollten. Ein wenig tat er es aber auch aus Eigennutz: so war er Hermine nicht die ganze Zeit so nah und konnte sich viel besser auf die DA konzentrieren. Zuerst sträubte sich Ron zwar ein wenig gegen die Verantwortung, doch als Luna ihn darin bestärkte, konnte er nicht mehr ablehnen, und am Ende konnte Harry ihm ansehen, wie sehr er die gewonnene Autorität und den Respekt genoß.

Der Samstag stand dann schon halb im Zeichen des bevorstehenden Quidditch-Matches, und so trainierte das Team den ganzen Vormittag und versuchte sich mit den neuen Spielern einzuspielen. Es gelang anfangs überraschend gut, trotzdem gab es im späteren Verlauf immer wieder größere Probleme, die sie mitunter auch lautstark miteinander diskutierten.

Der Nachmittag und Abend wurden wieder zum Lernen benutzt, und auch eine größere Hausaufgabe für Verwandlung wurde von ihnen erledigt.

Sonntagvormittag hatte dann auch Ravenclaw das Abschlußtraining, und Gryffindors Spione hatten nicht viel Gutes für ihre Mannschaft zu berichten. Offensichtlich hatte sich das Team seit dem letzten Jahr verstärkt, und aus diesem Grunde spürten Harry und auch die anderen einen gewissen Respekt vor ihnen. Am Nachmittag fand dann das Spiel statt, das erstmals nach vielen Jahren nicht von Lee Jordan kommentiert wurde, der die Schule beendet hatte. Malcolm Clarke war der neue Kommentator, und er war ein Hufflepuff in seinem vierten Jahr.

»Luna sagt, er ist ein absoluter Quidditch-Experte und weiß wahrscheinlich sogar mehr darüber als ich«, erzählte Ron, während sie sich für das Spiel umzogen.

»Ich weiß nicht. Ohne Lee ist es nicht dasselbe«, erwiderte Harry und setzte sich seine Brille wieder auf die Nase.

»Ich weiß. Lee fehlt mir auch. Meinst du, McGonagall wird ihn vermissen?« fragte Ron und grinste.

»Jede Wette. Sie hat zwar fast immer über seinen Stil gemeckert, insgeheim aber hat sie ihn geliebt«, sagte Harry und mußte lachen.

»Kommt schon. Wir müssen raus«, rief Katie durch die Kabine.

Colin sah ein wenig zu nervös aus, doch Harry wußte, daß es gleich vorbei sein würde, denn Colin war nur so lange nervös, bis er auf seinem Besen saß. Mit Beginn des Spiels war die Nervosität bisher immer sofort weggewesen, und er war bereit gewesen, das Spiel zu spielen, welches er niemals geglaubt hatte, spielen zu können, vor allem nicht mit Harry im gleichen Team. Ron hatte ihn als ersten Neuling ins Team geholt, und Colin hatte sich zuerst gesträubt und mit Händen und Füßen gewehrt, bis Ron ihn zur Seite genommen hatte, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen.

»Daß du Ginny leicht ins Team bekommen hast, das verstehe ich ja noch, aber ich frag' mich immer noch, wie du Colin überredet hast«, sagte Harry leise zu Ron.

»Das, mein Lieber, wirst du niemals von mir erfahren!« antwortete Ron zufrieden vor sich hin grinsend. Dann wandte er sich den anderen zu: »Denk dran, Ginny, spiel viel und schnell ab. Um so schneller ihr abspielt, um so leichter wird es. Und du, Colin, versuch nichts Extravagantes. Spiel einfach und direkt. Wir müssen uns erst richtig einspielen.« Dann blickte er Katie an. »Du mußt sie leiten und führen. Sprecht miteinander. Nutzt die Codes.«

Genervt verdrehte Katie die Augen. »Wie oft willst du mir das noch sagen?« fragte sie und Ginny grinste, während Colin noch immer ziemlich nervös aussah.

»So oft, bis es dir zu den Ohren rauskommt. Okay, okay. Dann mach ich es eben kurz und schmerzlos. Kämpft und siegt!« brüllte Ron, und alle stimmten ein.

Zusammen gingen sie jetzt hinaus aufs Feld. Sofort hörte Harry die noch unbekannte Stimme des neuen Stadionsprechers Malcolm Clarke: »Da kommen die Gryffindors, angeführt vom Hüter und neuem Mannschaftskapitän Ronald Weasley.« Harry sah, wie Ron bei der Nennung seines vollen Namens die Augen verdrehte. »Dann kommt schon ihr Sucher Harry Potter. Die drei Jäger Katie Bell, Ginny Weasley und Colin Creevey gehen heute auf Punktejagd, und Jack Sloper sowie Andrew Kirke sind wie im letzten Jahr als Treiber im Team dabei. Da kommen auch schon die Ravenclaws.«

Harry hörte ihn aber nicht mehr wirklich. Er sah schon einige Zeit zu Cho und konnte seine Augen nicht von ihr wenden. Sie sah in ihrer Quidditch-Uniform schöner aus als je zuvor, und Harry genoß ihren beinahe majestätischen Anblick. Warum starre ich sie an? Warum tue ich das? Ich liebe Hermine. Für Cho empfinde ich nichts. Denk an Hermine … quatsch … denk an das Spiel, dachte Harry und versuchte ausreichend Konzentration zu finden.

»Die Mannschaftskapitäne schütteln sich die Hand, und gleich geht es auch schon los«, hörte er jetzt Clarks Stimme und konnte endlich die Augen von Cho nehmen. Ein Pfiff ertönte, und Harry schraubte sich in den klaren Himmel. Sofort flog er eine schnelle Stadionrunde, und zu seiner großen Enttäuschung hatte Ravenclaw bereits gepunktet, kaum daß er sie beendet hatte.

»Großer Fehler von Gryffindors Hüter und Kapitän Ronald Weasley«, sagte Clark nüchtern und sachlich, wo Lee geflucht hätte, daß sich die Balken gebogen hätten.

Schnell lag Gryffindor mit zehn zu dreißig Punkten zurück, und selbst diese zehn Punkte hatte Katie nur mit Glück erzielt. Harry suchte schon fast verzweifelt den Schnatz, bevor ihnen sein Fang bald nicht mehr viel nutzen würde. Nach nur zehn Minuten stand es schon vierzig zu zehn für Ravenclaw, als Cho, die weit entfernt von Harry flog, wohl etwas gesehen hatte. Sie wechselte unvermittelt die Richtung und steuerte darauf zu. Da mußte er sein, fuhr es ihm durch den Kopf, und er flog eine Linkskurve und steuerte nun seinerseits genau auf sie zu. Unwahrscheinlich schnell kamen sie sich näher – und da war der Schnatz! Genau zwischen ihnen schwebte er, zwanzig Meter hoch in der Luft, und schien sich nicht bewegen zu wollen. Harry steigerte das Tempo aufs äußerste und war nun deutlich schneller als Cho. Sie war wohl noch zehn Meter vom Schnatz entfernt, als Harry ihn erreichte und ihn mühelos aus der Luft fischte. Schnell flog er ein hartes Ausweichmanöver, um nicht mit Cho zusammenzustoßen, und anschließend schon die Ehrenrunde, um sich für den Matchgewinn feiern zu lassen. Das Stadion explodierte förmlich. Die Gryffindors brachen in begeisterte Jubelstürme aus, während der Großteil der Slytherins und Ravenclaws laut buhte und pfiff, während sich Hufflepuff nicht so recht entscheiden konnte.

»Nach nur zwölf Minuten ist alles vorbei. Gryffindor gewinnt das erste Match des Jahres mit hundertsechzig zu vierzig Punkten dank ihres überragenden Suchers Harry Potter, der damit die schwache Teamleistung ausgleichen konnte«, kommentierte Malcolm, und Harry konnte Ron auf dem Boden toben sehen. Kaum war er gelandet, ging er zu Ron, der sich plötzlich wieder beruhigt hatte, offensichtlich deshalb, weil Luna neben ihm stand und ihn anhimmelte.

In diesem Moment wurde er auch schon von Katie umarmt. »Gut, daß du so schnell warst. Offensiv waren wir heute zu schwach, und defensiv muß es auch besser werden. Toller Fang!« jubelte sie und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Auch Ginny und Colin umarmten Harry und bedankten sich für die Rettung.

»Ich war doch nicht mehr nervös, warum hab' ich trotzdem so einen Mist zusammengespielt?« hörte Harry, wie Colin mit sich haderte, ehe er in der feiernden Menge verschwand.

Es war nicht die größte oder beste Siegesfeier, ohne die Weasley-Zwillinge konnte sie es schlechterdings auch nicht sein; doch es war eine schöne Party im Gryffindor-Turm, auch wenn sich Ron ziemlich bald mit Luna in die einsamste Ecke zurückgezogen hatte und es Harry schwerfiel, unbeschwert mit seinen Freunden zu lachen, da er ständig an die stets gegenwärtige Bedrohung durch Voldemort denken mußte.

Das Abendessen beendete die Siegesfeier schließlich, und dort sah er auch Cho erstmals nach dem Spiel. Sie wirkte schlechtgelaunt, und Harry konnte es nur zu gut verstehen. Nicht ein Mal war es ihr bisher gelungen, ihn zu schlagen, und es schien sie mächtig zu wurmen. Nach dem verlorenen Spiel sah sie für ihn auch nicht mehr ganz so attraktiv aus, während Hermine positiv aus der Menge herausstach und diese förmlich überstrahlte. Zwar vermied er es die ganze Zeit, sie allzu lange anzusehen, doch jetzt war es ihm fast unmöglich. Nur mühsam konnte er sich auf sein Essen konzentrieren, galt seine Aufmerksamkeit doch immer wieder den braunen Augen schräg gegenüber. Ron dagegen schien auf Luna fixiert und aß so langsam, wie Harry es nur ganz selten bei ihm erlebt hatte.

Nach dem Essen gingen sie zurück in den Gemeinschaftsraum, wo Harry und Hermine die anderen überreden konnten, doch noch ein wenig zu lernen. Besonders Harry wollte für Verteidigung gegen die dunklen Künste üben, würde doch vielleicht schon in der nächsten Woche endlich sein erstes Duell stattfinden.

Später leerte sich dann der Gemeinschaftsraum immer mehr, bis nur noch Ron, Hermine, Neville und Harry übrig waren.

»Wollen wir nicht ins Bett gehen?« fragte Harry gähnend und blickte die drei anderen an.

»Sehr gern«, erwiderte Neville und räumte seine Unterlagen zusammen.

»Dann geh' ich auch«, sagte Hermine und klappte ihr Buch zu.

»Ich würde gern noch kurz mit euch beiden reden«, merkte Ron an. »Nichts gegen dich, Neville, aber es ist ziemlich persönlich.«

»Kein Problem. Gute Nacht«, antworte dieser und war schon gleich darauf verschwunden.

»Worum geht es denn?« fragte Harry und sah zu Hermine herüber, die genauso ahnungslos schien.

»Ich – also – es fällt mir schwer, mit euch darüber zu reden, doch ich muß mit jemandem reden, sonst wird es mich noch zerreißen. Also … es geht um mich und Luna«, stieß Ron schnell und leise hervor und wurde rot, während sich die Mienen seiner beiden Freunde sofort erhellten.

»Was ist mit euch?« fragte Hermine.

»Nun … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … sie … hat … gesagt …«, stotterte Ron, wurde aber von Harry unterbrochen:

»Was denn? Sag's einfach!«

»Nun … sie hat gesagt, daß sie sich in mich v verliebt hat.« Seine Stimme klang ziemlich gequält, während er knallrot wurde und ihm das Ganze sichtlich unangenehm war. Wahrscheinlich gab es für ihn kaum etwas Schlimmeres, als hier mit den beiden zu sitzen und über sein Liebesleben zu sprechen – Spinnen einmal ausgenommen, ging es Harry durch den Kopf, und er mußte grinsen.

»Das ist doch wunderbar!« erwiderte Hermine und lächelte breit.

»Ist es das? Ich weiß nicht! Liebe ich sie? Woher weiß sie, daß sie mich liebt. Wann weiß ich, ob ich sie liebe? Das verwirrt mich alles so? Was soll ich nur tun?« Er sah total verunsichert aus.

»Was empfindest du, wenn du bei ihr bist?« fragte Hermine mit ihrer warmen Stimme.

»Ich fühle mich gut und freue mich immer, mit ihr zusammenzusein. Wenn sie lächelt, lächle ich auch. Ich mag sie sehr. Doch es gibt Dinge, die mich ärgern.« Er rutschte unruhig hin und her. »Manche lachen immer noch über sie. Nicht über sie, wie sie sich heute gibt, aber über Dinge, die sie in den letzten Jahren getan hat … gesagt hat … oder wie sie aussah. So in der Art von: ›Wo sind denn deine schönen Ohrringe?‹, und so. Und manche nennen sie immer noch Loony Lovegood. Das nervt mich tierisch, und ich muß mich wirklich zurückhalten, denen nicht eine reinzuhauen. Aber ich finde sie schön. Sie hat so wunderschöne Haare, und ihre großen Augen sehen mich immer so erstaunt an, fast, als wenn ich ein Wunder wäre.« Seine Augen funkelten, wenn er über sie sprach, und Harry wußte, daß sie ihm viel bedeuten mußte, wenn er darüber schon mit seinen Freunden sprach.

»Verbringe einfach noch mehr Zeit mit ihr, und dann wirst du es ganz sicher auch bald sehen«, erwiderte Harry, während Hermine lächelte.

»Meint ihr wirklich?«

»Harry hat recht. Du magst sie sehr, und nur weil es ihr eher klargeworden ist, daß sie in dich verliebt ist, als es dir klargeworden ist, mußt du dich doch nicht verrückt machen lassen. Bald wird es auch dir klar sein.«

Ron nickte. »Ich danke euch für euren Rat und für eure Unterstützung«, flüsterte er und stand auf. Auch Harry erhob sich, beide verabschiedeten sich von Hermine und gingen dann nach oben in ihren Schlafsaal.

Noch eine ganze Weile lag Harry wach in seinem Bett und dachte über das nach, was Ron gesagt hatte. Wenn er tatsächlich Luna liebt, dann liebt er nicht Hermine, kombinierte Harry und mußte bei dem Gedanken lächeln, ehe er Augenblicke später zufrieden einschlief.

Der Montag war für Harry ein interessanter Tag. In Zaubertränke bei Snape holte er sich wieder die volle Punktzahl, und nun schien sein Lehrer langsam ein wenig beeindruckt zu sein. Auch Neville braute einen guten Trank und holte sich die viertbeste Bewertung des Tages. Selbst Malfoy war schlechter gewesen, was Ron einen Kommentar abnötigte, der Malfoy zum Kochen brachte, während etliche Gryffindors in schallendes Gelächter ausbrachen. Trotzdem verflog Malfoys Mißmut sehr schnell, wußte er doch offenbar inzwischen davon, daß sein Vater aus Askaban hatte fliehen können. Zwar band er es Harry und den anderen nicht direkt auf die Nase, doch seine Andeutungen waren klar und ausreichend.

Am Dienstag, im Kurs Verteidigung gegen die dunklen Künste, hatte Harry ebenfalls einen guten Tag erwischt. Alle Fragen, die ihm gestellt wurden, konnte er problemlos beantworten, und diesmal würde er auch endlich zu einem Duell antreten dürfen, davon war er felsenfest überzeugt.

»Wir gehen dann wieder hinüber. Ich bin schon sehr gespannt, wie ihr euch diesmal schlagen werdet«, verkündete McNally schließlich und verließ den Raum. Die ganze Klasse folgte ihm mit gezückten Zauberstäben, und nur einige Räume weiter betraten sie das Duellzimmer. Kaum waren alle darin versammelt und die Tür geschlossen, wurde es auf einen Schlag stockdunkel, was aber mittlerweile niemanden mehr überraschte.

»Würdet ihr bitte durcheinanderlaufen«, tönte die Stimme von McNally, und ein allgemeines Geschubse und Gedränge in völliger Dunkelheit begann. Viele lachten dabei, war es doch höchst amüsant, wenn man sich ständig auf die Füße trat und sich blind durch den Raum tastete, wobei es unangenehm sein konnte, wenn man mit Malfoy oder seinen Kumpeln zusammenstieß. Nun, da niemand mehr wußte, neben wem er stand, wirkte die Magie dieses Raumes auf sie ein, und ein jeder sah nun völlig anders aus, als in Wirklichkeit. Das Licht ging wieder an, und jeder stand nun einem wildfremden Menschen gegenüber. Selbst die Stimmen hatten sich geändert, und so wußte nun niemand mehr, gegen wen er gleich antreten würde. Ein großer Kreis erschien auf dem Boden inmitten des Raumes, und alle stellten sich um ihn herum auf. Professor McNally hatte sie beim ersten Mal gebeten, sich nicht durch Namen zu verraten, und dieser Bitte waren sie bis jetzt immer nachgekommen.

»Du und du«, sagte eine unbekannte Stimme, und zwei grüne Pfeile erschienen im Kreis und zeigten auf die beiden Auserwählten. Die Pfeile verschwanden, und die Auserwählten traten in die Mitte.

Harry hatte gehofft, daß er schon beim ersten Duell dabei wäre, doch sah er sich enttäuscht. Die beiden Auserwählten stellten sich voreinander auf, und nun erschien nur den beiden das Bild einer fremden Umgebung; so hatte Professor McNally es ihnen erklärt, und die bisherigen Duellanten hatten es bestätigt. Alle anderen sahen nur die beiden in dem Kreis, doch befanden sich die beiden Kontrahenten nun in einem Wald, einem Haus, inmitten eines belebten Marktplatzes, eines Kornfeldes oder was auch immer – zumindest glaubten sie daran.

Das Duell dauerte nicht lange, und der Mann siegte über die Frau. Die beiden verließen den Kreis, stellten sich nahe beisammen zu den anderen und ergriffen ihre Hände, damit man hinterher noch wissen konnte, wer mit wem gekämpft hatte. Selbst McNally wußte es nicht, bevor er am Ende den Zauber aufheben und damit allen ihr ursprüngliches Aussehen wieder zurückgeben würde. Die Pfeile erschienen, und nun war endlich Harry an der Reihe.

Zielstrebig ging er in den Kreis und sah sich seinen Gegner an. Es war ein großer Mann, aber er sah dünn und schlaksig aus. Ein merkwürdiges Gefühl von Vertrautheit überfiel Harry, doch er wischte es zur Seite. Tief verbeugte er sich, und dann veränderte sich mit einemmal die Umgebung. Er befand sich nun inmitten einer großen Bahnhofshalle, und überall waren Menschen, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Lange konnte er sich nicht umsehen, da das Duell gleich beginnen würde, doch sein Blick schweifte einmal quer durch das Gebäude. Er sah seinen Gegner dreißig Meter entfernt, der sich ebenfalls verbeugte als Zeichen, bereit zu sein. Das Duell begann.

Zunächst lief Harry hektisch zu einer Litfaßsäule und ging dahinter in Deckung. Mehrere Leute in der Bahnhofshalle sahen ihn skeptisch an und wunderten sich wohl über seine Handlungen. Er beachtete sie jedoch nicht weiter und lugte um die Säule. Sein Gegner war nur noch zwanzig Meter entfernt, stand hinter einem vollen Gepäckkarren und schoß sogleich einen roten Fluch auf ihn ab. Harry ließ ihn vorbeizischen und sprang aus der Deckung. Schnell näherte er sich seinem Ziel und schoß seinerseits einen Stupor ab, der einen der Koffer traf, hinter dem sich sein Gegner verschanzt hatte. Hastig lief er weiter nach rechts und schoß einen weiteren Fluch ab. Sein Gegner drehte den Gepäckkarren und benutzte ihn weiter als Deckung.

»Accio Koffer«, rief Harry und sah ihn schon im selben Moment auf sich zufliegen. »Reduktor!« rief er dann und schoß den Koffer damit auf seinen Gegner. Dann rannte er los und näherte sich seinem Duellpartner, der mit einem schnellen Satz dem Koffer auswich.

Ein weißer Fluch kam ihm plötzlich entgegen und verfehlte ihn nur äußerst knapp. Entwaffnen oder erst verwirren, fragte sich Harry, der nun keine zehn Meter mehr von dem Mann entfernt war. Verwirren, beschloß er, sprach die Formel und traf seinen überraschten Kontrahenten in die Brust.

Der Mann zielte auf Harry, der sich auf den Boden warf. Der Arm seines verwirrten Gegners zielte statt dessen nach oben, und nun war es Harry ein leichtes, ihn zu entwaffnen. Wenige Augenblicke später hatte er dann schon gewonnen.

Er stand auf, gab seinem geschlagenen Duellpartner den Zauberstab zurück und griff dessen Hand. Erst jetzt bemerkte er das Chaos, das sie in der Bahnhofshalle verursacht hatten, und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Gemeinsam verließen sie den Kreis, und kaum waren sie aus ihm herausgetreten, als sie wieder ihren Klassenkameraden gegenüberstanden, die noch immer wie Fremde aussahen.

Es gab ein wenig Applaus, ehe die nächsten beiden Pfeile erschienen. Hand in Hand mit seinem Gegner beobachtete er das nächste Duell, das ziemlich spannend zu sein schien. Das Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker, doch er wußte damit nicht so recht etwas anzufangen. Schnell konzentrierte er sich wieder auf den Kampf und sah sich die Taktik und Vorgehensweise der beiden Frauen an, die sich einen harten Kampf lieferten, dessen Ende mit einem Fesselungsfluch besiegelt wurde.

Das letzte Duell war sehr schnell vorbei, dauerte es doch kaum vier Sekunden. Die Frau schoß so schnell einen Entwaffnungszauber ab, daß der Mann davon vollkommen überrascht wurde. Auch diese beiden verließen den Kreis Hand in Hand und stellten sich zu den anderen. Jeder warf einen letzten Blick in den Kreis lauter Wildfremder, ehe es stockdunkel wurde und nur einen Moment danach das Licht anging.

Jeder hatte wieder seine ursprüngliche Gestalt angenommen, und Harry blickte auf die Hand, die er in der seinen hielt. Es dauerte keine Sekunde, bis er sie erkannte. Langsam sah er am Körper der Frau hoch und blickte schließlich in Hermines wunderschöne rehbraune Augen. Ein warmes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, und bei ihr geschah nur einen Moment später das gleiche.

»Dann wollen wir doch mal sehen«, sagte McNally und blickte sich um. »Nun, Mr. Potter und Miß Granger hatten ein Duell. Welches war das eure, und wer hat es für sich entschieden?« Er sah Harry und Hermine an.

»Sir. Wir waren das zweite Duell, und Harry hat mich klar besiegt«, antwortete sie. Erst jetzt bemerkte Harry, daß McNally die Hand von Neville hielt.

»Nun, und dann gab es ein Duell zwischen Mr. Crabbe und Mr. Goyle. Welches war das eure, und wer hat es gewonnen?«

»Wir haben das erste Duell geführt, und ich habe gewonnen«, sagte Goyle und ließ nun Crabbes Hand los. Crabbe schien ein wenig enttäuscht zu sein, doch hielt es sich offenbar noch in Grenzen.

»Nun, sehr schön. Das letzte Duell des Tages hatte ich mit Mr. Longbottom.« Er ließ nun Nevilles Hand los. »Ich erwischte ihn leider auf dem falschen Fuß, und er verlor unglücklicherweise sehr schnell. Ich hoffe, ich kann Ihnen später einmal eine Revanche geben. Kommen wir dann noch zum dritten Duell. Es wurde von Mr. Malfoy und Miß Parkinson geführt, wie ich sehe. Nun, wer hat es gewonnen?«

»Ich natürlich«, sagte Malfoy breit grinsend und ließ die Hand von Pansy Parkinsons los, die ein wenig beleidigt wirkte.

»Nun gut. Dann war es das für heute. Wir haben interessante Duelle gesehen, und ich freue mich schon auf die nächsten vier.« Damit schloß McNally die Stunde und entließ sie zum Mittagessen.

Alle liefen zurück in den Klassenraum, um von dort ihre Schulsachen zu holen. Erst als Harry seine Tasche greifen wollte, bemerkte er, daß er noch immer Hermines Hand hielt. Auch sie schien es erst jetzt zu bemerken und zuckte ein wenig zurück. Still nahm er die Tasche und versuchte, dabei nicht rot zu werden. Auf dem Weg zur Großen Halle lief er hinter Hermine und erzählte Ron von seinem Duell. Neville trottete hinter den beiden her und schien ein wenig geknickt zu sein, daß er so schnell gegen McNally verloren hatte, fand aber beim Essen seine gute Laune wieder, kaum daß Ginny sich neben ihm niedergelassen hatte.

»In was für einer Umgebung wart ihr?« erkundigte sich Ron bei Neville.

»Wir waren in einem Sumpf. Ich steckte mit den Beinen im Morast. McNally auch, aber er hat sich davon nicht stören lassen. Hat sofort auf mich gezielt und mich angegriffen, kaum daß wir uns verbeugt hatten. Erst als ich seinen Fluch kommen sah, begriff ich, daß es keinen Sinn hatte, zu versuchen, sich aus dem Sumpf zu befreien«, erzählte dieser und erntete ein süßes Lächeln von Ginny.

Harry und Hermine mußten auch über ihr Duell in der Bahnhofshalle berichten, und Ron schüttelte immer wieder den Kopf. »Hätte nicht geglaubt, daß du Hermine so leicht besiegst«, sagte er schließlich und sah sie staunend an.

»Leicht war es wirklich nicht. Ich hatte viel Glück dabei. Einmal wurde ich fast getroffen, und wenn mein Verwirrungsfluch nicht getroffen hätte, dann wäre sie vielleicht als Siegerin hervorgegangen«, erwiderte Harry, während Hermine nur auf ihren Teller sah.

»Seht mal, da kommt eine Eule, nein zwei«, sagte Neville, und Harry sah auf. Beide trugen Pakete und landeten genau neben Harry.

Leicht geschockt stellte er fest, von wem sie kamen. Beide enthielten die Geschenke für Hermine, und deshalb konnte er sie schlecht sofort aufmachen. Er erleichterte die Eulen von ihren Lasten und schickte sie wieder los.

»Was hast du bekommen?« fragte Ron, neugierig wie eh und je.

»Nichts Wichtiges. Ich öffne sie später«, antwortete Harry möglichst beiläufig und versuchte sie ohne Eile in seiner Tasche zu verstauen, um Ron nicht noch neugieriger zu machen.

»Du verrätst es mir sicher später, oder?« fragte Ron ihn leise, woraufhin Harry nickte. Er nickte aus alter Gewohnheit. Eigentlich wollte er es Ron nicht sagen und beschloß, es auch nicht zu tun.

Der Rest des Tages verging wieder einmal wie im Flug. Nach dem Abendessen lernten sie fleißig, und pünktlich gegen halb elf verabschiedete sich Harry, um endlich schlafen zu gehen, wie er vorgab. In Wirklichkeit wollte er dringend seine Pakete öffnen, um sich seine Geschenke für Hermine näher anzusehen. Ron folgte ihm sofort.

»Was ist es? Was hast du heute bekommen?« fragte Ron, kaum im Schlafsaal, und legte seine Schultasche auf seinen Koffer.

»Das eine ist ein Geburtsgeschenk für Hermine, das andere ist etwas für meinen Privatgebrauch«, sagte er von Ron abgewandt, damit dieser es nicht würde sehen können, falls er wegen der Lüge rot anlaufen sollte.

»Was schenkst du ihr?«

»Ein Buch. Sie hat mir auch eins geschenkt, und ich glaube, sie wird es mögen«, sagte Harry und machte Ron damit offensichtlich nur noch neugieriger.

»Was für eins?«

»Übermorgen hat sie Geburtstag, und du wirst es keine Sekunde eher zu sehen kriegen.«

»Okay, Okay. Ich geb' mich geschlagen. Aber wehe, es ist nicht wirklich gut«, sagte Ron und grinste Harry nun merkwürdig an.

»Mach dir darüber keine Sorgen«, erwiderte Harry lächelnd. Inzwischen hatte er sich umgezogen und stieg mit den Paketen ins Bett. Er schloß seinen Vorhang und öffnete das erste von beiden.

Es war das Buch, und es sah noch schöner aus, als Harry es sich vorgestellt hatte. Er wußte, sie würde es lieben. Das zweite Paket enthielt genau das, was er bestellt hatte. Der Stoff war einfach perfekt, und selbst der Geruch war angenehm. Es sah so gut aus, daß er es nicht abwarten konnte, sie darin zu sehen – sofern er jemals diese Chance haben würde, wie er sich bitter eingestehen mußte. Die Unterwäsche verpackte er sofort und wickelte auch die Beschreibung mit ein, damit Hermine sofort wußte, worum es sich hierbei im speziellen handelte. Er schrieb auch eine kleine Karte dazu, auf der nur stand, daß sie es unbedingt allein öffnen sollte, dann drehte er sich zufrieden um und schlief ein.

Der Mittwoch war für Harry überaus anstrengend, da er noch etwas Besonderes mit dem Buch anstellen wollte und deshalb den ganzen Abend alleine in der Bibliothek verbrachte. Ron gab ihm Rückendeckung vor Hermine und den anderen, wofür er ihm überaus dankbar war, denn allein hätte er sie nicht davon abhalten können, ihn zu begleiten. Zufrieden verließ er diesen Ort, hatte er doch erreicht, was er wollte, und damit alles vorbereitet für den morgigen Tag.

Der Donnerstag selbst war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien, und die Vögel zwitscherten, und auch ein paar Thestrale ließen sich über dem Wald blicken, obwohl sie ein eher weniger schöner Anblick waren. Die Party für Hermine war von Ginny geplant worden und für die frühen Abendstunden angesetzt. Alle hielten ihre Geschenke bis dahin zurück und ignorierten absichtlich die Tatsache, daß Hermine Geburtstag hatte, was sie ziemlich überrascht registrierte. Niemand gratulierte ihr, und niemand ging auf ihre Andeutungen ein. Beim Frühstück konnte sie ihren offensichtlichen Frust darüber, daß scheinbar alle ihre Freunde ihren Geburtstag vergessen hatten, noch hinunterschlucken, doch schon beim Mittagessen war sie gereizt und übelgelaunt. Tatsächlich schien sie nicht auf die Idee zu kommen, daß sie nur auf die Folter gespannt wurde, was Harry ein wenig verwunderlich vorkam, wo sie doch sonst immer alles am schnellsten begriff. Sie sprach mit niemandem und aß nur still ihr Essen, während ihr Gesicht deutlich ihre Enttäuschung ausdrückte.

Beim Abendessen war sie dann schon sehr feindselig und versuchte, mit jedem einen Streit anzufangen. Harry und Ron hatten alle informiert, daß so etwas passieren würde, und so ging niemand auf sie ein, sondern gab ihr einfach nur in allem recht, was sie aber nur noch wütender machte. Neville hätte sich einmal beinahe verplappert, aber Ron rettete die Situation. Ginny verschwand beim Abendessen früh vom Tisch und gab dem Gemeinschaftsraum – für Hermines kleine Überraschungsparty – noch den letzten Schliff.

Nach dem Essen gingen sie alle nach oben und mußten Hermine schon beinahe dazu zwingen, mit ihnen zu kommen. Wütend wollte sie sich in die Bibliothek absetzen, doch Ron und Harry baten sie um Hilfe in einer dringenden DA-Angelegenheit, was sie letztlich dazu bewegte, doch mit in den Turm zu kommen. Ron ging vor ihr und versperrte ihr bis zum letzten Moment die Sicht, ehe sich alle plötzlich zu ihr drehten und gemeinsam »Überraschung!« riefen.

Hermine war ganz und gar aus dem Häuschen und nicht nur überrascht, sondern vollkommen perplex. »Wow!« war alles, was sie herausbrachte, als sie den Tisch voll mit Geschenken erblickte und den schön verzierten Gemeinschaftsraum betrachtete, den Ginny, Luna, Parvati und Lavender hergerichtet hatten.

»Wow. Hermine ist sprachlos. Weltwunder! Weltwunder!« rief Ron, und alle lachten.

»Geschenke«, rief jemand aus der Menge, und wieder lachten alle.

Hermine setzte sich auf die Couch neben dem Tisch und begann, ihre Geschenke zu öffnen. Von Parvati bekam sie dezentes Make-up, von Ginny eine hübsche Haarspange und von Luna eine kleine Brosche. Ron schenkte ihr das Tagebuch, welches sie sich von ihm gewünscht hatte, und von Neville erhielt sie ein riesiges Paket mit Süßigkeiten, welches den Abend nicht überleben sollte. Nach einigen weiteren Geschenken hielt sie dann schließlich Harrys Geschenk in der Hand und sah ein wenig unsicher dabei aus.

»Unzweifelhaft ein Buch«, sagte sie dann lächelnd, nachdem sie es in der Hand gewogen hatte, und begann das Papier zu entfernen. Harry war so nervös wie selten zuvor. Sie sagte kein Wort, sondern blickte schrecklich lange auf den Titel. »Eine Geschichte von Hogwarts«, las sie laut und seufzte. Es war ein wirklich schönes Buch, und Harry sah schon an ihren Augen, wie gut es ihr wirklich gefiel. »Wow! Das zweite jemals geschriebene Exemplar überhaupt«, sagte sie leise, nachdem sie es geöffnet hatte.

Sie hatte Tränen in den Augen und sah ein bißchen erschrocken aus, als sie schließlich Harrys Widmung las. Dafür hatte er sich noch einen speziellen Trick einfallen lassen, so daß nur sie persönlich die wahre Widmung lesen konnte. Für alle anderen stand da nur:

Für meine beste Freundin,

in ewiger Dankbarkeit.

Dein Harry

Was er wirklich für sie geschrieben hatte, konnte niemand sonst lesen, was er auch als Warnung dazugeschrieben hatte, damit sie es nicht aus Versehen verriet.

»Das kann ich nicht annehmen. Das ist viel zu kostbar«, sagte sie leise und blickte mit feuchten Augen zu Harry.

»Wenn du es nicht tust, rede ich nie wieder ein Wort mit dir«, warnte er sie lächelnd. Auch auf ihr Gesicht schlich sich ein Lächeln, und sie formte still die Worte: »Ich danke dir!« Harry hätte lieber etwas anderes gehört, doch er gab ihr alle Zeit, die sie brauchen sollte.

Der weitere Abend verlief großartig und machte allen Beteiligten viel Spaß. Inzwischen hatte Ginny für Harry auch sein zweites Geschenk unter Hermines Bettdecke plaziert, nicht ohne es mit einem wissenden Lächeln entgegengenommen zu haben. Zu gern hätte er Hermines Gesicht beim Auspacken gesehen, doch dies war ihm leider nicht möglich.

Im Verlauf des Abends machte Ron noch ein paar seltsame Andeutungen, verkündete unter anderem auch, daß er mit Harrys Geschenk sehr zufrieden war, was diesen leicht verwirrte, weil er sich fragte, warum Ron damit zufrieden sein wollte.

Gegen elf machten sie dem vergnüglichen Abend dann ein Ende und gingen schlafen. Er verabschiedete sich von Hermine mit einem Kuß auf die Wange und lief mit Ron und Neville die Treppe zum Schlafsaal hinauf. Nach dem Umziehen legte er sich ins Bett, konnte aber erst gegen ein Uhr einschlafen, weil er die ganze Zeit darüber nachgrübelte, was Hermine wohl von ihrem zweiten Geschenk dachte. Viele andere Dinge gingen ihm ebenfalls durch den Kopf, erinnerte er sich doch praktisch an alle seine bedeutsamen Erlebnisse mit der jungen Frau, die er so sehr liebte.

Der Morgen begann für Harry ziemlich früh, und er freute sich, daß es schon Freitag war. Zwar stand heute wieder Zaubertränke auf dem Stundenplan, doch seitdem Harry immer gut vorbereitet in den Unterricht ging, hatte das irgendwie seinen Schrecken verloren, und er mußte jetzt nur noch damit leben, daß Snapes Gesellschaft nicht unbedingt zu seinen liebsten zählte. Leicht müde zog er sich an und kam als erster Junge in den Gemeinschaftsraum. Zu seiner freudigen Überraschung war auch nur ein Mädchen in dem Raum, und es war die Person, die er sich am meisten zu sehen wünschte.

»Morgen, Harry«, begrüßte sie ihn und lächelte leicht verlegen.

»Hi, Hermine!« erwiderte er und lächelte zurück.

»Ich habe mich sehr gefreut über das Buch. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, daß du mir etwas so Kostbares schenkst«, sagte sie leise, während Harry zu ihr herüberging.

»Geld spielt keine Rolle. Ähhm … trägst du es gerade?« fragte er urplötzlich und lächelte verlegen.

»Ja … Auch dein zweites Geschenk ist wundervoll. Es ist das Schönste, was ich je gesehen habe«, flüsterte sie sehr leise, während er sich zu ihr setzte.

»Halb so schön wie du«, flüsterte er zurück und wurde rot. Sie schien sich durch diesen Satz ein wenig unwohl zu fühlen und reagierte erfreut, als Ginny überraschend im Raum auftauchte.

»Hallo, Leute«, grüßte Ginny und kam zu ihnen herüber. Mist, fluchte Harry innerlich und wollte Ginny dafür verhexen, genau im falschen Moment aufgetaucht zu sein.

»Hi, Ginny. Noch mal danke für die tolle Party!« sagte Hermine, ging ihr entgegen und gab ihr einen Kuß auf die Wange.

»Gibt nichts, was ich lieber für dich gemacht hätte«, erwiderte Ginny.

»Laßt uns frühstücken gehen, die anderen können nachkommen«, schlug Hermine vor und blickte die beiden an.

»Klingt gut«, erwiderte Harry gezwungen, obwohl er keinen großen Appetit verspürte. Viel lieber wollte er mit ihr allein sein und über sein Geschenk sprechen. Viel lieber wollte er allein mit ihr sein und sich sein Geschenk vorführen lassen, doch diesen wunderbaren Gedanken mußte er schnell verdrängen, ehe die Enge seiner Hose schmerzhaft werden würde.

Gemeinsam gingen sie schließlich hinunter in die Große Halle, in der nur zwei andere Schüler saßen, eine von ihnen war Luna. Kaum hatte sie Harry, Hermine und Ginny bemerkt, eilte sie schon zu ihnen herüber.

»Hi, Leute«, rief sie ihnen zu und gesellte sich zu ihnen. »Wann kommt denn Ronald?« fragte sie verträumt und blickte immer wieder in Erwartung zur Tür.

»Als ich ging, da schlief er noch. Wird wohl noch dauern«, erwiderte Harry und begann damit, sich Marmelade auf ein Stück Toast zu schmieren.

»Schade. Ich hatte gehofft, wir könnten vor dem Unterricht noch miteinander sprechen. Ich muß gleich in die Bibliothek. Na ja, vielleicht können wir ja in der Mittagspause reden«, sagte sie lächelnd und verschwand schon. Zum Frühstück kam Ron nicht mehr. Erst im Unterricht sollten sie ihn wiedersehen, und er strahlte dabei so merkwürdig, wollte aber nicht sagen, warum.

So ging die Schulwoche schließlich zu Ende, doch Arbeit gab es auch am Wochenende genug. Beide DA-Gruppen hatten Treffen, und endlich fand auch das Quidditch-Team mehr Zeit, sich ein wenig einzuspielen. Trotzdem verbrachten die sechs einen Großteil in der Bibliothek, und Harry fiel dabei auf, daß sich Ginny und Neville immer näherkamen. Es war nun nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden ein richtiges Paar werden würden, dachte er sich und freute sich wirklich.

Obwohl Harry für dieses Wochenende anderes befürchtet hatte, hielt sich Malfoy doch merkwürdig zurück. Zwar begegnete er ihm mehrmals und einmal sogar allein, doch beleidigte er weder Harry noch seine Freunde auch nur ein einziges Mal.

Am Sonntag nach dem Abendessen stand dann ein Besuch im Krankenhaus an, und so reisten die sechs wieder mit einem Portschlüssel in das St.-Mungo-Hospital, während Dumbledore dieses Mal nicht mitkam. Molly freute sich sehr, daß alle gekommen waren, und tatsächlich ging es Percy schon deutlich besser. Endlich sprach er wieder, auch wenn es kaum mehr als ein paar Worte waren, doch seine Mutter freute sich über jedes einzelne, wie es wohl nur eine Mutter konnte. Dagegen war Arthur leider noch immer nicht bei Bewußtsein, sollte nun aber eigentlich jeden Tag erwachen. Die Tür zum Krankenzimmer ging auf, und ein Mann in einem herrlichen Umhang betrat den Raum.

»Hallo, Remus«, grüßte ihn Harry und grinste. Auch die andern begrüßten ihn herzlich und musterten ihn lange. »Wie ich sehe, steht dir mein Geschenk sehr gut«, meinte Harry und sah nun auch Remus schmunzeln.

»Mehr als nur gut. Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen!« erwiderte Harrys ehemaliger Lehrer.

»Das ist eine Lüge, und das weißt du«, sagte Harry, dessen Grinsen nun zu einem warmen Lächeln wurde.

»Steht dir wirklich gut«, meinte auch Hermine.

»Stimmt schon. Aber die sind eigentlich viel zu teuer.«

»Mach dir nichts draus. Harrys Geburtstagsgeschenke an mich waren auch ziemlich teuer.«

»Geschenke?« fragte Ron schnell.

»Geschenk. Nur ein Versprecher«, erwiderte Hermine schnell und wurde ein wenig rosiger im Gesicht, während sie von Ron wissend angesehen wurde, obwohl er doch eigentlich nichts davon wissen konnte, wie Harry sich ein wenig nervös einredete.

Während Neville mit Ginny seine Eltern besuchen ging, erzählten die anderen Arthur Geschichten. Um neun mußte Remus weg, und um halb zehn war die Zeit gekommen, nach Hogwarts zurückzureisen, und so griffen die sechs den Portschlüssel und kehrten in Dumbledores Büro zurück.

»Schön, daß ihr wieder da seid und es euch gut geht. Es gibt leider schlechte Neuigkeiten. Es gab einen Überfall auf einen äußeren Stadtteil Londons. Nymphadora Tonks ist tot, und Alastor Moody wird gerade im St.-Mungo-Hospital eingeliefert«, unterrichtete Dumbledore sie gleich, als sie vor ihm auftauchten, und nicht nur Harry hielt vor Schreck den Atem an. Eine andere Begrüßung wäre ihm lieber gewesen, was hätte noch schlimmer sein können? Tonks war tot? Das ist so ungerecht, dachte Harry und erinnerte sich sofort an den Kuß im Fahrstuhl.

»Ich kann euch im Moment noch nichts Genaues sagen«, fuhr Dumbledore in ungewöhnlich leisem Ton fort, »aber es waren ein paar Riesen daran beteiligt. Es gab viele Verletzte und Tote, und ein Sonderkommando des Ministeriums ist dabei, die Erinnerungen der Überlebenden dahingehend zu manipulieren, daß sie sich nicht mehr an den heutigen Abend erinnern können. Das wird ein großer Kraftakt für das Ministerium, waren doch viele Muggel in die Ereignisse involviert. Zudem werden wir leider bis morgen warten müssen, ehe wir mehr erfahren können.«

»Weiß Remus das von Tonks schon?« fragte Harry leise.

»Ja. Er ist ebenfalls wieder im Krankenhaus, aber er ist unverletzt.«

»Wird er es verkraften? Ich glaube, zwischen ihnen hat sich gerade etwas entwickelt«, meinte Harry und klang nicht annähend so traurig wie er sich fühlte.

»Es wird dauern, aber er wird damit klarkommen. Geht jetzt schlafen, ruht euch aus. Morgen wird ein anstrengender Tag«, erwiderte Dumbledore und erhob sich. Schweigend verließen sie sein Büro und verabschiedeten Luna in Richtung Ravenclaw.

»Tonks und Lupin«, sagte Ginny und lächelte traurig.

»Die beiden hätten ein schönes Paar abgegeben«, seufzte Harry laut. Die Tränen konnte er nur mit äußerster Mühe zurückhalten.

»Und dann auch noch Mad-Eye, als ob der nicht schon genug in seinem Leben abbekommen hätte«, klagte Hermine mit trauriger Stimme und nannte dann der fetten Dame das Paßwort.

»Wollen wir noch lernen?« schlug Ginny vor, doch Harry schüttelte sofort den Kopf.

»Irgendwie bin ich nicht in der richtigen Stimmung. Außerdem bin ich so müde. Ich muß schlafen gehen«, erwiderte er gähnend. Da die anderen genauso fühlten, verabschiedeten sie sich von den Mädchen und begaben sich hoch in ihren Schlafsaal.

Der Tagesprophet berichtete am nächsten Morgen ausführlich über das »Massaker in London«, wie es dort betitelt wurde. Etliche Todesser und fünf ausgewachsene Riesen waren in London eingefallen und hatten über 100 Menschen getötet, ehe sie vom Orden und Leuten des Ministeriums gemeinsam gestellt und aufgehalten werden konnten. Auch in den Muggelnachrichten wurde darüber berichtet, nur, daß dort von einem Terroranschlag der IRA die Rede war, die wohl einen vereinbarten Waffenstillstand gebrochen hatten. Fast die komplette Große Halle stand ob der Neuigkeiten unter einem kollektiven Schock, und auf allen Gängen war es die ganze nächste Woche das Gesprächsthema Nummer eins. Mad-Eye lag inzwischen im gleichen Raum wie Percy und Arthur und würde wohl gute Chancen haben zu überleben, wie ihnen Professor McGonagall mitteilte. Trotzdem würde es eine Weile dauern, ehe er wieder auf die Beine kommen würde, da seinem fortgeschrittenen Alter Rechnung getragen werden mußte, wie sie dann von Molly aus einem Brief erfuhren.

Um sich von diesen schlimmen Vorkommnissen abzulenken, stürzten sich Harry und die anderen in ihre Arbeit. Meist gingen sie erst gegen zwölf ins Bett und standen schon um halb sieben wieder auf.

Am Freitag hatte Harry ein weiteres Duell und konnte es erneut für sich entscheiden. Zwar war Pansy Parkinson ein Gegner, den man nicht unterschätzen durfte, und sie wehrte sich mit allem, was sie hatte, doch am Ende konnte Harry sie dann doch deutlich besiegen. Hermine hatte mit Neville einige Schwierigkeiten, doch dann ging es plötzlich ganz schnell, als sie ihn mit dem gleichen Zauber austrickste, den Harry schon bei ihr benutzt hatte. Große Probleme hatte Ron gegen Blaise Zabini, doch letzten Endes gelang es ihm, Zabini mit einem Fesselzauber außer Gefecht zu setzten. Das kürzeste Duell hatte Malfoy an diesem Tag, verlor er doch gegen Professor McNally, ohne auch nur einen einzigen Fluch in Richtung Gegner schießen zu können.

Auch das Wochenende war wieder voll harter Arbeit, gab es doch nicht nur ein DA-Treffen, sondern erneut ein forderndes Quidditch-Training. Ron verlangte das Äußerste von allen, und tatsächlich sah das Zusammenspiel am Ende ganz ansehnlich aus. Inzwischen hatte sich Colin wieder gefangen, und auch Ginny hatte weniger Probleme im Angriffsspiel. Die restliche freie Zeit verbrachten die sechs wieder in der Bibliothek, was inzwischen schon fast ein zu einem zweiten Zuhause geworden war, mit Ausnahme der einen Stunde, welche sie im St.-Mungo verbracht hatten und dabei auch Mad-Eye einen Besuch abgestattet hatten.

Er war zu Harrys Erleichterung bei Bewußtsein, wollte ihnen aber nicht erzählen, was genau passiert war. Auch Remus trafen sie im Krankenhaus, doch hatte er keine Zeit für ein Gespräch mit Harry, da er fast sofort wieder weg mußte. Zu Harrys Enttäuschung trug er einen alten und abgewetzten schwarzen Umhang und sah sehr schlecht aus. Es dauerte einen Moment, aber dann begriff Harry, daß die beiden neuen Umhänge nicht schwarz waren wie die ganze restliche Kleidung, die Remus in seiner Trauer trug.

Inzwischen war der erste Monat des neuen Schuljahres vergangen, und er war überaus ereignisreich gewesen, was Harry beinahe unerträglich fand. Zu gern hätte er einmal ein ruhiges und langweiliges Schuljahr hinter sich gebracht, doch solange es Voldemort gab, konnte er damit wohl nicht rechnen, obwohl es eines der Dinge war, die er sich sehr gewünscht hatte.

Am Montag in Snapes Unterricht, vermasselte er dann zur Abwechslung mal wieder etwas, da ihn Hermine beständig ablenkte und er sich so nicht genug auf seinen Trank konzentrieren konnte. Die Vorführung war ein Fiasko, und die Schadenfreude von Snape war gar nicht zu überhören. Hermine selbst war fehlerlos geblieben, und auch Neville bekam die volle Punktzahl. Dafür schien ihn Snape beinahe ein wenig zu respektieren, putzte er ihn doch inzwischen nur noch einmal die Woche vor der ganzen Klasse herunter. Im Leben hätte Snape wohl nicht mehr damit gerechnet, daß Neville tatsächlich einmal über einen längeren Zeitraum alles richtig machen würde, doch hatte er es tatsächlich zustande gebracht, was Harry irgendwie stolz machte. Für seinen Trank bekam Harry zur Strafe eine gewaltige Hausaufgabe auf und saß bis Mitternacht im Gemeinschaftsraum, um sie noch fertig zu bekommen, weil er sie Snape schon am nächsten Tag geben wollte, um dessen Triumph möglichst klein zu halten.

Schon Donnerstag passierte dann das nächste Ereignis dieses Schuljahres. Nach dem Abendessen bat Dumbledore Harry mit besorgter Miene zu sich ins Büro, um mit ihm über zwei Dinge zu sprechen.

»Schön, daß du meiner Bitte nachgekommen bist«, begrüßte sein Schulleiter ihn knapp.

»Was kann ich für Sie tun?« Harry nahm auf dem linken Stuhl Platz. Ein merkwürdiges Geräusch von Fawkes zog kurz Harrys Aufmerksamkeit auf sich, ehe er Dumbledore wieder in die Augen sah.

»Es gibt interessante neue Entwicklungen«, sagte Dumbledore und öffnete die rechte Schublade seines Schreibtisches.

»Worum geht es?«, fragte Harry und sah, wie Dumbledore einen Brief herausholte.

»Ich schlage vor, du siehst es dir mit deinen eigenen Augen an.« Mit diesen Worten reichte er Harry den Brief. Dieser faltete ihn auseinander und begann zu lesen. Immer ungläubiger wurde sein Blick, ehe er seinem Gegenüber wieder direkt in die Augen sah.

»Sir, ist er wirklich von ihm?«

»Allem Anschein nach, ja!« flüsterte Dumbledore nun beinahe.

»Was soll das? Meine Narbe hat nicht einmal wehgetan. Ich hatte keine Alpträume, keine irgendwie anders gearteten Probleme. Er verhöhnt sie und droht ihnen, und er verhöhnt und beleidigt mich und meine Freunde. Was soll ihm das bringen?« Fragend gab er Dumbledore den Brief zurück.

»Wir wissen leider nicht, was Tom damit bezweckt. Es läßt auf etwas Großes schließen, doch sind wir noch ahnungslos, um was es sich konkret handeln könnte. Wir versuchen Informationen zu bekommen, doch es stellt sich als überaus schwierig heraus. Im Augenblick können wir daher nur abwarten, doch ich finde, du solltest es schon jetzt erfahren.

Aber kommen wir doch noch auf das andere Thema zu sprechen. Wie geht es mit meiner Armee voran?« Beim letzten Satz begann er zu lächeln und bildete mit seinen Fingern ein Spitzdach.

»Nun, Sir. Im Moment kommen wir gut voran. Die Gruppe ist stark angewachsen, und wir haben nunmehr fünfundfünfzig Mitglieder. Ich habe die Gruppe geteilt, und Hermine und Ron versuchen mit den neuen halbwegs den Anschluß zu schaffen. Ich trainiere mit den Fortgeschrittenen im Moment Tarn- und Verwirrzauber und würde jetzt gerne mit Duelltraining über dieses Thema beginnen, doch benötige ich dafür die Hilfe von Professor McNally. Vielleicht erlaubt es ja seine Zeit, beim nächsten Treffen anwesend zu sein.«

Dumbledore schien einen Moment zu überlegen. »Das läßt sich sicher einrichten. Ich werde mit Professor McNally reden.«

»Vielen Dank, Sir! Wenn dann weiter nichts ist, würde ich gern in die Bibliothek zurückkehren, dort wartet noch viel Arbeit auf mich.«

»Selbstverständlich, Harry. Sobald wir etwas in der ersten Angelegenheit erfahren, werde ich dich selbstverständlich informieren. Ich wünsche dann einen angenehmen Abend«, sagte Dumbledore und erhob sich. Harry erwiderte den Gruß, erhob sich ebenfalls und verließ das Büro.

Kaum war er in der Bibliothek angekommen, erzählte er den anderen von dem Brief.

»Ich denke, er will uns Angst machen. So viel Angst, daß wir nicht mehr handlungsfähig sind. Oder was denkst du, Ronald?« fragte Luna und blickte in Rons Augen.

»Ich weiß nicht«, meinte dieser und blickte verwirrt zu Harry.

»Könnte schon sein, bei Ron funktioniert es. Er hat Todesangst«, scherzte Harry und grinste unwillkürlich.

»Ha, ha, wirklich witzig. Klar hab' ich Angst zu sterben, bin doch noch viel zu jung dafür. Es gibt noch zu viel, das ich wenigstens einmal im Leben tun möchte«, erwiderte Ron und sah Harry zornig an. Danach sah er kurz zu Luna, die wiederum verträumt ihn ansah und Ron rot anlaufen ließ.

»Reg dich nicht auf. Ich meine es wirklich nicht so«, erwiderte Harry, der die beiden mit funkelnden grünen Augen erfreut anblickte.

»Voldemort will uns verwirren«, sagte Neville. »Er will uns durcheinanderbringen, damit er uns mit dem, was er vorhat, überraschen kann. Im Moment ist alles in Alarmbereitschaft und wartet nur auf ihn. Alles ist gut vorbereitet und durchgeplant. Aber jetzt – nach dieser Drohung – werden alle hektisch werden, sind dann dadurch unkonzentriert … könnten Fehler machen.«

Hermine nickte nach einem Moment. »Wir sollten uns davon nicht verrückt machen lassen. Was passieren soll, wird passieren.«

»Wir sollten einfach weiter lernen und versuchen, uns darüber keine Gedanken zu machen«, meinte Ginny. Alle sahen sich noch einen Augenblick lang still an und nahmen tatsächlich die Arbeit wieder auf. Harry fühlte sich dabei zwar ein wenig merkwürdig, doch gab es nichts, was er jetzt hätte tun können. Lernen war nun die einzige feste Größe in seinem Leben. Zwar wünschte er, es gäbe noch eine andere, doch wollte er so lange warten, wie Hermine dafür brauchen würde.

Im Moment konnte er also nur lernen. Er mußte lernen, wie er Voldemort vernichten konnte, und wenn es etwas Schwieriges zu lernen gab, dann war es das. Ihm blieb nichts übrig, als Geduld zu haben und sich für den entscheidenden Moment vorzubereiten. Der Moment würde kommen, das war ihm niemals so klar wie in diesem Augenblick, und er fürchtete sich davor. Er fürchtete sich vor dem Zusammentreffen der beiden Seiten und dem Duell mit dem mächtigsten aller dunklen Magier. Ein Duell, das er heute verlieren würde, und er war sich unsicher, ob er jemals genug wissen könnte … jemals stark genug wäre, Voldemort zu besiegen. Innerlich angespannt wandte er sich wieder seinen Büchern zu und begann zu lesen.

Obwohl Harry jeden Tag ein weiteres Vorkommnis befürchtete, blieb es den Rest von dieser und auch die ganze nächste Woche ruhig. Es war zu ruhig, und Harry spürte es … fühlte es … wußte es nur zu gut. Voldemort hatte etwas Großes vor, und wenn Riesen darin eine Rolle spielten, konnte es nichts Gutes sein.

Die Woche über wurde viel über die Zukunft spekuliert, doch konnte man sich auf nichts einigen. Mit der DA ging es gut voran – Professor McNally war eine große Hilfe gewesen –, und auch mit den Hausaufgaben und dem Unterricht an sich kamen alle gut klar. Am Wochenende wurde Arthur besucht, und endlich war er auch kurzzeitig wach gewesen. Es waren nur wenige Minuten gewesen, in denen er auch nicht sprechen konnte, doch das reichte Molly, um zu wissen, daß alles gut werden würde. Mad-Eye war weiter sehr schwach, konnte ihnen aber einige alte Geschichten erzählen, während es Percy wohl am besten ging, war er doch nur noch sehr gehemmt, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gab.

Am Dienstag dann saß Harry mit den anderen beim Frühstück, und sie sprachen gerade über die Duelle in McNallys Unterricht, als er hinter sich eine bekannte Stimme vernahm: »Mr. Potter, könnte ich Sie wohl einen Augenblick lang sprechen?« Er drehte sich um. Dumbledore stand neben ihm und sah ihn ernst an.

»Natürlich, Sir«, erwiderte Harry sofort und erhob sich.

»Folge mir«, forderte Dumbledore ihn auf und führte Harry aus der Großen Halle. Als sich er umblickte, sah er, daß Snape ihnen folgte. Minuten später waren sie in Dumbledores Büro, und Snape kam dazu.

»Was gibt es Neues?« fragte Harry bang.

»Es ist etwas Gewaltiges«, erwiderte Dumbledore und setzte sich auf seinen Stuhl. »Setzt dich doch.«

Harry nahm Platz, und Snape setzte sich neben ihn, ohne ihn auch nur einmal anzusehen.

»Voldemort wird Hogwarts angreifen«, sagte Dumbledore und sah so ernst aus wie nie zuvor.

»Was? Wann?« fragte Harry fassungslos und blickte zwischen den in Stein gemeißelten Gesichtern der beiden Männer hin und her.

»Im Dezember, wahrscheinlich kurz vor Weihnachten. Der genaue Termin steht noch nicht fest, aber wir werden ihn kennen. Er benötigt noch Zeit, um seine Armee zu rekrutieren und vorzubereiten, und auch die Riesen brauchen mehr Zeit, als von Voldemort ursprünglich einkalkuliert wurde und auch Hagrid erwartet hatte. Unsere Spione vermelden, daß sie ihr Tempo deutlich gedrosselt haben, um unauffällig zu bleiben, und das ist unser Glück«, sagte Dumbledore und blickte zu Snape.

Auch Harry sah in das von fettigen schwarzen Haaren umrahmte Gesicht und wußte, welches Risiko er einging, um an solche Informationen zu kommen. Stumm nickte Harry, um ihm deutlich zu machen, daß er ihn dafür respektierte und achtete. Von Snape kam nichts.

»Was werden wir tun?« fragte Harry unruhig und blickte wieder zu Dumbledore.

»Ehrlich gesagt, bin ich ein wenig überrascht. So schnell habe ich den möglicherweise finalen Kampf nicht erwartet. Zudem bin ich mir nicht sicher, welche Seite ihn letztlich gewinnen wird. Ich bin mir aber sehr sicher, daß es viele Opfer geben wird, sofern wir uns auf diese Schlacht einlassen, wovon ich ausgehe, da es für uns auch eine Chance ist, wie wir sie vielleicht nie wieder bekommen können. Woran ich aber vor allem glaube, ist, daß Voldemort das Gute unterschätzt. Er denkt, es werde einfach für ihn. Er glaubt uns überrennen zu können, doch damit irrt er sich. Wir werden Widerstand leisten, und wir werden kämpfen!«

Dumbledore sah Harry unbewegt ins Gesicht, und es war nicht zu ersehen, welche Gedanken in ihm vorgingen.

Harry stimmte dem zu. Voldemort konnte hier und jetzt gestoppt werden, und solange er nicht mit Gegenwehr rechnete, war er verwundbar, war er schlagbar. Er nickte entschlossen. Auch Dumbledore nickte.

»Nun, da wir scheinbar der gleichen Meinung sind, habe ich entschieden, die Schule kurz vor dem Angriff zu schließen und alle Schüler nach Hause zu schicken. Wir werden die größtmögliche Armee aufstellen, ohne aber unseren größten Vorteil zu riskieren. Wir müssen diskret vorgehen, denn solange Voldemort nicht weiß, was wir wissen, haben wir eine Chance. Wir werden uns also Voldemort stellen, und wir werden versuchen, ihn auszuschalten. Dabei gibt es aber noch ein großes Problem. Wir müssen die Schüler des Hauses Slytherin früh genug und unauffällig aus der Schule entfernen, damit niemand von ihnen etwas über unsere Pläne verraten kann. Unser Vorteil ist, daß auch Voldemorts Todesser kein Interesse daran haben, daß ihre Kinder noch hier sind, wenn sie uns angreifen, und Professor Snape wird sich deshalb etwas ausdenken.« Dabei nickte er Snape zu.

Harry war entschlossen und geschockt zugleich. Voldemort würde kommen. Nicht irgendwohin; nein, er würde nach Hogwarts kommen und die Schule angreifen. Er würde kommen, um Harry zu töten.

»Sir? Kann ich noch irgend etwas tun?« fragte Harry angespannt.

»Im Augenblick nicht, Harry. Trotzdem vielen Dank für das Angebot. Du kannst dann zum Unterricht gehen, bedenke aber genau, wen du ins Vertrauen ziehst«, erwiderte Dumbledore, und Harry erhob sich. Snape blieb sitzen und wartete scheinbar darauf, daß Harry den Raum verlassen würde. Hastig verabschiedete er sich und machte sich so schnell, er konnte, auf den Weg zum Unterricht.

Die Doppelstunde war für ihn eine Qual, bedeutete es doch, den anderen nichts davon erzählen zu können, obwohl er es dringend loswerden mußte, da er sonst fürchtete, platzen zu müssen. Kaum war die Stunde vorbei, stürmte er nach draußen und zog Hermine, Ron und Neville ein Stückchen abseits, um ihnen alles zu erzählen, was Dumbledore ihm mitgeteilt hatte.

Ron stieß einen Laut des Schreckens aus, und Hermine konnte darüber nur den Kopf schütteln. Auch Neville war ungläubig.

»Was machen wir jetzt? Was plant Professor Dumbledore?« fragte Hermine und sah Harry nervös an.

»Er will kämpfen. Er wird sich Voldemort hier stellen, und wir sollten in Betracht ziehen, ihm dabei zu helfen.«

»Ihm helfen? Wie willst du ihm helfen?« fragte Ron unsicher.

»Wir werden mitkämpfen. Was bleibt uns anderes übrig? Wenn auch nur die Hälfte von der DA mit uns in die Schlacht zieht, dann hat Dumbledore fast dreißig weitere Verteidiger zur Verfügung«, sagte Harry und blickte Ron entschlossen in die Augen, obwohl er sich selbst darüber nicht im mindesten sicher war; er war auch unsicher, ob er die anderen bitten sollte zu kämpfen, doch er spürte, daß er das vielleicht gar nicht tun mußte.

Einen kurzen Augenblick sprach niemand von ihnen. Niemand wollte wohl aussprechen, was sie alle dachten, was auch Harry dachte. Doch es mußte ausgesprochen werden. Harry mußte es aussprechen.

»Einige von uns, würden das mit ziemlicher Sicherheit nicht überleben«, sagte er leise, aber mit fester Stimme.

»Du hast recht! Jeder könnte sterben, und ein jeder muß für sich selbst entscheiden, ob er kämpfen will, aber noch ist der Moment nicht gekommen. Wir sollten noch mit niemandem darüber reden. Höchstens mit Ginny und Luna.« Entschlossen blickte Hermine zu Ron und Neville, die beide nickten.

»Wir sollten es wirklich besser niemandem sagen. Zumindest nicht, bis wir mehr wissen«, riet Neville.

»Mal was anderes. Was macht ihr am Wochenende. Ich meine, es ist das erste Hogsmeade-Wochenende«, sagte Ron und blickte sich um.

Hermine blickte ihn etwas pikiert an und war wohl schockiert, daß er so schnell das Thema wechselte. »Wie kommst du jetzt darauf? Eben sprechen wir noch über einen Angriff auf die Schule, der viele Leben kosten könnte, und im nächsten Moment sprichst du vom Hogsmeade-Wochenende?«

»Sei bitte nicht böse deswegen. Ich meine, was sollen wir denn sonst tun? Im Augenblick können wir mit niemandem darüber reden, der Angriff ist noch lange hin, und es bringt doch nichts, sich jetzt schon den Kopf nur darüber zu zerbrechen. Noch leben wir, und noch sollten wir darüber nachdenken, findest du nicht?«

»Ich weiß nicht. Ich meine, du hast ja recht, doch das kam mir jetzt ein bißchen zu plötzlich«, erwiderte sie, sah nun aber nicht mehr böse aus.

»Schon gut. Ich versteh' dich ja sogar, doch ich meine, wir sollten unsere Prioritäten noch so setzen, wie wir es tun würden, wenn wir nichts über den Angriff wüßten. Nun … also ich gehe mit Luna, doch was macht ihr?«

Irgendwie fand Harry, daß Ron recht hatte, und dachte darüber nach, was er in Hogsmeade machen könnte.

»Ich hab' Ginny gefragt. Wir werden zusammen gehen«, antwortete Neville auf Rons Frage und blickte nun ein wenig auf seine Schuhe.

»Schon okay. Viel Spaß dabei«, sagte Ron, klang aber nicht ganz ehrlich.

»Ich weiß noch nicht, was ich mache«, sagte Harry. »Vielleicht lerne ich. Obwohl ich schon Lust hätte, ins Dorf zu gehen. Was machst du, Hermine?«

»Ich weiß auch noch nicht. Lust hätte ich auch. Mal sehen, wie es Samstagmorgen aussieht.«

»Kommt doch beide mit mir und Luna. Sie freut sich sicher, wenn ihr uns begleitet«, erwiderte Ron und sah Harry und Hermine hoffnungsvoll an. Leicht nervös warf Harry einen Blick in Hermines Gesicht. Er war sich nicht sicher, was sie dachte, und wollte lieber ein wenig passiv bleiben.

»Klingt gut«, sagte Hermine einige Sekunden später und begann zu lächeln. Sogleich erwärmte sich Harrys Herz, und Schmetterlinge flatterten durch seinen Magen.

»Laßt uns gehen, sonst kommen wir noch zu spät«, meinte Neville schließlich.

»Wenn alles geklärt ist, dann sollten wir wirklich los. Hagrid würde uns zwar keine Punkte abziehen, wäre aber sicher enttäuscht, wenn wir nicht pünktlich sind«, pflichtete Harry ihm bei.

Der Tag und auch der nächste gingen ohne weitere Vorkommnisse zu Ende, wenn man einmal davon absah, daß Harry in seinem Duell in Verteidigung gegen die dunklen Künste fast von Neville geschlagen worden wäre, der seinerseits nun den Verwirrzauber auf Harry abgeschossen hatte. Es bedurfte seiner ganzen Willensstärke, sich davon nicht ablenken zu lassen, und Neville mit seinem Entwaffnungszauber zu treffen, obwohl er den Eindruck hatte, mit seinem Zauberstab ganz und gar daneben zu zielen. Obwohl es knapp war, fühlte sich Harry ausgesprochen gut nach dem Sieg und ging am späten Freitagabend entspannt schlafen.