Disclaimer: Nichts an dieser Geschichte gehört mir, außer dem generellen Plot und ein paar unbedeutenden Namen. Alle originalen Charaktere und Schauplätze, die aus dem HP-Universum entnommen sind, gehören J. K. Rowling oder Warner Bros. oder wem auch immer. Ich mache damit kein Geld.
Kapitel 14 – Rätsel / Experimente / Theorie
Die nächste Schulwoche wurde überaus anstrengend. Snape braute mit ihnen diesen speziellen Trank, der eine ganze Woche köcheln sollte und zu dem ständig neue Bestandteile hinzugefügt werden mußten. Aus diesem Grunde mußten sie zwischen den anderen Unterrichtsstunden immer wieder hektisch hinunter in die Kerker laufen, um weitere Zutaten hineinzugeben. Selbst nachts waren sie zweimal gezwungen, sich aus den Betten zu erheben, um von Snape hinunter in die Kerker geleitet zu werden. Zum ersten Mal geschah dies in der Dienstagnacht um drei Uhr. Harry hatte sich darauf vorbereitet und war schon früh im Bett gewesen. Beim zweiten Mal aber, Donnerstagnacht um zwei Uhr dreißig, war er äußerst müde und konnte nur unter enormer Anstrengung überhaupt weiter am Trank arbeiten. Müde war er, weil er nicht vor elf Uhr ins Bett hatte gehen können, da er nach dem Abendessen sowohl ein kurzes Quidditch-Training als auch ein längeres DA-Treffen gehabt hatte. Ron dagegen hatte bereits im Gemeinschaftsraum gesessen und sie in Empfang genommen, woraus Harry schloß, daß dieser nicht im Bett gewesen war.
Am Freitagmorgen fragte er sich – so wie die anderen auch –, was das alles sollte. Hätten die Slytherins nicht auch nachts aus ihren Betten gemußt, Harry hätte es für reine Schikane gehalten. Auch hatte ihnen Professor Snape noch immer nicht gesagt, was sie da überhaupt zusammenbrauten. Diese Geheimnistuerei war für Harry unverständlich, und er wollte Snape nach Möglichkeit zur Rede stellen. Zumindest wollten sie erfahren, wofür sie diese ganzen Mühen auf sich genommen hatten. Da die Zaubertränke aber erst spät am Nachmittag vollendet sein würden, gestaltete sich der Morgen auffallend langweilig.
Geschichte der Zauberei stand auf dem Plan, und Professor Binns' Unterricht war noch immer zäher als die Ledersohle alter Stiefel. Seit Jahresbeginn bemühten sich Harry und die meisten anderen nach Leibeskräften, auch seinem Unterricht aufmerksam zu folgen; dies gelang ihnen auch mit größerem Erfolg als noch in den letzten Jahren. Während Hermine früher als einzige brauchbare Aufzeichnungen gehabt hatte, bannten nun viele Federn die Worte ihres Lehrers dauerhaft auf Pergament, und so hatten sich Harrys Schulleistungen sogar in diesem Fach enorm verbessert. Zwar war Hermine noch immer die Jahrgangsbeste, doch den Abstand zu ihr konnten auch viele andere deutlich verringern.
Glücklicherweise war Hermine darüber nicht unglücklich. Galt sie früher wegen ihres Einsatzes noch als Streberin, war sie nun eher ein Vorbild und zugleich auch Ansporn für die anderen. Harry gegenüber hatte sie gestanden, wie sehr sie sich manchmal von den anderen verletzt gefühlt hatte und wie sehr sie jetzt die Bewunderung genoß, ohne aber deswegen abzuheben.
Obwohl die anderen ihr näher kamen, setzte sie noch immer die Maßstäbe. Niemand war so fleißig wie sie, und wenn Harry an manchen Tagen schon um zehn endgültig die Lust verlor, konnte sie ihn mit ihrem Enthusiasmus oft noch einmal neu anstecken, wofür er ihr sehr dankbar war. Er hatte das Gefühl, daß seine Liebe zu ihr jeden weiteren Tag größer wurde und das gegenseitige Verständnis füreinander schneller wuchs, als er es sich je hätte vorstellen können. Wäre nicht Voldemort immerfort in seinem Hinterkopf herumgeschwebt, wäre es für Harry eine wunderschöne Zeit gewesen.
Sicher lag es auch daran, daß sie inzwischen einige Male miteinander geschlafen hatten und es jedes Mal noch schöner gewesen war. Beide hatten ihre anfängliche Scheu überwunden und wurden zunehmend selbstbewußter, was ihre eigenen Körper und ihre Handlungen anbelangte. Das führte schnell dazu, daß sie sich dem Ganzen noch viel entspannter hingeben konnten, um das Erlebnis an sich besser genießen zu können.
Am späten Nachmittag ging er mit den anderen hinunter in den Kerker, diesmal, um die Arbeiten am Zaubertrank zu beenden. Harry war schon sehr gespannt, wie sein Gebräu geworden war, noch gespannter war er aber, endlich zu erfahren, was sie da eigentlich zusammengebraut hatten.
Wie immer ließ Snape sie nicht lange warten, und so betraten sie den Kerker. Kaum hatte sich Snape auf seinen Stuhl gesetzt, zeigte er mit seinem Zauberstab an die leere Tafel, und es erschienen die letzten Arbeitsschritte, die sie noch zu erledigen hatten. Zwar brannte Harry darauf, seinen Lehrer des Trankes wegen zu befragen, er wollte ihn aber auf keinen Fall unter Druck setzen, da es sonst unangenehm ausgehen könnte, wie er dachte.
Am Ende der Doppelstunde hatte Harrys Trank genau das Aussehen, die Farbe und die Konsistenz, die Professor Snape beschrieben hatte, und er war mit seinem Werk zufrieden. Mit dem Zauberstab in der Hand ging Snape zu einem jedem Kessel und prüfte mit einem Schwenk die Tränke seiner Schüler. Bei Neville fing er an, und es kamen grüne Funken aus der Spitze seines Zauberstabes. Da Snape anerkennend nickte, war der Trank wohl in Ordnung, was ein Lächeln in Nevilles Gesicht zauberte. Als nächstes war Dean an der Reihe, und es schossen gelbe Funken aus Snapes Stab. Nachdem er kurz an der Mixtur gerochen hatte, gab Snape noch zwei Zutaten hinzu, rührte noch einmal um und wiederholte die Prüfung. Diesmal waren die Funken schwach grün, und Harry sah, wie sich Dean sichtlich entspannte. Als Snape wenig später zu Harrys Kessel kam, hatte sich bis dahin nur ein einziger Trank als unbrauchbar herausgestellt, und das auch noch von einem der Slytherin. Snape schwenkte seinen Stab über Harrys Kessel, und tatsächlich sprühten tiefgrüne Funken aus ihm.
»Sehr guter Helmich-Trank«, murmelte Snape kaum hörbar und nickte anerkennend, während er schon zu Hermines Kessel weiterging. Auch ihr Trank ließ tiefgrüne Funken aus Snapes Zauberstab schießen, und nur Sekunden danach ließ er alle Kessel samt Inhalt mit einem weiteren Schwenk seines Stabes verschwinden. »Ich danke Ihnen für Ihre hervorragende Arbeit. Ihre Fortschritte erstaunen mich sehr. Die Stunde ist hiermit beendet.« Eiligen Schrittes verließ Snape den Kerker.
Keiner kam dazu, noch etwas zu sagen, und auch Harry hatte seine Fragen nicht mehr stellen können. Die Stunde war eigentlich noch nicht vorbei, als er und die anderen schon hinauf in den Gryffindor-Turm eilten. Diese ganze Sache war ungewöhnlich gewesen, hatte sie Snape doch niemals zuvor früher gehen lassen, was diese Aktion mit dem unbekannten Trank nur noch verdächtiger machte.
»Wir müssen gleich in die Bibliothek«, rief Harry den anderen zu, als sie ihre Schulsachen in ihre Schlafsäle gebracht hatten und sich wieder im Gemeinschaftsraum trafen.
»Wenigstens hat er den Namen des Gebräus verraten«, meinte Ron auf dem Weg in die Bibliothek.
»Helmich-Trank, das hab' ich ja noch nie gehört«, gab Dean zu, und auch Hermine sah die anderen ratlos an:
»Ich auch nicht. Steht bestimmt in einem der weniger bekannten Bücher.«
Als sie in der Bibliothek ankamen, verteilten sie sich vor dem Regal, in dem es um Zaubertränke aller Art ging. Jedes der fünfzehn anwesenden DA-Mitglieder schnappte sich ein Buch und begann, darin nach dem Trank zu suchen.
Zwei Stunden später war Harry schon bei seinem fünften Buche und hatte zu seiner Überraschung noch nicht die geringste Kleinigkeit gefunden. Auch die anderen waren nicht fündig geworden, und Hermine erinnerte die Situation an das erste Schuljahr, als sie verzweifelt etwas über Nicolas Flamel herausfinden wollten.
»Vielleicht gehen wir es falsch an«, bemerkte Hermine und schloß ihr gerade durchsuchtes Buch. »Vielleicht sollten wir nicht zuerst nach dem Trank, sondern nach dem Namen Helmich suchen. Vielleicht heißt der Trank anders, und Helmich ist nur sein Entdecker.«
Mit diesen Worten nahm sie etliche Bücher vom Tisch, stellte sie zurück in die Regale und ging in eine andere Abteilung. Von seinem Platz aus konnte Harry sie nicht sehen, aber als sie zurückkam, hatte sie sechs Bücher in den Armen, wovon sie eines Harry gab.
»Such doch mal da drin«, forderte sie ihn auf und schlug ein weiteres Buch auf.
Harry sah sich den Titel seines Buches an: Who is Who von Alfred Stampton. Er blätterte es einmal durch und blieb durch Zufall auf der Seite Ph-Pr hängen.
Potter, Harry James
Geboren 31.07.1980
Gestorben ---
P. überlebte als Einjähriger den Angriff Lord Voldemorts und damit als einziger die Anwendung des Todesfluches »Avada Kedavra«. Er behielt als einzig bekannten Schaden eine blitzförmige Narbe auf der Stirn zurück.
Am 1. September 1991 begann P. seine Schullaufbahn an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei. Er ist zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches noch dort eingeschrieben.
Harry stutzte, als er in sein Antlitz blickte. Das Bild war sicher schon vier oder fünf Jahre alt, und er konnte sich nicht mehr an die Aufnahme erinnern. So schnell er konnte, blätterte er zurück zum Buchstaben H. Ihm wäre es sehr peinlich gewesen, wenn es jemand gesehen hätte, aber Hermine wollte er nachher davon erzählen. Rasch blätterte er auf die Seite, auf der Helmich zu finden sein sollte, doch zwischen Helmeier, Bob und Helowitz, Stan stand er nicht, wie er es eigentlich sollte. Harry wartete, bis sie ihr Buch durchgesehen hatte.
»Hier steht nichts«, meinte sie enttäuscht und klappte das Buch zu.
»Bei mir auch nicht.«
Sie blätterten auch die anderen vier Bücher durch und fanden absolut gar nichts. Enttäuscht nahm Hermine die Bücher wieder vom Tisch und brachte sie an ihre angestammten Plätze zurück.
»Ich weiß nicht, wo wir jetzt noch suchen sollen, denn Helmich hieß ja auch keine der Zutaten«, sagte Hermine, als sie sich wieder setzte.
»Wir könnten ja mal Moody eine Eule schicken«, schlug Ron vor und blickte die beiden an.
»Das ist eine wirklich gute Idee. Wir schicken Hedwig zu Mad-Eye, und Pig schicken wir zu Remus. Einer von beiden wird schon etwas wissen«, sagte Harry und griff sich ein Stück Pergament. Er setzte einen Brief an Remus Lupin auf:
Hallo Remus,
ich hoffe, Dir geht es gut. Bei uns ist soweit alles in Ordnung, allerdings sind wir auf ein kleines Problem gestoßen. Wir haben in Professor Snapes Unterricht den Helmich-Trank gebraut, und leider hat er uns nicht verraten, wofür er ist oder um wen es sich bei Helmich handelt. Wir hoffen, Du bringst für uns ein wenig Licht in diese Angelegenheit.
Es grüßen Dich alle!
Harry
Danach reichte er den Brief an Hermine: »Hier, unterschreibt mal alle.«
Nach und nach ging der Brief durch die Reihen, während Harry den gleichen Brief auch an Mad-Eye schrieb und diesen ebenfalls von allen unterschreiben ließ.
»Ron und ich gehen kurz hoch in die Eulerei.« Harry griff beide Briefe und zog Ron am Arm. »Der Rest bleibt hier und sucht noch nach Helmich. Vielleicht findet ihr doch noch was. In einer Viertelstunde sind wir zurück.« Bevor jemand antworten konnte, verließen sie schon die Bibliothek.
Die beiden liefen den Gang entlang, als Ron ihn fragend anblickte: »Warum wolltest du unbedingt mich mitnehmen?«
»Pig ist deine Eule.«
»Ich weiß«, erwiderte der Rothaarige und sah verwirrt aus.
»Ich dachte nur, du wärst lieber mit Hermine als mit mir allein. Aber es paßt mir ganz gut so. Da gibt es eine Angelegenheit, über die ich gerne mit dir sprechen möchte.«
»Wenn du deine erneute nächtliche Abwesenheit meinst, dann geht mich die Sache nichts an!« sagte Harry eilig und ging ein wenig schneller.
»Wir besprechen es auf dem Rückweg«, gab Ron zurück, offenbar leicht geknickt, öffnete die Tür zur Eulerei, und beide betraten den Turm.
Den Brief für Remus reichte Harry an Ron weiter, und der suchte Pig. Harry band den Brief für Mad-Eye an das ausgestreckte Bein von Hedwig, die inzwischen neben ihm gelandet war. Sanft streichelte er ihr Gefieder, und sie schuhuhte dabei ruhig und leise.
»Flieg zu Mad-Eye. Bring eine Antwort mit, und bitte beeil dich«, bat Harry seine Eule. Diese startete augenblicklich und flog aus der Turmöffnung.
Zwanzig Sekunden später schoß ein kleiner Federball an Harrys Kopf vorbei, unter dem ein weiterer Brief baumelte. An seiner Seite erschien Ron, und beide starrten einige Sekunden lang den fliegenden Eulen hinterher. Etwas überrascht konnten sie sehen, wie Hedwig eine kleine Schleife beendete und sich mit Pig traf, um Seite an Seite weiterzufliegen.
»Wenn beide am gleichen Ort sind, hätte ein Brief gereicht«, bemerkte Ron.
»Vielleicht fliegen sie auch nur am Anfang zusammen. Wir werden sehen«, antwortete Harry und ging zusammen mit Ron zurück zur Bibliothek.
»Es wundert mich, daß es dich offenbar nicht interessiert, wo ich heute nacht gewesen war. Ich meine, bevor Snape uns abgeholt hat«, meinte Ron beim Weg die Treppen hinunter.
»Erstens kann ich es mir denken, und auch wenn du noch immer mein bester Freund bist, so geht es eigentlich nur dich und Luna etwas an. Zweitens weiß ich meine Neugierde zu zügeln.«
»Du irrst dich!« warf Ron rasch ein und blickte Harry ernst an.
»Wenn du meinst. Aber es geht mich wirklich nichts an, wo ihr wart.«
Harry wollte damit das Thema beenden, doch Ron ließ einfach nicht locker:
»Ich war bei Parvati.«
»Was?«
»Ich hab' die ganze Zeit mit ihr gesprochen. Es geht ihr wirklich schlecht. Luna war auch bei uns, und wir machen uns große Sorgen um sie.«
»Damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Ich dachte, alle kommen über ihre Verluste hinweg. Ich meine … es war für viele schwer. Wir haben doch alle gute Freunde und fünf von uns sogar ein Elternteil verloren. Trotzdem dachte ich, zusammen mit ihren Familien und ihren Freunden kommen alle darüber hinweg.«
»Die anderen kommen damit auch ganz gut klar … denke ich jedenfalls. Es geht auch keinem auch nur annähernd so schlecht wie Parvati. Auch Seamus und Lavender kümmern sich viel um sie, aber sie macht keine Fortschritte, und ihre Eltern sind dabei leider keine Hilfe. Sie machen ihr noch immer schwere Vorwürfe und haben ihr inzwischen mehrere Heuler geschickt. Den letzten hat sie erst vor zwei Tagen erhalten.«
»Das verstehe ich wirklich nicht. Sie müßten doch jetzt um so mehr zusammenhalten und sich gegenseitig beistehen. Sie sollten es so wie deine Familie machen, jetzt nach Percys und Charlies Tod. Dir und Ginny ging's auch schlecht, aber heute ist es doch fast wieder okay, oder?«
»Ich komme damit klar, wirklich! Ginny schafft es auch, denke ich, aber was wir mit Parvati machen können, weiß ich nicht. Ich mache mir wirklich große Sorgen, und ich weiß nicht recht, was wir noch machen können.« Ron war bei den letzten Worten immer leiser geworden und blickte jetzt bedrückt zu Boden.
»Ich überleg' mir was. Vielleicht fällt ja auch einem der anderen DA-Mitglieder etwas ein.«
Bei diesen Worten hatten sie die Bibliothek erreicht. Ron wollte gerade die Tür öffnen, als ihnen Hermine und die anderen von innen zuvorkamen: »Hier finden wir nichts.«
»Dann müssen wir auf die Briefe warten«, erwiderte Harry und gab ihr zum Trost einen liebevollen Kuß.
Die Zeit während des Wochenendes verging wieder viel zu schnell. Harry und die anderen hatten sehr viel zu tun und waren beinahe jede freie Minuten damit beschäftigt zu lernen. Nebenbei bereiteten sie sich auch noch kurz auf das nächste Quidditch-Match vor und hatten überdies am Sonntagnachmittag zusätzlich ein DA-Treffen. Mit viel Einsatz versuchte Harry den anderen, die beiden neuen Schildzauber beizubringen, doch leider waren die meisten dabei nicht so erfolgreich, wie er gehofft hatte. Den besten Schild bekamen noch Hermine und Neville hin, und es zeigte sich wieder deutlich, daß Neville ein Zauberer mit unheimlich viel Potential war. Seit dem Kampf im Ministerium war er immer öfter imstande, dieses auch abzurufen, und er verbesserte seine Leistungen in vielen Bereichen über das Niveau fast aller anderen.
Die meisten anderen hatten mit den Schildzaubern weit weniger Erfolg, und ihre Wirkung blieb sehr schwach. Immerhin konnte sich Ron erheblich steigern, so daß Harry den Eindruck bekam, daß anscheinend auch hier wieder einmal Übung den Meister machte. Dies war auch der Grund, warum Harry den Zauber noch nicht aufgeben wollte, obwohl das Ergebnis insgesamt sehr ernüchternd war. Eine oder zwei Sitzungen wollte er noch investieren, und wenn dann keine größeren Fortschritte zu sehen wären, könnte er noch immer in einer kleineren Gruppe weitermachen.
Sonntagabend war Dumbledore noch immer weg, und Harry hätte sich Sorgen gemacht, hätten die anderen Lehrer nicht ausgesprochen entspannt ausgesehen. Professor McGonagall scherzte mit Professor Raue-Pritsche, und Hagrid unterhielt sich blendend gelaunt mit Professor McNally. Diese kleine Essenspause nutzte Harry, um Hermine, Zacharias und Michael Corner von Parvatis Problemen zu erzählen.
»Wir sollten ihr klar machen, wie sehr sie uns am Herzen liegt«, schlug Hermine vor, und Zacharias und Michael stimmten der Sache im allgemeinen zu.
»Wir sollten mit ihr vielleicht beim nächsten DA-Treffen reden und es einfach offen ansprechen«, meinte jener. »Wir könnten ihr sagen, wie gern wir sie haben, daß sie nicht an Padmas Tod schuld ist und daß ihre Eltern es nicht so meinen.«
»Das könnte ihr unangenehm sein. Ich meine, sie weiß dann, daß wir hinter ihrem Rücken über sie reden«, gab Michael zu bedenken.
»Da könntest du recht haben. Besser wäre es, wenn jeder einzeln auf sie zugeht, um mit ihr zu sprechen«, meinte Harry.
»Ich weiß nicht, ob das hilft«, warf Hermine ein. »Viele haben es schon probiert, und die Wirkung hält nur kurz. Auch Ron und Luna konnten die Situation nicht wirklich bessern. Sie tut so, als ob es ihr gutgehe. Seht sie euch genau an. Wenn man hinsieht, erkennt man, daß sie sich dazu zwingen muß.«
»Rede du noch mal mit ihr.«
»Okay, ich probiere es. Nach dem Essen nehme ich sie zur Seite.«
Als sie mit dem Essen fertig waren und Parvati gerade den Raum verließ, verabschiedete sich Hermine von Harry mit einem Kuß und lief ihr nach. Harry wandte sich den beiden anderen zu:
»Wißt ihr noch von anderen, die Probleme haben?«
»Ich denke, Heather Craney ist die einzige. Bei ihr ist der Vater gestorben; er war im Ministerium beschäftigt. Sie kam erst vier Wochen vor der Schlacht zu uns in die DA. Da hinten die braunhaarige«, meinte Zacharias und zeigte dabei mit dem Finger in ihre Richtung. »Mach dir aber keine Sorgen um sie. Hufflepuff kümmert sich um ihre Probleme.«
Bei einigen wußte Harry nur mit dem Namen allein wenig anzufangen, doch erkannte er sie umgehend. Sie sah tatsächlich ein wenig blaß und traurig aus und war gerade dabei, allein den Raum zu verlassen, als Ernie und Hannah sofort an ihre Seite traten. Ernie sagte wohl etwas Lustiges, und Heather mußte lachen. Blieb also nur Parvati, dachte Harry im stillen und ging mit den anderen Gryffindors in ihren Gemeinschaftsraum.
Da er keine allzu große Lust hatte, sofort weiter zu lernen, suchte er sich drei Spielpartner für sein neues Kartenspiel. Er traf auf Scott Bricks und Maureen Fitzpatrick aus der dritten Stufe, und dann spielte auch noch Neville mit. Scott und Maureen waren sehr aufgeregt und freuten sich sehr, mit Harry spielen zu dürfen. Schnell wurden es zwei vergnügliche Stunden, obwohl ihm Hermine dabei deutlich fehlte.
Gegen halb neun begann er wieder zu lernen, und gegen halb elf kam Hermine endlich mit Parvati zusammen in den Gemeinschaftsraum zurück. Nur einmal nickte sie Harry kurz zu und ging sogleich mit Parvati in den Mädchenschlafsaal weiter. Harry hätte Hermine zwar gern noch einen Kuß gegeben, hoffte aber, sie würde noch einmal herunterkommen.
Einige Minuten später schaute sie tatsächlich noch einmal kurz vorbei und setzte sich sogleich neben Harry auf die Couch, um ihm von Parvati zu erzählen:
»Ich glaube, sie bekommt das hin. Sie versteht, daß sie keine Schuld trifft. Am meisten Kummer machen ihr sowieso ihre Eltern, sie wollen es einfach nicht begreifen. Wir sollten unbedingt Professor Dumbledore bitten, mit ihnen zu sprechen. Parvati würde sich darüber sehr freuen, denke ich, obwohl sie nie selbst darum bitten würde.«
Harry versprach, mit Dumbledore darüber zu reden, und sie kuschelten sich noch für einige Minuten aneinander, während er über einiges nachdachte. Gegen halb zwölf wünschten sie sich eine gute Nacht und gingen zu Bett.
Jeden Tag wartete Harry nun vergeblich auf die Ankunft einer der beiden Eulen, die er zu Remus und Mad-Eye geschickt hatte. Langsam wurde er ein wenig ungeduldig, aber er wollte Snape auf das Thema lieber nicht ansprechen. Als auch am Freitagabend keine Eule in Sicht war, beschloß Ron, sich mit seiner Mannschaft auf das Spiel gegen Hufflepuff am Sonntag vorzubereiten, und so übten sie zwei Stunden lang neue Spielzüge ein. So ganz war Harry jedoch nicht bei der Sache. Zwar fing er den Schnatz einige Male, doch hatte er ihn auch des öfteren viel zu einfach entwischen lassen.
Bis spät in die Nacht lernte er danach noch für verschiedene Fächer und bereitete mit den anderen das nächste DA-Treffen vor, welches für den Samstagvormittag vereinbart war. Als Gastdozenten hatte er wieder Professor McNally gewonnen, der ihnen bei den Schildzaubern helfen wollte.
Diesmal war der Erfolg auch schon deutlich größer, und so konnte Hermine jetzt sogar Rons Schild mit keinem einzigen Fluch überwinden. Harrys Schild war inzwischen so mächtig, daß er ihn auch auf nah um ihn Herumstehende ausweiten konnte und Professor McNally damit tief beeindruckte. Natürlich beherrschte auch McNally die beiden Schildzauber, allerdings war Harry in der Lage, erheblich mächtigere Schilde zu erzeugen, was seinen Professor ziemlich verwunderte. Am Ende der Sitzung wiederholte Professor McNally auch noch einmal Dutzende Zauber im Schnelldurchgang und dozierte dann auch über die Unverzeihlichen Flüche, weil sich Harry unsicher war, ob und, falls ja, wie sie diese erlernen sollten.
»Ihr solltet darauf verzichten. Auch Professor Dumbledore teilt meine Meinung. Wenn ihr später einmal Auroren werden solltet, lernt ihr die Unverzeihlichen Flüche automatisch, und auch wenn einige von euch schon sehr mächtig sind, so fehlt es euch doch noch immer an der wichtigen Erfahrung im Kampf eins gegen eins. Wenn ihr euch dabei auf Flüche verlaßt, die ihr nicht sicher beherrscht, kann es übel enden. Ganz davon abgesehen, daß euch die Ausführung sowieso untersagt ist und ihr dafür schwer bestraft werden könntet. Zudem gibt es nur wenige Zauber, die noch schwerer auszuführen sind als diese drei, und selbst Mr. Potter hätte damit seine Schwierigkeiten. Lernt vor allem die Defensivzauber und kleine schnelle Angriffsflüche. Wenn ihr dann noch apparieren könnt, seid ihr schon gut vorbereitet.«
So recht wollte sich Harry damit nicht zufriedengeben, könnte es doch einmal lebenswichtig sein, auch die Unverzeihlichen Flüche zu beherrschen. Trotzdem stellte er diese Entscheidung nicht öffentlich in Frage, sondern behielt seine Meinung erst einmal für sich, was er noch im letzten Jahr wahrscheinlich nicht gekonnt hätte. Damals hatte er alles besser wissen und selbst entscheiden wollen, was das Richtige war, doch seit seinem folgenschweren Fehler bei der Sache mit Sirius versuchte sich Harry auch in dieser Hinsicht besser zusammenzunehmen. Heute hatte er mehr Vertrauen in seine Lehrmeister als jemals zuvor, was selbst Hermine aufgefallen war. Unter vier Augen hatte sie ihn dafür gelobt, nachdem er ihr im letzten Jahr mit seinem Starrsinn und seiner Unbeherrschtheit soviel Kummer bereitet hatte. Inzwischen aber liebte er sie viel zu sehr, um ihr das Leben auf diese Weise unnötig schwerzumachen, und so respektierte und achtete er die Meinung anderer.
Am Ende des Treffens dankte er Professor McNally und verabschiedete ihn bis zum nächsten Mal. Ein paar Minuten blieb er noch mit den anderen zusammen, ehe sich ihre Wege dann trennten. Den Nachmittag verbrachten Harry und das Quidditch-Team noch mit einem Abschlußtraining, und da es sehr gut verlaufen war, gab ihnen Ron für den Abend frei.
Harry verbrachte den frühen Abend mit Lernen und den späteren Abend mit Hermine oben auf dem Turm, auf dem sie schon Silvester gefeiert hatten. Die Temperaturen waren sehr mild, und die beiden verbrachten eine schöne Zeit zusammen. Vornehmlich versuchten sie sich mal wieder ein wenig zu entspannen und unterhielten sich viel über die Schule, über die DA, Parvati, Pansy Parkinson und über allerlei anderes, ehe sie dann zu Bett gingen.
Am Sonntagmorgen beim Frühstück war Harry entspannt und ließ es sich richtig schmecken. Sonst war er vor einem Spiel immer sehr nervös und aufgeregt, doch diesmal war alles anders. Nicht nur Hermine war darüber erstaunt, auch Ron wußte nicht, was er davon halten sollte. Er fand Harrys neue Einstellung ein bißchen merkwürdig, wollte er selbst doch noch immer unbedingt das Spiel gewinnen; Harry dagegen wollte seinen Spaß haben, und den würde er kriegen, wie er dachte. Sein Besen war von ihm für das Match ausgiebig in Form gebracht worden. Der Stiel war poliert, und der Schweif seines Feuerblitzes war noch einmal von ihm zurechtgestutzt worden. Nicht, daß es wirklich nötig gewesen wäre, doch Harry wollte seinen Besen in den Bestzustand versetzen. Das Wetter war für ein Spiel einfach nur perfekt; es war ein klarer Himmel mit einem kräftigen Sonnenschein. Zwar war es nur fünfzehn Grad warm, doch es war zumindest nicht mehr so kalt wie noch vierzehn Tage zuvor.
Harry freute sich wirklich auf das Spiel. Auch beim Mittagessen langte er kräftig zu, während Ron nicht viel essen konnte und nun schon wieder überaus nervös war. Als es dann endlich kurz vor vierzehn Uhr war und das Spiel gleich beginnen sollte, gingen Harry, Ron und der Rest des Teams auf das Feld. Die Menge jubelte den Spielern zu, und entgegen seinen Erwartungen, gab es nicht einmal von den Slytherins das gewohnte Pfeifkonzert. Das Spiel wurde wieder von Malcolm Clarke kommentiert, von dem nach dem letzten Spiel nun mehr erwartet wurde, war es doch das erste gewesen, bei dem jeder mit seinem Stil zufrieden gewesen war.
»Willkommen zum heutigen Match Hufflepuff gegen Gryffindor. Uns erwartet sicher ein spannendes und faires Spiel. – Und da kommen auch schon die Spieler von Hufflepuff. Angeführt werden sie von ihrem Kapitän Clifton Summerby. Dieser wird gefolgt von den beiden Jägerinnen Branstone und Cauldwell. Die beiden waren noch im ersten Spiel der Schwachpunkt ihrer Mannschaft gewesen, doch schon gegen Ravenclaw konnten sie voll und ganz überzeugen. Ich denke, wir können auch für dieses Spiel viel von ihnen erwarten. Hinter der Treiberin Susan Bones kommen auch schon die Gryffindors. Angeführt werden sie von ihrem Kapitän Ron Weasley. Direkt dahinter folgen Katie Bell und Andrew Kirke. Natürlich ist auch diesmal wieder ihr Sucher Harry Potter dabei. Die beiden Kapitäne treffen sich jetzt mit Madam Hooch, und sie bedeutet ihnen, sich die Hände zu schütteln.«
Madam Hooch steckte die Pfeife in den Mund und blies hinein. Sie gab damit die Bälle frei, und alle Spieler schossen in die Höhe. Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie Ron in Richtung Torringe flog, um dort seine Position einzunehmen. Sofort begann Harry die Suche nach dem Schnatz. Für einen kurzen Augenblick glaubte er ihn zu sehen, doch dann war er auch schon wieder verschwunden. Immer höher schraubte er sich, wich in einer kleinen Spirale einem Klatscher aus und flog erst einmal eine weite Runde über das Feld, wie er es in jedem Match tat.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes sah Harry den Sucher der anderen Mannschaft nach dem Schnatz Ausschau halten, doch schien auch er noch nichts entdeckt zu haben. Unter ihm war Katie im Ballbesitz und steuerte sehr schnell auf die Torringe der Hufflepuffs zu. Wieder mußte Harry einem Klatscher ausweichen, und Susan Bones grinste ihn ein wenig dreist an. Auch Harry konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, was ihr ein Augenzwinkern abrang.
»Katie Bell gibt den Quaffel weiter an Ginny Weasley. Sie weicht einem Klatscher aus und ist schon auf dem Weg zum Tor. Für welchen der Ringe wird sie sich entscheiden? Daneben. Glück für Hufflepuff!«
Ohne große Eile flog Harry über die Tribüne hinweg und konnte Hermine unter sich sehen, die ihm euphorisch zuwinkte. Am liebsten hätte er zurückgewinkt, doch im gleichen Augenblick streifte ihn ein Quaffel am Rücken. Das Ganze überraschte ihn ein wenig, war ihm doch eine solche Unaufmerksamkeit nur höchst selten passiert. Reiß dich zusammen, mahnte er sich und konzentrierte sich wieder mehr auf das Spiel, was ihm wirklich nicht leichtfiel.
Begeistert beobachtete er nur Sekunden danach, wie Katie den Quaffel von Ginny zugespielt bekam, den Hüter von Ravenclaw austrickste und zum zehn zu null punktete.
»Ein herrliches Tor von Katie Bell. Erst auf den linken Ring angetäuscht und dann doch im rechten Ring verwandelt. Susan Bones kam mit ihrem Klatscher leider zu spät«, hörte Harry den Stadionsprecher, und er hörte auch die Menge noch lauter jubeln.
Etwas schneller flog Harry nun wieder in Richtung Ron und kreuzte dabei den Weg von Clifton. Dieser beachtete ihn nicht, sondern suchte weiter das Feld nach dem Schnatz ab.
»Eleanor Branstone jetzt im Ballbesitz. Elegant weicht sie Jack Slopers Klatscher aus und gibt den Quaffel ab an Owen Cauldwell. Die beiden sind ein herrliches Paar. Oh … Ginny Weasley rammt Owen von rechts. Das könnte man schon fast als Foul werten«, hörte Harry von Malcolm, riskierte einen Blick und sah, wie Ginny und Owen um den Quaffel kämpften. Letztlich konnte Ginny ihm den Ball aus der Hand schlagen, und er fiel in Richtung Boden.
Sofort war Colin zur Stelle und schnappte ihn sich drei Meter vor dem Aufprall. Das Spiel beruhigte sich ein wenig, so daß Harry wieder nach dem Schnatz suchen konnte und dabei Clifton beobachtete. Dieser flog zwar nicht schnell, doch er konzentrierte seinen Blick auf nur eine einzige Stelle. Harry war im ungewissen, ob dieser den Schnatz bereits entdeckt hatte.
»Colin Creevey auf dem Weg zu Tor, doch er wird hart von einem Quaffel getroffen.«
Harry beschleunigte, wollte er doch lieber auf Nummer Sicher gehen, um sich keinesfalls von Clifton überrumpeln zu lassen. Schnell kam er ihm näher, und der Hufflepuff hatte ihn noch nicht bemerkt. Dieser hielt noch immer auf etwas zu und war voll darauf konzentriert.
Plötzlich sah Harry im Augenwinkel etwas kleines Goldfarbenes. Er beschleunigte seinen Feuerblitz, so hart er konnte. Clifton hatte ihn bemerkt, gab seinerseits Vollgas und versuchte den Schnatz vor ihm zu fangen. Trotzdem war Harry schon fast gleichauf. Er legte sich mit seinem Gewicht gegen Clifton, und der hielt voll dagegen. Der Schnatz war nur zehn Meter vor ihnen. Harry drückte, Clifton drückte. Der Schnatz flog plötzlich steil nach unten, und die beiden schossen über ihn hinweg. So schnell er konnte, versuchte Harry eine harte Linkskehre, doch Clifton blieb an ihm dran. Zwei Klatscher kamen plötzlich auf die beiden zu, und Harry blieb nichts anderes übrig, als hochzuziehen. Durch diese Aktion verlor er den Schnatz völlig aus den Augen, konnte aber hören, wie Clifton von einem Klatscher getroffen wurde. Die Chance wollte er sofort nutzen und suchte mit Argusaugen den Schnatz.
»Geschickt hat sich Branstone gegen Bell durchgesetzt. Sie fliegt allein auf Ron Weasley zu, nur Kirke könnte noch eingreifen. Doch nein, sein Klatscher verfehlt Branstone. Weasley muß es richten – doch zu spät, Branstone gleicht zum zehn zu zehn aus.«
Deutlich sah Harry den Schnatz und hörte die jubelnde Menge. Clifton hatte den weiteren Weg, sah ihn aber ebenfalls. Wieder beschleunigte er seinen Feuerblitz auf das Maximum und schoß an den Schnatz heran. Schneller, als er vor dem Spiel erhofft hatte, schloß sich seine Hand um den kleinen, goldenen Schlüssel zum Sieg, was seiner Mannschaft wieder einmal einhundertfünfzig Punkte brachte.
»Potter hat den Schnatz. Was für ein Fang. Dieser Junge ist Gold wert für sein Team«, hörte Harry die Stimme von Malcolm Clarke. Zufrieden steuerte Harry gerade in Richtung Boden, als seine Mannschaftskameraden auch schon bei ihm waren.
»Klasse Fang«, hörte er von Colin.
Katie sah ihn freudestrahlend an: »Jetzt nur noch Slytherin schlagen, und wir haben es wieder geschafft.«
»Super Fang. Tut mir leid wegen dem Tor!« sagte Ron und landete nur einen Meter neben Harry.
»Du konntest doch gar nichts machen«, beruhigte Ginny ihren Bruder und klopfte dabei Harry und Ron auf die Schulter.
Harry freute sich nicht wirklich. Zwar war er natürlich mit seiner eigenen Leistung zufrieden, doch hatte das Spiel einfach nicht lang genug gedauert, um genug Zeit für schöne Aktionen zu bieten. Nur Sekunden nach seiner Landung war schon Hermine bei ihm, küßte ihn freudig und umarmte ihn kräftig.
Plötzlich stand Clifton neben ihm: »Du bist wirklich der beste Sucher der Schule, hast aber auch den besten Besen.« Er zwinkerte ihm zu und schüttelte dann Harrys Hand.
Auch die anderen Hufflepuffs kamen nun zu ihm und beglückwünschten ihn für diesen schnellen Fang. Sie klatschten einander ab und gingen gemeinsam in Richtung Umkleidekabinen. Nur zehn Minuten später hatten sie ihre Trikots abgelegt, waren frisch geduscht und zogen zusammen hoch zum Schloß, um dort den Sieger zu feiern. Man versammelte sich in der Großen Halle und sprach über das Spiel, welches nur knapp zwölf Minuten gedauert hatte. Alle waren sich einig, daß es einfach zu kurz gewesen war und es zu wenig bemerkenswerte Aktionen zu sehen gegeben hatte. Es war gerade kurz nach halb drei, als Harry und die anderen überlegten, was sie mit dem angebrochenen Sonntag noch anfangen sollten, als plötzlich eine Eule in der Großen Halle auftauchte. Es war eine große wunderschöne Schnee-Eule, und Harry erkannte Hedwig sofort. Sie hatte einen Brief bei sich und landete elegant auf Harrys Schulter.
Sofort machte Ron den Brief von ihrem Fuß ab. »Ich frag' mich, wo Pig bleibt.« Er reichte Harry den Brief.
»Hallo, Hedwig. Schön, daß du wieder hier bist. Ruh dich oben in der Eulerei aus, im Moment hab' ich keinen Auftrag. Ich komme dich nachher noch mal besuchen, und dann gibt's auch noch eine kleine Belohnung«, flüsterte Harry seiner Eule zu. Hedwig schuhuhte leise, biß ihm liebvoll ins Ohrläppchen, breitete ihre Schwingen aus und startete von seiner Schulter. Schnell flog sie aus der Großen Halle hinaus, und Harry widmete seine Aufmerksamkeit dem Brief, welcher Mad-Eyes Antwort enthielt.
Hektisch sah er sich um und blickte in die neugierigen Augen seiner Freunde und Mitstreiter. Eilig öffnete er den Umschlag, entnahm das Antwortschreiben.
»Hallo, Harry. Tut mir wirklich leid, aber von einem Helmich-Trank habe ich noch nie gehört. Ich habe im Moment leider wenig Zeit, also sei nicht enttäuscht über die kurze Antwort. Alles Gute, Mad-Eye.«
Enttäuscht legte Harry den Brief auf den Tisch und sah die anderen an. Auch diese wußten scheinbar nicht, was sie sagen sollten.
»Bleibt uns nur, auf Pig zu hoffen. Vielleicht kennt Remus ja die Antwort auf unsere Frage«, meinte Hermine und nahm Harry den Brief ab.
»Ob er es wirklich nicht weiß?« fragte Luna und blickte Harry an.
»Ich weiß nicht. Sein Brief ist kurz und prägnant. Es deutet für mich nichts darauf hin, daß er uns mit Absicht etwas vorenthält«, antwortete Harry und sah in die enttäuschten Gesichter der anderen.
»Vielleicht sollten ihr einfach Professor Snape fragen«, meinte Katie und nahm den Brief aus Hermines Händen.
»Auf keinen Fall. Ich weiß genau, daß er uns nicht mehr sagen wird. Daß er uns versehentlich den Namen des Trankes verraten hat, war schon mehr, als wir von ihm erwarten konnten.«
»Vielleicht hat er uns mit dem Namen auch absichtlich auf die falsche Fährte geschickt«, warf Luna ein und sprach damit aus, was auch einige der anderen vermuteten. Auch Harry war diese Idee schon gekommen, als sie nicht die geringste Kleinigkeit in der Bibliothek darüber hatten finden können.
»Ich glaube nicht«, unterbrach Neville Harrys Gedanken und setzte sich zwischen Luna und Ginny. »Das war kein gewöhnlicher Trank. Einige der Zutaten werden in keinem mir bekannten Trank kombiniert – ganz im Gegenteil! In einem Buch stand etwas über zwei der Zutaten. Erinnert ihr euch an das Globutangras und an die Lefnitzwurzel? Beides benutzt man eigentlich niemals zusammen, denn es ergibt normalerweise eine giftige Mischung. Irgend etwas Besonderes hat es damit sicher auf sich! Und dann ist auch noch Rabolunatus-Kraut drin. Was auch immer die beabsichtigte Wirkung ist: damit wird sie verlängert und auch verstärkt.«
»Ich glaube, Neville hat recht«, stimmte Hermine ihm zu.
Auch Harry nickte anerkennend mit dem Kopf: »Warten wir auf Pig. Wenn wir von Remus nichts erfahren, müssen wir mit Dumbledore sprechen. Hoffentlich kommt er bald zurück.«
Beim Abendessen war Dumbledore überraschend wieder da. Weniger überraschend war, daß er wieder sehr schlecht aussah und Harry ihn lieber nicht mit dem Helmich-Problem belästigen wollte; er war sich nicht einmal sicher, ob er ihn mit Parvatis Problemen belästigen konnte. Doch bevor er sich überhaupt mit Dumbledore verabreden konnte, kam schon Professor McGonagall zu seinem Tisch und gab Harry einen kleinen Zettel, auf dem stand, daß er mit den anderen um acht Uhr bei Dumbledore erscheinen solle; auch das Paßwort für den Wasserspeier stand darauf.
Um Punkt acht standen Harry und seine Freunde vor dem Wasserspeier. »Weasleys Quiekende Lutschpastillen!« sagte er, und der Wasserspeier gab die Treppe frei. Sie ließen sich von ihr nach oben bringen und klopften an die Tür.
»Kommt herein«, hörten sie aus dem Inneren. Harry öffnete die Tür. Sie betraten Dumbledores Büro und setzten sich auf einen der chintzbezogenen Lehnstühle.
Dumbledore sah tief getroffen aus, begann aber zu sprechen, ehe Harry es sich richtig bequem gemacht hatte. »Diesmal lief es nicht gut für uns. Wir haben mindestens vier Mitglieder unserer Suchmannschaft verloren, zumindest haben wir bereits so viele Leichen gefunden. Sieben weitere werden im Augenblick vermißt, und unter ihnen befinden sich auch Mundungus Fletcher und Emmeline Vance, die einige von euch ja kennen. Noch haben wir die Hoffnung, sie zu finden … doch wir sind nicht einmal sicher, wo genau sie verschwunden sind.«
Der Schock saß tief. Harry und die anderen konnten nichts sagen, und auch Dumbledore wirkte tief betroffen. So konsterniert hatte er den alten Mann noch nie gesehen, war er Harry doch selbst direkt nach der Schlacht noch so gefaßt vorgekommen. Viele Tote hatte es damals gegeben, und Dumbledore hatte den Eltern persönlich die Schreckensmeldungen überbringen müssen, was nicht einfach gewesen sein konnte, und trotzdem hatte er es wie alles andere gemeistert. Das war einer der Gründe, warum Harry nicht so richtig verstehen konnte, warum es ihm jetzt noch schlechter ging.
Plötzlich spürte er Hermines Hand in der seinen, und sie drückte sie aufmunternd. Verschiedene Dinge gingen ihm dabei durch den Kopf, vor allem fragte er sich, ob er in dieser Situation Dumbledore bitten konnte, mit Parvatis Eltern zu sprechen, obwohl er mehr als genug zu tun zu haben schien. Plötzlich setzte sich Dumbledore wieder aufrecht hin und sah ihnen allen tief in die Augen.
»Wir werden nicht versagen! Wenn wir uns nicht gegen ihn wehren, wird es noch schlimmer. Er will uns demoralisieren! Wir müssen alle Opfer aufrecht ertragen«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Harry und den anderen.
Dumbledore fing wieder an zu lächeln. Dieses Lächeln war es immer, welches Harry Zuversicht gab. Im ersten Augenblick verunsicherte es ihn ein wenig, bis er sich sicher war, daß es sich um ein ehrliches Lächeln handelte, welches er nicht nur aufgesetzt hatte. Wenn Dumbledore nicht an den Sieg glauben würde, könnte ich es auch nicht mehr, dachte Harry und begann ebenfalls ein wenig zu lächeln.
»Genug von den schlimmen Nachrichten. Wie geht es euch? Wie kommt ihr mit der DA und dem Unterricht voran?« wechselte Dumbledore unvermittelt das Thema und sah dabei Harry an.
»Mit der DA läuft es soweit gut. Wir konzentrieren uns weiterhin auf Defensivzauber und sind gerade intensiv mit zwei Schildzaubern beschäftigt. Ich wollte zwar auch die Unverzeihlichen Flüche durchnehmen, doch Professor McNally hat mich davon überzeugt, darauf zu verzichten.«
»Damit hat er recht!« bekräftigte Dumbledore ruhig.
»Auch im Unterricht läuft es gut. Wir lernen, soviel und so schnell wir können. Ab und zu gönnen wir uns zwar auch mal eine sehr kurze Verschnaufpause, doch wir kommen wirklich sehr gut voran.«
In den Augenwinkeln bemerkte Harry, wie Hermine bei diesen Worten zu lächeln begann.
»Das ist im Moment das wichtigste für euch, und bitte habt kein schlechtes Gewissen, wenn ihr euch einmal ein wenig Abwechslung gönnt. Ihr alle leistet mehr, als ich mir je erträumt habe. Schon in der Schlacht wart ihr eine weit größere Hilfe, als ich gehofft hatte, und auch jetzt könnt ihr mich gar nicht enttäuschen.« Dumbledore wirkte bei diesen Worten richtig stolz.
Harry fühlte, daß genau jetzt der richtige Augenblick wäre, über Parvati zu sprechen, doch er wußte nicht so recht, wie er anfangen sollte.
»Es gibt da aber auch ein kleineres Problem, Sir«, warf Hermine ein und kam damit Harry zuvor.
»Und das wäre?« fragte Dumbledore nun neugierig.
»Wir wissen ja … Sie haben nur wenig Zeit, aber … eine von uns leidet sehr seit der Schlacht. Wir machen uns wirklich Sorgen um sie.«
»Wen meint ihr denn? Etwa Parvati Patil?«
Harry und die anderen waren verblüfft, daß Dumbledore sofort wußte, um wen es sich handelte. Neville fand als erster seine Stimme wieder:
»Genau, Sir. Ihre Eltern geben ihr die Schuld am Tod von Padma, und sie kommt damit absolut nicht klar. Es wäre gut, wenn Sie oder vielleicht jemand anderes mal mit ihren Eltern sprechen könnte. Vielleicht würde das helfen.«
»Ich denke, das läßt sich einrichten. Ich werde mich bemühen, dieses Problem zu lösen, sobald ich mich ein wenig erholt habe.«
Harry und die anderen wollten sich dafür bedanken, aber Dumbledore wehrte ab:
»Ich muß mich bei euch bedanken, ihr zeigt sehr viel Reife und Verantwortungsbewußtsein, was in eurem jungen Alter wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. – Wenn dann nichts weiter ist, könnt ihr gehen, und ich wünsche euch noch einen schönen Tag.«
Harry wollte Dumbledore gerne noch nach dem Helmich-Trank fragen, doch er entschied sich endgültig dagegen. Er würde die Geduld aufbringen und auf Pigs Rückkehr warten, ehe er Dumbledore auch noch damit belästigen würde. Mit den anderen verließ er das Büro, und sie zogen sich in den Gemeinschaftsraum zurück. Mit Hermine sprach er dort noch einige Zeit über Dumbledore und die gestorbenen und vermißten Zauberer. Mundungus war ihm zwar immer ein wenig suspekt gewesen, aber er stand auf der richtigen Seite, und dafür war er ihm dankbar. An Emmeline Vance erinnerte sich Harry nicht mehr so gut, da er sie nur einmal getroffen hatte. Sie hatte ihn auf dem ersten Flug zum Grimmauldplatz zwölf begleitet, und Harry erinnerte sich nur daran, daß sie ein wenig stämmig war und dunkelblonde Haare hatte. Ihr Gesicht aber konnte er sich einfach nicht mehr in Erinnerung rufen, bis er an das eine Foto dachte: er hatte sie auf dem Foto vom Orden gesehen, welches Mad-Eye ihm gezeigt hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er dieses Foto, und er sah Sirius … er sah seine Eltern. Er sah eine sterbende Hermine, und ein unvorstellbarer Schmerz zuckte durch seinen Körper.
Völlig überraschend küßte Hermine ihn. »Alles klar mit dir?« fragte sie, besorgt dreinschauend.
»Nicht wirklich«, gab Harry ehrlich zurück. Bei jedem anderen hätte er gesagt: »Ja, klar, alles bestens«, doch bei Hermine wollte und konnte er das nicht. »Ich mußte an Sirius und meine Eltern denken … und an dich!« fuhr er traurig fort, und Hermine nahm ihn in die Arme.
Sie gab ihm soviel Kraft, und Harry wußte gar nicht, wie er ihr dafür jemals danken sollte. Einige Zeit saßen sie einfach nur so da, ehe er sich beruhigt hatte und wieder fähig war, seine Ausbildung weiter voranzutreiben.
Die nächste Woche war für Harry überaus hektisch und anstrengend, da sein Terminplan ausgesprochen gut gefüllt war. Neben dem Unterricht hatte er besonders viele Hausaufgaben zu erledigen, und auch für das DA-Treffen am Mittwoch, welches ausgesprochen erfolgreich war, hatte er sich vorbereiten müssen. Immer mehr waren nun in der Lage, auch die bisher schwierigsten Zauber auszuführen, obwohl es vor allem mit den Schildzaubern noch immer Probleme gab. Beim Abendessen des gleichen Tages bekam Parvati endlich einen Brief von ihren Eltern. Seamus erzählte ihnen abends im Schlafsaal davon:
»Sie haben sich wieder eingekriegt und haben geschrieben, daß sie Parvati noch lieben. Sie ist ja so erleichtert, das könnt ihr euch kaum vorstellen. Sie hat gleich heute noch eine Antwort abgeschickt. Wirklich nett von Dumbledore, mal mit ihren Eltern zu sprechen. So konnte das ja unmöglich weitergehen.«
Natürlich freute sich Harry für sie, und auch die anderen waren ein wenig erleichtert. Er selbst kannte die Liebe seiner Eltern zwar nur aus Erzählungen oder aus seinen wenigen, meist finsteren Erinnerungen; er wußte aber genau, wie sehr sie einem fehlen konnten. Zwar hatte Harry keine Blutsverwandten mehr, zumindest keine, die ihn liebten, doch hatte er hier die beste Familie, die er sich nur wünschen konnte. Erleichtert darüber, daß Parvatis Problem beseitigt war, schlief er in dieser Nacht ausgesprochen gut.
Am Morgen verabredete er mit Ron und den anderen, doch am Nachmittag wieder einmal bei Hagrid und den Riesen vorbeizuschauen. Während des Unterrichts hatten sie nur wenig Gelegenheit gehabt, miteinander zu sprechen, weshalb sich Hagrid riesig freute, daß Harry wieder vorbeikommen wollte. Den Riesen war zudem ein bißchen langweilig geworden, und auch Hagrid hatte zuviel zu tun gehabt, um sie ausreichend bei Laune zu halten, was sie an diesem Nachmittag aber spielend schafften.
Mit den Riesen durch die Gegend zu tollen, hatte auf Harry eine beruhigende Wirkung, und so saß er wenig später mit den anderen entspannt beim Abendessen. Danach hatten sie alle Hände voll zu tun, um mit ihren Hausaufgaben und einigen Unterrichtsvorbereitungen fertig zu werden, so daß Harry erst nach zwölf völlig geschafft in sein Bett kam.
Am Freitag, den achtundzwanzigsten März hatte Harry wieder Zaubertrankunterricht bei Snape. Die Doppelstunde lief für ihn absolut problemlos, und sein Trank war ihm ausgesprochen gut gelungen, so daß Snape einmal mehr angenehm überrascht zu sein schien. Leider hatte Ron mit seinem Trank deutlich größere Schwierigkeiten gehabt, unterlief ihm doch ein kleinerer Flüchtigkeitsfehler, der seinen Kessel explodieren ließ und so seine Bestandteile an die Decke verteilte. Ron verbrachte deshalb – sehr zur Freude von Pansy Parkinson und ihrem Anhang – den halben Nachmittag damit, die Decke zu reinigen.
Beim Abendessen hörte Harry, wie Parkinson die Geschichte mindestens zehnmal erzählte, obwohl schon beim dritten Male aber auch wirklich alle ihre Zuhörer ganz gelangweilt aussahen. Gerade Ron war die Sache sehr unangenehm, weil auch er sich eigentlich sehr im Unterricht verbessert hatte. Obwohl ihm alle immer wieder sagten, daß es jedem passieren könnte, war ein trotziges »Es mußte aber natürlich ausgerechnet mir passieren!« Rons Standardantwort des Abends.
Nach dem Essen saß Harry mit Hermine wieder an ihrem Stammtisch in der Bibliothek. Sie hatten eine überaus lange Hausaufgabe für Verwandlung zu erledigen und mußten sich auch auf den Zaubertrankunterricht am nächsten Montag vorbereiten. Deshalb kam Harry erneut erst sehr spät ins Bett, doch zu seiner eigenen Überraschung störte es ihn nicht. Eigentlich war er darüber erleichtert, hatte er so doch nur wenig Zeit zum Grübeln. Nur kurz vor dem Einschlafen dachte er noch vereinzelt an Sirius; inzwischen traf es ihn nur noch selten unvorbereitet, und noch seltener waren es unangenehme Sachen, an die er sich erinnerte. Eher erinnerte er sich an die schönen Dinge, die sie zusammen erlebt hatten, auch wenn es nur ganz wenige waren. Trotzdem war es für ihn schon ein enormer Fortschritt bei der endgültigen Verarbeitung des Todes seines Paten.
Am Samstagmorgen beim Frühstück erhielt Hermine nicht nur wie immer ihren Tagespropheten und Luna die neueste Monatsausgabe vom Klitterer, Harry erhielt auch Post von Remus.
Pig war wieder zurück. Er flog in einer unkontrollierten Flugbahn in Richtung Harry und war sichtlich erschöpft von der langen Reise. Er landete direkt auf dem Tisch und hätte dabei beinahe eine Kanne mit Tee umgerissen. Ron gab ihm sofort etwas zu essen, und Pig kreischte ganz aufgeregt und sichtlich stolz, diese weite Reise heil überstanden zu haben. Vorsichtig nahm Luna den Brief von Pigs Fuß, während ihm Ron mit einem Löffel ein paar Schluck Wasser anbot, worauf sich die kleine Eule begeistert stürzte. Sofort reichte Luna den Umschlag weiter, und Harry öffnete ihn.
»Hoffentlich schreibt er mehr als Mad-Eye«, murmelte er, während er den Brief herauszog.
Er las den kurzen Brief insgesamt dreimal. Neville hielt die Spannung nicht mehr aus: »Was steht drin?«
»Ähhm … also, er schreibt, daß der Helmich-Trank verboten ist; und wofür sie ihn brauchen, will er nicht sagen. Wenn wir das wissen wollen, sollen wir uns an Dumbledore wenden, und er soll entscheiden, ob er es uns offenbart«, sagte Harry und legte den Brief auf den Tisch.
»Warum läßt uns Snape einen verbotenen Trank brauen?« fragte Hermine, und ein wenig Zorn war in ihrer Stimme zu hören.
»Das werden wir wohl wirklich Dumbledore fragen müssen«, erwiderte Harry entschlossen, erhob sich und ging vor an den Lehrertisch, direkt zu Professor McGonagall. »Guten Morgen, Professor! Wissen Sie vielleicht, wann Professor Dumbledore zurück ist?«
»Guten Morgen. Ja, das weiß ich. Er kommt heute abend gegen einundzwanzig Uhr. Ich weiß aber nicht, ob er für Sie Zeit hat«, entgegnete McGonagall, und Harry überlegte einen Moment lang, was er tun sollte.
»Danke für die Auskunft. Ich denke, ich benötige nur eine wirklich kurze Zeit mit ihm. Vielleicht fünf Minuten.«
»Ich werde Professor Dumbledore Ihr Kommen ankündigen.«
Den Samstag verbrachte Harry wieder einmal mit Lernen. Am Vormittag mußte er sich dabei noch ein wenig quälen, während es ihm am Nachmittag wieder mehr Spaß machte. Hermine plante immer ein paar Tage im voraus den Lernstoff und hielt ihn möglichst abwechslungsreich, damit keinem langweilig werden konnte.
Nach dem Abendessen spielten Harry und die anderen noch bis kurz vor neun Uhr Schach. Dabei war Ron überragend, und auch Neville ließ er diesmal nicht den Hauch einer Chance. Zwar gewann Harry sein Spiel gegen Ginny, verlor aber gegen Luna, die immer stärker wurde. Kurz vor neun verabschiedeten sich Harry und Hermine von den anderen und gingen zu Dumbledores Büro. Eine Minute nach neun klopfte er an die Tür, und Dumbledore bat sie, einzutreten und sich zu setzen.
»Was habt ihr denn auf dem Herzen?« fragte er.
Harry kam gleich auf den Punkt: »Wir haben eine Frage bezüglich des Helmich-Tranks, von dem wir für Professor Snape große Mengen im Unterricht gebraut haben. Professor Snape verriet uns nur den Namen, aber nicht, worum es sich dabei handelt. Also haben wir selbst gesucht, sind aber nicht fündig geworden. Das einzige, was wir über ihn wissen, hat uns Remus verraten, er wollte uns aber nur sagen, daß es sich um einen verbotenen Trank handelt. Wir würden also gern von Ihnen etwas über den Trank erfahren.«
»Ich wußte nicht, daß Professor Snape euch den Trank hat brauen lassen. Das hätte ich nicht gebilligt. Ich bat ihn, den Trank selbst herzustellen. Nun ja, wir können das Geschehene nicht rückgängig machen. Da ich nicht glaube, euch ohne eine Antwort wieder gehen lassen zu können, werde ich euch erzählen, was ihr gebraut habt. Allerdings ist es unbedingt erforderlich, daß ihr mit dem Wissen sorgfältig umgeht, denn es handelt sich hierbei tatsächlich um einen verbotenen Trank … mit dem man Vampiren ermöglichen kann, eine begrenzte Zeit im Tageslicht zu überleben.« Hermines Unterkiefer klappte herunter, der von Harry folgte nur eine Sekunde später. »Leider Gottes sind wir auf die Hilfe der Vampire angewiesen, denn im Moment können nur sie uns brauchbare Informationen beschaffen. Wenn wir Voldemort finden wollen, müssen wir ihnen vertrauen. Auch wenn ihr es sicher nicht gern hört, aber manchmal kann es nötig sein, einen Pakt mit einer Fraktion zu schmieden, die nicht hundertprozentig vertrauenswürdig ist, wenn man jemanden wie Voldemort aufhalten muß.«
Es entstand eine kurze Pause, in der sich alle gegenseitig anblickten.
»Das finde ich trotzdem nicht richtig, Professor!« wand Hermine ein, die dabei sehr unglücklich aussah. »Ich meine, sicher sind nicht alle Vampire von Hause aus böse, doch ist die ganze Angelegenheit nicht so einfach wie zum Beispiel bei den Werwölfen. Vampire verspüren einen ständigen Blutdurst und besitzen im allgemeinen eine viel zu geringe Selbstbeherrschung. Auch wenn ich es gern würde, kann ich einem Vampir nicht so einfach trauen.«
»Ich bin mir auch nicht so sicher, ob das richtig ist. Nicht, daß wir uns am Ende einen anderen mächtigen Feind schaffen«, meinte Harry und blickte Hermine aufmunternd an. Harry fragte sich, wer alles davon wußte. Vor allem fragte er sich, ob das Ministerium davon wußte.
»Ich kann dich schon verstehen, Hermine. Aber du mußt auch Verständnis für unsere Lage aufbringen. Wir sind gegenüber Voldemort benachteiligt. Alle unsere Aktionen werden durch unsere Moral in ihrer Wirkung begrenzt. Voldemort hat keine Moral. Er entführt und tötet beinahe pausenlos Hexen und Zauberer in halb Europa. Er muß aufgehalten werden«, sagte Dumbledore mit Nachdruck. Harry erschrak dabei ein wenig, war es doch eine Art des Auftretens, die Dumbledore nur selten benutzte und auch nur dann, wenn er es für notwenig hielt. »Ich werde aber mit Professor Snape über die Sache reden, hätte er euch doch niemals diesen Trank brauen lassen dürfen. Dieser Punkt ist eindeutig. Den Trank haben wir aber dringend benötigt, und wir konnten nicht auf ihn verzichten. Das Zaubereiministerium war davon unterrichtet und stimmte mit mir überein, weshalb es dafür eine Ausnahmegenehmigung gab.« Dumbledore blickte Hermine an, und auch Harry sah zu ihr. Sie schien noch nicht überzeugt zu sein. »Sieh mal, Hermine, es ist weit weniger gefährlich, als du vielleicht glaubst. Der Trank wird nur einigen wenigen Vampiren zur Verfügung gestellt, und ausschließlich, um Nachforschungen über Voldemort anzustellen. Sie nehmen den Trank unter Aufsicht ein und stehen unter beinahe permanenter Beobachtung. Durch diese Abmachung kommt niemand zu Schaden, das verspreche ich euch!«
Diese Worte überzeugten Harry. Er wandte sich deshalb an Hermine: »Vielleicht hat Professor Dumbledore recht! Wenn es sein muß, dann muß es eben sein.«
»Das kann ich nicht und will ich besser nicht beurteilen, aber wir hätten nie davon erfahren, geschweige denn, überhaupt in die Sache hineingezogen werden dürfen. Zudem sollten Sie nichts versprechen, was Sie vielleicht nicht halten können«, antwortete sie ganz ruhig. Noch immer war sie nicht überzeugt von der ganzen Sache, das konnte Harry genau spüren.
»Wie ich schon sagte: Ich werde darüber mit Professor Snape reden müssen, denn so war es von mir nicht angeordnet worden. Ich hoffe, ihr könnt mir dafür verzeihen. Trotzdem kann ich es euch versprechen, weil ich dafür Vorkehrungen getroffen habe.« Dumbledore wartete, bis Harry und Hermine genickt hatten. »Die Angelegenheit mit Parvatis Eltern habe ich geklärt; ich hoffe, damit sind die Probleme aus der Welt.« Er klang dabei betont freundlich, aber ernst.
»Das hat gut geklappt. Parvati hat einen Brief von ihren Eltern bekommen, und ich denke, daß es ihr bald wieder besser gehen wird«, entgegnete Harry, hielt Hermines Hand dabei und streichelte über ihren Handrücken.
»Das freut mich wirklich. Nun … falls das alles war, bitte ich euch, mich nun zu entschuldigen. Ich habe noch viele weitere Verpflichtungen, und eine ist eben noch dazu gekommen«, meinte Dumbledore und erhob sich.
Harry wußte genau, auf welche weitere Verpflichtung er angespielt hatte, konnte damit doch nur die Angelegenheit mit Snape gemeint gewesen sein. Sein Schulleiter würde sich Snape vorknöpfen, und Harry war sich unsicher, ob er das wollte. Der Tränkemeister hatte sich in letzter Zeit erstaunlich zurückgehalten, und Harry wollte keinen unnötigen Ärger provozieren, weshalb er überlegte, Snape vorzuwarnen. Bis zur Tür wurden sie von Dumbledore begleitet, ehe er sie hinter ihnen schloß und sie allein die Truppe hinunterfahren ließ.
»Ich gehe zu Snape und warne ihn vor. Ich denke, das bin ich ihm schuldig«, meinte Harry und blickte in Hermines Augen, als wollte er daraus lesen, was sie davon hielt.
»Ich begleite dich«, entgegnete sie kurz entschlossen, griff Harrys Hand und verschränkte ihre Finger mit den seinen.
Gemeinsam gingen sie schließlich hinunter in den Kerker, und er klopfte an Professor Snapes Bürotür.
»Herein!« hörte Harry, und es klang mehr wie ein Befehl als wie eine Erlaubnis.
Zögernd drückte er die Klinke hinunter und betrat Snapes Büro. Dieser saß hinter seinem Schreibtisch und schrieb etwas auf ein Pergament, ohne aufzusehen.
»Was ist der Anlaß Ihres Besuches? Warum stören Sie mich zu so später Stunde … Mr. Potter?« fragte Snape, richtete dabei seinen Oberkörper auf und legte die Feder zur Seite. Harry war unsicher. Er stolperte einen Schritt vor, ließ auch Hermine hinein und schloß die Tür.
»Sir, es tut mir leid, Sie zu stören, doch ich fühle mich verpflichtet, Sie auf gewisse Umstände aufmerksam zu machen«, begann er vorsichtig und ging zwei weitere Schritte auf Snapes Schreibtisch zu, während Hermine an der Tür stehenblieb.
»Diese Umstände wären?« Snape schien nun doch neugierig zu werden.
»Professor Dumbledore hat von uns erfahren, daß Sie uns den Helmich-Trank brauen ließen. Er schien davon nicht begeistert zu sein, und ich denke, er wird Sie deshalb vielleicht aufsuchen«, erwiderte Harry, dessen Stimme leicht zitterte. Er hielt die Luft an und machte sich auf alles gefaßt.
»Und warum teilen Sie mir dies mit?«
Harry mußte über die Frage nachdenken, war ihm die Antwort doch noch nicht so richtig klar gewesen. »Ich bin mir wirklich nicht sicher«, begann er schließlich und dachte weiter über die Frage nach, »ich hab' nur irgendwie das Gefühl, ich wäre Ihnen gegenüber … dazu … nun ja … wie ich schon sagte, verpflichtet.« Er wußte, daß die Antwort nicht gerade überzeugend klang, weshalb seine Anspannung noch ein wenig wuchs.
»Sehr interessant, Mr. Potter«, sagte Snape schließlich, erhob sich aus seinem Stuhl und lief um seinen Schreibtisch herum. Er ging auf Harry zu und beugte sich – mit hinter dem Rücken verschränkten Armen – ein Stück in seine Richtung, ehe er ganz nah an Harrys Gesicht war. »Nun weiß ich Bescheid. Sie können gehen.«
Was sollte das bedeuten, fragte sich Harry. Freute sich Snape über die Information, oder war er jetzt wütend auf ihn? Die Antwort auf diese Frage war seinem Gesicht einfach nicht zu entnehmen. Snape zeigte nur selten Emotionen, und wenn, dann waren es eigentlich niemals gute. Harry drehte sich schließlich um und ging die wenigen Schritte zur Tür, an der noch immer Hermine stand. Sie sah unbeteiligt aus, doch Harry ahnte, daß es nur Fassade war. Snape folgte ihm, und Harry kam es so vor, als wollte er sie beide aus seinem Büro drängen.
Zusammen verließen sie Snapes Büro, und kaum standen sie vor der wieder geschlossenen Tür, da sah Hermine ihn fragend an. »Was war das denn?« flüsterte sie.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Gehen wir zu den anderen, die warten sicher schon«, antworte Harry ebenfalls leise und ging mit ihr auf direktem Weg zurück zum Gryffindor-Turm.
Sie hatten den Gemeinschaftsraum gerade erst betreten, da wurden sie auch schon von allen Seiten belagert. Umgehend erzählte er allen, die davon wissen mußten, was Dumbledore gesagte hatte. Die Geschichte mit Snape behielt er dabei aber lieber für sich. Besonders Luna schien von der »Vampir-Verschwörung«, wie sie es nannte, richtig begeistert zu sein und wollte so gern ihrem Vater von der Geschichte berichten. Dieser würde sicher Gefallen daran finden, wie sie anmerkte, und könnte schon in der nächsten Ausgabe des Klitterers eine tolle Titelstory veröffentlichen. Sie hatte leuchtende Augen bei dem Gedanken daran, und irgendwie konnte Harry das gut nachvollziehen. Natürlich war ihr klar, daß sie diese Informationen niemals würde weitergeben dürfen, doch machte es ihr schon genug Spaß, nur darüber nachzudenken. Einige der anderen waren sehr überrascht über die neuesten Entwicklungen, hätte doch niemand Dumbledore so etwas zugetraut. Hermine war noch immer der Ansicht, daß es eigentlich nicht in Ordnung war, und wollte sich auch von niemandem überzeugen lassen, obwohl manche es mehrfach versuchten. Zu diesen zählte Harry allerdings nicht, vertraute er doch inzwischen lieber auf ihren untrüglichen Instinkt, was solche Dinge anbelangte, als auf seinen eigenen.
Schnell wandten sie sich wieder den wichtigeren Dingen zu und verbrachten auch den Rest des Wochenendes mit Lernen. Cho, Katie und sechsundzwanzig andere Sechst- und Siebtkläßler, zu denen auch Lavender und Seamus gehörten, verbrachten unglaublich viel Zeit damit, für ihre Prüfung im Apparieren zu studieren, obwohl die Siebtkläßler auch ihre UTZ-Vorbereitungen nicht vernachlässigten. Die Prüfung im Apparieren würde schon am vierten April beginnen, und Cho und die anderen wären dann für fünf Tage in London im Ministerium. Harry wußte nicht viel darüber. Zwar hatte er einiges über das Apparieren an sich gelesen, doch über die eigentliche Prüfung wußte er fast nichts. Da es für Cho und viele der anderen schon kurz nach dieser ersten Herausforderung in den Endspurt auf die UTZ-Prüfungen zuging, entschied sich Harry, die drei DA-Gruppen auf nur noch zwei zusammenzufassen, so daß die Siebtkläßler nun nicht mehr an den Treffen teilnehmen würden.
Harry würden einige von ihnen fehlen, und dazu gehörte auch Cho. Inzwischen hatte er sie als Freundin gewonnen, und die Anfangsschwierigkeiten ihrer Beziehung waren für ihn längst vergessen. Zwar wußte Harry aus dem Gespräch zwischen Dean und Seamus, daß sie insgeheim wahrscheinlich noch immer an ihm interessiert war, doch ließ sie sich davon ihm gegenüber fast nichts anmerken. Im Gegenteil kam sie scheinbar auch mit Hermine gut aus und war immer da, wenn er oder jemand der DA ihre Hilfe brauchte. Während er über diese Dinge nachdachte, wurde er sich auch bewußt, daß er im nächsten Jahr die gleichen Zeitprobleme wie Cho bekommen würde und sich dann wahrscheinlich nicht mehr wie gewohnt um die DA würde kümmern können. Auch viele DA-Gründungsmitglieder würden im nächsten Jahr zum letzten Mal in Hogwarts sein, und einen Großteil ihrer Zeit mit Lernen für die UTZ-Prüfungen oder auch für das Apparieren verbringen. Auch aus diesem Grund mußte Harry beginnen, sich Gedanken zu machen, wie es mit der DA einmal weitergehen sollte, wenn er nicht mehr in Hogwarts wäre, und er begann auch darüber nachzudenken, eventuell im nächsten Jahr auf Quidditch zu verzichten, wobei er das erst kurzfristig entscheiden wollte.
Ginny und Luna kamen ihm für die Führung der DA zuerst in den Sinn, waren sie doch ein Jahr jünger als Harry und könnten im nächsten Jahr schon deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Als nächstens dachte er an William, war er doch ungewöhnlich begabt und hatte viele, die von Anfang an dabei waren, schon überholt. Er war ein geborener Anführer, und Harry vertraute ihm inzwischen völlig. Noch dazu war er ein Slytherin, und mit einem Slytherin als einem der Führer würde es am ehesten gelingen, weitere von ihnen anzuwerben. Er war zudem ebenso erst in seinem fünften Jahr und würde die Führung mit Ginny und Luna zusammen übernehmen können. Auch Colins Bruder Dennis hatte noch viele Jahre in Hogwarts vor sich und war für einen Drittkläßler schon extrem weit fortgeschritten, obwohl er natürlich aufgrund seines Alters noch mit einigen Dingen seine Probleme hatte. Er war Gründungsmitglied der DA und könnte die anderen später ablösen.
Zwischenzeitlich dachte er auch über seine eigene Zukunft nach, obwohl ihm stets bewußt war, daß diese unter Umständen extrem kurz sein könnte, woran er allerdings nicht denken wollte. Inzwischen spielte er sogar mit dem Gedanken, nicht Auror zu werden, sondern in Hogwarts zu bleiben und vielleicht später sogar einmal zu unterrichten. Natürlich würde er dafür zuerst einmal studieren müssen, doch glaubte er nicht, daß das ein größeres Problem darstellen würde. Auror zu werden war zwar Harrys Traum, doch die Idee, zu unterrichten, hatte auch ihren Reiz, wobei diese Berufswahl auch Hermine besser gefiel, da sie wesentlich ungefährlicher und regelmäßiger war. Ab und zu sprach er auch mit Hermine, Ron und einigen anderen über die Zukunft der DA, wobei sie ihm größtenteils zustimmten. Nur Luna war sich nicht sicher, ob sie überhaupt eine Anführerin werden wollte, obwohl Ron sie häufiger dazu ermutigte. »Das ist nicht so recht mein Ding«, war ihre Antwort darauf, und Ron gab sich irgendwann damit zufrieden.
Bei Ginny machte sich Harry keine Sorgen. Sie war schon jetzt für viele der jüngeren DA-Mitglieder der Ansprechpartner, selbst für die, die eigentlich von Ron und Neville unterrichtet wurden. Wenn sie Ängste oder Sorgen hatten, konnten sie sich damit immer an sie wenden.
William war sich nicht sicher, ob die Verantwortung für ihn nicht zu früh kommen würde. »Noch bin ich nicht soweit, denke ich – aber bis dahin vergeht ja auch noch viel Zeit«, meinte er zu Harry, was dieser voll und ganz verstehen konnte.
In der nächsten Woche hatte Harry wie gewöhnlich unheimlich viel zu tun, weshalb er sich schon gar nicht mehr darüber ärgern konnte. Er nahm die Herausforderung inzwischen gelassen an und gab sein Bestes. Für jedes Fach hatte er jede Menge Hausaufgaben zu erledigen, und es blieb ihm kaum Zeit für andere Aktivitäten. Zwar wollte er sich eigentlich auch auf die nächsten DA-Stunden vorbereiten, doch war das zeitlich kaum möglich.
Nur Hermine war mit ihren Hausaufgaben schnell genug fertig, um für die DA schon einiges zu recherchieren. Es ging vor allem um einige Offensivzauber, auf die Harry jetzt mehr Wert legte. Viele von den wichtigen Defensivzaubern beherrschten sie bereits ausgezeichnet; doch wenn es darum ging, selbst die Initiative zu ergreifen, gingen ihnen schon schnell die brauchbaren Alternativen aus. Zwar kannte Harry eine Menge Flüche, die meisten davon ließen sich aber relativ leicht wieder aufheben, und für einen größeren Kampf war das nicht empfehlenswert, da man sonst jeden Gegner unter Umständen mehrfach besiegen müßte.
Harry wollte auch einige der komplizierteren Bannsprüche lernen, da es schließlich viel effektiver war, wenn der Feind schon an der Ausführung seiner Hexereien gehindert würde. Zwar wußte er nicht so recht, welche Bannsprüche er in Betracht ziehen sollte, doch fragte er einfach Professor McNally, der ihm erst einmal fünf brauchbare aufschrieb und ihm auch gleich das Quellenmaterial nannte. Da er sich nicht um alles allein kümmern konnte und wollte, gab er die Informationen an Ron und Neville weiter, und die beiden sollten sich das Ganze einmal mit Ginny und Luna ansehen.
Dagegen widmete sich Harry in den wenigen freien Stunden, die ihm blieben, weiter den Schildzaubern. In der Verbotenen Abteilung, zu der er inzwischen uneingeschränkten Zugriff hatte, fand er ein interessantes, leider sehr theoretisches Buch. Schon der Titel hatte es angedeutet, ihn aber nicht abgeschreckt. Angewandte analytische Schildtheorie von Ken A. Wilber, so hieß es, und Harry las immer kurz vor dem Schlafengehen noch ein wenig in dem alten Wälzer. Anfangs tat er sich sehr schwer damit, das Wesentliche zu verstehen und mußte sich deshalb einige der Sachen immer am nächsten Tag von Hermine erklären lassen. Zwar war es ihm zuerst ein wenig peinlich gewesen, doch selbst Hermine kam dabei ganz schön ins Schwitzen.
Im Zaubertrankunterricht hatte Harry das Gefühl, als miede Snape ihn. Dies war eine Sache, die ihn nicht wirklich störte und die er sich leicht damit erklären konnte, daß Snape wohl tatsächlich Ärger mit Professor Dumbledore bekommen haben mußte. Dies hatte er zwar nicht beabsichtigt, Mitleid verspürte er aber keinesfalls. Trotz allem waren seine Tränke wieder hervorragend, woran er sich noch immer ein wenig gewöhnen mußte. Es fiel ihm nun um so vieles leichter, und er fragte sich, warum er es sich fünf Jahre lang so schwergemacht hatte.
Auch bei Neville wuchs inzwischen der Spaß am Tränkebrauen. Langsam kam ihm auch sein exzellentes Wissen in Kräuterkunde zugute, wußte er doch schon instinktiv, welche Zutaten man besser nicht mischen sollte und welche sich perfekt ergänzten.
Ron dagegen hatte noch immer kleinere Probleme und wollte sich mit dieser ganzen Angelegenheit nicht so recht anfreunden. Immer wieder geschahen ihm kleinere Mißgeschicke, die das Ergebnis nachhaltig negativ beeinflußten. Es war zwar nicht so schlimm, daß er Gefahr lief, den Kurs nicht zu bestehen, doch für einen UTZ würde es vielleicht nicht reichen.
Am Donnerstag hatte Harry auch einmal wieder Unterricht bei Hagrid. Wie schon die letzten drei Wochen verbrachten sie auch diese Stunde wieder mit der Pflege einer kleinen Kolonie Charjaven. Irgendwie mochte er die nur vierzig Zentimeter kleinen, pinguinähnlichen Wesen. Sie hatten ein rabenähnliches, schwarzes Gefieder und einen großen Schnabel; was sie besonders auszeichnete, war ihre Flugfähigkeit. Als Harry sie das erste Mal erblickt hatte, hatten sie ihn tief beeindruckt.
»Wow! Schau dir mal an, wie die fliegen können. Das hätte ich ihnen mit ihren kleinen Stummelflügeln gar nicht zugetraut«, hatte Harry damals gestaunt.
»Die sind ja fast so wendig und schnell wie ein Schnatz«, hatte Ron erwidert und ihnen mit offenem Mund hinterhergestarrt, wie sie ihre unglaublichen Flugmanöver vollführt hatten.
»Das muß an ihren magischen Kräften liegen; anders kann ich mir das nicht erklären.«
»Ja, das Fliegen is' 'n Teil ihrer magischen Kräfte«, hatte ihnen Hagrid daraufhin stolz erzählt. »Ich hab' sie aus Kanada geschickt bekommen. Mein Freund Umberto Balasario hat sie dort erst vor 'n paar Jahren entdeckt. 's gibt dort nur wenige hundert von ihnen. Ich hoffe, ich kann die hier in Hogwarts ansiedeln. Sind die nich' putzig?«
Die Kolonie bestand aus 16 Tieren, wobei Männchen und Weibchen nicht voneinander zu unterscheiden waren. Hagrid hatte sie zuerst für Zwitter gehalten, ehe er noch ein paar Unterlagen von seinem Freund hinterhergeschickt bekommen hatte. Auch die meisten von Hagrids Schülern mochten diese niedlichen Geschöpfe, leider jedoch hatte ihre Haltung auch einen echten Nachteil, waren sie doch ausgesprochen wählerisch, was ihre Nahrung anging. Theoretisch ernährten sie sich zwar von Fisch, doch keine der einheimischen Arten, die sie ihnen zu fressen gegeben hatten, schien ihnen zu munden. Warum sie in Hogwarts allerdings nicht das gleiche Futter wie in freier Natur fraßen, wußte selbst Hagrids Freund nicht.
»Wir werden mal 'n wenig mit Fischbrei rumprobieren. Wir verwenden verschiedene Mischungen. Mal seh'n, was denen so am besten schmeckt. Da hinten sind die Eimer, und da links am Zaun sind die Stampfer. Die Fische sind in den weißen Kisten«, hatte Hagrid ihnen in der zweiten Stunde mit den Charjaven gesagt, und Harry und die anderen sollten den Fischbrei in unterschiedlichen Variationen aus den verschiedenen Arten zusammenmixen.
Das war eine Sache, die allen von Anfang an nicht gefiel, und die meisten behielten ihre Meinung in keiner einzigen Unterrichtsstunde für sich.
»Boah, das ist zu ekelig! Harry, tust du mir bitte einen Gefallen?« fragte ihn Hermine auch diesmal wieder mit einem süßen Lächeln, wie sie es bereits in allen Stunden zuvor getan hatte.
»Ich soll deinen Brei gleich mitstampfen?« erwiderte Harry mit einem Grinsen, konnte er sich doch inzwischen ohne Probleme denken, was sie von ihm wollte. Als er in Hermines Gesicht ein Lächeln sah, wußte er, daß sie ihm wieder sehr dankbar sein würde, und das hatte sich noch jedesmal ausgezahlt. »Kein Problem. Du hilfst mir ja oft genug bei meinen Hausaufgaben, bei den DA-Vorbereitungen, bei allem. Ich freue mich immer, wenn ich mal was von meiner Schuld zurückzahlen kann.«
Wie immer stampfte er also in zwei Eimern den Fischbrei zusammen, und selbst ihm verging dabei schnell der Appetit. Den Fischbrei herzustellen war noch widerlicher, als es sich bei Hagrids Beschreibung ursprünglich angehört hatte. Besonders abschreckend war für alle, daß sie so viele Fischköpfe zerstampfen mußten; die Augen der Fische starrten einen immer noch so komisch an, bevor man mit dem Stampfer zustieß, was nicht wenigen den Magen umdrehte. Waren keine Köpfe im Brei, rührten die Charjaven ihn überhaupt nicht an, und das gleiche passierte, wenn es die falschen Köpfe waren. Unbedingt enthalten sein mußten Köpfe der Limandes; dabei handelte es sich um siebzig Zentimeter große, grätenfreie Plattfische, von denen Harry nie zuvor gehört hatte. Waren es aber nur Limandes, waren die Charjaven auch nicht zufrieden, was die Sache ausgesprochen schwierig machte. Am Ende hatte Parvati die perfekte Mischung gefunden.
Hermine fand es so widerlich, daß sie nicht mal zuschauen konnte, wie Harry die Eimer mit einem Limandes, einem Hecht, einem Karpfen, einem weiteren Karpfenkopf und drei weiteren Limandesköpfen füllte und anfing zu stampfen, als hinge sein Leben davon ab.
Eine weitere Besonderheit der Charjaven war ihre ausgesprochen kurze Lebenserwartung. Hagrid hatte ihnen anfangs erzählt, daß sie nach genau vier Monaten starben und exakt zwei Monate nach der eigenen Geburt ihren einzigen Nachwuchs erwarteten. Sie würden immer drei Eier legen, aus denen nur Sekunden später schon die Jungen schlüpfen würden, von denen zwei immer weiblich sein würden.
»Charjaven schlüpfen ohne Kopf aus'm Ei. Sie befreien sich mit ihren magischen Kräften, weil die ha'm ja noch keinen Schnabel. Denen ihr Köpfchen entwickelt sich erst einige Tage nach ihrem Schlüpfen, und dann in unglaublichem Tempo. In der ersten Woche müss'n die dann ohne Nahrung auskommen, ehe sie dann einen Teil von ihren Eierschalen fressen. Die Eierschalen ha'm wohl auch besondere Kräfte, denn Professor Snape hat schon um 'n paar Proben gebeten. In der zweiten und dritten Woche wer'n wir sie sehr viel füttern müssen. Sie wer'n dann um fünfunddreißig Zentimeter wachsen, und das Gewicht von denen wird sich verhundertfachen.«
Das hatte ihnen Hagrid in der letzten Stunde ganz aufgeregt erzählt, und es würde nun nicht mehr lange dauern, bis die ersten Eier gelegt würden. Am Ende der Stunde versprach Harry dann noch, daß sie am nächsten Samstag wieder vorbeikommen wollten, um die Riesen »auf Trab zu bringen«. Über dieses Angebot war Hagrid sehr erfreut und nahm es dankbar an.
Am nächsten Tag sollten Cho, Katie und die anderen nach London abreisen.
»Die Prüfungen dauern fünf Tage. Ich bin ja so gespannt. Ich hoffe, ich bestehe sie«, erzählte Katie beim Frühstück.
»Wie kommt ihr denn hin?« fragte Ron.
»Wir fahren mit dem Zug nach London«, sagte Katie und widmete sich ihren Cornflakes.
Auch später, in der kurzen Pause zwischen der zweiten und der dritten Stunde, erzählte Cho ganz aufgeregt davon. Auch sie war sichtlich nervös: »Ich hoffe, ich blamiere mich nicht. Es hat ja schon so viele Unfälle gegeben.«
»Wenn Fred und George das hinkriegen, dann kann es so schwer nicht sein«, antwortete Harry mit einem Grinsen.
»Täusch dich da mal nicht, Harry. Die Durchfallquote liegt bei über vierzig Prozent. Viele schaffen es erst im vierten oder fünften Anlauf«, erwiderte Cho in ernstem Ton.
Harry wußte das natürlich, hatte er doch ihre Zusammenfassung über das Apparieren gelesen. In ihr standen Dutzende verschiedene Statistiken, wovon er sich aber nur diese eine eingeprägt hatte. »Ich weiß. Ich mach' doch nur Spaß, du packst das schon«, erwiderte er schließlich und freute sich sichtlich, als Hermine zu dem Gespräch dazukam.
»Hallo, mein Schatz! Hi, Cho! Worüber unterhaltet ihr euch?« fragte sie, gab Harry einen längeren Begrüßungskuß und setzte sich neben ihn.
Hermines kam soeben von ihrem Arithmantikunterricht, während Harry seine Freistunde genossen hatte. Dagegen hatte Cho nur die ersten zwei Stunden Unterricht gehabt und sollte jetzt packen und sich auf die Abreise vorbereiten, die nach dem Mittagessen erfolgen sollte. Für sie war der Unterricht an diesem Tag also schon vorbei.
»Hi, Hermine! Wir sprechen über die Prüfung im Apparieren in London«, antwortete Cho, und Harry bemerkte, wie beim Anblick von Hermine für einen winzigen Augenblick das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand, was ihn doch ein wenig überraschte. Immerhin war er sich jetzt sicher, daß sie doch noch Gefühle für ihn hatte, obwohl sie es bisher sehr gut vor ihm versteckt hatte.
Er selbst hatte ausschließlich freundschaftliche Gefühle für sie und war unsicher, ob er sie auf diese Angelegenheit ansprechen sollte. Eigentlich hielt er es für überflüssig, konnte und sollte doch jeder sehen, wie glücklich er mit Hermine war; doch waren diese Dinge immer eine heikle Angelegenheit. Vielleicht sollte er es ihr gegenüber noch einmal klarstellen, dachte er und beobachtete Chos Minenspiel ganz genau. Es war schwer zu deuten, doch nahm er sich schließlich vor, es nur bei einer guten Gelegenheit einmal zum Thema zu machen – und falls es nie eine solche geben sollte, wäre es ihm auch nicht unrecht.
Die drei konnten sich nicht mehr lange unterhalten. Nur zwei Minuten später gesellten sich Ron und Neville zu ihnen, um mit ihnen in den Unterricht zu gehen. Harry und die anderen verabschiedeten sich von Cho und stapften in Richtung des Klassenzimmers, während sie wieder zurück zu den Siebtkläßlern ging, die sich weiter auf ihre Abreise vorbereiteten.
Verwandlung stand als nächstes auf Harrys Stundenplan, und er freute sich immer auf Professor McGonagalls Unterricht. Stets war er sehr abwechslungsreich und nicht so sehr theoretischer Natur. Fast in jeder Stunde sollten sie sich oder etwas anderes in alles mögliche verwandeln, was manchmal richtig Spaß machte.
Einiges kam Harry dabei zwar reichlich unpraktisch vor, doch einige Sachen waren nicht nur interessant, sie waren sogar überaus spannend. Seitdem sie in der DA auch sehr schwierige Zauber ausprobierten und lernten, kamen ihm die Zauber für Verwandlung relativ einfach vor, vor allem, da er endlich den allgemeinen Dreh heraushatte. Inzwischen hatte er nur noch selten Probleme, und wenn, dann waren es eher Anlaufschwierigkeiten, die jeder einmal hatte. Meist klappte es schon im dritten oder vierten Versuch sehr gut, und nur Hermine konnte mit ihm mithalten.
Bei Neville sah das ganz anders aus. Seit er sich so enorm bei den Zaubertränken gesteigert hatte, war Verwandlung das Fach, in dem er nun so ziemlich am schlechtesten war. Dabei hatte er besonders Schwierigkeiten damit, sich selbst zu verwandeln; wenn er andere oder einfach nur Gegenstände verwandeln sollte, hatte er dagegen kaum Probleme.
»Ich glaube, es klappt deshalb nicht bei ihm, weil er Angst hat, nicht zurückverwandelt werden zu können«, hatte Ginny schon vor einiger Zeit spekuliert, und die anderen hatten damals ihrer Vermutung zugestimmt.
Beim Mittagessen saß Harry zusammen mit Hermine, Lisa Turpin und Nathan Crowley am Tische der Slytherins. Nathan war ein Viertkläßler im Hause Slytherin, erst wenige Wochen in der DA und noch immer aufgeregt, wenn er in Harrys Nähe war. Er wäre auch gern im Quidditch-Team seines Hauses gewesen, doch hatte ihn Neil Warrington, der Kapitän der Slytherins, ebenso abgelehnt, wie schon Draco Malfoy es am Jahresbeginn getan hatte. Zwar war er ein guter Hüter, doch Graham Pritchard, der in die siebte Klasse ging und zudem mit deutlich weniger Talent gesegnet war, hatte sich bei Malfoy und später auch bei Warrington »eingeschleimt«, wie Nathan meinte.
Harry sprach mit ihm über das letzte Spiel des Jahres, welches alles entscheiden würde: Gryffindor gegen Slytherin. Selbst jetzt, nachdem Draco Malfoy nicht mehr mitspielen konnte, gab es kein Spiel, bei dem die Emotionen derart hochkochten. Brisanterweise waren viele der Slytherins inzwischen eher Fans der gegnerischen als des eigenen Teams, denn in ihrem Team spielten ausschließlich Mitglieder aus Pansy Parkinsons Clique.
»In zwei Jahren kann ich sicher auch spielen. Dann ist nicht nur Pansy hier endlich weg«, sagte Nathan sehr leise und biß in das Stück Steak, welches er sich soeben mit der Gabel zum Munde geführt hatte.
»Schade, daß ich dann nicht mehr gegen dich antreten kann«, erwiderte Harry mit vollem Mund.
»Vielleicht kann ich ja mal bei euch mittrainieren?«
»Das läßt sich sicher einrichten. Muß ich mal mit Ron reden. Vielleicht ja nach dem Spiel gegen Slytherin, da findet sich sicher noch ein Tag.«
»Das wär' echt klasse von dir!« Nathan sah absolut begeistert aus.
Nach dem Essen traf Harry noch auf Cho und Katie, die gerade ihre Sachen genommen hatten und nun mit Hagrid und Professor Flitwick loswollten.
Hagrid trieb dann die Sechst- und Siebtkläßler zur Eile an. »Macht schon, nehmt euer Gepäck … der Zug fährt in fünfzig Minuten … trödelt nicht so.«
»Bis Mittwochabend«, sagte Harry zu Cho und schüttelte ihr die Hand. Er bemerkte, wie ihn Cho dabei für einen winzigen Moment verträumt ansah. »Dir auch eine gute Reise, Katie! Viel Erfolg!« Auch ihr schüttelte er die Hand, während sie ihn kurz anlächelte und dann Hagrid folgte.
Anschließend verabschiedete Harry sich noch von einigen anderen DA-Mitgliedern, ehe er mit Hermine und den anderen zum Unterricht von Professor McNally ging.
Am heutigen Tag wollten sie sich noch einmal mit der Verteidigung gegen Vampire auseinandersetzen, ein Thema, welches vor allem Hermine interessierte, doch auch Harry war diesem nicht abgeneigt. Seit seine Freundin davon wußte, daß es einen Trank gab, mit dem Vampire in der Sonne spazierengehen konnten, las sie alles, was sie nur irgendwie in die Finger bekommen konnte. Trotzdem fand sie nirgends einen Hinweis auf den Helmich-Trank oder bei Tageslicht überlebende Vampire, was sie frustrierte.
»Wenn seine Existenz so gut verheimlicht wird, muß es dafür sehr gute Gründe geben. Wahrscheinlich gab es irgendwann einmal einen sehr ernsten Zwischenfall. Jetzt, wo Vampire wieder diesen Trank haben, sollten wir uns auf jeden Fall gegen sie zu wehren wissen«, hatte sie allen DA-Mitgliedern vorher gepredigt und war sehr erfreut, daß Professor McNally diesem Thema drei Wochen widmen wollte.
Wieder studierten sie einen neuen Verteidigungsfluch gegen einen Vampir. Dies taten sie, wie schon zuvor auch, mit einem Irrwicht, da Professor McNally einen Spruch kannte, mit dem er diesen zwingen konnte, sich in einen Vampir zu verwandeln. Nachdem McNally die Formel gesprochen und mit seinem Zauberstab auf den Formwandler gezeigt hatte, verwandelte sich dieser auf der Stelle. Parvati begann:
»Vicious Garlic!«
Sofort stank es im ganzen Klassenzimmer so penetrant nach Knoblauch, daß ausnahmslos allen davon schlecht wurde. Der Vampir fing an, sich zu verformen, und landete nach wenigen Augenblicken als undefinierbare Masse auf dem Boden.
»Dieser Spruch ist sehr mächtig, wie ihr seht«, meinte Professor McNally, während er sich noch immer die Nase zuhielt, woraufhin er flugs mit einem Wink seines Zauberstabes alle Fenster des Klassenzimmers öffnete. »Er funktioniert allerdings nur auf kurze Entfernung und in weniger gut durchlüfteten Räumen. Unter freiem Nachthimmel und bei stärkerem Wind habt ihr mit diesem Fluch keine Chance. Dafür gibt es dann einige andere. Einen sehr interessanten lernen wir dann beim nächsten Mal kennen.«
Er brachte den Irrwicht mit nur zwei Bewegungen seines Zauberstabes wieder in Form. Er schloß die Fenster mit einer weiteren Bewegung, und schon konnte Neville loslegen. Das ganze Schauspiel wiederholte sich, bis alle einmal gegen den Vampir gekämpft hatten. Danach war die Stunde ja auch schon vorbei, so daß sie diesmal auf das Duelltraining verzichten mußten.
»Diesen widerlichen Gestank werdet ihr bestimmt nicht so leicht los«, meinte Ginny beim Herausgehen, rümpfte die Nase und gab Neville einen sehr kurzen Kuß zur Begrüßung, als sie mit Luna im Flur zu ihnen kam.
»Das stimmt. Ich werde bestimmt eine halbe Stunde unter der Dusche brauchen, da man den Gestank leider nicht mit Magie los wird«, klagte Hermine und roch an ihren Haaren.
Harry umarmte sie von hinten um die Hüfte. »Mir macht es nichts aus, wenn du stinkst. Ich liebe dich trotzdem.«
Ron fing an zu kichern, und Luna roch an ihm. »Du solltest besser ausgiebig duschen. Ich bin da nicht so nachsichtig wie Harry«, meinte sie trocken und begann, bis über beide Ohren zu grinsen.
Leider konnten sie nicht sofort duschen gehen, da Professor Sprout sie zu Kräuterkunde erwartete. Sie war nicht gerade erfreut über den Duft, den ihre Klasse versprühte, und verlegte den Unterricht kurzfristig nach draußen. Man brachte eine interessante Doppelstunde hinter sich, in der Neville wieder einmal geglänzt hatte und sich dreißig Hauspunkte verdiente, da nur er wußte, was Succotashbäume waren und wofür die bohnenähnlichen Früchte zu gebrauchen waren.
Nach Kräuterkunde konnten sie endlich alle duschen gehen und ihre Sachen wechseln. Sie trafen sich um vier Uhr in der Bibliothek, machten sich an ihre Hausaufgaben und fingen dabei mit Kräuterkunde an. Sie sollten einen Aufsatz über die Succotashbäume schreiben; nur Neville war als einziger davon verschont geblieben.
»Neville, du hast doch jetzt ein wenig freie Zeit, oder?« fragte Harry in auffallend herzlichem Ton.
»Klar! Ich muß ja keinen Aufsatz schreiben. Was soll ich für dich herausfinden?« fragte er und grinste dabei, da er erraten hatte, was Harry von ihm wollte.
»Ist wirklich nett von dir! Such mir doch bitte etwas über einen Bannspruch raus: mit ihm kann man jemand am Apparieren hindern. Wäre klasse, wenn du da was findest.«
Er verspürte eine gewisse Ironie bei der Sache. Die ältesten DA-Mitglieder hatten soeben ihre Prüfung im Apparieren, während Neville sich einen Bannspruch ansah, der ebendies verhindern sollte.
Kurz vor sechs Uhr waren sie mit dem Aufsatz in Kräuterkunde fertig, und Harry sah sich an, was Neville zusammengeschrieben hatte. Hermine begann in der Zwischenzeit ihre Hausaufgaben für Arithmantik, während der Rest schon seine Schulsachen wegbrachte, um dann zum Abendessen zu gehen.
Beim Essen unterhielt sich Harry mit einigen DA-Mitgliedern am Ravenclaw-Tisch und sprach mit ihnen über den Bannspruch.
»Dumbledore hat einen ähnlichen Zauber in der Mysteriumsabteilung eingesetzt, damit die Todesser nicht einfach verschwinden konnten. Es war aber nicht genau der gleiche. Es muß da noch viel mehr geben«, sagte Harry, während Neville sich schon den Nachtisch einverleibte.
»Ich glaube, es gibt über zwanzig verschiedene Zauber und Flüche, die einen am Apparieren hindern können«, entgegnete Hermine. »Wenn du ihn nicht fragst, wirst du nicht herausbekommen, welchen davon er benutzt hat.«
»Ich möchte Professor Dumbledore nur ungern mit so etwas Banalem belästigen. Ich frage nach der nächsten Stunde mal Professor McNally.«
Nach dem Essen gingen sie zuerst in ihre Gemeinschaftsräume und ruhten sich einen Augenblick lang aus, ehe sie sich um halb acht wieder in der Bibliothek trafen. Die Sechstkläßler arbeiteten dabei noch bis kurz vor zehn an ihren Hausaufgaben, während sich einige Fünftkläßler den DA-Übungsblättern widmeten, die Ginny und Luna für sie vorbereitet hatten. Dabei sah sich Ginny auch einige Sachen für Harry an.
Harry hatte ein weiteres Buch über Schildzauber gefunden, welches das Thema zwar nur indirekt behandelte, dafür aber bis ganz an den Anfang der Entwicklung zurückging. Es war ein riesiger alter Schinken, den man nicht ausleihen konnte; so durfte er ausschließlich in der Bibliothek begutachtet werden. Das Buch hieß Verteidigungszauber – Ein chronologische Abhandlung. Dutzende Autoren hatten es gemeinsam geschrieben, und Ginny sollte für Harry einiges über die frühesten Schildzauber herausfinden.
Nach dem Studium des Buches Angewandte analytische Schildtheorie hatte Harry die vage Hoffnung – auch wenn es selbst ihm reichlich unwahrscheinlich schien –, daß es nur deshalb keinen wirksamen Schutz gegen die Unverzeihlichen Flüche gab, weil man ganz am Anfang der Schildzauberentwicklung etwas übersehen hatte, was bis jetzt niemandem aufgefallen war. Luna hielt dies hingegen für absolut ausgeschlossen:
»Schildzauber gibt es schon weit mehr als dreitausend Jahre. Die gelehrtesten und weisesten Zauberer haben immer wieder auf dem Gebiet geforscht und die Sprüche ununterbrochen weiterentwickelt oder neue erfunden. Ich möchte dir wirklich nicht zu nahe treten, aber wie kommst du darauf, daß ausgerechnet du so etwas bahnbrechend Neues herausfindest?«
»Es ist nur eine Ahnung, nicht mehr! Ich kann keine Hinweise darauf finden, daß jemand groß auf diesem Gebiet geforscht hätte. Mit dem Todesfluch kann man ja auch nur sehr schlecht experimentieren«, antwortete Harry und sah sich Ginnys erste Notizen an. Hermine hielt sich aus dieser Diskussion heraus, und Harry war sich sicher, daß sie eigentlich der gleichen Meinung wie Luna war, sich ihm zuliebe aber zurückhielt.
»Hier! Sieh dir dieses Bild an«, sagte Harry plötzlich und schob Ginnys Notizen zu Luna herüber.
»Was ist damit?« Sie blickte auf eine uralte Zeichnung. Sie zeigte zwei Menschen in zwei Käfigen, und um einen von ihnen herum war eine leuchtende Aura zu erahnen. Ein weiterer Zauberer stand neben den Käfigen und zielte mit seinem Zauberstab auf die Gefangenen.
»Sieh dir die Bildunterschrift an!«
»Verbotene Experimente – ca. 620 nach Chr.«, las Luna laut vor. Sie hielt einen Augenblick lang inne und sah dann Harry an. »Das können doch alle möglichen Experimente sein. Woher willst du wissen, womit die experimentiert haben?«
»Blättere auf die nächste Seite. Vielleicht hat Harry ja recht«, meinte Ginny und kam ihm damit zuvor. Sofort nahm Luna die nächste Seite von Ginnys Notizen in die Hand und betrachtete ein weiteres Bild, auf dem wieder die beiden Zauberer in ihren Käfigen zu sehen waren. Auf der linken Seite war der mit der Aura, und augenscheinlich lebte er; und auf der rechten Seite war der Zauberer ohne Schutz abgebildet. Dieser war zusammengebrochen, und ein Totenschädel war über ihm gezeichnet. Aus dem Zauberstab des angreifenden Zauberers kamen zwei Blitze heraus, von denen einer offensichtlich am Schild abgeprallt war, während er in den ungeschützten Zauberer eingeschlagen hatte.
»Zeig mal!« sagte Hermine aufgeregt, und Harry drehte das Buch zu ihr. »Wow!« Lächelnd bemerkte Harry, daß es höchst selten der Fall war, daß es ihr die Sprache verschlug.
Einen kurzen Augenblick später gab Luna die Notizen an Ron weiter und der schließlich an Neville, während sich William, Seamus und Dean die gleichen Zeichnungen in dem alten Buch ansahen. Keiner von ihnen sagte ein Wort, denn es schien irgendwie verrückt zu sein, daß Harry recht haben könnte.
»Vielleicht sollten wir deswegen mal Professor Dumbledore fragen«, schlug Colin vor, der die Diskussion vom Nebentisch aus mitverfolgt hatte.
»Ich glaub' auch. Ich habe schon viel zu lange damit gezögert«, gab Harry zurück und starrte wieder in das Buch, das ihn ganz in seinen Bann gezogen hatte. Falls es einen wirksamen Schutz gegen den Todesfluch geben sollte, wäre es eine absolute Sensation und würde damit Harry zu einer Berühmtheit machen.
Nur eine Viertelstunde später verließ er mit den anderen die Bibliothek; dabei hatten sie die Sperrstunde wieder einmal überschritten, worum sich aber keiner mehr kümmerte. Harry wollte mit Ron noch eine kurze Runde Schach spielen, ehe er dann wieder einmal etwas früher ins Bett gehen wollte, um fit für die Riesen zu sein. Schon in der Bibliothek hatte er sich einige Freiwillige für den Besuch bei den Riesen gesucht, der am nächsten Tag über die Bühne gehen sollte. Selten hatte er es dabei so leichtgehabt, da sich inzwischen herumgesprochen hatte, daß man mit den Riesen durchaus Spaß haben konnte. Dabei wählte er vor allem Leute, die er noch nicht mitgenommen hatte, und so traf sich die kleine fünfzehnköpfige Gruppe mit Hagrid nach dem Frühstück vor der Großen Halle.
»Seid ihr alle bereit?« fragte dieser sie freudig und führte sie dann hinunter an den Rand des Waldes, ganz in die Nähe seiner Hütte.
Wieder einmal betrat Harry dabei den Wald, den er eigentlich nicht betreten durfte. Sie brauchten fast eine Viertelstunde, ehe sie die inzwischen weiter gewachsene Lichtung erreichten, auf der die Riesen für gewöhnlich ihren Tag verlebten. Erneut verbrachten Harry und seine Freunde einen amüsanten Vormittag unter ihnen und spielten Verstecken, was allen eindeutig am meisten Spaß machte.
Beim Mittagessen etwas später langte Harry wieder richtig zu; dabei saß er mit Hermine genau in der Mitte der DA-Mitglieder, mit denen er eben noch im Wald gewesen war. Es waren fast alles Viert- und Fünftkläßler, mit denen er sonst nur wenig zu tun hatte. Gemütlich plauderten sie über das gerade Geschehene und hatten dabei viel Spaß. Schnell sprach sich damit auch bis zum letzten herum, daß es wirklich ein Ereignis war, welches man unbedingt einmal erlebt haben sollte. Nach dem Essen hatte Harry deshalb schon vierzehn Voranmeldungen für den nächsten »Riesentag«, und er beschloß deshalb, den nächsten Besuch schon am nächsten Tag einzuschieben und Ron und Neville die Gruppe anführen zu lassen.
Die beiden waren gerne dazu bereit, und so konnte Harry sich den ganzen Sonntag zuerst seinen Hausaufgaben und dann wieder einmal den Schildzaubern zuwenden. Beim Mittagessen erzählten Ron und die anderen von ihrem Ausflug zu den Riesen, und jeder, der etwas zu berichten hatte, tat dies zu Harrys Freude mit einem Leuchten in den Augen. Auch bei dieser Gruppe waren die Riesen gut angekommen, und jeder freute sich bereits auf das nächste Mal. Schon für das nächste Wochenende hatten sich einige mit Hagrid für das nächste Treffen verabredet, und so entwickelte sich ein Ausflug zu den Riesen zu einer fast normalen Wochenendaktivität.
Am Nachmittag brütete Harry allein über verschiedenen Büchern in der Bibliothek. Bei seiner Suche nach Informationen fand er ein interessantes und etwa zweihundert Jahre altes Buch, laut dem es schon vor über eintausendfünfhundert Jahren verboten worden war, die Unverzeihlichen Flüche gegen Menschen anzuwenden, obwohl damit eigentlich zuerst nur der Todesfluch gemeint gewesen war. Still las er sich den Absatz durch.
Der Todesfluch ist einer der ältesten dunklen Flüche überhaupt, während die beiden anderen Unverzeihlichen Flüche wesentlich jünger sind. Sie wurden Anfang des 15. Jahrhunderts bekannt, kurz darauf bereits verboten und erst Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Perfektion weiterentwickelt.
Harry lief es kalt den Rücken herunter. »… bis zur Perfektion weiterentwickelt«, wiederholte er leise und mußte unweigerlich an Nevilles Eltern denken. Das war wirklich eine widerliche Beschreibung, dachte er, las aber nichtsdestotrotz weiter.
Der Todesfluch stammt ursprünglich aus Osteuropa und ist etwa 1800 Jahre alt. Er wurde sehr schnell in ganz Europa und auch in Asien bekannt und fand in verschiedenen Variationen rege Verwendung. Nachdem es im 5. Jahrhundert nach Chr., über einen Zeitraum von nur dreißig Jahren, einige tausend Tote gegeben hatte, wurde die Verwendung dieses Fluches strengstens reglementiert und wurden hohe Strafen für seine verbotene Nutzung zur Anwendung gebracht.
Die beiden anderen Flüche, der Imperius-Fluch und der Cruciatus-Fluch, wurden zur Zeit der Flämischen Zauberkriege um 1305 entdeckt. Der holländische Zaubermeister P. De Jong, fand in ihnen ein wirksames Mittel, seine Rivalen um den Thron des Bundes der Magier zu besiegen. Erst folterte er einige seiner Konkurrenten mit dem Cruciatus-Fluch, ehe er sie und auch andere dann mit dem Imperius-Fluch unterwarf. Viele Jahre blieb er an der Macht und entwickelt seine Flüche konsequent weiter. Seine Machenschaften wurden erst ein Jahrhundert später aufgedeckt, als Auszüge aus seinen Tagebüchern auftauchten. Es waren nicht nur Aufzeichnungen über seine Forschungen, sondern auch genaue Anweisung für die Anwendung der damals neuen Flüche. Ihre Verwendung wurde sofort verboten, und die Strafen für ihren Mißbrauch waren überaus hoch. Zwischen 1480 und 1491 wurden die Zauber in Frankreich kurzzeitig für legal erklärt und dort dann von einem Magier namens Jean-Pierre Limosin weiterentwickelt.
Seit dieser Zeit blieben die Unverzeihlichen Flüche weitestgehend unverändert und waren ununterbrochen in ganz Europa verboten. Der Todesfluch ist ein extrem mächtiger Fluch, der an Stärke und Intensität den beiden anderen deutlich überlegen …
»Hi, Harry!« ertönte Rons Stimme. Dieser setzte sich zu ihm, und hob den Buchdeckel hoch, um den Titel zu lesen. Sofort hielt Harry es ein wenig höher, so daß Ron ihn entziffern konnte. »Langweilige Lektüre?«
»Langweilig nicht! Aber teilweise etwas merkwürdig geschrieben. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Autor des Kapitels über die Unverzeihlichen Flüche würde sie insgeheim … bewundern, oder so was ähnliches«, erwiderte Harry und klappte das Buch zu.
»Wollen wir was zusammen machen?« fragte Ron und drehte das Buch zu sich.
»Geht nicht. Ich hab' vor, mir mit Hermine einen netten Abend zu machen. Wir wollen mal wieder ein bißchen … für uns sein … wenn du verstehst.« Dabei nahm er den dicken Wälzer vom Tisch und brachte ihn zurück zu seinem Regalplatz.
»Verstehe!« sagte Ron augenzwinkernd und erhob sich ebenfalls. »Dann werde ich mir mal ein Beispiel an dir nehmen und den Abend mit Luna verbringen. Ist eigentlich sogar eine richtig gute Idee«, sagte Ron, ging grinsend an Harry vorbei und klopfte ihm mit der Hand auf den Rücken. »Dann sehen wir uns aber trotzdem gleich beim Abendessen, oder?«
»Ja, klar! Ich komme gleich nach. Nur noch der Trank für Hagrid«, gab Harry zurück und nahm das nächste Buch aus dem Regal.
Es war ein Buch über Zaubertränke. Darin wollte er sich den Trank für die Heilung von Fibatiusfieber ansehen, was eine häufige und gefährliche Krankheit war, die auch Hagrids Charjaven bekommen konnten. Noch war sie zwar nicht aufgetreten, Hagrid wollte aber lieber auf Nummer Sicher gehen und sich vorbereiten. Harry fand die Zutaten und schrieb sie ab. Es war ein relativ einfacher Trank, den man in nur fünfzehn Minuten herstellen konnte, und alle seine Zutaten waren ausgesprochen gewöhnlich und ohne Probleme erhältlich. Auch das Rezept selbst schrieb er ab, um es Hagrid beim Abendessen zu überreichen. Danach stellte er das Buch zurück und ging zur Großen Halle.
Harry beschloß, sich wieder einmal an den Gryffindor-Tisch zu setzen und mit dem Essen zu warten, bis Hermine kam. Glücklicherweise mußte er sich nicht lange gedulden; Ron hatte sie wohl im Gemeinschaftsraum abgeholt und gleich mitgebracht. Freudestrahlend setzte sie sich zu ihm und gab ihm einen langen Kuß. Sofort fingen sie mit dem Essen an, und Hermine berichtete von ihrem Nachmittag mit Ginny.
»Wir haben einige neue Artikel aus Fred und Georges Laden ausprobiert. Gab ein paar wirklich überraschende Effekte. Gott sei Dank hielt die Wirkung immer nur kurz an, ansonsten hätte ich grad eben Probleme gehabt, dich zu küssen … der Elefantenrüssel stand mir wirklich nicht!« erzählte sie und mußte selbst laut dabei lachen.
Für Harry war es einfach nur schön, ihr beim Erzählen zuzusehen. Obwohl es vielleicht niemandem sonst aufgefallen war, hatte sie sich doch im letzten Vierteljahr ein wenig verändert und war irgendwie ein bißchen aufgetaut. Sie konnte sich nun besser entspannen und schien insgesamt mehr Spaß am Leben zu haben. Auch kindische Sachen konnten ihr Spaß machen, was vor nicht allzu langer Zeit noch unmöglich gewesen wäre. Damals hätte sie nie dabei mitgemacht, Freds und Georges neue Produkte auszuprobieren, während sie dies nun mit Begeisterung tun konnte.
Natürlich war die Schlacht auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen, und so hatte sie genauso Probleme, über die verlorenen Freunde hinwegzukommen, wie sie auch alle anderen hatten. Trotzdem war sie lockerer geworden und ging mehr aus sich heraus. Nie hätte Harry gesagt, daß sie früher verklemmt gewesen wäre, doch war sie sicher ein wenig reserviert gewesen, oft genug sogar Ron und ihm gegenüber. Zu oft war sie mit ihrer etwas besserwisserischen Art angeeckt, wobei er sich eingestehen mußte, daß sie eigentlich fast immer recht behalten hatte. Heute dagegen erzählte sie mit Händen und Füßen, in was sie sich alles verwandelt hatten, und er lachte mit ihr. Fred und George mußten ein wirklich großes Paket geschickt haben, dachte Harry und biß von seinem Baguette ab.
Nach dem Essen zog er sich mit Hermine von den anderen zurück. Es war ein lauer Frühlingsabend, und die beiden schlenderten Hand in Hand über die Wiesen von Hogwarts. Ohne viel zu sprechen, genossen sie einfach die frische Luft und die kurze Zeit zu zweit, denn lange würden sie nach dem Essen nicht draußen bleiben dürfen.
Später gingen sie hoch in die Eulerei und besuchten wieder einmal Hedwig und auch Pig. In der letzten Zeit hatte Harry sie doch arg vernachlässigt, doch schienen sie zu ahnen, wieviel er um die Ohren hatte und waren nicht sauer auf ihn. Bei Hedwigs Anblick beschloß er, sie doch gleich einmal wieder auf eine kleine Reise zu schicken.
»Ich glaub', ich sollte Remus mal wieder einen Brief schreiben. Was meinst du?« fragte er Hermine.
»Das ist eine gute Idee. Warte, ich glaube, ich hab' zufällig noch ein Stück Pergament im Umhang. Hier hast du auch noch Feder und Tinte«, sagte sie und gab ihm die Utensilien.
»Zufällig hast du doch nie etwas dabei«, bemerkte er und lächelte sie verliebt an. »Du bist doch immer auf fast alles vorbereitet.«
Sofort begann er, über alles, was in der letzten Zeit passiert war, zu schreiben. Nach der Frage, wie es Krummbein gehe, erkundigten sie sich auch nach Mundungus, Emmeline Vance und den anderen, von denen sie nur hoffen konnten, daß sie noch lebten. Noch einmal streichelte er kurz über das weiche Gefieder seiner Eule, ehe er sie losschickte.
»Ich liebe dich!« sagte er plötzlich zu Hermine, sah ihr tief in die Augen und griff ihre Hand.
Merkwürdigerweise fühlte er sich glücklich und traurig, und beides zur gleichen Zeit. Glücklich war er, weil er Hermine hatte, die alles Gute in ihm weckte, während Voldemort einfach alles Gute zerstören wollte. Er wollte nicht nur Harry töten, er hatte versucht, Hermine zu töten, und wieder einmal wuchs Harrys Zorn. Immer wütender wurde er, ehe sie seine Hand fest drückte und ihn aus seinen Gedanken riß.
»Ich weiß. Ich liebe dich auch!« sagte sie leise, und das mit dem schönsten Lächeln, welches er je von ihr gesehen hatte. Sofort schrumpfte sein Zorn auf Voldemort wieder auf ein erträgliches Maß, und die beiden küßten sich lange.
Ein Räuspern trennte sie plötzlich, und beide erschraken dabei ein wenig. Es waren Ernie Macmillan und Susan Bones, welche die Eulerei betreten hatten. Die beiden hielten Händchen, und Susan hatte offensichtlich einen Brief dabei, den sie abschicken wollte.
»Tut uns leid, euch zu stören«, sagte Ernie mit einem verschämten Lächeln. Als Harrys Blick einen Moment auf ihren verschränkten Händen verweilte, ließ Susan reflexartig Ernies Hand los und wandte sich etwas zu hektisch den Schuleulen zu, um eine auszusuchen, der sie ihren Brief an den Fuß binden konnte.
»Kein Problem, wir wollten sowieso gerade gehen. Man sieht sich«, sagte Harry zwar, fühlte er sich aber trotzdem merkwürdig ertappt.
Während er Hermine hinter sich herzog, sah ihn Susan sonderbar an. Dieser Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, doch wirkte es für ihn so, als hätte sie ihn und Hermine bei etwas streng Verbotenem oder Verwerflichem erwischt. Das Ganze konnte er sich nicht so recht erklären. Vielleicht aber wollten sie selbst hier oben ein wenig rumknutschen und fühlten sich ihrerseits ertappt, dachte er lächelnd.
»Ich wußte nicht, daß die beiden zusammen sind«, flüsterte Hermine, kaum daß sie außer Hörweite waren.
»Ich hatte davon auch keine Ahnung. Ich weiß nur, daß sie kurz mit Scott zusammen war«, erwiderte Harry und ging mit Hermine weiter hinunter.
Ziellos schlenderten sie durch die Stockwerke und Korridore und waren zufällig im vierten Stock angelangt. Nicht weit von ihrer Position befand sich seit Jahresbeginn der Raum der Wünsche, den die DA noch immer als Übungsraum nutzte. Die Gelegenheit kam Harry sehr gelegen. Zu gern wäre er jetzt mit Hermine ungestört gewesen, und falls sich die Möglichkeit ergeben sollte, wollte er sie unauffällig in ihn hinein lotsen. Hier waren sie sicher unbeobachteter als in der Eulerei, überlegte er grinsend und bog um die letzte Ecke. Sofort stoppte er erschrocken und sah Ginny mit Neville im DA-Raum verschwinden.
»Mist!« entfuhr es ihm.
»Was ist?« fragte Hermine unschuldig, aber ihr Lächeln bewies, daß sie sich offenbar denken konnte, was er mit vorgehabt hatte.
»Ähhm, da wollt ich eigentlich mit dir rein«, gestand er kleinlaut.
»Wir können doch wieder in Klassenzimmer elf gehen.«
»Ich wette, da ist Ron grad mit Luna drin.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ähhm, Ron hat da mal so eine Andeutung gemacht«, meinte er schnell, verschwieg ihr aber, daß er Ron dummerweise selbst auf die Idee gebracht hatte.
»Okay. Dann gehen wir halt in meinen Schlafsaal.«
»Das geht doch nicht, denk' ich. Ron wollte doch schon einmal zu euch hoch, und die Treppenstufen sind zur Rutschbahn geworden.«
»Er hatte damals auch keine Erlaubnis, zu uns in den Schlafsaal zu kommen, und konnte deshalb nur scheitern. Wenn ich dich an meiner Hand halte, wird nichts dergleichen passieren. Komm schon. Du holst deinen Tarnumhang, und dann schleichen wir uns zu mir hoch.«
Bei diesen Worten zog sie Harry, der immer noch zu zögerte, entschlossen hinter sich her. Als sie kurz darauf im belebten Gryffindor-Gemeinschaftsraum ankamen, schien sie glücklicherweise keiner zu beachten. Sofort stellte Harry fest, daß Ron tatsächlich nicht da war, und küßte Hermine kurz, bevor er die Stufen zu seinem Schlafsaal hochlief.
Augenblicklich öffnete er seinen Holzkoffer und wühlte nach dem Umhang. Wenig später hatte er sich den Umhang umgeworfen und stand schon neben Hermine im Gemeinschaftsraum. Sie stand lässig an eine Wand gelehnt und beobachtete in Ruhe das Treiben. Als sie Harrys Hand an der ihren spürte, zog sie ihn in Richtung der Treppe, die zu ihrem Schlafsaal führte. Irgendwie fühlte er sich dabei beklommen und glaubte, jeden Moment auf einer rutschigen Bahn wieder hinunterzugleiten, doch passierte ihm nicht das gleiche, was damals Ron passiert war. Ohne Probleme kamen sie oben an einer Tür an, und Hermine öffnete sie. Harry betrat zum ersten Mal ihr Zimmer. Ohne zu zögern, legte er den Tarnumhang ab und ließ ihn auf den Boden fallen.
Das Zimmer sah so ganz anders aus, als er es sich vorgestellt hatte. So oder so hätte er viel mehr Schnickschnack und Krimskrams erwartet, besonders bei Parvati und Lavender. Der Schlafsaal war aber sehr spartanisch eingerichtet, sogar noch mehr, als es sein eigener Schlafsaal war. Einfach alles hatte einen Zweck zu erfüllen, und Funktion war eindeutig über Form gegangen. Zwar waren die Vorhänge mit Spitzen besetzt und auch ein wenig bunter als die in seinem Schlafsaal, doch dafür fehlten die Quidditch- und Fußballposter, an die Harry sich in all den Jahren so sehr gewöhnt hatte. Es gab in dem Zimmer auch zwei kleine Schreibtische mit je einem Spiegel, die ebenfalls erstaunlich aufgeräumt aussahen.
»Rate, welches mein Bett ist!« sagte Hermine zu ihm und konnte sich ein aufgeregtes Grinsen nicht verkneifen.
Harry sah sich um. Er wußte, daß Lavender eine große Anhängerin von Horoskopen, Wahrsagen und ähnlichem Kram war, weshalb es ihm auch leichtfiel, ihr Bett zu erkennen. Die Bettdecke, die einem Nachthimmel verdächtig ähnlich sah und in der viele Sternzeichen eingezeichnet waren, machte es für ihn einfach.
Parvatis Bett war deutlich schwieriger zu identifizieren, bis er ein kleines Foto auf dem Nachttisch bemerkte. Es zeigte Padma, und Harry fühlte sich sofort schlechter. Er war kurz davor, sehr viel Spaß und Intimität zu erleben, während andere gestorben waren und dies niemals mehr würden tun können. Harry mußte mehrmals schlucken, bis der riesige Kloß in seinem Hals verschwunden war.
»Ist ja wirklich aufgeräumt hier. Nichts Unnützes steht rum«, sagte er schließlich und spielte ein wenig auf Zeit.
»Das sah vor nicht allzu langer Zeit noch anders aus. Vor allem Parvati hatte hier viel rumliegen; das hat sich erst nach Padmas Tod geändert. Ich glaube, sie hat jetzt keinen Sinn mehr für solch unbedeutende Kleinigkeiten«, meinte sie.
Das unangenehme Gefühl in Harrys Magengegend verschwand, und er fing wieder an zu grinsen. »Das ist dein Bett«, sagte er und zeigte auf das ganz links außen stehende, obwohl es sich von den anderen Betten in dem Raum, mit Ausnahme desjenigen von Lavender, kaum unterschied.
»Du bist gut«, stieß sie hervor und setzte eine verblüffte Miene auf.
»War einfach«, erwiderte er und zeigte auf ihren Holzkoffer. »Den erkenne ich unter Hunderten.«
»Den hatte ich ganz vergessen. Sag … wärst du gern etwas näher?« fragte sie plötzlich und streckte ihre Hände ein wenig in seine Richtung aus.
Etwas zittrig ging er einen Schritt auf sie zu und nahm sie in die Arme. Obwohl er nun schon einige Male mit ihr geschlafen hatte, fühlten sich seine Beine jedesmal wieder wie Pudding an. Erneut küßten sie sich lange.
»Was ist, wenn jemand kommt?« fragte er und blickte unsicher zur Tür.
»Colloportus!« sagte sie, zielte dabei mit ihrem Zauberstab auf die Tür, und sie versiegelte sich mit einem merkwürdigen Geräusch.
Harry dachte einen kurzen Augenblick nach, ehe er seinen Zauberstab aus dem Umhang zog: »Ostiumobsero!«
Die Tür leuchtete für einen kurzen Moment sehr hell und intensiv auf, so daß sie beinahe davon geblendet wurden.
»Den Zauber kenn' ich gar nicht. Wie wirkt er?« fragte Hermine neugierig und gab Harry einen weiteren Kuß.
»Ich hab' ihn Anfang des Jahres gefunden. In der Mysteriumsabteilung hat uns ›Colloportus‹ ja nicht wirklich weitergeholfen, deshalb hab' ich mir einen besseren Zauber beigebracht. Er ist ziemlich mächtig, und ich glaube nicht, daß uns jetzt einer überraschen kann. Der Zauber hat aber auch einen Haken – man bekommt die Tür erst nach einer Stunde wieder auf.«
»Ein wirklich guter Spruch, und … ich glaube, der Haken kommt mir gerade recht«, erwiderte sie ungewohnt forsch und streichelte mit ihrer Hand über Harrys Gesicht, während sie ihn sanft auf das Bett zog.
»Darf ich dich was Persönliches fragen?« meinte Harry plötzlich und sah sie gespannt an.
»Selbstverständlich! Du kannst mich jederzeit und absolut alles fragen!« erwiderte sie leicht erstaunt, da sie wohl in diesem Moment nicht mehr mit Fragen gerechnet hatte.
»Du hast gesagt, daß du dich um die Verhütung kümmerst … und ich habe mich gefragt … wie du das genau machst. Also auf Muggelart oder … ich meine … was hat dir deine Mutter geschickt?«
»Am besten zeige ich es dir«, gab sie zurück und erhob sich vom Bett. Sie ging an ihren Holzkoffer und zog eine gefüllte Socke aus ihm hervor. Damit ging sie zurück zu Harry, der sich langsam aufsetzte.
»Was ist das?« fragte er, als sich Hermine neben ihn setzte. Sie holte ein kleines grünes Ding aus der Socke, gab es ihm, und er besah es von allen Seiten. Es war eine sehr kleine, intensiv grüne Figur einer stämmigen Frau in einem Kleid, und sie war aus Ton oder etwas ähnlichem. »Ähhm … ich will ja nur ungern dumm vor dir dastehen, doch ich habe nicht die geringste Ahnung, was das sein soll.«
»Das wundert mich nicht. Ich hatte davon vorher auch keine Ahnung, aber ich erkläre es dir gern. Also, diese Figur hat meine Mutter aus der Winkelgasse. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis sie sie mir schicken konnte, weil mein Vater davon nichts mitbekommen sollte«, sagte sie und steckte die Figur zurück in die Socke. »Die Figur ist selbstverständlich verzaubert, daher auch diese intensive grüne Farbe, und natürlich kann man dafür jeden Gegenstand verwenden, den man möchte. Dieser Zauber nennt sich ›Detineo‹ und ist äußerst komplex, da er eigentlich aus Dutzenden von Zaubern und Bannsprüchen besteht, weshalb ich es auch leider nicht selbst machen konnte. Wenn man nun wie in unserem Fall noch keine Kinder wünscht, muß man die Figur mindestens jeden zweiten Tag einmal berühren. Die Wirkung des Detineo hält aber nur für ungefähr zwei Jahre, und danach wird meine Figur rot werden.« Sie ging zurück zu ihrer Holzkiste und legte die gefüllte Socke hinein. Sie kam zurück zum Bett und legte sich zu Harry.
»Und warum hast du sie in einer Socke?« fragte er und grinste leicht, weil er sich nur zu gut daran erinnerte, was er selbst schon alles in Socken aufbewahrt hatte.
»Das dient nur einem einzigen Zweck. Wie ich schon sagte, muß man sie jeden zweiten Tag berühren und damit ich es nicht vergesse, stecke ich sie immer in eine der Socken, die ich am nächsten Morgen anziehen möchte.« Hermine küßte ihn.
Harry drehte sich auf sie, und erneut küßten sie sich sehr lange und intensiv. Er richtete sich auf und zog seinen Pullover aus. »Das hab' ich verstanden. Dann müssen wir uns die nächsten zwei Jahre also keine Sorgen machen?« fragte er und warf lächelnd seinen Pullover zu Boden.
»Jedenfalls nicht um dieses Thema«, antwortete sie und zog ihm sein T-Shirt vom Kopf. Wieder und wieder küßten sie sich, und er verbrachte mit ihr eine wunderschöne Zeit.
Sie waren gerade dabei, sich anzuziehen, als sie ein wenig vom intensiven Aufleuchten der Tür überrascht wurden.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte er und warf Hermine ihre Hose zu.
Nur Augenblicke danach öffnete sie die Tür mit »Alohomora!«, und beide gingen wieder hinunter. Harry hatte sich seinen Tarnumhang übergeworfen und wollte ihn nun schnell und unauffällig in seinem Koffer verstauen. Am Fuße der Treppe hauchte er Hermine ein »Bis gleich« ins Ohr und lief geräuschlos die andere Treppe wieder hinauf. Mit der Hand schon an der Türklinke, glaubte er, etwas aus dem Schlafsaal zu hören, und stoppte instinktiv. Angestrengt lauschte er, konnte aber nichts mehr hören. Vorsichtig öffnete er die Tür, so langsam, daß sie dabei knarrte. Harrys Ohren hatten ihn nicht getäuscht: Dean und Seamus waren im Raum. Sie unterhielten sich, aber stockten in dem Moment, als die Tür am lautesten knarrte.
»Du hast sie nicht richtig zugemacht«, sagte Dean und kam auf Harry zu. Dieser huschte noch schnell durch den Türspalt, ehe Dean die Tür erreicht hatte und sie schloß.
»Hast du dich mit Conny vertragen?« fragte Seamus und holte einen grünen Pullover aus seinem Koffer. Er zog seinen aus und den grünen an, während Dean ihn leicht genervt ansah.
»Ja, sie hat mir verziehen. Hätte nicht gedacht, daß sie so eifersüchtig ist.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, warum sie sich so aufgeregt hat. Ich meine, du hast nur Cho und William hinterhergesehen. Was ist da so schlimm dran?«
Harry stutzte. Seit wann waren denn Cho und William ein Paar?
»Sie meint, es ist nicht das Problem gewesen, ihnen hinterherzusehen, sondern, wie ich Cho angesehen habe«, gab Dean zurück und kramte in seinem Koffer. Er holte ein Kartenspiel heraus und ging zur Tür.
Harry stand nur einen Meter von ihm entfernt und wagte nicht, sich zu rühren. Zwar wußten die beiden von dem Tarnumhang, doch wollte er sich unnötige Fragen ersparen, warum er ihn benutzt hatte.
»Dabei hab' ich echt nur Augen für Conny. Cho fährt doch noch immer voll auf Harry ab. William ist nur ein Lückenbüßer.« Dean öffnete die Tür. »Kommst du?«
Seamus nickte, und zusammen gingen sie hinunter in den Gemeinschaftsraum.
Kaum war Harry allein, zog er sofort den Tarnumhang aus und verstaute ihn wieder in seinem Koffer. Geräuschlos und unauffällig schlich er die Stufen hinunter, wobei er versuchte, nicht von Dean und Seamus gesehen zu werden. Seine Vorsicht war unnötig, hatte Hermine sie doch längst abgelenkt und spielte schon ›Snape explodiert‹ mit den beiden. Harry kam dazu und machte eine halbe Stunde lang mit, ehe er sich mit Hermine zum Kuscheln auf eine Couch zurückzog, was beide sehr genossen.
Kurze Zeit später kamen Ginny und Neville herein. Beide schauten sehr zufrieden drein, und Harry tauschte einen wissenden Blick mit Hermine aus, der beide grinsen ließ. Ginny und Neville setzten sich ebenfalls zusammen auf eine Couch und ließen den Abend gemeinsam ausklingen.
Ron kam erst kurz vor halb zehn mit Luna zurück. Diese war ganz rot im Gesicht und wirkte ein wenig abgekämpft, aber trotzdem glücklich, während Ron ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht hatte. Als Ron ihn sah, zwinkerte er ihm zu.
»Was hat das denn zu bedeuten?« fragte Hermine, der Rons Geste nicht entgangen war.
»Ich hab' keine Ahnung«, log Harry beherzt. »Du kannst ja mal vorsichtig bei Luna nachfragen, ich red' später mal mit Ron.«
Natürlich wußte er, daß Luna ihr alles erzählen würde, und so war die Lüge nicht weiter schlimm. Obwohl Luna eigentlich eine Ravenclaw war, schien sie sich mittlerweile mehr im Gryffindor-Turm aufzuhalten als sonst wo. Niemand störte sich daran, auch weil es viele andere inzwischen genauso handhabten. Die Häusergrenzen waren kaum noch existent, und Harry war es nur recht. Kurz vor zehn verschwand Luna, da sie pünktlich wieder in ihrem Gemeinschaftsraum sein mußte. Der Abschied dauerte überaus lange, und Harry sah mit Freuden, daß sich Ron und Luna nur sehr schwer voneinander trennen konnten.
Der Sonntag ging schneller zu Ende, als es Harry lieb war, und er verabschiedete sich von Hermine mit einem langen Kuß. »Ich liebe dich. Danke für den wunderschönen Abend«, flüsterte er ihr zu, während sie aus seinen Armen glitt.
»Ich habe zu danken. Ich liebe dich«, erwiderte sie, warf ihm noch einen unglaublichen Blick zu und verschwand schließlich.
Auf der Treppe nach oben holten Harry und Ron den vor ihnen laufenden Neville ein. Ron packte diesen an der Schulter und knurrte ihn wütend an:
»Neville, ich weiß alles, was du heute mit ihr gemacht hast. Ginny ist dazu noch zu jung. Das wirst du bitter bereuen.«
»Ich … ich … Ginny hat doch …«, stotterte Neville erschrocken und sah hilflos zu Harry.
»Laß ihn, Ron«, sprang Harry Neville sofort zur Seite, was dieser mit einem dankbaren Blick quittierte. »Ginny ist es, die die Initiative ergriffen hat.«
»Ich könnte nie … d-du w-weißt sch-sch-schon …«, stotterte Neville hilflos.
Ron fing an zu grinsen. »Ich mach doch nur Spaß«, sagte er und fing an zu lachen. Harry stimmte ein. Neville war irgendwie noch nicht zum Lachen zumute und blickte einfach nur verwirrt drein.
»Ne, Neville. Ist schon okay. Ginny hat mit mir vor einer Woche gesprochen, und ich mußte ihr hoch und heilig versprechen, daß ich mich nicht einmische, da sie mich sonst verhexen wurde«, ergänzte Ron belustigt, ehe er wieder ernster wurde. »Ich meine, es gefällt mir nicht, daß sie das schon mit dir macht, und dazu kommt noch, daß sie eben meine kleine Schwester ist. Das ist dir ja sicher auch klar, und sie ist ja wirklich noch jung. Und glaub mir eins: Wenn du ihr weh tust, dann werde ich dir weh tun. Wir beide verstehen uns, oder?«
Nevilles Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand er nur zu gut. Er nickte heftig. Ron fuhr fort:
»Aber den kleinen Spaß mit dir, den konnte ich mir nun wirklich nicht entgehen lassen; dein Gesicht hättest du sehen sollen!« Ron prustete bei dem Gedanken daran erneut los.
»Mich vor Harry so bloßzustellen, das ist echt fies, vor allem, da du mit Luna genau das gleiche machst und sie auch nur zwei Wochen älter ist als Ginny. Wenn du ihr weh tust, dann tu' ich dir weh. Wir beide verstehen uns, oder?« erwiderte Neville ungewohnt forsch. Er grinste dabei Ron an, weil er glaubte, damit dessen Geheimnis vor Harry verraten zu haben.
Natürlich wußte Harry genau, was Ron mit Luna gemacht hatte, und stimmte deswegen in Rons Gelächter ein. »Was meinst du denn, wer ihm die Örtlichkeit dafür empfohlen hat?«
Nur einen Augenblick später mußten alle lachen. Endlich waren sie bei diesem Thema nicht mehr so verkrampft und unterhielten sich noch einige Zeit über ihre Beziehungen, ohne dabei aber allzusehr ins Detail zu gehen, ehe sie gegen Mitternacht einschliefen.
