Disclaimer: Nichts an dieser Geschichte gehört mir, außer dem Plot. Alle originalen Charaktere und Schauplätze die aus dem HP-Universum entnommen sind, gehören J. K. Rowling oder Warner Bros. oder wem auch immer. Ich mache damit kein Geld.

Kapitel 17 – Snape / Parkinson

Am nächsten Tag saßen alle beim Frühstück, und Harry erkannte in den Gesichtern der Lehrer sofort, daß erneut etwas passiert war. Einzig Dumbledore schien in der Lage zu sein, seine Gefühle so gut zu verstecken, daß Harry angenommen hätte, daß alles in bester Ordnung sei, bis dieser aufstand, um vor der versammelten Schule ein paar Worte zu sprechen.

»Meine lieben Schüler! Ich habe beschlossen, euch persönlich über die Tatsache aufzuklären, daß Voldemort in den letzten beiden Nächten erneut Angriffe auf London durchgeführt hat. Es gab in beiden Nächten viele Opfer unter der Muggelbevölkerung und auch unter den Kräften des Ministeriums, die zur Hilfe geeilt waren. Dies waren beides wirklich schwere Schläge gegen uns, und wir werden sie nur mit größter Anstrengung verwinden können. Weitere Einzelheiten werdet ihr dem gleich eintreffenden Tagespropheten entnehmen können, welcher in dieser Angelegenheit sehr wahrheitsgetreu berichtet. Minister Fudge benötigt meine Anwesenheit in einer dringenden Angelegenheit, weshalb ich die Schule auch gleich nach dem Frühstück verlassen werde. Bitte macht euch nicht zu große Sorgen; wir tun alles in unserer Macht Stehende, um diesem Treiben endlich Einhalt zu gebieten.« Nach diesen Worten setzte sich Dumbledore wieder und aß weiter, als ob nichts gewesen wäre.

»Da bin ich ja mal gespannt«, murmelte Neville und blickte schon ungeduldig nach oben, um nach Hermines sicher gleich eintreffender Zeitung Ausschau zu halten.

Unsicher blickte sich Harry um. Nachdem Voldemort in der ersten Nacht große Teile seiner Angriffstruppe eingebüßt hatte, dabei auf Dumbledore getroffen und fast besiegt worden wäre, hatte er schon in der nächsten Nacht erneut zugeschlagen und damit auch Harry überrascht. Er wollte sich lieber nicht vorstellen, wie groß Voldemorts Armee tatsächlich war. Viel lieber wollte er daran glauben, daß Voldemort verzweifelt die letzten seiner Gefolgsleute zusammengekratzt hatte, um doch noch einen Angriff durchführen zu können, um damit alle über seine tatsächliche Schwäche hinwegzutäuschen.

Als Harry die Eule, die den Tagespropheten brachte, landen sah, war er unsicher, ob er wirklich die Zeitung lesen wollte. Der Knut wurde von Hermine in den kleinen Beutel gesteckt, und sofort rollte sie wißbegierig die Zeitung auf.

»Lies schon vor!« forderte Luna sie gespannt auf. Ihr sonst so träumerischer Ausdruck war völlig verschwunden.

»Massaker in London. Bei einem Massaker von Todessern an Muggeln in London starben in den letzten beiden Nächten rund vierhundert Menschen, während vierundzwanzig verletzt wurden. Alles deutet darauf hin, daß es keine Überlebenden geben sollte. Die Todesser hatten Londons Straßen beide Male nur Stunden nach Mitternacht gestürmt. Einige der Opfer starben im Schlaf, viele andere durch Folterung und Verstümmelung. Einige Quellen im Ministerium sprachen von einer brennenden Kirche, in der Muggel verbrannten. Viele der Angreifer trugen dunkle Umhänge mit Kapuzen und verbargen so ihre Identität.

Bei dem ersten Massaker in der Nacht zum zwanzigsten April hatte das Ministerium schnell eingreifen können und eine Spezialtruppe entsandt, die großen Erfolg gehabt hatte und die meisten der Todesser hatte ausschalten können. Einer unbestätigten Quelle zufolge war auch Harry Potter anwesend. Die eigenen Verluste waren mit sieben Toten und neunzehn Verletzten gering.

Bei dem Massaker in der letzten Nacht allerdings kamen Ministeriumskräfte zu spät an den Ort des Geschehens, so daß alle Todesser unerkannt entkommen konnten. Zaubereiminister Cornelius Fudge wollte sich nicht umfassend zu den Ereignissen äußern, und auch Albus Dumbledore war für keinen Kommentar zu erreichen.

Unterdessen gibt es ständig neue Brandherde in der Abteilung für Zusammenarbeit mit den Muggelbehörden. Der Premierminister der Muggel erhebt schwere Vorwürfe gegen Zaubereiminister Fudge und gedenkt, selbst die Initiative zu ergreifen, um das mörderische Treiben des Dunklen Lords zu beenden. Daß dies nur noch mehr Probleme für uns alle bedeuten würde, sollte jedem klar sein. Sollten sich in den nächsten Tagen weitere Übergriffe ereignen, ist unklar, ob die Zauberergemeinschaft weiterhin geheimgehalten werden kann.« Hermine legte die Zeitung weg, und alle sahen sich schweigend an.

Tatsächlich verschwand Dumbledore sofort nach dem Frühstück, und Harry ging mit den anderen in den Unterricht. Den ganzen Tag über hatte er leichte Probleme, sich zu konzentrieren, obwohl es ihm dabei noch erheblich besser ging als den meisten anderen. Der ihm unbekannte Trank tat seine Wirkung, und so konnte er den Tag schließlich halbwegs überstehen, während es nicht wenige gab, die sich schon nach dem Frühstück in der Großen Halle übergeben hatten.

Nach der Schule ließ Snape ihm von William mitteilen, daß Harrys Nachholstunde verschoben worden war, und so konnte er den ganzen Nachmittag und Vorabend an seinen Hausaufgaben arbeiten. Danach hatte er auch noch zwei Stunden für die Vorbereitungen, welche er für den DA-Unterricht treffen mußte.

Das Ende des Abends verbrachten Harry und Hermine auf der Couch und sahen Neville und Ron bei einer Partie Schach zu, die Neville nur äußert knapp verlor. Nachdem er sich dafür eine kleine Entschädigung von Ginny abgeholt hatte, Ron gratuliert hatte und schlafen gegangen war, verließen Ron und Luna den Gemeinschaftsraum. Zu welchem Zwecke dies geschah, konnte sich Harry nur zu gut vorstellen. Gegen dreiundzwanzig Uhr ging auch Harry ins Bett, nachdem er sich minutenlang von Hermine verabschiedet hatte.

Am nächsten Tag entnahmen Harry und die anderen dem Tagespropheten wieder die wichtigsten Neuigkeiten. Dumbledore und Fudge hatten unter großer Anstrengung den Premierminister davon abhalten können, die Zauberergemeinschaft zu enttarnen und so die Situation noch zu verschlimmern.

»Da das Massaker auch in der Welt der Muggel ein Medienereignis war, ist es schwergefallen, die wahren Hintergründe und Begebenheiten zu vertuschen. Zu diesem Zweck wurde eine fiktive terroristische Vereinigung erfunden, welche zu beiden Anschlägen Bekennerschreiben abgeliefert hat. Die Zeitungen und TV-Anstalten der Muggel sind auf dieses Ablenkungsmanöver hereingefallen, und damit ist der Druck auf Zaubereiminister Fudge ein wenig gesunken«, las Hermine ein weiteres Mal vor und legte die Zeitung zur Seite.

»Was sind Terroristen?« fragte ein Zweitkläßler, der neben Neville saß und sich unwissend umblickte.

»In der Welt der Muggel wären die Todesser Terroristen. Sehr vereinfacht sind es Menschen, die morden, um Ziele zu erreichen, welche meist im Widerspruch zu den Vorgaben der offiziellen Regierung stehen«, antwortete Gregory. Alle blickten ihn überrascht an.

»Ich bin erstaunt, daß du so was weißt«, staunte Hermine.

»Na ja, jetzt, wo ich auf der richtigen Seite stehe, habe ich beschlossen, mich auch mehr über diese Seite zu informieren, und das schließt die Verbündeten ein«, erklärte Gregory und lächelte verlegen.

»Gute Einstellung!« lobte William und wandte sich wieder Cho zu.

Als er die beiden beobachtete, fiel Harry auf, daß Hermine wohl recht mit ihren Vermutungen hatte, denn Cho sah nur noch selten zu ihnen herüber und richtete ihre Aufmerksamkeit zu einem viel größeren Teil auf William. Sie sah zufrieden aus und schien auch in der Öffentlichkeit viel Körperkontakt zu suchen. Auch William sah zufrieden aus und schien begierig alles zu nehmen, was Cho zu geben bereit war.

Nach dem Frühstück gingen alle zum Unterricht. Nur am Nachmittag bei Hagrid gab es neue spannende Entwicklungen, da eines der Charjavenküken bereits jetzt seinen Kopf gebildet hatte, obwohl es wie die anderen dafür noch bis zum siebenundzwanzigsten April hätte benötigen sollen. Hagrid war deshalb ganz außer sich und hatte sofort seinem Freund in Kanada davon geschrieben, wie er Harry am Anfang der Stunde mitteilte.

Das Charjavenküken war leider noch wählerischer, was sein Futter betraf, und wollte nicht einmal seine Eierschalen fressen. Hagrid begann sich Sorgen zu machen, und das nicht zu Unrecht. Bis zum Ende der Doppelstunde bekamen sie es nicht dazu, auch nur einen Bissen zu fressen, und da die Charjaven normalerweise problemlos die erste Woche ohne zu fressen überstehen, wollte auch Hagrid noch nicht mit Zwangsernährung beginnen.

Als Harry nach dem Unterricht wieder zum Schloß hinaufging, traf er vor der Großen Halle auf William. »Professor Snape läßt ausrichten, daß du nach Fudges Rede beim Abendessen hinunter zu ihm in den Kerker kommen sollst, ihr würdet dann die versäumte Stunde nachholen.«

Harry dankte William und ging mit ihm zum Mittagessen. Fudges vermeintliches Auftauchen war dabei Gesprächsthema Nummer eins. Tatsächlich tauchte der Minister schon am späten Nachmittag in Hogwarts auf; Harry sah ihn auf seinem Weg in die Bibliothek zusammen mit den Professoren McGonagall und Flitwick durch die Gänge schlendern. Zwar konnte Harry nicht genau hören, worum es ging, aber er war sicher, daß es wegen der vorgezogenen UTZ-Prüfungen war.

In der Bibliothek konnte er sich dann nur schwer konzentrieren. Viele DA-Mitglieder der zweiten Gruppe waren ebenfalls anwesend und lernten, für seinen Geschmack ein wenig zu lautstark, die Theorie über die Schildzauber.

Harry sah sich einen Angriffszauber an, der das Opfer kurzzeitig total verwirren und damit kampfunfähig machen sollte, ehe er sich mit Hermines Hilfe auf die Extrastunde in Zaubertränke vorbereitete.

Da sie ihm nicht sagen wollte, welchen Trank sie durchgenommen hatten, er aber vergessen hatte, Ron zu fragen, mußte er sich damit begnügen, daß sie ihm nur einige kleinere Hinweise gab, die ihm am Abend helfen sollten.

Beim Abendessen war dann Fudge anwesend, während Dumbledore fehlte, was Harry allerdings nicht beunruhigte. Fudge saß vorn bei den Lehrern und unterhielt sich noch immer ausgiebig mit McGonagall, die auf Dumbledores Stuhl saß.

Nach dem Essen wollten die ersten gerade gehen, als sich Fudge erhob, sich laut räusperte und damit die Aufmerksamkeit auf sich zog.

»Liebe Schüler der siebten Klassen. Ich bin heute hier, weil wir eure Hilfe benötigen und euch gleichzeitig dafür auch ein bislang einmaliges Angebot machen wollen. Sofern es Freiwillige gibt – und ich bin nach meinen Gesprächen mit den Hauslehrern davon absolut überzeugt –, werden am kommenden Dienstag, also dem neunundzwanzigsten April, die UTZ-Prüfungen für diese Freiwilligen durchgeführt, und nach Bestehen werden alle umgehend ein Angebot für einen Arbeitsplatz im Ministerium erhalten. Ein jeder von euch ist über unsere derzeitige Zwangslage informiert und dürfte sich im klaren sein, weshalb wir dies tun.

Ihr werdet natürlich entsprechend euren Fähigkeiten eingesetzt und schon nach einer nur kurzen Einarbeitungszeit mit verantwortungsvollen Aufgaben bedacht werden. Natürlich werden die Anforderungen der UTZ-Prüfungen deshalb nicht gesenkt werden können, allerdings bin ich darüber unterrichtet, daß sehr viele von euch außergewöhnlich weit sind und über eine Sache verfügen, die für mich von entscheidender Bedeutung ist: Kampferfahrung! Ihr steht am Anfang eines hoffentlich noch langen Lebens und habt bereits mehr Erfahrung sammeln können als die Hälfte des ganzen Ministeriums.

Deshalb bin ich heute hier erschienen, da es für uns von äußerster Wichtigkeit ist, neue Kräfte zu rekrutieren, obwohl es noch viele andere dringende Themen gibt, die meiner Aufmerksamkeit bedürfen. Ihr müßt euch selbstverständlich nicht sofort entscheiden, doch bitte ich darum, spätestens morgen früh bei eurem Hauslehrer Bescheid zu geben, damit wir entsprechende Vorbereitungen treffen können. Wir brauchen einen jeden von euch, den wir kriegen können. Ich hoffe, daß ich auf euch zählen kann! Ich wünsche euch dann noch einen angenehmen Abend und darf mich verabschieden.« Fudge setzte sich wieder und wurde sofort von McGonagall in ein Gespräch verwickelt. An allen Tischen sah Harry einige Siebtkläßler, die schon intensiv über das Gehörte die Köpfe zusammensteckten.

Plötzlich lief Professor Snape eiligen Schrittes in Richtung der Tür, bedachte Harry mit einem kurzen, aber intensiven Blick und verschwand auch schon aus der Halle. Harry verabschiedete sich von Hermine mit einem Kuß, nickte auch Ron und den anderen noch mal zu, ehe er Snape folgte und ebenfalls die Halle verließ. Schon kurz darauf klopfte er an die Kerkertür und trat nach Snapes Aufforderung ein.

»Mr. Potter, Sie sehen die Aufgabenstellung an der Tafel. Ich schlage vor, Sie machen sich sogleich an die Arbeit«, forderte Snape ihn kurz angebunden auf und zeigte dabei auf die Tafel und auf den Lehrertisch, auf dem bereits Kessel und Zutaten bereitstanden.

Ein wenig zögerlich ging Harry nach vorne, wobei er sich ziemlich unwohl fühlte. Er stellte seine Tasche auf dem Boden ab und sah sich die Aufgabenstellung genauer an. Da in dem Trank, als eine von sehr vielen Zutaten, auch Eierschalen der Charjaven enthalten waren, kamen ihm doch erhebliche Zweifel, daß die anderen denselben Trank hatten brauen müssen.

»Sir, darf ich fragen, wofür der Trank ist?« fragte er und sah Snape neugierig an. Er machte das Feuer an und stellte den Kessel darauf.

»Sie dürfen fragen, sollten aber keine Antwort erwarten«, gab Snape schnippisch zurück und wandte sich einigen Hausaufgaben zu, die er wohl kontrollieren wollte.

Was sollte das denn schon wieder, fragte sich Harry und begann damit, Flixwurzel zu zerschneiden und Ulppilze zu zerstampfen. Als er damit fertig war, hatte das Wasser die richtige Temperatur erreicht, und so tat er die ersten vier Zutaten hinein. Anschließend zerrieb er die beiden Eierschalenstücke zu einem feinen Pulver, gab Jinguskraut hinzu und zerrieb beides solange, bis es nur noch eine einzige feine Masse war. Dann gab er weitere Zutaten hinzu, ehe er eine kleine Menge abschöpfte und erkalten ließ. In diese Menge sollte er einige Zeit später Rungekraut und Rinkewurzeln geben, da diese sehr empfindlich gegenüber Hitze reagieren würden. Derweil warf Snape ab und zu einen kurzen Blick auf ihn, sagte dabei aber kein Wort.

Zunehmend kam Harry ein wenig ins Schwitzen, da der Trank immer komplexer wurde und die Zutaten in immer engeren Abständen vorbereitet und hinzugeben werden mußten.

Nach Schritt einhundertachtundzwanzig des Rezeptes löschte sich die Tafel erneut, und die letzten vier Anweisungen erschienen. Mittlerweile war es schon weit nach Mitternacht, und Harry hatte noch immer kein einziges Wort mit Snape gesprochen. Dieser hatte die Hausarbeiten inzwischen korrigiert und sah ihm längst bei der Zubereitung zu.

Harry kam zu Anweisung einhundertneunundzwanzig und stellte die Flamme auf ein Maximum, um den Trank auf die erforderliche Temperatur zu bringen. Die nächste Anweisung sah vor, fünf Unzen Klingarblüten hineinzugehen und zwei Minuten ununterbrochen umzurühren. Dies war eine anstrengende Sache, da der Trank inzwischen äußerst zähflüssig geworden war. Da Snape nicht einmal mit einer Geste andeutete, ob der Trank etwas geworden war, war Harry sehr verunsichert; so arbeitete er schließlich auch die letzte Anweisung ab und wurde dabei zunehmend nervöser.

»Ich denke, ich bin fertig, Sir!« sagte Harry und stellte die Flamme ab.

»Das denke ich auch. Sie können gehen, Mr. Potter«, erwiderte Snape streng.

Sogleich füllte der Tränkemeister eine winzige Probe in ein kleines Glasröhrchen, um es zu überprüfen. Irgendwie enttäuscht räumte Harry seine Sachen zusammen und packte ein paar davon in seine Tasche. Noch einmal blickte er Snape voller Erwartung an, ehe er sich umdrehte und langsam in Richtung Tür ging.

»Einen Moment noch, Mr. Potter«, rief Snape ihm hinterher, und Harry drehte sich kurz vor der Tür noch einmal um. »Ich erwarte Sie am nächsten Sonntag um Punkt neun Uhr hier im Kerker. Übrigens ist Ihr Trank perfekt.« Snape wandte sich ab.

Auch Harry drehte sich um, öffnete die Tür und ging lächelnd hinaus. Als er aber die Treppen hinaufging, fragte er sich, warum er lächelte. Es war immerhin schon nach ein Uhr, und er würde nur noch etwas über fünf Stunden schlafen können. Zudem würde er den Sonntag schon wieder mit Snape verbringen müssen, worauf er sich nun wirklich nicht freute.

Endlich kam er bei der fetten Dame an, die ihn gähnend nach dem Paßwort fragte. Harry nannte es: »Ephflingtorare Meuta.« und mußte nun auch gähnen. Er betrat den Gemeinschaftsraum und sah auf der Couch vor dem Kamin jemanden schlafen. Es war Hermine; sie mußte wohl versucht haben, auf ihn zu warten.

Leise ging er zu ihr und betrachtete ihr wunderschönes Gesicht im flackernden Schein des Feuers. Ihre Haare waren ein wenig zerwühlt, und einige Strählen hingen ihr tief ins Gesicht. Sie lag unglaublich friedlich da und atmete sehr ruhig und langsam, und ihre Nase warf einen interessanten Schatten. Zärtlich strich er einige Strähnen hinter ihr Ohr und berührte sanft ihre Wange. Selten hatte er sie so friedlich und entspannt gesehen, was vor allem an Voldemort lag, der ihnen nicht wirklich Gelegenheit gab, das Leben zu genießen. Harry haßte ihn dafür.

Unsicher, ob er sie wecken oder lieber schlafen lassen sollte, betrachtete er sie einen Moment und bestaunte ihre Schönheit. Mit sich hadernd, setzte er sich in den gegenüberstehenden Sessel und beobachtete sie für fast zehn Minuten, ehe auch er immer müder wurde und sich entschied, sie doch mit einem Kuß zu wecken. Leise ging er die zwei Meter zu ihr und ließ sich auf die Knie fallen. Langsam kam er ihr mit dem Mund immer näher und küßte sie sanft auf die Lippen. Nach nur einer Sekunde merkte er eine Reaktion bei ihr, und sie erwiderte den Kuß, ehe sich nur Augenblicke später ihre Zungen berührten und Harry wie durch einen Blitzschlag wieder hellwach war. Sie zog ihn in ihre Arme, und schon lag er auf ihr, während sie sich ununterbrochen küßten …

Als Harry am nächsten Morgen aufstand und seinen Schlafsaal verließ, hatte er höchstens dreieinhalb Stunden geschlafen, doch er bereute es nicht eine Sekunde. Als er in den Gemeinschaftsraum kam, wartete Hermine schon ungeduldig auf ihn und begrüßte ihn leidenschaftlich, aber auch müde.

»Konntest du noch ein bißchen schlafen?« fragte sie, und er nickte kurz.

»Ich hoffe, du bist jetzt nicht total erschlagen«, meinte Harry und führte sie an seiner Hand hinunter zum Frühstück.

»Es wird gehen. Ich würde die Nacht auf keinen Fall eintauschen wollen, auch nicht gegen eine mit zehn Stunden bestem Schlaf«, erwiderte sie und lächelte ihn verliebt an.

»Es war auch für mich eine sehr schöne Nacht, auch wenn ich mehrere Stunden davon mit Snape allein in einem Kerker verbringen mußte«, erwiderte Harry grinsend und küßte sie erneut.

Beim Frühstück sah Harry etliche Siebtkläßler nach vorn zu ihren Hauslehrern gehen; auch Cho und Katie waren darunter. William sah deswegen nicht gerade sehr glücklich aus, und auch Cho hatte Harry schon viel fröhlicher gesehen. Als Katie zurück am Tisch war, erzählte sie ihm, daß es für sie eigentlich keine Frage gewesen war; sie wurde gebraucht und fühlte sich bereit, diesen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Auch einige andere DA-Mitglieder berichteten Harry persönlich von ihrer Entscheidung.

Am Ende zählte er zusammen mit Cho und Katie achtunddreißig Siebtkläßler, die nun schon am nächsten Dienstag ihre Prüfungen beginnen würden. Harry war überaus stolz auf sie, da sie die nächste Hürde mit Schwung nahmen und nun noch früher als erwartet eine große Verantwortung auf ihre Schultern laden würden.

Das Wochenende rückte nun schnell näher, und Harry hatte kaum Zeit, die er alleine mit Hermine verbringen konnte. Er lernte den Rest der Woche ausgesprochen hart und half auch noch Ron und Neville mit der zweiten DA-Gruppe, während er am Freitag auch noch seine eigene DA-Gruppe leitete, dort aber nur ein kurzes Treffen anberaumt hatte. Dies alles schaffte er nur sehr mühsam unter einen Hut zu bekommen, und das auch nur mit Lunas Hilfe. Sie hatte von allen seinen Freunden noch am meisten Zeit und bereitete beide DA-Sitzungen ausgiebig vor.

Am Samstagmorgen erfuhren Harry und die anderen aus dem Tagespropheten, daß Dumbledore die Situation mit den Muggeln wieder unter Kontrolle gebracht hatte und der Premierminister inzwischen eingesehen hatte, daß es völlig falsch wäre, wenn er selbst nach Voldemort suchen lassen würde. Die Öffentlichkeit hatte die Geschichte mit den Terroristen geglaubt, und so war das Geheimnis der Zauberergemeinschaft vorerst nicht mehr in Gefahr. Harry war darüber erleichtert, weil er sich nur allzugut vorstellen konnte, was los gewesen wäre, hätte das Fernsehen über die wahren Hintergründe berichtet.

Auch Hermine schien zufrieden zu sein, beschloß aber, ihren Eltern einen Brief zu schicken, der ihnen die Wahrheit mitteilen sollte, ohne dabei allzusehr ins Detail zu gehen. Auf keinen Fall erwähnen wollte sie, daß ihr Freund beim ersten Massaker mitgekämpft hatte, da es nur wieder unnötige Aufregung bedeuten würde und vor allem ihre Mutter wahrscheinlich große Probleme damit hätte, es richtig aufzunehmen.

Den ganzen Samstag über hatte Harry alle Hände voll zu tun. Am Vormittag bestand Ron auf Quidditch-Training, welches sie schon genug vernachlässigt hatten, und tatsächlich kam mit dem Spiel auch der Spaß. Er scherzte wie in unbeschwerten Zeiten mit seinen Freunden und vor allem mit Ron, für den er in den letzten Tagen und Wochen nicht genug dagewesen war.

»Zerbrich dir mal deswegen nicht den Kopf, Kumpel, ich versteh' dich voll und ganz. Hab' ja im Moment selber kaum genug Zeit, um alles unter einen Hut zu kriegen. Luna hat sich schon bei mir beschwert«, erzählte Ron mit einem Augenzwinkern, und Harry war wirklich erleichtert, daß ihm sein Freund in diesen Tagen nichts wirklich krummnahm.

Am Nachmittag und Abend lernte Harry für viele seiner Fächer und erledigte diverse Hausaufgaben. Am liebsten hätte er den Abend nur mit Hermine verbracht, doch auch sie wollte lernen, und so entschieden sie gemeinsam, daß Arbeit vor Vergnügen ginge.

Als Harry gegen Mitternacht ins Bett kam, hatte er schon leichte Magenschmerzen, und er fragte sich nun immer mehr, warum Snape ihn an einem Sonntag im Kerker sehen wollte. Tief in seinem Inneren hoffte er, Snape würde es mit der zusätzlichen Arbeit nicht übertreiben, da er noch haufenweise andere Aufgaben hatte, denen er ebenfalls Zeit widmen mußte.

So hatte er seit der Vorführung im Ministerium auch nicht mehr mit den Schildzaubern weitergemacht, und das empfand er Dumbledore gegenüber als eine Art Pflichtverletzung. Spätestens in der nächsten Woche mußte er sich unbedingt wieder dieser Aufgabe zuwenden, auch um seine eigene Neugier zu befriedigen. Noch eine ganze Zeit lang grübelte er im Bett darüber, so daß er Dean und Seamus kurz vor ein Uhr zurückkommen hörte. Sie unterhielten sich leise über Lavender und Conny, und Harry hörte deutlich heraus, daß beide Fortschritte in ihren Beziehungen gemacht hatten, ohne aber konkret zu sagen, an welchem Punkte sie tatsächlich angelangt waren.

Sonntag beim Frühstück war Dumbledore noch immer nicht zurück, und nun machte sich Harry doch langsam Sorgen um ihn. Aber nicht nur deshalb aß er an diesem Morgen recht wenig, er bekam auch wegen des nun immer näher rückenden Termins mit Professor Snape nichts herunter.

Hermine erzählte ihm beim Essen, was sie mit dem Tag anstellen wollte, und Harry ertappte sich bei der schönen Vorstellung, überall dabeisein zu können. Dies ging aber leider nicht, und so verabschiedete er sich kurz vor neun von seinen Freunden und ging allein hinunter in den Kerker.

Zwar hatte er Snape beim Frühstück nicht gesehen, glaubte aber, daß dieser ein weniger früher gegessen hatte. Als er drei Minuten vor neun an der Tür klopfte, kam von drinnen keinerlei Antwort. Er entschied sich, vor der Tür zu warten und um Punkt neun noch einmal zu klopfen. Dazu sollte es aber nicht kommen, da schon in diesem Moment Snape um die nächste Ecke gebogen kam.

»Guten Morgen, Professor Snape!« grüßte Harry und sah seinen Lehrer an, der ungewöhnlich gut gelaunt schien.

»Morgen, Mr. Potter!« antwortete dieser gewohnt wortkarg, öffnete die Kerkertür und trat ein.

Harry folgte ihm und lehnte seine Tasche an den einzelnen, riesigen Tisch inmitten des Raumes. Noch weit mehr Zutaten als beim letzten Mal standen bereit, und auch ein großer, schon halb gefüllter Kessel stand über dem Feuer und köchelte auf kleinster Flamme vor sich hin.

»Sie fahren mit Ihrem Trank vom letzten Mal fort«, ordnete Snape an, und mit einem Wink seines Zauberstabes erschien das Rezept an der Tafel.

Schnell las er sich die ersten Schritte durch, um zu sehen, ob er es mit zeitkritischen Anweisungen zu tun hatte, und da es nicht der Fall zu sein schien, konnte er sich in aller Ruhe auch die anderen Schritte zweimal durchlesen. Besonders prägte er sich die fehleranfälligen Stellen ein, und ihm fiel dabei auf, daß die Anweisungen viel weniger detailliert als sonst im Unterricht waren. Vielmehr mußte man mitdenken, und gewisse Vorgehensweisen ergaben sich schon aus den Zutaten.

Geben Sie vier Flügel des Flecktorkäfers hinein, und rühren Sie zweimal im Uhrzeigersinn, las Harry in Gedanken, erinnerte sich aber an etwas, was Snape einmal gesagt hatte. Er erinnerte sich daran, wie er ihnen in der vierten Klasse eingebleut hatte, daß Flecktorkäferflügel immer pulverisiert werden müssen – absolut immer! Danach mußte man sie mit Chimärenblut beträufeln, und zwar mit einem Tropfen pro Flügel, und erst danach durften sie einem Tranke hinzugefügt werden.

Gegen zwölf Uhr hatte er die schon die dritte Tafel komplett abgearbeitet, und so sorgte Snape dafür, daß der Text verschwand; mit einem weiteren Wink seines Zauberstabes erschienen auch schon die nächsten Anweisungen. Dabei bekam Harry langsam leichte Konzentrationsprobleme, und so mußte er Zeile einhundertfünfundvierzig viermal lesen, ehe er sie richtig begriffen hatte. Während der letzten zwei Stunden hatte er Snape immer wieder einmal einen kurzen Blick zugeworfen, und auch jetzt tat er es wieder.

Snape saß locker an seinem Lehrertisch und beobachtete ihn ununterbrochen. Harry war unsicher, ob er nach einer kurzen Pause fragen sollte, kam aber zu dem Schlusse, daß es keine Schande wäre, und so sah er Snape erwartungsvoll an.

»Professor, ich wüßte gern zwei Dinge. Wie lange, denken Sie, werde ich noch für die Zubereitung des Trankes benötigen? Zum zweiten wüßte ich gern, ob Pausen vorgesehen sind.« Harry fing an zu rühren, wie er es die nächsten drei Minuten tun sollte.

»Nun, Mr. Potter. Wie lange Sie benötigen, wird davon abhängen, wie schnell Sie sind; aber Sie sollten damit rechnen, mindestens bis einundzwanzig Uhr hier zu sein. Pausen sind keine vorgesehen, was aber mit dem Trank zusammenhängt«, bemerkte Snape und zuckte mit der Oberlippe.

Aufgrund dieses Kommentars fühlte sich Harry plötzlich noch unkonzentrierter. In Gedanken mußte er sich jetzt schon einige Ohrfeigen verpassen, und er wollte nicht wissen, wie es ihm in sechs oder acht Stunden ging. Warum macht er das mit mir, fragte sich Harry und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Trank. Er sollte nun als nächstes zwei Tropfen Drachenblut dazugeben. Als er sich aber die Zutaten ansah, erkannte er sofort, daß es drei verschiedene Sorten gab. Im Rezept stand allerdings nicht, welche Sorte man nehmen mußte. Verwirrt blickte er zu Snape, und er sah ein falsches Lächeln aufblitzen.

Ich darf mir vor ihm keine Blöße geben, hämmerte er sich ein und suchte angestrengt in seinen Erinnerungen. Doch schon nach wenigen Sekunden war er fast soweit, zu raten, ehe ihm neben dem Drachenblut noch die lilafarbenen Zylotenblätter auffielen. Zylotenblätter, Zylotenblätter, ging es ihm immer wieder durch den Kopf. Er blickte zur Tafel und las erneut die nächsten Schritte. Da war es: im vorletzten Schritt sollte man eine Unze frisch geschnittene Zylotenblätter hinzugeben, und Harry wurde auf einmal klar, welches Drachenblut er nehmen mußte. Er griff mit einem Lächeln die blaue Flasche und gab zwei Tropfen davon in den Trank.

»Ich hoffe, Sie haben nicht geraten, Potter«, lästerte Snape und klang dabei sehr enttäuscht.

»Nein, Professor. Ich habe mich nur daran erinnert, wie ich im dritten Jahr versehentlich das falsche Drachenblut mit Zylotenblättern im gleichen Trank verwenden wollte und mir dabei der Kessel um die Ohren geflogen ist. Sie gaben mir dafür eine Strafarbeit auf: ›Warum ich Zylotenblätter nur mit dem Blut eines Asiatischen Grauschuppen mischen darf‹.«

Snape zeigte überraschenderweise den Anflug eines Lächeln, welches nur eine Sekunde später verschwunden war. »Gutes Gedächtnis.«

Sofort machte Harry mit der Zubereitung weiter, und Snape beobachtete ihn wieder so ernst wie zuvor. Gegen drei Uhr bekam Harry langsam Hunger, was er aber erst durch das laute Knurren seines Magens bemerkte. Snape hatte es ebenfalls gehört, und nur einen Moment später lag ein Teller auf dem Tisch, auf dem zwei herrlich belegte Brote warteten. Auch auf dem Lehrertisch erschien ein Teller, und so aßen beide still zu Mittag, während Harry ununterbrochen am Trank weiterarbeitete. Die Zubereitung ließ ihn kaum einmal für eine Minute verschnaufen, und so war er ungemein überrascht, daß Snape auf das Knurren seines Magens reagiert hatte.

Kaum hatte er die beiden Brote verputzt, verschwand sein Teller, und ein Glas mit kalter Milch erschien. Er trank es in einem Zug aus und fand es einfach köstlich. Es weckte seine Lebensgeister, und so sah er lächelnd zu Snape. Dieser zuckte mit der Augenbraue, was Harry kurz stutzen ließ, ehe ihm sein Milchbart einfiel und er ihn abwischte. Auch das Glas verschwand, und so arbeitete er weiter am Trank. Er befolgte jede neue Anweisung auf das genaueste und kämpfte verbissen mit seiner Konzentrationsfähigkeit. Mit jedem neuen Schritt wuchs in ihm das Verlangen, über den Trank aufgeklärt zu werden. Snape hatte dazu noch immer nichts gesagt, doch er fand, daß er eine Antwort verdiente.

»Sir, ich wüßte zu gern, was ich hier braue. Ich meine, ich bin heute schon wieder acht Stunden mit dem Trank beschäftigt, und dazu kommen noch die Stunden vom letzten …«

»Nicht jetzt, Potter«, unterbrach Snape ihn schroff. »Sie werden zu geeigneter Zeit erfahren, worum es sich hier handelt.«

Mhhh … wenn er mir das nicht sagen will, dann vielleicht ja etwas anderes, überlegte Harry, und er wollte es auf einen Versuch ankommen lassen. »Sir, dann verraten Sie mir wenigstens, warum Sie uns den Helmich-Trank brauen ließen und am Ende den Namen verraten haben, obwohl Sie es erst nicht taten.«

»Sofern Sie dabei konzentriert weiterarbeiten können, werde ich es Ihnen verraten.«

Wow, damit hätte ich nicht gerechnet, dachte er überrascht und blickte in die Augen seines Lehrers. »Sir, das kann ich!« antwortete er schnell und blickte erwartungsvoll weiter zu Snape.

»Dann sollten Sie nicht mich, sondern Ihren Trank anstarren«, schimpfte dieser grob, stand trotzdem vom Tisch auf und kam zu Harry herüber. »Es gibt einen ganz bestimmten Grund, weshalb ich Ihre Klasse damit beauftragte, den Helmich-Trank zu brauen. Ich verstieß nur aus diesem einen Grund gegen Professor Dumbledores Anweisungen, den Trank selbst herzustellen. Es war eine Prüfung – für Sie und den Rest der Klasse. Der Helmich-Trank ist nicht nur verboten, seine Herstellung ist auch äußerst schwierig. Es gibt nur wenige Tränke, die noch komplizierter sind, und an einem von diesen arbeiten Sie gerade.

Sie und viele ihrer Mitschüler haben diese erste Prüfung mit Bravour bestanden, und aus diesem Grunde habe ich beschlossen, aus Ihnen und so vielen anderen wie irgend möglich Meister der Zaubertränke machen! Sie sollten sich auf das härteste Schuljahr vorbereiten, das Sie sich nur vorstellen können. Aber eigentlich hat es schon heute mit dieser weiteren Prüfung begonnen. Ich muß mir einfach sicher sein können … was Sie angeht, Potter!« Snape blickte Harry ernst in die Augen, während dieser mit leicht offenem Mund dastand.

Harry wußte nicht, was er sagen sollte; er war einfach nur perplex. Sollte er sich jetzt freuen, oder sollte er sich lieber darüber Sorgen machen, daß das nächste Jahr wirklich hart werden würde. Snape ging zu seinem Platz zurück. Dabei machte Harry mit dem Trank weiter und dachte über das Gesagte nach. Snape hat mich geprüft. Er will sich sicher sein. Worüber will er sich sicher sein? Daß ich Voldemort erledigen kann? Daß ich ein Ziel genau genug verfolgen kann? Hmm …

Harry brauchte noch eine halbe Stunde, ehe er alle Rezeptangaben auf der Tafel erledigt hatte und Snape auch schon die nächsten erscheinen ließ. Inzwischen war er schon bei Schritt vierhundertundzwölf und gab einen Stengel Globakraut hinein. Die nächste Minute sollte er umrühren und las in der Zeit die weiteren Anweisungen durch.

»Ähhm, Sir?« begann Harry überrascht und erregte damit Snapes Aufmerksamkeit. Dieser stand am Regal mit den Zutaten und führte wohl so etwas wie eine Inventur durch.

»Haben Sie ein Problem, Potter?« fragte dieser und drehte sich um.

»Ja, Sir. Für die Schritte vierhundertfünfunddreißig und -sechsunddreißig benötigt man mindestens sechs Hände.«

Snape drehte sich zur Tafel. »Ich weiß das. Der Trank wird normalerweise zu viert gebraut«, gab er zurück, und wieder sah Harry ein Zucken seines Mundwinkels.

»Aber, Sir? Wie soll ich das allein machen?«

»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Es wird rechtzeitig jemand eintreffen«, beschied Snape und wandte sich wieder seinem Inventar zu.

Was sollte das denn jetzt heißen, fragte sich Harry noch unsicherer, rührte aber dessenungeachtet eine Minute lang gegen den Uhrzeigersinn. Als er das nächste Mal zur Uhr blickte, war es zehn vor sieben, und in weniger als fünf Minuten würde er zu den beiden Schritten kommen, die er nicht alleine bewältigen konnte.

»Sir, der Trank ist gleich soweit«, bemerkte Harry, woraufhin Snape die Schranktür schloß und auf ihn zukam.

»Es sieht beinahe so aus, Mr. Potter. Ich hoffe für Sie, daß Ihre kleine Freundin pünktlich ist.«

Snape krempelte sich die Ärmel hoch, und tatsächlich klopfte es nur Augenblicke später an der Tür. Harry wußte nicht, wer jetzt kommen würde, hoffte aber insgeheim auf Hermine.

»Herein!« rief Snape laut, und Ginny betrat den Raum.

»Sir, ich sollte mich hier melden?« fragte sie vorsichtig und kam langsam näher. Sie zeigte einen etwas verwirrten Gesichtsausdruck und sah sich zögernd im Raum um.

»Krempeln Sie die Ärmel hoch, Miß Weasley. Sie werden Potter bei diesem Trank unter die Arme greifen!« befahl Snape, und Harry nickte ihr zu. Ginny kam langsam zu ihm herüber.

»Du bist immer noch hier? Was soll ich denn machen?« Sie sah Harry ein wenig hilflos an.

»Ich werde wohl auch noch ein paar Stunden hiersein«, antwortete Harry gähnend und streckte sich. Er krempelte nun ebenfalls die Ärmel hoch. »Du mußt auch nicht viel machen und kannst dann gleich wieder gehen.«

Ginny sah auf Harrys Arme, dann an die Tafel und blieb sogleich bei den Schritten vierhundertfünfunddreißig und vierhundertsechsunddreißig hängen. Sie erblaßte und starrte beide völlig ungläubig an. »Ich soll mit meinen ungeschützten Armen in den kochendheißen Trank greifen? Ich soll mit ihnen umrühren, während ich minutenlang Beschwörungsformeln murmle?«

»Sieht so aus«, gab Harry zurück, blickte seinerseits ein wenig skeptisch auf Snape und ging zu ihm um den Tisch herum.

»Wenn Mr. Potter bisher korrekt gearbeitet hat, wird Ihnen nichts passieren. Oder glauben Sie etwa, ich selbst würde in den Trank greifen, wenn ich mich dabei verbrennen könnte?« herrschte Snape sie mit strengem Blick an, ehe er zu Ginny um den Tisch herumging.

»Hmmm« war alles, was Harry herausbrachte. Ganz so sicher war er sich nicht, ob Snape es nicht auch dann tun würde, wenn er sich dabei übel verbrennen würde; und er war sich auch nicht ganz so sicher, ob er bisher alles richtig gemacht hatte.

»Sir, wenn Sie sich irren, werde ich mich beschweren!« sagte Ginny forsch, und Harry bewunderte sie dafür. Eine solche Antwort hatte er sich in all den Jahren nicht getraut.

»Wenn ich mich irre, werden wir gemeinsam auf dem Krankenflügel landen – und es sei Ihnen versichert, daß ich das kaum ertragen könnte, Miß Weasley. Es wird jetzt Zeit!«

Snape stellte sich eng neben Ginny, ganz nah an den Kessel, um mit beiden Armen hineingreifen zu können. Auch Ginny krempelte sich schnell die Ärmel hoch, und Harry war ebenfalls bereit. »Auf drei, Mr. Potter, Sie zählen!«

Harry räusperte sich.

»Eins.«

Er sah Ginny in ihre etwas ängstlichen Augen.

»Zwei.«

Er blickte Snape in dessen finstere Augen.

»Drei!«

Alle drei griffen in den kochenden Trank und bewegten in kleinen konzentrischen Kreisen ihre Arme. Sofort spürte Harry die unglaubliche Hitze. Er fühlte seine Haut verbrennen, gleichzeitig heilen, und all das ohne die geringsten Schmerzen. Es war wie Zauberei. Die drei begannen mit der Beschwörung – erst sieben lange und anstrengende Minuten später konnten sie damit aufhören. Der Trank leuchtete kurz auf und wurde klar wie Wasser. Sie konnten wieder ihre Hände und Arme sehen, und das, was er dort mit Erschrecken erblickte, war weitaus Schlimmeres als das, was er zuvor gespürt hatte.

Er sah, wie sich das Fleisch von seinen Knochen ablöste und wie seine Arme sofort wieder geheilt wurden. Er fühlte den unbändigen Drang, sie aus der kochenden Flüssigkeit herauszuziehen, doch spürte er auch den stechenden Blick seines Lehrer, der ihn daran hinderte. Das Ganze sah so schrecklich aus, daß auch Ginny deutlich zusammengezuckt war und auch nur mit Mühe weiterrühren konnte. Endlose fünf Minuten sahen sie diesem schaurig-grausamen Schauspiele zu; erst dann konnten sie ihre Hände aus dem Kessel ziehen und ihre Unversehrtheit bewundern. Selbst Snape schien von dem Ganzen tief beeindruckt, denn auch er betrachtete seine Hände mit einem fast kindlich staunenden Gesichtsausdruck, den Harry bei seinem Lehrer noch nie bemerkt hatte. Alle krempelten ihre Ärmel herunter, und Snape ging wieder zum Lehrertisch, während Harry nun mit den nächsten Schritten fortfahren wollte.

»Was wird das?« flüsterte Ginny.

Bevor er antworten konnte, tat Snape es für ihn: »Sie fragen die falsche Person, Miß Weasley. Mr. Potter ist völlig ahnungslos – zumindest, was diesen Trank angeht.«

Ginny starrte weiter Harry an. Sie tauschten einen entsprechenden Blick, ehe sie an ihm vorbei zu Snape sah. »Warum sagen Sie es ihm denn nicht, Sir?«

»Weil er es nicht von mir erfahren soll«, erwiderte Snape kurz.

Nun starrte Harry Ginny an. Die Antwort schien sie noch stärker verwirrt zu haben. »Sir, verraten Sie mir, wer es mir sagen wird?« fragte Harry, mit dem Rücken zu Snape gewandt.

»Wenn Sie es je erfahren, dann nur von Professor Dumbledore«, erklärte Snape und entfachte damit in Harry eine Neugierde, wie er sie nur selten gekannt hatte. »Sie können dann wieder gehen, Miß Weasley. Mr. Potter wird den Rest wahrscheinlich auch ohne Ihre Hilfe schaffen.«

Harry spürte Snapes Blick in seinem Rücken. Er beschloß, doch lieber wieder auf die andere Seite des Tisches zu gehen, da er diese Blicke als sehr unangenehm empfand. Dabei verabschiedete er sich von Ginny und bedankte sich für ihre Hilfe:

»Bis später vielleicht, Ginny. Ich danke dir für deine Hilfe – und erzähl bitte Hermine nichts von dem ablösenden Fleisch, das möchte ich lieber selbst machen. Nicht, daß sie sich unnötig aufregt.«

»Ja, bis nachher, Harry«, sagte sie und verschwand aus dem Kerker.

Nachdem Ginny gegangen war, wandte er sich wieder dem Trank zu, und zu seinem eigenen Erstaunen gingen ihm auch die nächsten zwei Stunden relativ leicht von der Hand, ehe er doch zunehmend müder wurde und ihm langsam die Füße schmerzten.

»Darf ich Sie noch etwas fragen, Sir?« fragte Harry schließlich und blickte zu seinem Lehrer, der an irgendwelchen Aufsätzen zu arbeiten schien.

»Sehen Sie nicht, daß ich beschäftigt bin?« entgegnete dieser streng und sah Harry durchdringend an.

»Doch, das sehe ich«, erwiderte Harry, aber beschloß, sich nicht so leicht abspeisen zu lassen. Es war vielleicht der perfekte Moment gekommen, um über das letzte Jahr zu reden, als Harry sich Snapes Erinnerungen im Denkarium angesehen hatte. »Sir, ich würde wirklich sehr gern über diese Angelegenheit reden.«

Harry sah seinen Lehrer flehentlich an. Zögernd legte Snape seine Schreibfeder weg, stand von seinem Stuhl auf und kam langsam auf Harry zu.

»Welche Angelegenheit?«

Harry wurde wieder ein wenig unsicher. »Über das letzte Jahr … als ich etwas von Ihnen sah, daß ich nicht sehen sollte.«

»Schweig!« herrschte Snape ihn an und funkelte ihn wütend an, wovon er sich jedoch nicht beeindrucken ließ.

»Ich … ich muß darüber reden.« Snapes Ärger wurde augenblicklich zu Zorn. Harry konnte sehen, wie er die Fäuste ballte und seine Knöchel weiß wurden. »Sir, es tut mir leid, daß ich Ihre Privatsphäre verletzt habe, doch Sie müssen zugeben, daß Sie auch meine verletzt haben.« Er sah für einen Moment einen fragenden Ausdruck in den Augen seines Lehrers. »Sie haben damals viele von meinen schlimmsten Erinnerungen gesehen, da finde ich es nur fair, auch einige von Ihren zu kennen.« Plötzlich sah Snape überrascht aus. »Ich denke, es ist an der Zeit, daß wir das vergessen. Es liegt nun fast ein Jahr zurück, und ich habe das Gefühl, daß Sie mich noch immer dafür bestrafen.«

Snape setzte sogleich wieder seine gewohnt grimmige Miene auf. »Ich habe Sie nicht nur dafür bestraft!«

»Das stimmt. Sie bestrafen mich auch dafür, daß ich der Sohn meines Vaters bin«, konterte Harry, nun ebenfalls leicht wütend. Er hatte große Mühe, sich noch ausreichend auf seinen Trank zu konzentrieren.

»Ich bestrafe Sie nicht dafür, daß Sie sein Sohn sind. Ich bestrafe Sie dafür, daß Sie genauso arrogant und selbstgefällig sind wie er.« Snapes Augen funkelten gefährlich.

»Ich bin überhaupt nicht wie mein Vater. Er tat fast alles, was er tat, um dabei seinen Spaß zu haben. Ich tue fast alles, was ich tue, weil ich überleben will oder jemandem helfen möchte!« Nun schwang Zorn in Harrys seiner Stimme, und Snape wich einige Zentimeter zurück. Wütend zerschnitt Harry die Adaba-Stengel, warf sie in den Kessel und rührte wie in Trance um.

»Das ist so aber nicht ganz richtig, Mr. Potter. Sie haben genug Ärger gemacht, auch ohne dabei Ihr Leben zu schützen.«

»Was meinen Sie?« fragte Harry mit rotem Kopf und überlegte, wann er vorsätzlich für Unruhe gesorgt hatte. »Fast immer, wenn ich irgendwie Ärger verursacht habe, dann war entweder mein Leben bedroht, ich habe einem Freund geholfen oder ich wurde von anderen da hineingezogen!«

»Sie sind viel zu vorschnell in Ihrem Urteil, Mr. Potter. Sie haben mehr als einmal gegen die Regeln verstoßen. Wenn Sie sich nur mal daran erinnern möchten, wie oft Sie im Schlosse unterwegs waren. Nachts! Allein!« Snape blickte nun Harry überlegen an.

»Sir, ich möchte Sie nur ungern an Ihre eigene Vergangenheit erinnern, aber auch wenn mein Vater Sie übel behandelt hat, so haben Sie ihm letztlich kaum einen Grund gegeben, damit aufzuhören.« Harry rührte den Trank nun in die andere Richtung. »Ganz so unschuldig, wie Sie gerne tun, sind Sie damals auch nicht gewesen. Sie haben sicher nicht nur einmal andere Schüler auf dem Flur verhext.«

»Dein Vater hat immer angefangen«, schrie Snape entrüstet auf, wirkte plötzlich leicht verstört und schien nicht bemerkt zu haben, daß er Harry geduzt hatte.

»Aber Sie haben auch nie aufgehört!« beharrte Harry trotzig und gab das Haar eines Koboldes in den Trank, während er wieder im Uhrzeigersinn umrührte.

»Ich … ich … muß mich wohl kaum vor einem Schüler rechtfertigen!« Snape schnappte nach Luft, außer sich vor Zorn, und ging zu seinem Schreibtisch zurück.

»Sir, wir sollten es jetzt und ein für allemal klären!« sagte Harry, der nun ebenfalls wieder wütend war, und erhob deutlich die Stimme.

»Was klären? Daß ich Ihren Vater haßte und er mich? Daß Sie mich hassen und ich Sie?« schrie Snape so laut, daß sich seine Stimme dabei überschlug, und er funkelte Harry angriffslustig an. Jeden Augenblick rechnete Harry damit, eine Menge Hauspunkte zu verlieren, doch war ihm das in diesem Moment egal.

»Sir, ich hasse Sie nicht!« sagte Harry trotzdem beschwichtigend und rührte nun wieder dreimal gegen den Urzeigersinn.

»Sie lügen!«

»Ich lüge nicht! Voldemort, Pettigrew, Malfoy, Bellatrix Lestrange und den ganzen widerlichen Rest von Todessern hasse ich. Sie gehören ja nicht mehr dazu, soweit ich informiert bin«, sagte Harry und ließ das letzte mehr wie eine Frage als wie eine Feststellung klingen. Snape schien überrascht und stutzte für einen Moment. »Dabei haben Sie wirklich fast alles getan, damit ich Sie hasse.«

»Das ist eine Unterstellung! Das verbitte ich mir! Ich habe Sie so behandelt, wie es Ihr Verhalten mir gegenüber zu jeder Zeit rechtfertigte.«

»Das bezweifele ich sehr! Fragen Sie Unparteiische, wenn Sie mir nicht glauben wollen. Fragen Sie Professor Dumbledore! Fragen Sie jeden Schüler, der nicht in Ihrem Haus ist. Sie bevorzugen Slytherin, wo es nur geht, und sind absolut unfair allen anderen gegenüber«, sagte Harry und ballte seinerseits die Fäuste. Langsam ging ihm dieses scheinheilige Verhalten auf die Nerven. Hektisch gab er Spinnenfüße in den Trank und rührte dreimal im Uhrzeigersinn. »Wenn hier im Raum jemals jemand wirklich arrogant war, dann sind Sie es!«

»Vielleicht haben Sie recht«, gab Snape überraschend zu. Er schien resigniert zu haben.

Total verwirrt, gab Harry eine Prise gemahlenes Vulkangestein in den Trank. Diese plötzliche Offenbarung seines Lehrers war keine, mit der er je gerechnet hätte. Einen Augenblick lang spürte er die pure Hoffnung, das Kriegsbeil begraben zu können, und forcierte seine Bemühungen.

»Sir, wir stehen auf der gleichen Seite. Sie müssen nicht mein Freund sein, aber wir sollten endlich richtig zusammenarbeiten. Es ist mir egal, daß Sie meinen Vater hassen, und ich gebe zu, er konnte ein arroganter Arsch sein … « Harry hielt kurz inne, so überrascht war er von seiner Wortwahl. »… aber überdenken Sie doch Ihr Handeln allen gegenüber, die mit Ihnen gegen Voldemort kämpfen. Im Augenblick behandeln Sie noch immer die am besten, die Voldemort am nächsten sind. Ich weiß, daß es nur schwer ist, solche alten Angewohnheiten abzulegen, doch ich bitte Sie, zumindest alle gleich zu behandeln. Sie sind nun kein Todesser mehr und auch kein Spion, und darum sollten Sie sich auch so verhalten.«

Irgendwie spürte Harry, daß er mit seinen Worten einen Nerv getroffen hatte. Noch immer hatte Snape die Gruppe um Pansy bevorteilt, obwohl er nun keinen Kontakt mehr mit Voldemort hatte und nicht mehr als Spion arbeitete. Es gab keinen Grund mehr, die nächste Generation von Voldemorts Todessern zu unterstützen. Trotzdem behandelte er noch immer ihn und die Gryffindors im allgemeinen am schlechtesten von allen, obwohl er seine und auch ihre Leistung bei der Schlacht um Hogwarts anerkannte.

»Ich weiß nicht«, meinte Snape und ließ sich nachdenklich auf seinen Stuhl fallen.

Müde und erschöpft sah er aus, und auch Harry wurde langsam der Arm müde, obwohl er mit Rühren nicht aufhören durfte. Sicher hab' ich morgen Muskelkater, dachte er bei sich und überlegte, was er Snape noch alles sagen mußte.

»Wir werden nie Freunde sein«, sagte Snape und sah verunsichert aus, wie Harry ihn nie gesehen hatte.

»Das spielt keine Rolle! Ich muß nicht Ihr Freund werden!« Harry sah ihm fest in die Augen.

»Ich wollte nie Freunde, hatte nie Freunde und werde sie auch nie haben«, fuhr Snape fort und strich sich unsicher durch sein fettiges Haar. Auch dieser Satz kam völlig unerwartet. Nie hätte Harry es für möglich gehalten, solche Worte jemals von seinem Lehrer zu hören.

»Ich dachte, McNally sei Ihr Freund – aber das ist eine Sache, die nur Sie selbst etwas angeht.« Er rührte wieder fünfmal in die andere Richtung. »Es wird nur höchste Zeit, daß Sie nicht jeden als Ihren Feind behandeln!« Die letzten Worte sprach er mit Nachdruck, während er weiter rührte.

»Ich weiß!« Snapes Stimme war leise und klang dabei einsichtig, aber verunsichert.

»Fangen Sie heute damit an«, erwiderte Harry und blickte Snape in die dunklen Augen, während er noch immer wie ein Verrückter rührte.

Snapes Stimme zitterte. »Es …«

Harry mußte jetzt nur noch die letzten zwei Schritte an der Tafel ausführen.

»… tut …«

Harry hatte nur noch einen Schritt.

»… mir …«

Harry gab eine einzelne Drachenschuppe hinein. »Ich weiß«, erwiderte er, und beide blickten sich an. »Sie müssen es nicht sagen. Sie müssen sich tief in Ihrem inneren auch nicht ändern, wahrscheinlich ist es dafür sowieso zu spät, und Sie haben dafür auch eine zu bewegte Vergangenheit. Aber es wäre schön, wenn Sie nach außen einfach ein wenig gerechter wären. Behandeln Sie uns alle gleich, und behandeln Sie uns fair. Niemand wird Sie dann hassen, selbst wenn Sie uns noch immer viel härter und strenger als alle anderen behandeln!« Harry löschte die Flamme.

»Ich werde darüber nachdenken«, meinte Snape lapidar und nahm eine kleine Glasröhre. Er füllte sie bis fast zum Rand mit dem Gebräu und hielt sie gegen das Licht. Inzwischen war sie nicht mehr klar, sondern hatte einen merkwürdigen Braunton angenommen. »Ihr Trank ist absolut perfekt! Zehn Punkte für Gryffindor. Sie können gehen.«

Ohne ein weiteres Wort ging Snape zu seinem Schreibtisch und setzte sich wieder an die Aufsätze, die er noch zu korrigieren hatte. Harry begann damit, die unverbrauchten Zutaten zurück ins Regal zu stellen, als er erst realisierte, daß er zum ersten Mal Punkte von Snape bekommen hatte. Sein Mund klappte auf.

»Sie können gehen, habe ich gesagt. Ich kümmere mich selbst darum, Potter«, knurrte Snape und klang überraschend wieder wie sein altes Ich.

Harry stutzte, packte aber dann seine Tasche zusammen und verließ den Kerker. Als er vor der Tür stand, fing er augenblicklich an zu zittern. Es war nur ein sehr schmaler Grat gewesen, und er hätte leicht abstürzen können. Fast zwei Minuten brauchte er, bis er sich wieder gesammelt hatte und auf seine Uhr blicken konnte. Es war vier Minuten nach neun, und Harry war geschafft, als wäre es schon drei Uhr morgens. Langsam und mit wackligen Knien ging er in Richtung der Treppe; dort saß zu seiner völligen Überraschung Pansy Parkinson.

Sie blickte ihn stechend an und begann plötzlich zu grinsen. »Hallo, Potter!«

»Was willst du, Pansy?« fragte Harry und versuchte, nicht zu genervt zu klingen. Wenn er jetzt eine Sache nicht wollte, dann war es, hier an der Treppe zu stehen und sich mit einer Slytherin zu unterhalten, die als eine der wenigen noch immer auf Voldemorts Seite stand.

»Ich habe zufällig einiges von deinem Gespräch mit Snape mitbekommen, als ich mit meinem Hauslehrer in einer dringenden Angelegenheit sprechen wollte.« Sie funkelte ihn gefährlich an.

»Du hast also gelauscht, um es mit wenigen Worten zu sagen«, erwiderte er und ließ seine Stimme jetzt doch ein wenig genervt klingen.

»Korrekt. Und was ich gehört habe, das hat mir nicht gefallen!« Ihre Stimme klang dabei gefährlich.

»Das interessiert mich herzlich wenig.«

»Das sollte es besser. Der Dunkle Lord hat noch immer viel Einfluß an dieser Schule.«

Langsam nervte sie Harry wirklich. »Wenn du deine kleine Gruppe als viel Einfluß bezeichnest, könnte ich ja fast loslachen.«

»Glaub, was du glauben möchtest. Wenn ich es will, machen wir dir das Leben schwer.« Sie ließ es wie eine Drohung klingen.

»Dafür kommst du sechzehn Jahre zu spät.«

»Wollen wir wetten, daß ich es dir schwerer machen kann?« drohte sie und funkelte ihn zornig an.

»Sicher kannst du das, doch das kann ich bei dir auch. Sieh dich vor, mit wem du dich anlegst. Ich hab' nicht nur fünfzehn Leute hinter mir, bei mir sind es hundert!« drohte Harry zurück.

»Was glaubst du, wer du bist? Ich mache dir das Leben zur Hölle«, zischte Pansy plötzlich todernst und begann unmittelbar danach, teuflisch zu grinsen.

»Das kannst du nur auf eine Art schaffen – und sollte Hermine nur ein einziges Haar gekrümmt werden, dann sehen wir uns noch genau einmal!« sagte Harry so kalt, wie er nur konnte, erschrak selbst ein wenig dabei; aber er meinte es tatsächlich todernst.

»Ich verschwende meine Energie nicht an einem Schlammblut!« entgegnete Pansy abfällig, klang allerdings doch ein wenig beeindruckt.

»Ich sage es dir nur noch dieses eine Mal. Versuch bei mir, was du willst, aber wenn Hermine etwas passiert, egal was, dann bist du so was von fällig … dann wirst du dir wünschen, ich hätte den Todesfluch auf dich angewendet. Das schwöre ich dir hiermit. Ich werde dich bei lebendigem Leibe ausweiden und dich mit deinen eigenen Eingeweiden erwürgen!« Seine Stimme bebte, und er wollte schon kehrtmachen, als ihn Pansy am Hosenbein festhielt. »Was – willst – du – noch?« fragte er sehr langsam, sich nur schwer unter Kontrolle haltend, und sah zu ihr herab.

»Mach dir lieber um dich selbst Sorgen. Ich mache dein Leben zur Hölle, ohne Rücksicht auf Verluste, und dann macht dich der Dunkle Lord fertig. Das Schlammblut ist mir egal, sie ist höchstens irgendwann der Bonus. Obwohl, du hast mir Draco genommen, es wäre eigentlich nur fair. Aber glaub mir, ich kann dich fertigmachen, auch ohne zuerst deiner kleinen widerlichen Schlammblutnutte ein Haar zu krümmen«, zischte sie kalt lächelnd.

Harry stieg wieder drei Stufen nach unten. »Sag das letzte noch mal, und du fängst dir hier und sofort den Schlag deines Lebens. Auch wenn du ein Mädchen bist.« Seine Stimme zitterte, nur mit größter Mühe konnte er sich noch zurückhalten.

Pansy stand auf und lächelte ihn provozierend an. »Meinst du das Wort mit ›N‹?«

»Genau das meine ich!« erwiderte Harry ruhig und ballte seine rechte Faust.

»Ich sag' es dir beim nächsten Mal. Ich muß vorher noch Snape sagen, was für ein schleimiger Verräter er ist«, erwiderte Pansy angewidert und ging in Richtung Kerker davon.

Nur langsam konnte sich Harry wieder beruhigen. Seine Hand entspannte sich, und er stieg Stufe um Stufe nach oben. Er mußte jetzt unbedingt Hermine sehen. Sie fehlte ihm so sehr, und er mußte sie unbedingt vor Pansy warnen, war ihr doch schließlich alles zuzutrauen.

Als die fette Dame zur Seite schwang und Harry den Gemeinschaftsraum betrat, fand er die anderen spielend vor. Hermine spielte mit Luna eine Partie Schach, während sehr viele andere, darunter auch Ron, Neville und Ginny, Karten spielten.

Ginny bemerkte ihn als erste. »Endlich mit dem Trank fertig?«

»Ja, und ich habe dafür von Snape zehn Punkte bekommen.« Sein Blick fiel auf Hermine und in ihre wunderschönen Augen, und dabei hätte er beinahe den Zwischenfall mit Parkinson vergessen.

»Kraß!« hörte er laut und wußte, daß es nur Ron gewesen sein konnte.

»Snape hat dir doch noch nie Punkte gegeben«, sagte Hermine ungläubig und stand auf.

Auch viele der anderen im Raum blickten skeptisch in seine Richtung und sahen dabei aus, als hätten sie sich eben verhört. Harry lief auf Hermine zu, und sie kam ihm noch schneller entgegen. Beide umarmten sich, und Harry wurde so unglaublich warm ums Herz. Instinktiv schien sie genau zu wissen, daß er genau das jetzt gebraucht hatte, und er liebte sie dafür.

»Du hast mir so wahnsinnig gefehlt! Ich liebe dich so sehr«, sagte er leise und gab ihr einen langen Kuß.

»Wir haben Essen für dich«, bemerkte Luna plötzlich und holte Harry damit in die Wirklichkeit zurück.

»Wirklich? Ist ja klasse. Das ist nach dem Kuß das Drittwichtigste, was ich jetzt brauche.«

»Und das Zweitwichtigste?«

»Sitzen!« erwiderte er nur, warf seine Tasche von sich, ließ sich erschöpft in den Sessel neben Luna fallen und biß ein Stück Brot ab. Erst jetzt bemerkte er, daß Hermine seine Tasche aufgehoben hatte und sie nun neben ihn stellte. Sie sah ihn vorwurfsvoll an und er blickte unwissend zurück.

»Da könnte einer drüber stolpern«, erklärte sie und gab ihm einen Kuß auf seinen vollen Mund.

»Hast recht!« brachte er kaum hörbar heraus und biß von neuem ab, bevor er überhaupt heruntergeschluckt hatte.

»Hey, Ron, ich glaub', du kriegst Konkurrenz, was Tischmanieren angeht«, warf Ginny grinsend ein, und Luna fing an zu kichern.

Auch Hermine fing an zu lachen, und nun konnte es sich auch Harry kaum noch verkneifen und verschluckte sich dabei. Unkontrolliert begann er zu husten, und das halbe Essen fiel ihm dabei aus dem Mund. Leicht angewidert mußte Neville schließlich rettend eingreifen und Harry auf den Rücken klopfen, bis es wieder besser wurde.

»Das hast du nun davon«, sagte Hermine vorwurfsvoll wie früher, fing aber an zu grinsen und gab dem rotäugigen Harry, dem vom Husten fast die Tränen gekommen waren, einen Kuß, während Luna die Sauerei mit einem Schwenk ihres Zauberstabes verschwinden ließ.

Nachdem sich auch alle anderen wieder beruhigt hatten, brachte Ginny das Thema zurück auf Harrys Tag. »Hat dir Snape noch verraten, was für ein Trank es war?«

»Nein! Ich muß wohl Dumbledore fragen, wenn ich es wirklich wissen will! Hast du eigentlich Hermine davon erzählt?«

Sofort war Hermines Aufmerksamkeit geweckt, die sich wieder auf ihre Schachpartie konzentriert hatte. Sie sah sowohl Ginny als auch ihn neugierig an.

»Natürlich nicht. Wenn du mich um etwas bittest, dann tue ich es für gewöhnlich auch!« entgegnete Ginny und schien, wenn auch nur für einen Moment, fast ein wenig beleidigt zu sein.

»Was erzählt? Was Schlimmes?« fragte Hermine und sah Harry unsicher an.

»Das war nicht wirklich schlimm. Das Schlimme erzähle ich dir nachher«, beruhigte Harry sie.

»Was Schlimmes?« Ron sah Harry ärgerlich an. Man konnte genau sehen, daß er sich ausgeschlossen fühlte.

»Ich erzähle es euch auch noch, aber erst will ich mit Hermine unter vier Augen darüber reden. Es betrifft sie mehr als euch!« wehrte Harry ab, und seine Worte wurden an Deutlichkeit von seinem Gesichtsausdruck noch übertroffen.

Ron gab sich damit zufrieden, während Harry mit der Erzählung seiner Erlebnisse in Snapes Kerker fortfuhr:

»Jetzt erst mal zum anderen Thema. Das hättet ihr sehen müssen. Ich hab' also diesen Trank gebraut, und als einer der Schritte stand in der Rezeptur, daß sechs Hände und Arme ihn umrühren müßten – also richtig reingreifen, meine ich –, mitten in den kochenden Trank!« Sein Blick streifte Hermine, die ein wenig ängstlicher aussah. »Also haben wir das gemacht, ungefähr so. Sofort spürte ich eine gewaltige Hitze und fühlte, wie meine Haut verbrannte, augenblicklich aber auch schon wieder geheilt wurde. Ich hatte dabei keine Schmerzen. Der Trank war dunkelrot, und man hätte meinen können, es wäre durch unser Blut gewesen. Ich hatte echt Angst; auch Ginny konnte ich es ansehen. Aber dann fingen wir mit der Beschwörung an, und am Ende war der Trank so klar wie der wolkenlose Himmel! Ihr werdet nicht glauben, was wir da gesehen haben.«

Er machte eine dramatische Pause. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, und auch die umstehenden Schüler aus allen vier Häusern starrten wie gebannt auf ihn.

»Das Fleisch löste sich von unseren Knochen, man konnte sie richtig sehen. Das war für mich ein Schock. Immer wieder und wieder bildete es sich neu und löste sich wieder von den Knochen. Es war ein unglaubliches Schauspiel. Als wir dann die Hände rausziehen konnten, war nicht die kleinste Schramme zu sehen.« Im selben Moment griff Hermine seine Arme, um sie sich genauestens anzusehen. »Selbst Snape schien total verblüfft zu sein.« Sie gab ihm einen Kuß und sah erleichtert aus.

»Ist ja echt kraß!« riefen Ron und mehrere Drittkläßler fast synchron aus und starrten noch immer gebannt auf Harrys Arme.

»Das muß ein unglaublich mächtiger Trank sein«, meinte Hermine, und Luna nickte.

»Das Brauen hat zwölf Stunden gedauert?« fragte Neville und sah Harry neugierig an.

»Nein, länger. Ich habe den Trank vom letzten Mal fortgesetzt. Aber bedenke auch, ich war ununterbrochen mit dem Brauen beschäftigt; ich hatte praktisch keine ruhige Sekunde. Snape sagte, daß man ihn normalerweise zu viert braut.«

Hermine sah ihn staunend und stolz an. »Und trotzdem hast du es ganz allein und auch noch fehlerlos geschafft?«

»Was auch dein Verdienst ist – ohne dich hätte ich das nie geschafft«, strahlte er und gab ihr einen weiteren Kuß. Schnell aß er nun noch ein weiteres Brot, während Hermine einige Züge in ihrem Schachspiel machte und Ron weiter Snape explodiert spielte. »Willst du erst noch zu Ende spielen, oder wollen wir uns kurz zurückziehen?«

Hermine fing an zu grinsen. »Wir können gleich gehen. Noch zwei Züge, und Luna ist schachmatt!«

Luna stutzte. »Wie kommst du darauf? Ich hab' doch dich gleich«, meinte sie und machte ihren nächsten Zug.

»Ich komme darauf, weil ich jetzt mit dem Läufer Schach biete!« sagte Hermine, und Luna sah sich unsicher die Stellung an.

»Der war nicht gut, den schlag' ich doch mit dem Bauern.« Luna führte ihren Zug aus.

»Voll reingefallen! Schachmatt!« triumphierte Hermine breit lächelnd und fuhr mit ihrem Turm über das halbe Spielfeld.

»Och schade«, jammerte der Blondschopf und reichte Hermine schon die Hand. »Du bist echt gut, du solltest öfter mal gegen Ron spielen.«

»Ich kann nicht gegen Ron spielen. Wenn er verliert, verzeiht er mir das nie«, flüsterte Hermine Luna zu, und beide fingen an zu grinsen.

»Gute Züge … muß ich loben«, befand Harry und küßte seine Angebetete als Belohnung für den Sieg.

»Und jetzt willst du mir etwas Unangenehmes erzählen?«

»Ja, bitte komm mit.«

Er stand auf und griff seine Tasche. Er nahm Hermine an der Hand und zog sie sanft vom Sofa hoch. Gemeinsam gingen sie hoch in Harrys Schlafsaal. Nachdem er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ging er zu seinem Holzkoffer und legte die Tasche an die Seite. Er setzte sich auf das Bett und gab ihr ein Zeichen, sich neben ihn zu setzen.

»Ich möchte vorneweg sagen, daß ich denke … na ja, die Situation ist ernst … möchte aber gleichzeitig, daß du dir nicht zu viele Sorgen machst«, begann Harry unsicher und versuchte, mehr Sinn in seine Worte zu bekommen. »Ich hab' vorhin mit Snape ein wenig geplaudert. Ich habe mich dafür entschuldigt, daß ich mir im letzten Jahr seine Erinnerungen angesehen habe. Wir haben uns dann ein wenig gestritten; und ein Wort gab das andere, und wir haben uns gegenseitig beschuldigt, den anderen wie Dreck zu behandeln. Jedenfalls so ungefähr. Na ja, ich hab' ihm gesagt, er behandelt Pansy und die anderen noch immer besser als den Rest, und das, obwohl sie Voldemort näherstehen als irgend jemand sonst an der Schule.« Intensiv blickte er in Hermines wunderschöne Augen.

»Und dann gibt er dir am Ende zehn Punkte?« fragte sie ungläubig. »Sag bloß, er hat sich geändert.«

»So weit würd' ich jetzt nicht gehen, aber er wird wohl darüber nachdenken, und vielleicht ändert er in Zukunft sein Verhalten ein wenig. Das wäre ja schon ein gewaltiger Fortschritt für Snape.«

»Also, wenn ich dich richtig verstanden habe, wird Snape sein Verhalten gegenüber den Schülern überdenken? Wo ist denn da jetzt das Schlechte dran?«

»Bis jetzt war das eigentlich noch der gute Teil der Geschichte. Der schlechte beginnt an der Stelle, an der ich den Kerker verließ und an der Treppe auf Pansy Parkinson traf.«

»Was wollte die blöde Kuh denn da?«

»Weiß ich nicht genau, aber sie hat uns auf jeden Fall belauscht. Sie hat versucht, mich einzuschüchtern, und hat dir dann gedroht. Da hab' ich ihr gegenüber eine eindeutige Warnung ausgesprochen … falls dir was zustößt.«

Hermine sah nun sehr besorgt aus und griff Harrys Hand. »Was genau will sie denn tun?«

»Was genau, weiß ich nicht, aber sie hat genug angedeutet. Sie will mich tot sehen, und danach will sie dich als Bonus«, sagte Harry und streichelte sanft über ihre Hand.

»Was hast du getan? Hast du gedroht, sie zu … töten?« fragte sie besorgt.

Er sah ihr ernst in die Augen. »Nein, ich habe gedroht, sie abzuschlachten!«

Ihre wunderschönen Augen funkelten ein wenig. »Und was ist dann passiert?«

»Sie hat dich als etwas bezeichnet, das ich nicht wiederholen möchte. Da wäre mir fast die Hand ausgerutscht«, erwidert der Schwarzhaarige, und Zorn war in seiner Stimme zu hören.

»Sag es mir bitte.« Sie legte ihren Kopf an seine Schulter.

»Ich möchte nur ungern …«

»Bitte!« flehte sie beinahe.

»Sie hat dich als … Schlammblut…nutte bezeichnet«, sagte Harry langsam, zögerlich und voller Wut. Am liebsten wäre er jetzt sofort zu Parkinson gegangen und hätte ihr mit voller Wucht eine verpaßt. Hermine legte ihren Arm um ihn und sah ihn mit einer Träne in den Augen an. »Dafür wollte ich ihr so gern eine scheuern, aber eigentlich schlag' ich keine Mädchen.« Unglaublich wütend war er, doch küßte er sie sanft auf den Mund.

»Das soll sie mal mir ins Gesicht sagen, dann kümmere ich mich selbst darum!« erwiderte sie, und die Tränen waren plötzlich einem unbändigen Zorn gewichen.

Sie küßten sich noch einige Male und lagen noch eine halbe Stunde einfach nur in seinem Bett und hielten sich im Arm. Als sie wieder herunterkamen und sich wieder zu den anderen setzten, hatten sich beide genug beruhigt, und er hatte ihr auch noch davon erzählt, daß Pansy danach zu Snape gegangen war, um ihn als schleimigen Verräter zu bezeichnen. Gemeinsam erzählten sie nun auch den anderen von der Geschichte, und besonders Ron war nur schwer zu beruhigen. Auch William und Goyle wären am liebsten sofort zurück in den Gemeinschaftsraum der Slytherins geeilt, um Parkinson sofort eine Abreibung zu verpassen. Nachdem sich alle Gemüter ein wenig abgekühlt hatten, legte sich Harry mit Hermine auf ein Sofa und sah den anderen bei ihren Freizeitaktivitäten zu, während sie von ihrem Tag erzählte.

Sie war unter anderem bei Hagrid gewesen und hatte die Charjavenküken besucht, die nun alle ihren Kopf gebildet hatten. Auch der erstgeschlüpfte Charjave hatte endlich begonnen zu fressen, und Hagrid hatte dabei Tränen in den Augen gehabt. Der Halbriese hatte es äußerst schade gefunden, daß Harry nicht auch hatte dabeisein können, und freute sich schon auf die nächste Unterrichtsstunde, in der er Harry die Küken zeigen könnte. Mit einigen anderen hatten sie auch einmal wieder die Riesen besucht, und auch Grawp hatte Harry schrecklich vermißt.

Danach war sie noch ein paar Stunden in der Bibliothek gewesen und hatte gelernt, ehe sie mit anderen an ihrem Schildzauber gearbeitet hatte. Überaus stolz berichtete sie Harry davon, daß er jetzt noch kräftiger strahlen würde als der von Dumbledore und daß Ron ihn gemeinsam mit neun anderen DA-Mitgliedern nicht durchdringen konnte. Flüsternd erzählte sie Harry, woran sie bei der Beschwörung gedacht hatte, und er wurde doch tatsächlich ein wenig rot, ehe er kurz vor zehn mit einem Lächeln im Gesicht in ihren Armen einschlief.

Er hatte schreckliche Alpträume, welche von Pansy Parkinson handelten, obwohl er seit Monaten keine gehabt hatte. In seinem Traum tötete sie Hermine, und Harry rächte sich dafür ungemein brutal und löschte gleich ihre ganze Familie aus. Am Ende hatte er sich in eine solche Wut gesteigert, daß selbst Voldemort keine Chance mehr gegen ihn hatte und Harry ihn nach stundenlanger Folter endlich von seinen Leiden erlöste. Er wußte, daß das falsch war, daß er damit auch nicht mehr besser als Voldemort selbst war, doch das war ihm alles egal. Ohne Hermine würde er keine Moral mehr kennen. Seine Feinde würde bluten. Jeden einzelnen würde er einfach umbringen: ohne Gnade – ohne Gewissensbisse – ohne Reue.

Als er von Hermine gegen elf mit einem sanften Kuß geweckt wurde, schreckte er entsetzt hoch, war einen Moment völlig verwirrt, ehe ihm klar wurde, daß er soeben nur böse geträumt hatte. Unglaublich erleichtert küßte er Hermine, leidenschaftlich wie selten, schmeckte sie minutenlang, bis er keine Luft mehr bekam.

Nachdem er sich von Hermine verabschiedet hatte, schleppte sich Harry hoch in sein Bett und schlief nur Minuten später wieder ein. Diesmal träumte er davon, wie Parkinson von Hermine grün und blau geschlagen wurde, nachdem diese ihn getötet hatte.

Als er gegen sieben Uhr am nächsten Morgen von Ron geweckt wurde, war sein Bett schweißnaß. »Alles in Ordnung mit dir, Kumpel?« fragte Ron und sah Harry besorgt an.

»Mann, das war vielleicht 'ne Nacht«, stöhnte Harry und schälte sich aus seinem Pyjama, den er sogleich in den Wäschekorb warf. »Ich hab' die ganze Nacht Alpträume gehabt. Ich glaube, ich hab' mehr Angst vor Parkinson, als ich mir eingestehen möchte.«

»Kann ich echt verstehen. Die ist ja nicht umsonst in Slytherin; und jetzt, wo Draco tot ist, hat sie dort schon fast die Oberhand. Wenn Angus Murtaghur nicht wäre – mit dem geht sie jetzt, glaub' ich –, dann wär sie sogar die Nummer eins.«

»Ich werde wohl die nächste Zeit verstärkt die Augen offenhalten müssen«, murmelte Harry, mehr zu sich als zu Ron.

Schließlich ging er mit den anderen zum Frühstück und bemerkte dabei von den Drohungen noch nicht viel. Das einzige, was ihm auffiel, war, daß Slytherin wohl am späten Sonntagabend fünfzig Punkte verloren haben mußte, was ihm William nach dem Frühstück bestätigte und wofür er auch gleich eine Erklärung hatte.

»Pansy muß Snape übel beleidigt haben. Hat sich gestern noch bei Murtaghur ausgeheult. Der war so sauer, sag' ich euch. Zabini konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten, sich Snape vorzuknöpfen«, erzählte er, und alle blickten ihn ungläubig an.

Wenn Murtaghur eines mit Sicherheit nicht war, dann ein Heißsporn. Er war in all den Jahren, in denen Harry mit ihm zur Schule gegangen war, immer unauffällig geblieben, und es mußte wirklich übel gewesen sein, wenn Murtaghur fast die Kontrolle verloren hätte. Gregory kannte ihn von den DA-Mitgliedern am besten und hatte den anderen schon vor einiger Zeit ein wenig von ihm erzählt. Dieser Slytherin war ein gefährlicher Anführer, da er unglaublich berechnend agierte. Nie deckte er seine ganzen Karten auf, und immer hatte noch mindestens ein As im Ärmel versteckt. Als Siebtkläßler war er einer der ältesten, während Zabini noch in die sechste Klasse ging, der nun sein engster Vertrauter und auch seine rechte Hand war. Selbst Malfoy hatte immer schon Respekt vor Murtaghur gehabt, obwohl Draco seit jeher einer der einflußreichsten Slytherins gewesen war.

Erst in diesem Jahr war Murtaghur als Jäger ins Quidditch-Team eingestiegen, und Voss, der vorher diesen Job innegehabt hatte, hatte für Malfoy die Position des Suchers übernommen. Allerdings war Murtaghur nicht ganz aus freien Stücken ins Team gekommen: er war der einzige, der dafür überhaupt noch in Frage gekommen war, zumindest aus seiner Clique. Er war ein unglaublich guter Flieger, aber eben sehr zurückhaltend, was die Öffentlichkeit anging, weshalb er auch nicht den Sucherposten übernommen hatte, obwohl er dafür prädestiniert gewesen wäre, sondern den weniger auffälligen Job als Jäger. Am liebsten wollte er sich immer irgendwo versteckt halten und im Hintergrund die Fäden ziehen – doch jetzt, wo Draco vermeintlich tot war und niemand mehr außer Pansy das öffentliche Interesse auf sich zog, hatte er fast keine Wahl mehr.

Um seine Interessen durchzusetzen, mußte er aktiver werden, und das beinhaltete automatisch, mehr aufzufallen; und den Quidditch-Pokal nach Slytherin zu holen, lag in seinem Interesse. Trotzdem würde dieser Typ niemals einen peinlichen Auftritt hinlegen, wie es Draco so oft getan hatte. Er war dafür einfach viel zu clever, und das machte Harry sehr viel Sorgen an diesem gesamten Montag. Er sah Murtaghur den ganzen Tag über nur beim Mittagessen. Sein Frühstück aß er meist früher und das Abendessen meist später als die anderen und vor allem als Harry. Nur beim Mittagessen hatte er keine Wahl, da der Unterricht die zur Verfügung stehende Zeitspanne enorm einschränkte.

In der Öffentlichkeit zeigte er sich nie mit Pansy, und trotzdem wußte jeder in Slytherin, daß sie kurz nach Dracos Abgang ein Paar geworden waren. Was alle Slytherins wußten, das wußte nun aber auch immer Harry, was meistens Gregory und William zu verdanken war. Er schätzte sie mittlerweile nicht nur als Freunde, er schätzte sie auch für die vielen Informationen, die sie ihm über seine Feinde geben konnten. Sie selbst wurden zwar so gut wie nie Augen- oder Ohrenzeugen, hatten aber zwischenzeitlich ein weitreichendes Netz aus Informanten aufgebaut, bei denen es sich fast ausschließlich um Slytherins der ersten drei Jahrgangsstufen handelte. Diese standen zwar noch nicht offiziell auf Seiten der DA, doch inoffiziell halfen sie bereits, wo sie konnten. Sie waren es auch, die beim Abendessen ein Gespräch zwischen Zabini und Murtaghur belauscht hatten, wonach sich Parkinson erst nach den UTZ-Prüfungen Harrys annehmen wollte und daß Murtaghur sich da völlig heraushalten wollte, um im Fall der Fälle nicht der Schule verwiesen werden zu können.

Der Montag war allgemein ganz gut über die Bühne gegangen, doch der Unterricht bei Snape war ein bißchen merkwürdig gewesen. Snape hatte sich tatsächlich auffallend fair verhalten, und nur Parkinson gegenüber war eine offene Feindschaft zu spüren gewesen. Hermine hatte am Ende der Stunde sogar zehn Punkte für ihren perfekten Trank bekommen, und nicht nur die Gryffindors waren darüber sehr überrascht gewesen. Zwar war auch Harrys Trank wieder einmal tadellos gewesen, doch war er von Snape die ganze Zeit über ignoriert worden. Zwar wußte er nicht genau, warum dieser das getan hatte, doch hatte er die Hoffnung, daß es sich von allein wieder geben würde. Ebenfalls zehn Hauspunkte hatte Gregory bekommen. Sein Trank war zwar nicht wirklich etwas geworden, doch hatte er durch seine Geistesgegenwart Schlimmeres verhindert, als Deans Kessel explodiert und unkontrolliert im Klassenraum umhergeflogen war.

Seine Drohung hatte Snape tatsächlich wahr und den sowieso schon harten Unterricht noch schwerer gemacht, was Harry aber nicht überraschte. Am Anfang der Stunde hatte er ihnen schon die Namen der drei nächsten Tränke verraten, für die sie sich intensiv vorbereiten sollten, was sie nach dem Abendessen auch taten. Alle saßen in der Bibliothek und brüteten über den Büchern. Unangenehmerweise war auch Parkinson mit ihrem Anhang anwesend, und diese lernten das gleiche wie Harry und seine Freunde.

Immer wenn sie dabei hinter Harry vorbeilief, bekam er eine Gänsehaut, und ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken. Mehrmals mußte er sich dabei sogar kurz schütteln, und dies war Parkinson unglücklicherweise nicht entgangen. Das führte dazu, daß sie es einige Male machte, nur um Harry damit zu verunsichern. Er konnte sie darüber feixen hören, und auch Ron wurde langsam wütend. Schnell beschloß Harry, die Sache umzudrehen und seinerseits Parkinson einen kleinen Schrecken einzujagen, worüber Hermine nur den Kopf schütteln konnte. Trotzdem aber war er sich sicher, es tun zu müssen. Gegenüber seinen Feinden durfte er keine Angst zeigen, und so stand er auf und ging zu einem Bücherregal ganz in ihrer Nähe hinter ihrem Rücken. Zuerst achtete sie auf ihn, und erst, als er sich mehrere Minuten intensiv mit den Büchern beschäftigt hatte, vertieften sich Parkinson und ihre beiden Tischnachbarn wieder in ihre Arbeiten. Langsam und leise schlich sich Harry an sie heran.

»BUH!« brüllte er ihr laut ins Ohr. Sie fiel völlig geschockt vom Stuhl, und der Inhalt ihres Tintenfäßchens breitete sich dabei über ihre bisherige Arbeit aus. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich langsam wieder gefaßt hatte und langsam aufstand.

»Dafür wirst du bezahlen!« drohte sie laut und in einem eiskalten Ton.

»Du hast damit angefangen. Ich würde sagen, wir sind quitt!« erwiderte Harry gelassen, ging zu seinem Platz zurück und drehte ihr demonstrativ den Rücken zu. Inständig hoffte er währenddessen, daß sie es in der Öffentlichkeit nicht wagen würde, ihn tatsächlich anzugreifen, wobei er sich da wirklich nicht sicher war. Und tatsächlich stand Parkinson nur Sekunden danach hinter ihm am Tisch, und Hermine sah zu ihr hoch.

»Was willst du?« fragte Ron und starrte sie grimmig an.

»Das geht nur Potter und mich etwas an … und vielleicht noch seine kleine Schlammblutnutte«, zischte Parkinson giftig und lag schon im gleichen Moment auf dem Boden.

Harry hatte es gar nicht kommen sehen. Erst jetzt begriff er, daß Hermine aufgesprungen war und Parkinson voll eins auf die Nase gegeben hatte.

»Ich wär' an deiner Stelle ganz ruhig. Ich frag' mich, wer von uns die Nutte ist? Ich wäre bestimmt nicht eine Woche nach dem Tod meines Freundes in das Bett des Nächstbesten gesprungen – so, wie du es gemacht hast!« schrie Hermine. Harry hatte sie noch nie so zornig gesehen. Selbst als sie Malfoy im dritten Jahr eine verpaßt hatte, war sie auch nicht annähernd so zornentbrannt gewesen.

Parkinson wischte sich das Blut von der Nase, doch es hörte nicht auf zu bluten. Tropfen um Tropfen rann auf ihrem Umhang und sickerte hinein. Nur langsam kam sie wieder hoch. »Ich würde auf meinen Rücken achten, du Schlampe«, fluchte sie nur noch eisig, packte ihre Sachen und war nach wenigen Sekunden aus dem Raum verschwunden. Die Blutflecke waren das einzige, was sie zurückließ.

Was für ein Schlag, dachte Harry, als sich Hermine langsam wieder setzte. Ihre Faust war noch immer geballt, und ihre Knöchel waren fast so weiß wie ihre Zähne, die zwischen ihren Lippen angriffslustig hindurchblitzten.

»Alles klar?« fragte er und griff nach ihrer Faust, die sich dadurch sofort entspannte und anfing zu zittern.

»Ich … diese … argh!« gab sie von sich. Sie konnte sich noch nicht beruhigen.

»Klasse Schlag«, sagte Ron grinsend.

»Das war so falsch!« sagte Hermine plötzlich aufgeregt und sah ihrem Freund in die Augen.

»Warum falsch? Nichts anderes hat sie verdient!«

»Klar hat sie das verdient – aber damit provozieren wir sie doch nur noch mehr. Ihre Rache wird uns sicher hart treffen!«

»Alles, was kommt, wird so oder so passieren«, sagte er und beruhigte sie damit ein wenig. Nur mühsam gelang es der Gruppe, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, doch schließlich machten sie große Fortschritte in ihren Vorbereitungen für Snapes Unterricht.

In dieser Nacht schlief Harry hervorragend. Er träumte immer wieder, wie Hermine sein Leben rettete und Parkinson nach guter alter Muggelart ausknockte. Völlig entspannt stand er auf und bereitete sich auf den Tag vor.

Der ganze Dienstag stand im Zeichen der UTZ-Prüfungen. Schon beim Frühstück waren ihm die übernervösen Siebtkläßler aufgefallen, die heute vorgezogene Prüfungen hatten. Für alle anderen Schüler fiel ein Großteil des Unterrichtes aus. Nur zu Hagrid konnten sie am Nachmittag, da er seine Prüfung schon am Vormittag abgehalten hatte.

Tatsächlich hatten sich die Charjaven schon prächtig weiterentwickelt, waren nun schon ein wenig gewachsen und hatten deutlich an Gewicht zugelegt. Hagrid war so stolz, als ob es sich um seinen eigenen Nachwuchs handelte, und berichtete allen euphorisch über ihre Fortschritte. Inzwischen hatten sie auch ihre Eierschalen gefressen, und so stampften Harry und seine Freunde wieder einmal Fische. Einmal mehr war ihm Hermine äußerst dankbar, daß er diese Aufgabe für sie erledigte, und versprach ihm zum Ausgleich eine kleine, leicht erotische Massage, die er am Abend von ihr erhalten würde.

Beim Abendessen erzählte vor allem Katie viel von ihrer Prüfung, während Cho mit William ein wenig abseits saß; es schien so, als ob sie die wenige verbliebene Zeit mit ihm genießen wollte.

»Du hast tatsächlich recht behalten«, sagte Harry zu Hermine und zeigte auf William und Cho.

»Ich weiß«, sagte sie nur und grinste ihn an.

»Andere mögen dich eine Besserwisserin nennen – aber ich liebe dich dafür!« sagte er scherzend und küßte sie.

»Das ist wirklich lieb von dir«, erwiderte sie und nahm einen Bissen von ihren Kartoffelpuffern.

»Ich glaube, in Zaubertränke war ich überraschend gut. Snapes Prüfung war leichter, als ich dachte«, hörte Harry von Katie und stutzte einen Moment.

Wieder überraschend für Snape, dachte er und schaufelte sich noch einen Klecks Apfelmus auf seinen Teller. Snapes Entwicklung war für ihn nun nicht mehr zu übersehen, auch wenn es die meisten noch nicht begriffen hatten – und er selbst vielleicht auch nicht.

Obwohl die UTZ-Prüfung leichter als erwartet gewesen war, zog Snape in Harrys Klasse die Daumenschrauben weiter an. Die Doppelstunde am nächsten Tag war der blanke Horror, und Harrys Trank war nach langer Zeit wieder einmal ein wenig mißlungen. Er und die anderen mußten einen Heiltrank zubereiten, der speziell gegen den Biß einer talavera monticola helfen sollte. Dabei handelte es sich um eine winzige, aber extrem gefährliche Spinnenart, welche häufig in Osteuropa anzutreffen ist und die auch schon Auroren und Ordensmitglieder angegriffen hatte.

»Der Trank benötigt normalerweise etwa fünf Stunden, um gebraut zu werden; doch wenn man gewisse Kompromisse eingeht, kann man ihn in ungefähr hundert Minuten brauen«, hatte Snape zu Beginn der Stunde gesagt.

Was er nicht gesagt hatte, war, daß die Zubereitung in dieser kurzen Zeit totalen Streß bedeutete, dem Harry an diesem Tage einfach nicht gewachsen war. Er hatte so wenig Zeit, die Anweisungen zu lesen, daß er zwei der über neunzig Schritte einfach übersprungen hatte. Auch die meisten anderen waren nicht besonders erfolgreich, so daß am Ende nur drei Tränke fehlerfrei waren.

Hermine, Neville und Blaise Zabini hatten dafür je zehn Punkte kassiert, und die anderen bekamen eine kleine Sonderhausaufgabe, um sie anzuspornen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Beim Abendessen beichtete Neville augenzwinkernd, daß er nur durch puren Zufall den Trank hinbekommen hatte, da er einmal versehentlich Galgokraut genommen hatte, als er eigentlich Vukukraut hatte hinzugeben wollen, was erst im nächsten Schritt an der Reihe gewesen wäre. Das war für Harry zumindest ein kleiner Trost, auch wenn es ihm nichts mehr nutzte.

Auf dem Weg zurück zum Gemeinschaftsraum schlug Pansy dann das erste Mal zu. Harry und Hermine waren alleine die Treppen hinaufgeschlendert, als ihnen Pansy mit vier Handlangern auflauerte und Harry sich ein blaues Auge und Hermine sich eine gebrochene Nase einfingen. Normalerweise wäre das ein Grund genug gewesen, Parkinson jetzt richtig fertigzumachen, doch ließ er sie einmal damit durchkommen, weil Hermine ihr zuvor auch eine verpaßt hatte. Damit waren die beiden jetzt quitt. Sollte sie seine Freundin allerdings erneut angreifen, würde er keine Rücksicht mehr nehmen.

Umgehend brachte Harry seine Freundin auf den Krankenflügel, und Madam Pomfrey verarztete beide sofort. »Nun erzählen Sie endlich, was passiert ist«, forderte sie nun schon zum dritten Male und brachte Harry einen eingeweichten Umschlag, den er auf sein Auge halten sollte, während sie sich Hermines Nase ansah.

»Wir sind … ineinandergelaufen«, erwiderte Harry und sah mit seinem anderen Auge Hermine scharf an, die von Madam Pomfrey eine Salbe auf die Nase geschmiert bekam.

»Ich bezweifle doch sehr, daß Sie sich dabei die Nase so schlimm brechen könnte«, erwiderte Madam Pomfrey mißtrauisch und reinigte mit einem Wink ihres Zauberstabes Hermines Umhang vom Blut.

»Das brennt«, schrie Hermine auf. Harry konnte sehen, wie ihre Nase allmählich heilte.

»Das muß so sein, und ist auch gleich vorbei«, beschwichtigte Madam Pomfrey sie, nahm Harry den Umschlag ab und reichte ihm einen Spiegel. Nervös blickte er hinein; aber alles sah so aus, als ob nichts gewesen wäre.

»Es ist so passiert, wie Harry gesagt hat«, versicherte Hermine und tastete ihre Nase ab.

»Schön … wenn Sie dabei bleiben, dann kann ich nichts machen«, meinte Madam Pomfrey und brachte ihre Arbeitsutensilien zurück, bis sie nach einer Minute wiederkam. »Sie können dann gehen. Bis zum nächsten Mal, meine Lieben.«

Harry stand auf, schnappte sich Hermines Hand und zog sie aus dem Krankenflügel.

»Warum haben wir nichts gesagt?«, fragte Hermine und sah Harry an.

»Das war noch viel zu harmlos. Deswegen fliegt sie nie von der Schule. Wir müssen abwarten, bis sie was Schlimmeres macht.«

Sie sah leicht verwirrt aus. »Ich verstehe nicht, wie du das genau meinst?«

»Ich habe mir gerade gedacht: Wenn wir uns schon von ihr angreifen lassen, dann müssen wir sie damit auch von der Schule fliegen lassen. Wenn wir uns zu früh beschweren, dann kriegt sie nur eine kleine Strafe und hört vielleicht damit auf – dann haben wir aber nichts gewonnen. Wenn wir lange genug durchhalten, dann fliegt sie, dann sind wir sie endgültig los!« Harry lächelte unsicher. Ein wenig merkwürdig schien ihm sein eigener Plan schon zu klingen.

»Und was ist, wenn sie einen von uns … tötet?« fragte sie zögerlich.

Sein unsicheres Lächeln verschwand. »Ich hoffe inständig, daß sie sich nur langsam steigert.« Tatsächlich konnte er nicht mehr, als genau darauf zu vertrauen.

Der Überfall von Parkinson hatte in ihm diese Hoffnung weiter genährt, da er ausgesprochen harmlos verlaufen war und nur zehn Minuten leichte Schmerzen bedeutet hatte. Trotzdem wurmte es ihn, daß Hermine da mit hineingezogen worden war; dies war die einzige Sache, die ihn nachdenklich stimmte. Gedankenverloren nannte er der fetten Dame das Paßwort und betrat mit Hermine den Gemeinschaftsraum.

»Wo wart ihr?« erkundigte sich Ron bei ihnen, kaum daß sie durch das Loch gestiegen waren.

»Krankenflügel. Pansy hat heute zurückgeschlagen«, erwiderte Harry. Rons sah nervös aus.

»Was ist passiert?« fragte Neville, der eher wütend aussah.

»Sie haben uns aufgelauert. Zwei Slytherins hielten mich fest, während mir der dritte voll aufs Auge schlug. Hermine wurde von einem weiteren festgehalten. Die waren alle aus ihrer Quidditch-Mannschaft. Jedenfalls hat Parkinson Hermine dann noch die Nase gebrochen«, berichtete Harry und ging schnurstracks in seinen Schlafsaal, ohne irgendwelche Kommentare abzuwarten. Als er drei Minuten später wieder herunterkam, hatte er sich die Schulsachen geholt, die er gleich in der Bibliothek brauchen würde.

»Wir haben beschlossen, daß das Miststück dafür bezahlen wird«, teilte Ron ihm mit.

Harry war überrascht. »Find' ich echt nett von euch, doch wir werden nichts dergleichen unternehmen.«

Ron blickte ihn fassungslos an. »Das kannst du dir nicht gefallen lassen.«

»Doch, genau das habe ich vor. Ich denke, sie wird die Gemeinheit ihrer Angriffe langsam weiter steigern, und erst wenn der richtige Punkt gekommen ist, werden wir sie melden«, antwortete Harry ruhig und griff Hermines Hand, die ebenfalls soeben aus ihrem Schlafsaal zurückgekommen war.

»Erzählst du ihnen gerade von deinem Plan?« fragte sie skeptisch, während sie ihn langsam Richtung Ausgang schob.

»Du willst sie erst melden, wenn du halb tot bist?« fragte Ron und blickte ihn verständnislos an.

»Genau das. Dann fliegt Pansy dafür, und wir sind sie für immer los. Wenn wir uns zu früh wehren, dann hört sie vielleicht doch noch auf und kommt mit einer mäßigen Strafe davon«, erwiderte Harry und drehte sich noch mal zu Ron um. »Wir sind im DA-Raum und arbeiten ein wenig an Hermines Schild. In einer Stunde treffen wir uns in der Bibliothek.«

Gemeinsam verließen sie den Gemeinschaftsraum und beeilten sich ein wenig auf ihrem Weg in den vierten Stock, da ihm ein Angriff pro Tag ausreichte. Im DA-Raum versuchte Harry viermal, auf Hermine den Imperius-Fluch anzuwenden. Er selbst sprach zum ersten Mal in seinem Leben einen Unverzeihlichen Fluch, und das wollten sie lieber nur allein machen, weshalb sie sich erst danach mit den anderen treffen wollten. Ihr Schild hatte ohne Probleme gehalten, wobei sich Harry nicht sicher war, ob es an seinem schwachen Zauber oder an ihrem starken Schild gelegen hatte.

Als sie eine Stunde später in der Bibliothek angekommen waren, wartete Ron schon mit den anderen auf sie. »Hat alles geklappt?«

»Eigentlich schon, aber ganz sicher sind wir uns nicht«, antwortete Harry und setzte sich zu Ron und Luna an den Tisch. Neben ihm nahm Hermine Platz.

Diesen ganzen Abend lernten sie ausschließlich für die Schule und erledigten diverse Hausaufgaben, unter anderem auch die Arbeit für Professor Snape. Später am Abend bekam er von Hermine noch eine kleine hocherotische Massage und schlief so gut wie selten.

Die nächsten beiden Abende waren dem DA-Training gewidmet, und Harry intensivierte mit seiner Gruppe am Donnerstag das Schildtraining. Zum ersten Mal überhaupt versuchten sie auch mehrere verschiedene Schilde auf nur eine Person anzuwenden. Dies klappte zwar – im Gegensatz zum Versuch, mehrere gleiche Schilde auf ein Ziel zu zaubern –, doch so richtig war Harry noch nicht damit zufrieden. Der Hellporar-Schild und der Weltum-Schild störten sich gegenseitig und waren deshalb zu schwach, um effektiv eingesetzt werden zu können.

»So geht das nicht«, sagte er schließlich und setzte sich an den Tisch, »Ich werde mich noch mal mit der Theorie befassen müssen.« Ein wenig hilflos sah er Hermine an. Ziel war es gewesen, Unverzeihliche Flüche gezielt zu reflektieren und damit die besten Eigenschaften beider Schilde zu kombinieren.

»Bleib locker, Harry, wir schaffen das«, munterte Ron ihn auf, und so trainierten sie doch noch eine weitere ganze Stunde, ohne irgendwelche Fortschritte zu machen. Schließlich gab Harry um halb zehn auf und schickte alle in ihre Räume zurück.

Gemeinsam mit Hermine verließ er als letztes den DA-Raum und schlenderte mit ihr hoch in die Eulerei, um wieder einmal Hedwig zu besuchen. Ihr ging es gut, und sie freute sich sehr über den seltenen Besuch. Die beiden verbrachten fast eine halbe Stunde bei Harrys Eule und verwöhnten sie mit Streicheleinheiten und Leckereien.

Auf dem Rückweg liefen sie Parkinson voll in die Arme. Sie schien jetzt näher am Turm der Gryffindors zu lauern, um die beiden leichter finden zu können. Wieder bezog Harry kräftig Prügel, und Hermine mußte hilflos dabei zusehen. Er war sehr froh, daß Parkinson Hermine diesmal in Ruhe ließ und wehrte sich deshalb kein bißchen.

»Die nächste Abreibung wird schlimmer!« feixte Malfoys Ex-Freundin und schlenderte lachend mit ihren Verbündeten davon.

Hermine stürzte sich auf den am Boden liegenden Harry.

»Es geht schon«, erwiderte dieser hustend und wunderte sich sehr, daß sie ihn nicht einfach verhext hatten. Das wäre viel leichter und das Ergebnis wäre viel schlimmer gewesen, aber anscheinend machte es ihnen auch so schon genug Spaß.

»Wir müssen dich in den Krankenflügel bringen«, beschloß sie, und ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.

Den ganzen Weg über mußte sie ihn stützen. Madam Pomfrey war nicht sehr erfreut, Harry schon wieder zu sehen, und wollte auch seine billigen Ausreden nicht glauben. Trotzdem blieb er bei seiner Aussage, und so konnte sie nichts weiter tun, als seine Wunden zu versorgen und ihn wieder fit zu machen.

Die nächsten Tage ging es munter so weiter. Madam Pomfrey war inzwischen schon ziemlich sauer auf Harry und mußte überredet werden, ihm überhaupt zu helfen. Erst am Sonntag, den vierten Mai ließ ihn Parkinson zumindest einen Tag lang verschnaufen, da Minister Fudge zum Abendessen erwartet wurde, um die UTZ-Ergebnisse zu verkünden.

»Ich freue mich sehr, euch mitteilen zu können«, verkündete Fudge vor der versammelten Schule, »daß alle Siebtkläßler, die an den vorgezogenen Prüfungen teilgenommen haben, diese auch bestanden haben – und sechzehn davon sogar mit Auszeichnung. Morgen früh werden sie abreisen und in London in einem vorbereiteten Quartier in der Nähe des Ministeriums ihre vorläufige Unterkunft beziehen. Es beginnt anschließend sofort die Einteilung in die Abteilungen, je nach speziellen Fähigkeiten und Vorlieben.«

Alle, bis auf Angus Murtaghur und seine Clique, fingen laut an zu jubeln, während Cho, Katie und auch etliche andere dabei um die Wette strahlten.

Nach dem herrlichen Mahl wollte Harry eigentlich in den Gemeinschaftsraum gehen, doch plötzlich stand Cho hinter ihm. »Harry, kann ich dich bitte mal unter vier Augen sprechen?« fragte sie und warf dabei einen merkwürdigen Blick auf Hermine. Diese ließ zögerlich Harrys Hand los und gab ihm einen Kuß auf die Wange.

»Wir sehen uns gleich oben«, meinte sie und lief schon vor.

Umgehend griff Cho sein Handgelenk und zog ihn aus der Großen Halle. Sie orientierte sich kurz, und Harry zeigte mit seiner anderen Hand in den Korridor, der zu Klassenzimmer elf führte.

»Wenn du ungestört sein willst, können wir da rein«, sagte er, als sie an der Tür ankamen. Cho öffnete sie, und Harry folgte ihr in den Wald. Es war für ihn ein komisches Gefühl, hier mit Cho zu sein, an dem Ort, an dem er seine Unschuld verloren hatte, an die Frau, die er über alles liebte. »Was möchtest du mit mir bereden?«

Sie schaute überaus nervös umher. »Ich … ich werde ja morgen gehen und … ich weiß nicht, was mich erwartet … vielleicht sterbe ich schon bald und …«

»Du stirbst nicht. Red doch nicht so einen Unsinn«, unterbrach Harry sie und sah ihr tief in die Augen. Sie blickte zu Boden.

»Das weißt du nicht sicher … es kann doch jederzeit passieren. Es sind schon so viele umgekommen, und vorher … muß ich dir unbedingt noch was sagen.« Mit jedem Wort klang ihre Stimme brüchiger.

»Wenn es William verletzt, dann bitte ich dich, es nicht zu tun«, erwiderte er und sah sie ernst an. Er hatte ein ungutes Gefühl und konnte sich nur zu gut vorstellen, was sie ihm sagen wollte. Es ist unpassend, mit ihr hierzusein; das ist nicht gut, dachte er.

»Doch, ich muß es dir sagen … ich … ich liebe William … aber mit dir ist es anders, dich liebe ich noch mehr!«

Plötzlich fiel sie ihm um den Hals und versuchte ihn zu küssen. Harry war so perplex, daß er keinen Widerstand leisten konnte und sie einfach gewähren ließ. Zehn Sekunden lang küßte sie ihn mehr als leidenschaftlich, doch er tat nichts, um ihr eine positive Rückmeldung zu geben. Als sie von ihm abließ, sah sie sehr verschreckt aus.

»Du … liebst mich nicht? – Aber sie liebst du?« stammelte sie wie ein Häufchen Elend und begann zu weinen.

»Es tut mir wirklich leid. Aber was soll ich sagen … ich mag dich wirklich sehr … aber habe dich nie wirklich geliebt«, erwiderte er und nahm sie in den Arm. »Ich habe mal gedacht, es wäre so, doch als mir klar wurde, daß ich Hermine schon seit Jahren liebe … da verstand ich erst, was Liebe wirklich ist … Ich hab' zwar gemerkt, daß du noch etwas für mich empfindest, doch ich dachte … William bringt dich auf andere Gedanken.«

»Ich … ja … das hat er auch … ich liebe ihn ja, aber du … du … wirst immer meine wahre Liebe sein. Bitte schlaf mit mir, ich beweise dir, daß du mich auch liebst.« Sie weinte heftig und konnte nicht damit aufhören.

»Das geht nicht. Außerdem kann ich nicht deine wahre Liebe sein, da sie immer auf Gegenseitigkeit beruht.«

Sanft streichelte er durch ihr herrlich duftendes Haar. Wenn er ehrlich war, hatte sie noch immer eine große Wirkung auf ihn, und wenn oben im Gemeinschaftsraum nicht Hermine auf ihn warten würde, könnte er sich tatsächlich vorstellen, schwach zu werden. So aber wollte und mußte er das hier und jetzt beenden.

Er sah ihr tief in die Augen. »Vielleicht hätten wir wirklich eine gemeinsame Zukunft haben können, doch dafür ist es zu spät. Die Chance ist vertan, und wenn ich ehrlich bin, dann bereue ich das nicht. Ich empfinde für Hermine heute so viel mehr, als ich mir je hätte vorstellen können, und mit dir … wäre es zwar sicher auch schön gewesen … doch ich glaube niemals so eng, so vollkommen. Ich hoffe, du wirst mit William glücklich, oder findest vielleicht irgendwann jemand anderen, den du wirklich liebst und der dann auch dich aus ganzem Herzen lieben kann, so, wie du es verdienst. Ich kann dir nicht weiterhelfen … mir bleibt nur, dir alles Gute zu wünschen!«

Harry ließ sie langsam los. Schritt für Schritt ging er zurück zur Tür und ließ sie einfach stehen. Sie weinte noch immer heftig und starrte ihm hilflos hinterher.

»Warte bitte!« schluchzte sie flehend. Harry stoppte. »Bitte sag Williams nichts. Wenn ich ihn auch noch verliere … dann weiß ich nicht …«

»Ich sag ihm nichts, ich verspreche es«, entgegnete Harry und öffnete die Tür.

»Ich werde immer auf dich warten«, schluchzte sie noch leise und sah mit an, wie Harry den Raum verließ.

Harry schloß die Tür und rannte los. Er mußte hier einfach weg. Dieser letzte Satz spukte noch in seinem Kopf. Sie hat es einfach nicht begriffen, wird es vielleicht nie begreifen, dachte er und lief, so schnell er konnte, die Treppen nach oben. Er hetzte am Stock zum Gemeinschaftsraum vorbei und merkte es erst einige Sekunden später. Sofort drehte er um und kam zur fetten Dame. Das Paßwort brauchte er nicht mehr zu sagen, da das Bild in diesem Moment zur Seite schwang und Hermine aus dem Loch trat. Sein Herz machte einen Hüpfer, als er sie in seine Arme schloß und sie leidenschaftlich küßte.

»Was wollte sie denn?« fragte Hermine und sah ihn schließlich neugierig an.

»Nicht hier«, wehrte er ab, als zwei Viertkläßler hinter Hermine auftauchten. So ging er mit ihr hoch zum Astronomieturm.

»Also?« fragte Hermine, als sie dort waren. Sie sah nun ein wenig angespannt aus.

»Sie hat mir ihre Liebe gestanden, wollte mit mir schlafen, und dann haben wir uns lange geküßt«, gestand Harry, und statt Eifersucht bemerkte er in Hermines Gesicht sofort eine sanfte Güte, die sie nur ihren engsten Vertrauten gegenüber zeigen konnte.

»Du meinst, sie hat dich geküßt« Sie lächelte, legte ihre Arme um seinen Hals. Sie hatte ihn sofort durchschaut. Zwar hatte er es nicht wirklich beabsichtigt, doch insgeheim hatte er doch auf ein kleines bißchen Eifersucht gehofft. Leider, oder vielleicht auch Gott sei Dank, kannte sie ihn dafür aber viel zu gut.

»Na ja. Ich hab' mich nicht gewehrt – aber ich wollte sie nur nicht wegstoßen. Ich habe ihr gesagt, daß ich nicht sie, sondern nur dich liebe und es immer so bleiben wird«, sagte er mit einem schüchternen Lächeln, und auch ihr Lächeln wurde noch wärmer.

»Dann habe ich mich doch geirrt. Der arme William.«

»Ich mach' mir da auch ein paar Sorgen. Sie liebt ihn zwar auch – nur nicht so wie mich. Ich verstehe das zwar nicht, aber das muß ich ja auch nicht. Ich darf ihm aber nichts sagen; sie hat Angst, ihn ebenfalls zu verlieren.«

»Cho ist eine komplizierte Person«, stellte Hermine fest. Sie küßten sich, während er ihre Hüften umschlang und sie näher an sich heranzog.

»Ich hoffe, sie kommt klar. Würde mir wirklich weh tun, wenn … Aber am Ende redet sie plötzlich davon, auf mich warten zu wollen. Ich weiß nicht, wie sie sich das vorstellt.«

Sie blickte ihm tief in seine grünen Augen. »Das weiß ich auch nicht. Vielleicht hofft sie insgeheim, es wäre irgendwann aus zwischen uns.«

»Nur der Tod kann uns trennen. Aber wenn wirklich ich es sein sollte, der überlebt, werde ich mich sicher niemals wieder verlieben können«, versicherte Harry und lächelte sie verliebt an.

Hermines Blicke wurden traurig. »Auch wenn es mir weh tut, es zu sagen, doch … das fände ich furchtbar. Ich möchte nur, daß du glücklich bist.«

Harry bemerkte, wie ihre Augen ein wenig feucht wurden. »Wenn du das möchtest, dann bleibst du mindestens die nächsten hundertfünfzig Jahre an meiner Seite.«

Erneut küßten sie sich leidenschaftlich, und damit war das Thema Cho für sie beendet. Auch zu dem anderen verlor Hermine kein Wort mehr, obwohl Harry wußte, was sie meinte. Doch im Augenblick wollte er über so etwas nun wirklich nicht nachdenken.

Am nächsten Morgen fand beim Frühstück die offizielle Verabschiedung statt, und die Siebtkläßler verließen danach Hogwarts mit Ziel London. Insgeheim war Harry ein bißchen neidisch, doch eigentlich auch wieder nicht. Er verabschiedete sich von Katie und den anderen, und auch Cho reichte er zum Abschied die Hand. Sie sah ihn und Hermine die ganze Zeit über merkwürdig an, doch ließ sich Hermine davon nichts anmerken. Die ganze Zeit war William an Chos Seite, schien aber nichts über die Vorkommnisse zu wissen, oder er tat zumindest so. Dies gefiel Harry nicht so recht, doch wollte er sich da nicht einmischen.

Die nächsten Tage wurden für Harry noch schlimmer. Parkinson überfiel ihn viermal in drei Tagen, und langsam war Madam Pomfrey wirklich sauer, daß er sie andauernd belog. Voller Ungeduld fragte sich Harry, wann die Slytherin endlich hart genug zuschlagen würde, so daß er es endlich den Lehrern melden konnte. Ron und vor allem William wollten nicht mehr länger tatenlos zusehen, und Harry konnte sie nur mit Mühe und Not dazu überreden, sich nicht einzumischen.

Hermine kam mit der Situation auch immer schlechter zurecht. Stets mußte sie hilflos mit ansehen, wie Harry zusammengeschlagen wurde, und das konnte sie kaum noch ertragen. Immer wieder mußte Harry sie bitten durchzuhalten, und schließlich gab sie jedes Mal nach, was ihm fast noch mehr weh tat, als sie überhaupt darum bitten zu müssen.

Die ganze nächste Woche über versuchte Ron, jemanden für Katies Position in der Mannschaft zu finden – und das war nicht leicht gewesen. Jeden Tag suchten sie mindestens eine Stunde lang nach geeigneten Leuten und hatten zum Ende der Woche auch jemanden gefunden. Francis Claymore ging in die vierte Klasse und war eine Bekannte von Ginny. Sie war zwar noch ein bißchen klein und schmächtig, konnte aber unglaublich gut fangen und präzise werfen. Ihr fehlte leider die Kraft, um selbst Tore zu erzielen, doch das glich sie mit ihrer Besenbeherrschung aus, und mutig war sie obendrein. In Übereinstimmung mit den anderen beschloß Ron, sie aufzunehmen und es mit ihr auf einen Versuch ankommen zu lassen. Katies vorzeitiger Abgang hatte sie geschwächt, daran bestand kein Zweifel; doch hatte sich Francis zumindest als deutlich begabter präsentiert als die siebzehn anderen Bewerber, und so hatten alle die Hoffnung, im letzten Spiel gegen Slytherin nicht mit heruntergelassenen Hosen dazustehen.

Neben den Problemen, die es mit der Auswahl gab, stand auch diese Woche eindeutig im Zeichen ständiger Übergriffe auf Harry. Die Intensität steigerte sich weiter, und nun wurde er nicht nur zusammengeschlagen, sondern immer auch noch mit einem netten Fluch belegt.

»Sie ist so leicht zu durchschauen«, sagte er am Sonntag zu Hermine, als diese ihn gerade wieder zum Krankenflügel brachte.

»So geht es nicht weiter, Harry«, sagte sie mit Verzweiflung in der Stimme und schleppte ihn bis vor die Tür. Er blutete, seine Augen waren geschwollen, seine Nase gebrochen, und ein Schneidezahn fehlte ihm. Zudem war er verflucht, hatte dadurch unangenehme Pusteln am ganzen Körper und auch in seinem müde aussehenden Gesicht.

»Es muß!« Harrys Kopf fiel auf ihre Schulter, war dieser doch einfach zu schwer, um ihn noch länger oben zu halten.

»Bitte sage Madam Pomfrey heute die Wahrheit«, flehte sie und küßte ihn auf die mit Pusteln verunstalte Wange. Sie hatte Tränen in den Augen, und ihre Stimme zitterte.

Sie liebt dich so sehr, dachte er und wollte ihrem Wunsche schon nachgeben, als Hermine die Tür öffnete und Madam Pomfrey sofort zu ihnen geeilt kam. »Du meine Güte. Jetzt reicht es aber wirklich. Auf der Stelle sagen Sie, wer Sie seit fast zwei Wochen täglich so zurichtet«, befahl Madam Pomfrey, und Harry bemerkte ihren zornigen Ton.

»Das ist allein meine Angelegenheit«, gab er trotzig zurück und beschloß, ihr doch nichts zu sagen. Schließlich wären ansonsten die Qualen der letzten Wochen umsonst gewesen, und das durfte nicht sein.

Kaum hatte er es gesagt, zuckte Hermine zusammen und setzte ihn ein wenig unsanft auf einem Stuhl ab. Sofort schreckte er wieder hoch und stand wacklig auf seinen Beinen, ehe er begriff, daß auch an seinem Hinterteil diese Pusteln waren. »Ich kann nicht sitzen«, sagte er und sah die beiden hilflos an.

»Ich werde die Pusteln und ihren verlorenen Zahn behandeln, aber mit dem anderen werden Sie leben müssen, bis Sie mir sagen, wer das war!« meinte Madam Pomfrey und verschwand.

Sie wollte ihn unter Druck setzen, doch das war Harry egal. Dann würde er sich eben selbst helfen müssen. Nicht umsonst hatte er gelernt, diverse Heiltränke zu brauen, und auch der ein oder andere brauchbare Heilzauber war ihm inzwischen untergekommen. Madam Pomfrey schickte Harry tatsächlich schon nach Minuten wieder weg, als sie ihm gerade zwei Tränke verabreicht hatte. Diese wirkten, wie angekündigt, nur gegen die Pusteln und ersetzten seinen verlorenen Zahn. Mühsam mußte ihn Hermine dann zum Raum der Wünsche schleppen, wo Harry eine Eigenbehandlung beginnen wollte.

»Wenn Ron oder die anderen mich so sehen, schnappen sie sich Parkinson noch heute abend«, erklärte er, und sie nickte nur verständnislos mit dem Kopf.

»Gib doch deinen Plan auf«, flehte sie erneut und blickte ihn bittend an.

»So verstehe doch, das kann ich nicht so leicht«, entgegnete er und wünschte sich einen Raum, in dem man sich ausruhen und ein paar Tränke brauen konnte, die seine Verletzungen heilen würden.

Drinnen ließ er sich auf einen Stuhl fallen und begann sofort mit der Vorbereitung der Zutaten. Seine Hände zitterten vor Schmerz und Anstrengung, so daß es Hermine nicht mehr länger mit ansehen konnte und ihm schließlich dabei half. Der erste Trank war schnell gebraut, und Harry heilte mit einigen Zaubern schon einmal seine kleineren Verletzungen, während er sich anschickte, die komplizierteren Tränke herzustellen. Kurz vor Mitternacht war er halbwegs wiederhergestellt; man sah ihm zumindest nichts mehr an. Er hatte sich mit Hermine ausgesprochen und konnte sie schließlich doch noch davon überzeugen, den Plan fortzusetzen, auch wenn er selbst nicht mehr so wirklich an ihn glaubte.

Auch die nächsten beiden Tage waren fast nicht zu ertragen. Wieder hatte Pansy ihm zweimal aufgelauert, war aber beim letzten Mal gestört worden. Zufällig war Snape vorbeigekommen, und so hatten sie Harry für diesmal laufen lassen müssen.

Dann kam der Mittwoch. Harry und die anderen hatten ein anstrengendes DA-Training gehabt, und da Parkinson ihn an diesem Tag schon erwischt hatte, beschloß er, zusammen mit Hermine seine Hedwig zu besuchen. Gemeinsam gingen sie nach dem Training los und liefen händchenhaltend durch die Korridore. Zu sehr viel mehr Zärtlichkeit waren sie in den letzten beiden Wochen nicht gekommen, und Harry fehlte es sehr. Auch Hermine hatte ihm gestanden, daß sie die ruhigen Minuten zu zweit vermissen würde, da sie ständig nur noch Angst habe, daß Pansy jeden Moment um die Ecke kommen würde. Selbst wenn sie wirklich einmal irgendwo allein waren, schien die Stimmung kaputt zu sein, und mehr als ein paar Küsse waren nicht möglich gewesen.

Gemeinsam liefen sie die Stufen hinauf, und er konnte schon die Eulen hören, als er hinter ihnen Geräusche bemerkte und sich rasch umdrehte. Drei Slytherins waren wie aus dem Nichts aufgetaucht, und alle hatten ihre Zauberstäbe in der Hand. Sein eigener Zauberstab war in seinem Umhang, aber ziehen konnte er ihn jetzt nicht mehr.

»Los, geht weiter«, befahl ein Siebtkläßler, den Harry nicht beim Namen kannte.

»Verzieht euch«, erwiderte er mutig und wußte dabei genau, daß ihm eigentlich keine Wahl blieb, als zu tun, was sie sagten.

»Geht weiter, oder ich verpasse euch gleich hier eine«, sagte ein anderer blonder Siebtkläßler.

Harry kannte ihn nur mit seinem Spitznamen. Alle aus Parkinsons Clique riefen ihn nur Amboß. Nur ungern wollte Harry herausfinden, ob sein Spitzname passend war, und er wunderte sich sehr darüber, daß er heute mit dabei war. Bisher war er noch nie daran beteiligt gewesen, wenn ihn Parkinson und ihre Verbündeten verprügelt hatten, und deshalb glaubte Harry, daß diese Aktion nicht wirklich geplant war. Sie mußten sie zufällig getroffen haben und wollten wohl die Gelegenheit nutzen, ihrem Tag zu einem schöneren Abschluß zu verhelfen. Schließlich ging er doch weiter und erreichte die Eulerei. Dort befand sich zu allem Unglück Pansy Parkinson, die gerade dabei war, einer Eule einen Brief ans Bein zu binden.

»Sieh mal, wen wir gerade getroffen haben«, rief Amboß Parkinson frohlockend zu.

Sie lachte bösartig, während sie ihre Eule davonschickte. »Na sieh mal einer an. Ist ja fast wie Weihnachten. Hier oben haben wir sicher ein wenig ungestörte Zeit zusammen. Da können wir heute ja nachholen, was uns Snape gestern verdorben hat. Ich würde dir ja heute eigentlich nur ungern noch mal eine verpassen, und ich denke, mir fällt da auch gerade schon etwas Besseres ein.« Sie zog ihren Zauberstab, blickte nach oben und sah sich um. »Stupor«, sagte sie plötzlich, und Harry begriff ihre Tat erst in der Sekunde, als Hedwig schon betäubt nach unten stürzte.

»Du Miststück«, schrie er und wollte sich schon auf sie werfen, als Hedwig unten im Stroh aufschlug. Gott sei Dank hatte sie nicht besonders hoch gesessen, und ihr Gefieder half – zusammen mit dem Stroh – den Aufprall ein wenig abzudämpfen. »Laß deine Wut an mir aus, laß meine Eule zufrieden«, sagte Harry fast flehend und sah, wie Parkinson ihren Zauberstab wegsteckte. Sie grinste diabolisch und ging auf Hedwig zu. »Wenn du ihr was tust, bist du dran«, brüllte Harry nun wieder, sie beinahe anspuckend, und ballte angriffslustig die Fäuste.

Langsam hob Parkinson seine Eule auf, die sich noch immer in völliger Stasis befand. »Halt dein Maul, Potter«, sagte sie grinsend. »Heute werde ich zur Abwechslung mal was anderes mit dir probieren. Sieh genau her.«

Harry Zorn war überwältigend; seine Augen wurden langsam rot, und an seiner Schläfe wurde eine dicke Ader sichtbar. Er mußte hilflos mit ansehen, wie Parkinson den Flügel von Hedwig abspreizte.

»Letzte Warnung!« preßte Harry hervor, doch sie lachte nur laut, und ihre Bande stimmte mit ein.

Hermine konnte nicht mehr hinsehen, so fassungslos und verängstigt war sie, doch einer der Slytherins zwang sie dazu, und so mußte auch sie ertragen, was nun folgte.

Parkinson nahm den Flügel in beide Hände.

»Dafür mach ich dich fertig«, schnaubte Harry, innerlich verzweifelnd. Nie hätte er gewollt, daß Hedwig etwas zustößt, nur damit Parkinson von der Schule fliegt.

»Leg dich nicht mit dem Dunklen Lord an, Potter! Du kannst nur verlieren.«

Sie lachte einen Moment und sah ihn dann plötzlich todernst an. Mit einem widerlichen Geräusch brach der Flügel. In den völlig verstörten Augen seiner geliebten Hedwig konnte er genau erkennen, daß sie alles mitbekam.

»Ich mach dich fertig«, schrie er und stürzte sich auf Parkinson. Hermine konnte ihn nicht halten und wäre von ihm beinahe umgerissen worden. Seine Arme ausstreckend, versuchte er ihren Hals zu erreichen, als er etwas Warmes im Rücken spürte. Seine Schritte verlangsamten sich unverzüglich, und er brach bewußtlos zusammen.

Als er wieder aufwachte, kniete Hermine neben ihm und hielt seinen Kopf weinend in ihrem Schoß. »Was ist passiert?« kam es aus Harrys Mund, und erst langsam kam seine Erinnerung an diese widerliche Tat zurück.

»Sie haben dich betäubt. Hedwig lebt! Wir müssen sie zu Hagrid oder Madam Pomfrey bringen«, berichtete sie, ihre Tränen fielen Harry ins Gesicht, und sein ungezügelter Zorn kam zurück. Trotzdem konnte er weiter logisch denken, Hermines Einfluß machte es möglich.

»Wir sollten nicht mehr rausgehen«, sagte er und stand auf. »Wir bringen sie zu Madam Pomfrey!« Harry ging zu seiner Eule und hob sie auf.

Auf dem Weg in den Krankenflügel sagten beide nicht ein Wort, zu sehr hatte sie diese feige Tat geschockt. Das büßt diese dreckige Schlampe, dachte Harry grimmig und öffnete die Tür zum Krankenflügel.

»Madam Pomfrey! Wir brauchen Ihre Hilfe«, rief Hermine, und ihre Stimme klang so verzweifelt, daß Harrys Herz schmerzte.

»Was ist denn los?« fragte sie und kam aus ihrem Büro gestürzt.

»Ihr Flügel ist gebrochen, sie ist durch einen Stupor gelähmt. Ich habe mich nicht getraut, ihn aufzuheben; ich wußte nicht, ob es dann schlimmer für sie ist«, antwortete Harry und gab ihr den verletzten Vogel, dessen linker Flügel in einem widerlichen Winkel abstand.

»Du meine Güte, wie ist das denn passiert?« fragte sie entsetzt.

Harry wußte nicht, was er sagen sollte. Reichte es schon für einen Schulverweis, fragte er sich. Sicher wäre die Strafe ausgesprochen hoch, doch würde sie dafür vielleicht nicht von der Schule fliegen.

Wie in Trance sah er sie an. »Sie wurde angegriffen, wir wissen aber nicht, von wem. Wir hörten den Stupor, und dann rannte jemand weg, und wir fanden nur noch meine Eule«, log Harry, und sein Zorn auf Pansy Parkinson wurde beinahe so groß wie der auf Voldemort. Daß plötzlich jemand hinter ihm stand, hatte er nicht bemerkt.

»Mr. Potter, ich denke, diese Erklärung ist erbärmlich«, schnarrte eine ihm nur zu bekannte Stimme. Langsam drehte er sich um und sah in die schwarz funkelnden Augen Professor Snapes.

»Es ist genau, wie ich gesagt habe«, erwiderte Harry mit fester Stimme, und es kostete ihn große Überwindung, so dreist zu lügen.

»Nun, Miß Granger! Bestätigen Sie die Aussage von Potter? Oder wollen Sie mir vielleicht die Wahrheit sagen?« fragte Snape und sah Hermine durchdringend an.

»Sir … ich … es tut mir leid … es war …« Sie stockte und begann zu weinen. Das brach Harrys Herz, zumindest, was davon noch übrig war. Schon wieder weinte sie und alles nur seinetwegen, er konnte es nicht mehr ertragen.

Snape starrte nun wieder Harry an. »Das reicht mir schon, Miß Granger. Vielleicht wäre ja Potter so nett und klärt mich nun endlich über die Wahrheit auf.«

»Ich … also es ist so. Pansy hat mich die letzten zwei Wochen fast täglich zusammenschlagen lassen, und nun … heute hat sie meine Eule angegriffen und sie erst geschockt und ihr dann feige den Flügel gebrochen.« Zu seiner eigenen Verwunderung war es ein unglaublich erleichterndes Gefühl, welches nun Besitz von ihm ergriff. »Ist schon gut, meine Süße, du brauchst nicht weinen. Es wird alles gut. Ich liebe dich«, flüsterte er und zog Hermine noch näher an sich. Diese erwiderte begierig seine Umarmung und beruhigte sich ein wenig.

Plötzlich räusperte sich Madam Pomfrey, und Harry blickte sich wieder um. »Ihrer Eule wird es bald bessergehen. Sie war sehr aufgeregt und hat auf mich eingepickt, als ich den Zauber aufhob, aber sie hat sich schon wieder beruhigt. Morgen nach der Schule können Sie Ihre Eule besuchen kommen, sie schläft jetzt.«

Snape wandte sich an sie. »Nun, Madam Pomfrey, können Sie Mr. Potters Aussage bestätigen?«

Sie überlegte einen Moment. »Ich kann sie insofern bestätigen, daß er etwa zehn Tage lang regelmäßig meine Dienste in Anspruch nehmen mußte, da er übel zugerichtet wurde. Er hat mir allerdings niemals den Täter nennen wollen.«

Snape starrte wieder Harry an. »Ich muß zugeben, Potter, es imponiert mir ein wenig, daß Sie diese Angelegenheit allein regeln wollten; aber nun wurden Unschuldige mit hineingezogen, damit ist der Spaß für Miß Parkinson vorbei.« In Harry keimte ein klein wenig die Hoffnung, es würde für einen Rausschmiß reichen. »Nennen Sie mir nun noch die anderen Beteiligten, und ich werde allen bis zum Fünfundzwanzigsten Hausarrest erteilen!« Damit war die kleine Hoffnung jäh zerstört. Ich verstehe diesen Mann einfach nicht, dachte Harry bei sich und hielt Hermine noch fester. »Die Namen, Mr. Potter!« Snapes Worte duldeten keinen Widerspruch.

»Der Typ, den sie Amboß nennen, war heute das erste Mal dabei. Dann die beiden Siebtkläßler, die immer bei Angus Murtaghur sind. Die spielen auch Quidditch; ich weiß jetzt nicht, wie die heißen.« Unsicher sah er Hermine an.

»Pritchard und North«, meinte sie, und Harry konnte sehen, wie sie weiter überlegte. »Die anderen beiden, die sonst dabei waren, sind Fünftkläßler und heißen mit Vornamen Steve und … Jason, glaube ich. Sie spielen auch Quidditch.«

»Genau«, bestätigte Harry nickend. Snape verschwand ohne ein weiteres Wort, und so blieb den beiden nur die Möglichkeit, in ihren Gemeinschaftsraum zurückzukehren.

Natürlich erzählten Harry und Hermine ihren Freunden sofort von dem Vorfall, und Ron war kaum noch zu halten; nur mit vereinten Kräften konnten sie ihn überwältigen, und Harry nahm Ron schließlich das Versprechen ab, nichts zu unternehmen, es sei denn aus Notwehr. Als er es Harry genau so versprochen hatte, funkelten Rons Augen. Damit war klar, daß er auf Notwehr spekulierte, um sich an Parkinson rächen zu können, und das konnte ihm Harry nicht wirklich übelnehmen.

Die ganze Sache hatte Harry tief getroffen. Wieder hatte er einen ziemlich dämlichen Plan verfolgt, der gnadenlos gescheitert war. Zwar hatte Pansy nun Hausarrest bekommen, doch Hedwig war brutal mißhandelt worden. Wieder hatte ein Unschuldiger leiden müssen. Wieder hätte er beinahe ein Leben auf dem Gewissen gehabt. Was aber hätte er getan, wenn Parkinson sie wirklich umgebracht hätte? Über diese Frage grübelte er noch lange in seinem Bett, ehe er weit nach Mitternacht endlich seinen Schlaf fand.