Disclaimer: Nichts an dieser Geschichte gehört mir, außer dem generellen Plot und ein paar unbedeutenden Namen. Alle originalen Charaktere und Schauplätze, die aus dem HP-Universum entnommen sind, gehören J. K. Rowling oder Warner Bros. oder wem auch immer. Ich mache damit kein Geld.
Kapitel 18 – Verantwortung / Brief / Träume
Die nächste Zeit war für Harry äußerst angenehm. Parkinson und ihre fünf Helfer hatten tatsächlich Hausarrest erhalten und durften nicht einmal in den Unterricht oder zum Essen gehen. Beim Mittagessen warfen ihnen die Verbliebenen der Parkinson-Clique böse Blicke zu, doch davon ließ sich Harry nicht die Laune verderben. Zwar hatte er sein Ziel nicht erreicht, doch dies mußte er und konnte es schließlich auch akzeptieren. Er besuchte natürlich Hedwig auf dem Krankenflügel, und zu seiner Freunde ging es ihr schon viel besser. Nur zwei Tage später war sie schon wieder in der Eulerei, die nach dem Geschehenen nun gegen den Gebrauch von Zaubersprüchen geschützt worden war.
Entspannt verbrachte er auch wieder mehr Zeit allein mit Hermine, weshalb die Stimmung der beiden entsprechend gut war. Freudig hatten ihm William und Gregory berichtet, wie sehr Parkinson und die anderen getobt hatten, und auch das hatte zur guten Stimmung beigetragen. Trotzdem fragte sich Harry allmählich, warum Dumbledore nicht endlich wieder auftauchte. Da sich aber die Lehrer völlig ruhig und gelassen verhielten, war er sich ziemlich sicher, daß es ihm gutging.
Auch Voldemort hielt weiterhin die Füße still, und nicht nur Harry war darüber ausgesprochen erleichtert. Selbst im Tagespropheten stand nur belangloses Zeug, so daß Hermine sich nicht einmal die Mühe machte, ihn ausgiebig zu lesen. Sie begnügte sich damit, die Überschriften durchzustöbern, und warf ihn gleich danach in den Müll. Während dieser Tage gab es für Harry auch nicht allzu viele Hausaufgaben, und er erledigte diese so problemlos, daß er sowohl für die DA als auch für Quidditch und Hermine genug Zeit hatte.
Im DA-Training gab es nur wenig Fortschritte. Zwar hatte sich Harry einmal mehr der Schildtheorie gewidmet, doch er fand keine Lösung für ihr Problem. Die gemischten Schilde wollten einfach nicht die nötige Kraft aufbauen, um auch stärkere Flüche gezielt zu reflektieren. Immerhin waren auch die anderen mit ihrem Weltum-Schild zunehmend erfolgreicher, und einige konnten nun schon mehrere Minuten dem Dauerbeschuß mit leichteren Flüchen standhalten.
Mit dem Hellporar-Schild gab es noch immer mehr Schwierigkeiten. Dessen Schildstärke war einzig vom Magielevel des Erzeugers abhängig, so daß nur wenige es schafften, auch ein paar stärkere Flüche zu reflektieren.
Beim Quidditch-Training nahm Ron sie härter ran denn je. Den letzten freien Samstag vor dem Ende von Parkinsons Arrest spielten sie von acht bis vierzehn Uhr und machten dabei nur eine Viertelstunde Mittagspause. Wieder hatte Hermine fleißig mitgezählt und konnte hinterher berichten, daß Harry den Schnatz am Ende erstaunliche einunddreißig Male gefangen hatte.
»Das ist der neue inoffizielle Schulrekord. Der alte lag bei siebenundzwanzig«, verkündete Ron später beim Abendessen und grinste Harry freudig an.
»Das glaub' ich nicht. Ich hab' den neuen Rekord?« fragte Harry ungläubig, während Hermine ihn umarmte.
»Tolle Leistung!« gratulierte ihm Neville, und auch einige der anderen klopften ihm dafür auf den Rücken.
Wenn Sirius es doch nur hätte erleben können, dachte Harry, während ihm im gleichen Augenblick bewußt wurde, daß er das erste Mal seit ewig langer Zeit wieder an ihn gedacht hatte. Zu seinem eigenen Erstaunen entstand in ihm keine Wut oder Enttäuschung und auch keine Trauer. Er fand es einfach nur schade, daß Sirius es nicht mehr erleben konnte. Ich hab' seinen Tod überwunden, dachte er und sah in Hermines lächelndes Gesicht, während sie sich mit Ginny über irgend etwas unterhielt.
Er konnte ihnen einfach nicht richtig zuhören und hörte nur ein Rauschen in seinen Ohren, während ihn eine um Hermine hell strahlende Aura beinahe ein wenig blendete. Ewig starrte er sie einfach nur an, bis sie plötzlich anfing zu zittern. Nein, nicht nur sie zitterte – alles, was er sehen konnte, erzitterte.
Ein Erdbeben, ging es ihm durch den Kopf, als er plötzlich Rons Stimme hörte. »Harry, komm schon«, rief dieser, und allmählich wurde sich der Schwarzhaarige bewußt, daß nicht seine Umgebung zitterte, sondern daß Ron ihn schüttelte.
»Was ist denn?« Harry wandte seinen Blick von Hermine ab und drehte sich langsam zu Ron um.
»Wir wollen deinen Rekord feiern!«
»Geht nicht. Hab' heute abend schon was anderes vor.«
Er wollte sich wieder umdrehen, als Ron an ihm vorbei zu Hermine starrte. »Komm schon … Hermine versteht das sicher!«
Sofort suchte er den Blick von Hermine. »Geh schon, Harry, mach mit deinen Freunden einen drauf. Wir sehen uns morgen. Ich mach' was mit Luna, Ginny und einigen anderen«, versicherte sie und lächelte süß.
»Womit habe ich nur eine solch verständnisvolle Freundin verdient? Ich liebe dich!«
»Kann ich dir nicht sagen. Am besten fragst du sie mal, wenn du das nächste Mal Zeit für sie hast. Übrigens liebt sie dich auch«, erwiderte sie schelmisch, gab ihm einen kurzen, aber sehr zärtlichen Kuß und wandte sich wieder Ginny zu.
Zusammen mit Ron und den anderen rauschte er davon und hatte Spaß wie in alten Zeiten, als keiner von ihnen an Mädchen gedacht hatte und die Freunde das wichtigste waren. Von Fred und George hatte Ron vor nicht allzu langer Zeit ein riesiges Paket mit Produkten aus ihrem Laden erhalten, welches schon gegen elf Uhr komplett leer war. Die fünf Jungen saßen in ihrem Schlafsaal und sprachen über alles, was ihnen in den Sinn kam. Um so später es wurde, um so mehr wurden die Mädchen Thema der Konversation, und langsam wurden die Gespräche auch ein wenig persönlicher. Wäre die Stimmung nicht so entspannt gewesen, hätte er sich schon längst aus der Party ausgeklinkt, doch so beantwortete auch er Fragen, die er sonst immer offengelassen hätte. Auch Dean und Seamus standen Rede und Antwort, und so erfuhr Harry, daß sie mit Conny und Lavender längst dasselbe taten wie er mit Hermine, Ron mit Luna, aber Neville noch nicht mit Ginny. Harry und Ron stutzten, als Neville ihnen erzählt, daß er mit Ginny noch nicht so weit gegangen wäre.
»Ich fühle mich noch nicht soweit. Ginny hat zwar gesagt, daß sie es gerne tun würde, doch ich wollte lieber noch warten. Mir würde es komisch vorkommen … hier im Schloß, ihr wißt schon … Bis jetzt haben wir nur ein bißchen rumgemacht … geknutscht und … na ja, was man halt noch macht«, erzählte er, stellte die siebte leere Flasche Butterbier weg und wandte sie einer noch vollen achten zu.
»Das hätte ich nicht gedacht. Ginny hat mir gegenüber andere Sachen angedeutet«, sagte Ron und nippte an seiner neunten Flasche, während Dean gerade das Zimmer in Richtung Toilette verließ.
»Sie wollte dich nur ärgern. Weil sie wußte, du würdest dich einmischen wollen.«
»Ach Quatsch … ich wollte sie doch auch nur ein bißchen ärgern. Mann, ich bin doch froh, daß sie einen Klassetypen wie dich abgekriegt hat, hätte ja auch Dean werden können«, sagte Ron mit einem Augenzwinkern und klopfte Neville aufmunternd auf die Schulter.
»Danke, bedeutet mir echt viel, daß du so was sagst. Ich dachte immer … ich wär' nicht gut genug für deine Schwester.«
»Wenn du nicht gut genug wärst, dann wäre es keiner für Ron, glaub mir!« warf Harry ein und zwinkerte Neville zu.
Alle außer Ron fingen an zu lachen. »Hey, was soll denn das heißen?« fragte er und schien ein wenig beleidigt.
Harry hörte die Klospülung, und nur Sekunden danach kam Dean von der Toilette zurück und nahm sich die nächste Flasche. »Worüber lacht ihr?«
»Wir lachen darüber, daß Ron wählerischer ist, was die Freunde von Ginny angeht, als sie selbst«, meinte Seamus und fing wie die anderen wieder an zu lachen.
»Haha … ich find' das nicht witzig. Ich mach' mir halt Gedanken über meine Schwester. Ist doch nix schlimmes, oder?«
»Nee, Ron! Ist völlig okay. Ich würde mir auch Sorgen machen, wenn Ginny meine Schwester wäre … aber das ist sie zum Glück nicht«, entgegnete Neville, zwinkerte ihm ungewohnt frech zu und klopfte jetzt aufmunternd auf Rons Schulter.
»Ey, du … paß bloß auf, was du sagst«, warnte Ron, schnappte sich ein Kissen und verpaßte Neville lachend einen Volltreffer.
Nachdem dieser sich sofort zur Wehr setzte und Ron danach aus Versehen Harry traf, begann eine Kissenschlacht epischen Ausmaßes. Eine Stunde später waren alle vor Erschöpfung eingeschlafen, und Dean und Neville waren die einzigen, die es noch bis ins Bett geschafft hatten, während die anderen auf dem Boden nächtigten und dabei vollständig von Federn eingehüllt waren.
Auch der Sonntag verging wieder einmal viel zu schnell. Harry verbrachte den Vormittag in der Bibliothek und lernte, während er den ganzen Nachmittag nur mit Hermine genoß. Dabei wurde ihm erst abends mit einem Schlag bewußt, daß Parkinson am nächsten Tag zurück wäre. Er hatte einige sehr schöne und ruhige Tage verlebt, und nun kamen wieder der Streß und die Sorgen zurück. Auch Hermine war das anzumerken, da sie sich schon nach dem Abendessen verstärkt umblickte, obwohl Parkinson und die anderen auch zu diesem Essen noch nicht aus ihrem Gemeinschaftsraum herausdurften.
Als Harry am Montag aufwachte, ging es ihm nicht besonders gut. Er wußte instinktiv, daß Dumbledore zurück war und sicher schlechte Neuigkeiten hatte. Beim Frühstück bekam er zumindest für seine erste Vermutung die Bestätigung: tatsächlich war Dumbledore anwesend, und auch Parkinson war zurück. Sie starrte Harry die ganze Zeit über mit einem zornigen Gesichtsausdruck an, und er wollte ihr die nächste Zeit lieber so weit wie möglich aus dem Weg gehen. William hatte Harry schon vorgewarnt, daß Pansy sich unbedingt rächen wollte und Angus Murtaghur sie nur mit Mühe davon abhalten konnte.
Da Harry unbedingt Dumbledore sprechen wollte, lief er nach einem hastigen Frühstück nach vorne an den Lehrertisch. Er mußte das Gespräch nicht selbst beginnen, da der Schulleiter ihn sofort begrüßte:
»Guten Morgen, Harry. Ich würde dich gern nach deinem Unterricht um sechzehn Uhr dreißig sprechen. Das Paßwort lautet Wibbelwobbel Schweinespeck.«
»Morgen, Professor, sind es eher gute oder schlechte Neuigkeiten?« fragte er, wobei er den alten Mann nervös ansah.
»Beides«, erwiderte dieser nur, und Harry sah an seinem Gesichtsausdruck, daß es keinen Sinn hatte, weiter zu fragen, weshalb er mit den anderen ganz normal in den Unterricht ging und sich so gut wie möglich zu konzentrieren versuchte.
Auch diesen Tag brachte er erfolgreich hinter sich, und auch sein Zaubertrank war wieder fehlerlos; dies war ansonsten nur noch Hermine und Blaise Zabini gelungen. Wieder bekam seine Freundin dafür zehn Punkte, während er selbst leer ausging, worüber er sich ärgerte. Am liebsten hätte er Snape dafür zur Rede gestellt, doch war er froh, daß er überhaupt Punkte an Gryffindors verteilte. Zudem schien Snape im allgemeinen noch immer ziemlich fair zu sein, was Harry auf keinen Fall aufs Spiel setzen wollte.
Zu Pansy Parkinson hatte Snape noch immer ein mehr als frostiges Verhältnis, und obwohl Harry fand, daß sie viel zu milde bestraft worden war, sah sie es offenbar ganz anders. Nur widerwillig war sie seinen Anweisungen gefolgt, und so war ihr Trank am Ende eine wirkliche Katastrophe gewesen. Ohne Kommentar ließ er ihren Trank einfach verschwinden, und so würde sie für diesen auch keine Bewertung erhalten können. Mit Harry hatte er es einige Male auf die gleiche Art gemacht, doch bei einem Slytherin war es das erstemal.
Am Nachmittag ging Harry mit Hermine, Ron, Luna, Neville und Ginny zu Dumbledore ins Büro. Professor Snape wartete schon, und er machte auch keine Anstalten zu gehen, als Harry und die anderen sich setzten.
»Schön, daß ihr gekommen seid. Es gibt einiges zu besprechen. Zuerst die schlechten Nachrichten. Wir konnten Voldemorts Aufenthaltsort nicht näher bestimmen. Remus' Hinweise sind leider im Sande verlaufen. Auch die beiden Entführungen konnten wir nicht verhindern«, berichtete Dumbledore und sah Harry dabei an. Sofort erinnerte er sich daran, wie er im Ministerium von der möglichen Spur gehört hatte, und war sehr enttäuscht, daß es nicht wie erhofft funktioniert hatte. Nur mit Mühe konnte er seine Enttäuschung zurückhalten und Dumbledore weiter zuhören.
»Aber es gibt auch eine überaus gute Nachricht. Wir haben von den Vampiren tatsächlich einige überaus bedeutsame Hinweise erhalten, welche uns zumindest über die groben Pläne Voldemorts in Kenntnis setzen. Die Vampire haben herausgefunden, daß Voldemort einen Trank mit dem Blut von Harrys Verwandten zu brauen gedenkt. Sie haben einen Teil der Zutatenliste kopieren können, und auf diesem sind etwas über zweitausend Zutaten aufgeführt.«
Dumbledore machte eine Pause und ließ seine Worte erst einmal wirken. Snape war der erste, der sprach:
»Sir, gibt es schon Vermutungen, um welchen Trank es sich handelt?«
»Nein. Um ehrlich zu sein – und jetzt gehen die schlechten Nachrichten weiter –, haben wir nicht die geringste Ahnung, was er mit diesem Trank bezwecken will. Wir wissen, daß die Zubereitung etwa acht Monate in Anspruch nehmen wird und daß es sich um einen wahrhaft gewaltigen Kessel handeln soll, doch viel mehr wissen wir nicht.«
Snape runzelte seine Stirn. »Sir, ich schlage vor, mich vorübergehend aus dem Schuldienst zu entlassen. Ich werde eine Kopie der Zutatenliste benötigen und schlage weiter vor, mich dann mit einigen vertrauenswürdigen Tränkemeistern des Landes zu treffen. Vielleicht wäre es Ihnen möglich, mit dem Ministerium einen geeigneten Ort auszuwählen. Es sollte ein großes Labor vorhanden sein und eine Vielzahl der vom Dunklen Lord benötigten Zutaten. Vielleicht ist es uns möglich, zumindest die Richtung herauszubekommen, in die er strebt.«
»Das findet meine Zustimmung, etwas Ähnliches wollte ich ohnehin selbst vorschlagen.«
Auch Harry hielt es für eine gute Idee, fand es allerdings ermüdend, daß Snape noch immer vom Dunklen Lord sprach und nicht von Voldemort.
»Sir, ich packe sofort und reise noch vor dem Abendessen zum Zaubereiministerium ab. Ich schlage vor, Miß Granger übernimmt einen Teil meiner Stunden und wiederholt mit der sechsten und siebten Klasse den Blablo- und den Niruda-Trank. Die anderen Stunden sollte Professor Flitwick vertreten, ich werde entsprechende Anweisungen hinterlassen.«
Snape stand auf, machte auf der Stelle kehrt und verließ eilig das Büro. Kaum war er draußen, starrten die anderen Hermine an. Dumbledore wandte sich lächelnd zu ihr, indem er Snapes Ausdrucksweise nachzuahmen versuchte:
»Sie haben es gehört, Miß Granger. Bereiten Sie sich also entsprechend vor, ich werde es beim Abendessen verkünden. Kommen wir aber noch mal auf das andere Thema zurück. Habt ihr vielleicht Fragen, die ich beantworten kann?«
Neville durchbrach als erster die Stille. »Sir, wie viele Zutaten wird er insgesamt benötigen?«
»Wir haben, wie gesagt, nur einen kleinen Teil der Liste in unserem Besitz. Im Augenblick vermuten wir, etwa fünfzehn Prozent zu kennen. Es sollte sich also insgesamt um weit mehr als zehntausend verschiedene Zutaten handeln. Der komplexeste uns bekannte Trank benötigt hingegen nicht mehr als eintausendfünfhundert Zutaten. Was auch immer Voldemort vorhat, es wird gewaltig werden.«
Harry spürte, wie alle außer ihm und dem Schulleiter bei diesen Worten tiefer in ihre Sitze rutschten.
»Professor, wie sicher sind die Informationen … ich meine … könnte es sich dabei nicht um eine Finte handeln?« fragte Hermine; auch Harry war schon ein solcher Gedanke gekommen.
»Die Informationen sind, soweit wir es einschätzen können, sehr zuverlässig. Remus würde für sie seine Hand ins Feuer legen; ich hoffe, euch genügt diese Antwort, denn ich möchte euch nur ungern mehr erzählen.«
»Können wir verhindern, daß er alle benötigten Zutaten bekommt?« erkundigte sich Luna, und für Harry war das eine grandiose Idee.
»Diese Frage muß ich zu meinem Bedauern verneinen. Die Zutaten, von denen wir wissen, daß er sie benötigt, hat er bereits in seinem Besitz – bis auf eine natürlich. Bei den anderen haben wir nur geringe Chancen, es zu verhindern. Die Gesamtzahl aller uns bekannten Zutaten, die in Zaubertränken Verwendung finden, beläuft sich auf beinahe eine halbe Million, und wir wissen ja nicht, welche davon er sich beschaffen muß. Ich fürchte, deine an sich gute Idee ist nicht umzusetzen.«
»Kommen wir auf meine Vertretung für Professor Snape zurück, Sir«, meinte Hermine. »Ich meine, ich kann das wirklich nicht.«
Dumbledore lächelte. »Meine Liebe, wenn es überhaupt ein Schüler kann, dann bist du es!«
Harry fing ebenfalls an zu lächeln. Der alte Mann hatte recht, dachte er, während er seinen Arm um ihre Schultern legte. Hermine war in Zaubertränke stets die Beste gewesen; selbst die schwierigsten Tränke gelangen ihr immer fehlerfrei, und Snape gab ihr mittlerweile dafür sogar Hauspunkte.
»Du schaffst das schon«, versicherte er, doch sie schien davon nicht überzeugt. Sie wirkte nervös und rutschte auf ihrem Stuhl unsicher hin und her.
»Sir, ich fühle mich sehr unwohl dabei, ältere Schüler zu unterrichten.«
Harry konnte es sogar ein bißchen verstehen. »Für die DA machst du doch nichts anderes«, warf er ein, doch auch das schien sie nicht zu überzeugen.
»In der DA sind auch nur Freiwillige. Parkinson und ihr Anhang sind auch nicht dabei, und außerdem mache ich es da nicht alleine«, erwiderte sie und sah ihn verlegen an.
»Hermine«, begann Dumbledore sanft und sah sie lächelnd an. Langsam beruhigte sie sich allein durch diesen Blick. Er öffnete seine Schublade und holte zwei Dinge hervor, wovon eines ein kleines Kästchen war, welches er öffnete.
»Der Zeitumkehrer«, sagte Hermine beinahe mit Erfurcht und sah Dumbledore ernst an.
»Ja, meine Liebe. Ich habe ihn hierbehalten, und er wird es dir ermöglichen, Professor Snapes Unterricht zu leiten und trotzdem deinen eigenen Unterricht nicht zu versäumen. Ich bitte dich, ihn genauso sorgsam zu verwenden wie beim letztenmal. Ich denke, an die Regeln brauche ich dich nicht noch einmal zu erinnern. Das zweite ist Professor Snapes Stundenplan.« Er schloß das Kästchen und schob es zusammen mit dem Plan hinüber zu Hermine. Alle bis auf Harry und Ron starrten fasziniert den Zeitumkehrer an.
Instinktiv war sich Harry sicher, daß jede Menge Fragen gestellt werden würden, kaum daß sie den Raum verlassen würden. Hermine steckte beides in ihren Umhang.
»Sir, ich bin noch immer nicht sicher, daß ich auch jemanden wie Pansy Parkinson angemessen unterrichten kann«, sagte Hermine und drückte es damit äußerst höflich aus.
»Ich weiß wirklich nicht, warum du zweifelst, ich habe vollstes Vertrauen zu dir«, erwiderte der alte Mann, noch immer lächelnd.
»Professor, kann ich Ihnen noch eine kurze Frage stellen, die nichts mit diesem Thema zu tun hat?« fragte Harry.
»Natürlich. Was möchtest du wissen?«
»Gibt es schon Fortschritte bei den Schildzaubern? Ich meine, das Ministerium wollte doch auf diesem Gebiet forschen.«
Dumbledores Mine verfinsterte sich ein wenig, und auf seiner Stirn bildeten sich Falten. »Leider kann ich dir da noch nichts Neues mitteilen. Die Versuche laufen noch, doch im Moment sind die Erfolge äußerst beschränkt. Wir müssen Geduld haben.«
»Ich habe ja Geduld, doch diese Schilde könnten unser größter Trumpf werden.«
»Das weiß ich wohl, aber diese Sache ist bei weitem komplexer, als ich zuerst vermutet hatte. Mehr kann ich im Augenblick dazu nicht sagen. Ihr könnt dann gehen. Ich schätze, einige der hier Anwesenden möchten nur zu gern ihre Fragen über den Zeitumkehrer loswerden«, meinte Dumbledore schmunzelnd und erhob sich.
Damit mußte sich Harry wohl oder übel zufrieden geben, schwor sich aber, das Thema später zu geeigneterer Zeit noch einmal anzuschneiden. Für ihn war es einfach nur unverständlich, daß er mehr Erfolg hatte als all die Experten des Ministeriums und auch als Dumbledore. Auch die anderen standen auf, und schließlich führte Harry sie hinaus.
»Gehen wir in den DA-Raum, da können wir alles besprechen«, schlug er vor, und tatsächlich schafften es Ginny, Luna und Neville, solange mit ihren Fragen zu warten, bis Harry die Tür zum Raum geschlossen hatte. Kaum war dies geschehen, legte Luna los:
»Was ist ein Zeitumkehrer? Wann hattest du ihn schon mal? Wie funktioniert er? Was für Regeln meinte Dumbledore? Wofür hast du ihn gebraucht?«
»Langsam, langsam«, lachte Hermine. Alle setzten sich an den Tisch. Hermine holte das Kästchen aus ihrem Umhang, stellte es auf den Tisch und öffnete es. »Das ist ein Zeitumkehrer. Wenn man ihn um den Hals trägt, kann man mit ihm in der Zeit zurückreisen. Man muß das Stundenglas drehen, und jede Umdrehung steht für eine Stunde, die man dann zurückreist. Ich hatte ihn in meinem dritten Jahr zum erstenmal, und nur so war es mir möglich, mehrere Fächer gleichzeitig zu belegen. Die Regeln, an welche mich Dumbledore nicht zu erinnern braucht, sind eigentlich ganz einfach, aber doch entscheidend: Man darf keinesfalls seinem eigenem Ich begegnen, und am besten auch niemandem sonst. Dies wird zwar natürlich nicht immer möglich sein, doch darf ich mich auf keinen Fall bei der Benutzung von jemandem beobachten lassen, weil das katastrophale Folgen haben könnte. Es ist also kein ungefährlicher Gegenstand. Es gab in der Vergangenheit viele schlimme Unfälle, und deshalb sind der Besitz und auch die Verwendung strengstens reglementiert.«
Vorsichtig hängte sie sich den Zeitumkehrer um den Hals; dabei sah er neben Harrys Weihnachtsgeschenk nicht mehr ganz so edel aus wie noch vor drei Jahren.
Nevilles Neugier war noch nicht gestillt. »Warum hast du ihn zurückgegeben?«
»Es gab mehrere Gründe. Zum einen war es mir selbst mit Zeitumkehrer zu stressig geworden, und zum anderen hatten Harry und ich mit ihm gerade Sirius gerettet – und das war wirklich riskant gewesen. Ich wollte einfach nicht in Versuchung geraten, ihn häufiger für solche Probleme zu benutzen, da ich ihn eigentlich nur erhalten hatte, um an all meinen schulischen Verpflichtungen teilnehmen zu können. Auch wenn es gut ausging, war es doch illegal und hätte schlimme Folgen haben können.«
Nun wurde Neville noch neugieriger. »Ihr habt mit ihm Sirius Black gerettet?« Er sah sie staunend an.
»Wir hätten es dir schon eher erzählt, doch war es ausdrücklich verboten worden, darüber ein Wort zu verlieren«, erklärte Harry und erzählte schließlich die ganze Geschichte. Vor allem Lunas Augen waren danach so groß, daß Harry schon fast bei ihrem Anblick erschrak.
Sie redeten noch einige Zeit über verschiedene Dinge, und auch Hermine erzählte genauer von ihren Ängsten, was den Unterricht von Professor Snape anging. Sie wollte sich nur ungern vor die Siebtkläßler stellen, vor allem natürlich nicht vor Angus Murtaghur und seinem Anhang, da sie, wenn sie ehrlich war, Angst vor ihm hatte. Zwar sprachen ihr alle Mut zu, doch so recht wollte es nicht funktionieren.
Ein wenig später gingen sie dann zum Essen. Vor allem Hermine war gespannt, was Dumbledore den Schülern erzählen würde und wie die Reaktionen sein würden. Das Essen selbst war wieder vorzüglich, und Dumbledore sprach wie gewohnt erst nach dem Festmahl:
»Nun da für unser leibliches Wohl gesorgt ist, muß ich noch einmal um eure Aufmerksamkeit bitten und euch einige Dinge mitteilen. Wie sicher schon einigen von euch aufgefallen war, ist Professor Snape im Augenblicke nicht anwesend, und er wird auch erst in einigen Tagen zurückkehren, wobei der genaue Zeitpunkt noch nicht feststeht. Für die Klassenstufen eins bis fünf wird Professor Flitwick solange seinen Unterricht übernehmen, und für die Klassenstufen sechs und sieben wird Miß Hermine Granger den Unterricht durchführen. Dies ist eine große Auszeichnung für ihre bisherigen Leistungen und ein Präzedenzfall für Hogwarts. Für die Dauer von Professor Snapes Abwesenheit werden ihr sämtliche Lehrerprivilegien zuerkannt. Dazu gehören auch die Punktevergabe bei außerordentlichen Leistungen und natürlich der Aufenthalt im Lehrerzimmer. Ich bitte darum, sie mit dem ihr gebührenden Respekt zu behandeln, und wünsche ihr dabei viel Erfolg.«
Nach einem Augenblick der Stille begann ein unglaubliches Jubeln in der Großen Halle, worin Harry und die anderen sofort mit einstimmten und das Hermine eine leichte Röte ins Gesicht trieb, was sie unglaublich süß aussehen ließ. Einzig Pansy Parkinson, Angus Murtaghur und ihre Clique schienen absolut nicht begeistert zu sein und starrten grimmig an den Ravenclaw-Tisch, an dem Harry mit ihr saß. Davon ließ er sich aber nicht aus der Ruhe bringen, während Hermine leicht nervös wurde, was sich aber schnell wieder legen sollte.
Den Rest des Abends verbrachte Harry mit Lernen, und Hermine bereitete sich auf den Unterricht vor. Es war schon elf Uhr, als Harry müde das Buch über Schildtheorie zuschlug, welches er wieder einmal studiert hatte. Auch Hermine wollte mit ihren Vorbereitungen Schluß machen. Normalerweise hätten sie nicht solange in der Bibliothek bleiben dürfen, doch mit Hermines neuen Privilegien war das kein Problem.
»Gehen wir ins Bett?« fragte er gähnend und lächelte seine Freundin an.
»Ich hätte da eine nette Idee, aber eigentlich ist das streng verboten«, erwiderte Hermine plötzlich sehr leise und grinste Harry unschuldig an.
»Mhhh … hat mich das je von etwas abgehalten?«
»Nein, und das ist eines der Dinge, die ich so sehr an dir liebe, obwohl ich sie gelegentlich verurteile«, gab Hermine neckisch zurück und deutete mit ihrem Zeigefinger auf ihr Dekolleté.
»Was meinst du?«
Sie sah sich unsicher um. Es waren noch zwei Lehrer in der Bibliothek, und sie wollte es offenbar nicht aussprechen. Wieder zeigte sie auf ihr Dekolleté, und endlich verstand Harry. Er grinste noch breiter als eben und räumte seine Sachen zusammen. »Das ist tatsächlich verboten, doch es ist ein glänzender Einfall«, flüsterte er.
Nur Sekunden später führte er sie im Eiltempo aus der Bibliothek. Da Ron, Luna und die anderen schon gegen halb zehn gegangen waren, konnten sie unbeobachtet zum DA-Raum gehen und wünschten sich zur Abwechslung einmal keinen Übungsraum. Sie betraten ein riesiges Schlafzimmer mit einem großen Bett und einem flackerndem Kamin. Hermine legte ihren Umhang ab und holte den Zeitumkehrer hervor. Harry ging zwei Schritte auf sie zu und ließ sich die Kette von ihr um den Hals legen.
»Eine Stunde?« fragte sie.
Harry lächelte verliebt. »Mach zwei draus«, gab er zurück, und Hermine drehte das Stundenglas.
Schon am nächsten Tag hatte Hermine Unterricht mit der siebten Klasse und erzählte Harry in der Mittagspause ausführlich davon. Da viele im Kurs schon zusammen mit Cho und Katie ihre UTZ-Prüfung gemacht hatten, war dort ein leichtes Übergewicht an Slytherins gegenüber den Gryffindors vorhanden, was es Hermine anfangs nicht leichter gemacht hatte. Sie erzählte, wie sie mit dem Blablo-Trank begonnen hatte und daß sie sich den Niruda-Trank, welcher zweifelsfrei der schwierigere war, für den Freitag aufheben wollte.
Begeistert lauschte Harry ihren Worten. Tatsächlich hatten sich laut ihrer Aussage alle Slytherins vornehm zurückgehalten. Nicht nur zu seiner Überraschung waren ein paar von ihnen sogar von ihr beeindruckt gewesen, zumindest hatten ihr das nach dem Unterricht einige von den Slytherins mitgeteilt, welche weder zu Murtaghur noch zur DA gehörten.
An den nächsten Tagen hatte sie auch mit den anderen Klassen Unterricht, und er merkte, wie sie förmlich darin aufging und es ihr wirklich Spaß machte. Leider war Donnerstag schon Hermines letzter Tag als Lehrerin, und sie gab noch einmal Unterricht in ihrer eigenen Klasse. Da sie die beiden Tränke, die Snape vorgesehen hatte, schon gebraut hatten, wollte Hermine Snape vorgreifen und den Fahrus-Trank brauen. Dieser war ebenfalls mit einem sehr hohen Schwierigkeitsgrad versehen und war normalerweise nicht vor dem Ende des siebten Schuljahres vorgesehen.
Unter Hermines Anleitung ging der Trank allen leicht von der Hand, und am Ende der Stunde hatten alle ein brauchbares Ergebnis, mit zwei Ausnahmen: Pansy Parkinson und Blaise Zabini.
Beide hatten sich wieder strikt geweigert, von einem Schlammblut unterrichtet zu werden, und verbrachten ihre Zeit, wie auch die vier Unterrichtsstunden bei Hermine zuvor, damit, sie einfach nur grimmig anzustarren. Hermine hatte sich dadurch aber nicht aus dem Konzept bringen lassen und beschlossen, es einfach zu ignorieren. Auch zog sie ihnen keine Punkte ab, wie es sicher jeder andere Lehrer getan hatte, wollte sie Bestrafungen doch lieber Professor Snape überlassen. Harry lobte sie auch nach dieser Stunde und mußte zugeben, daß sie für die Lehrtätigkeit wie geschaffen war.
Beim Abendessen gab Hermine ihren besten Freunden einen Plan.
»Wofür ist der?« fragte Ron unsicher.
»Dieser Plan soll es dir ermöglichen, dich optimal auf die Jahresabschlußprüfungen vorzubereiten.«
»Haben wir dieses Jahr nicht schon genug gelernt?« fragte Ron ein wenig mißmutig.
»Hör mal, Ron. Ich zwinge dich nicht, nach meinem Plan vorzugehen. Ich habe mir nur gedacht, daß er dir eine willkommene Hilfe sein könnte. Die Prüfungen sind in weniger als einem Monat, und der Plan ist weit weniger umfangreich, als du vielleicht glauben magst. Du hast in diesem Jahr sowieso schon weit mehr gelernt als in jedem anderen, doch hatte ich geglaubt, du würdest die bestmöglichen Noten erreichen wollen, um zusammen mit Harry Auror zu werden.«
Sie lächelte Ron bei diesen Worten warm an. Ron blickte zu Luna, und diese zwinkerte ihm verschmitzt zu.
»Hast ja recht … wie immer!« gab er sich schließlich geschlagen und warf einen intensiveren Blick auf den Plan.
Auch Harry sah ihn sich näher an und stellte fest, daß er tatsächlich weit weniger umfassend war als der letzte, den Hermine für sie gemacht hatte. Er sah die Themengebiete in den verschiedenen Fächern durch, auf die sie den größten Wert gelegt hatte, und stellte dabei fest, daß er fast alle davon ohne Probleme abrufen konnte. Traditionell hatte er mit Geschichte der Zauberei noch die meisten Schwierigkeiten, aber selbst dort fielen ihm sofort einige wichtige Namen und Daten wieder ein.
»Ist ja wirklich nicht so schlimm«, gab Ron einige Zeit später zu, und steckte den Plan zufrieden in seine Tasche.
Während des Essens unterhielten sie sich noch ein wenig und sprachen vor allem über die bald anstehenden ZAG-Prüfungen von Ginny und Luna. Die Zeit verging dabei wie im Fluge, und kaum war Harrys Teller leer, kam plötzlich Snape mit Schwung in die Große Halle und eilte an ihm und den anderen vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Er war so schnell bei Dumbledore, daß Harry es kaum glauben konnte, und schien unheimlich schlecht gelaunt zu sein.
»Ich wette, er weiß gar nichts«, meinte Neville und blickte Harry grimmig an.
»Oder er weiß etwas, und es ist nichts Gutes«, erwiderte Harry und suchte den Blick von Dumbledore.
Als dieser ihn einige Minuten später direkt ansah und nickte, stand Harry sofort auf und ging zu ihm herüber. Snape setzte sich zur gleichen Zeit an seinen Platz und begann mit dem Essen. So schlimm konnte es also nicht sein, dachte Harry bei sich und sah, wie Snape mit großem Appetit seinen Teller zu leeren begann.
»Komm bitte nachher in mein Büro, so gegen Viertel nach acht«, meinte sein Schulleiter zu ihm, als er bei ihm angekommen war. »Das Paßwort lautet Schokofrosch.«
Während Dumbledore sprach, würgte Snape sein Essen hinunter. So hatte Harry ihn noch nie essen sehen, damit hätte er locker Ron Konkurrenz machen können. »Ich werde dasein«, gab er zur Antwort.
Langsam ging er zurück zu den anderen. Kaum hatte er sich wieder neben Hermine gesetzt, sah er auf seine Uhr. »Wir müssen in fünfundzwanzig Minuten bei Dumbledore im Büro sein. Ich schlage vor, wir bringen vorher noch unsere Sachen weg.«
Die anderen stimmten ihm zu. Dabei bemerkte Ron, wie Luna ihre schwere Tasche vom Boden hochwuchtete. Aufmerksam nahm er ihr die schwere Tasche ab und gab ihr einen Kuß auf die Wange. »Die trag' ich für dich, Schatz.«
Neville wollte da natürlich nicht nachstehen und schnappte sich Ginnys Tasche. Sie lächelte ihn lieb an und gab ihm ebenfalls einen Kuß.
Nun fühlte sich Harry ein wenig in Zugzwang, und Hermine schien das bemerkt zu haben. »Wäre zwar wirklich süß von dir, doch meine Tasche ist längst nicht so schwer, ich möchte lieber deine Hand halten«, kam sie ihm zuvor und griff schon nach ihr. Sie streichelte mit ihrem Daumen über seine Hand und gab ihm einen Kuß. In Harry Bauch tanzten ganze Hundertschaften einen verrückten Tanz, und seltsamerweise lief er rot an.
Ron hatte das sofort bemerkt und fing an zu grinsen. »Was ist mit dir? Langsam solltest du dich doch an ihre Küsse gewöhnt haben.«
»Ähhm … manchmal, da überwältigt mich so ein Gefühl, was ich habe, wenn wir uns küssen«, sagte Harry schüchtern.
Funkelnde braune Augen blickten ihn verliebt an. »Geht mir genauso. Ich hoffe, es bleibt für immer so«, bekräftigte Hermine, und Harry konnte nur zustimmend nicken. Tatsächlich wünschte er sich nicht vieles, doch dies gehörte eindeutig dazu. Er liebte dieses Gefühl ihrer Nähe und wollte es nimmer missen.
Gemeinsam gingen sie schließlich in den Gemeinschaftsraum und lagerten ihre Sachen in einer der Ecken. Dann machten sie sich langsam auf den Weg; Harry war sich sicher, daß Dumbledore nichts dagegen hätte, wenn sie ein paar Minuten eher kämen.
Als er mit den anderen vor Dumbledores Büro stand und gerade klopfen wollte, hörte er von innen plötzlich leise Stimmen.
»Wäre sie wirklich geeignet?« fragte eine weibliche Stimme.
»Wenn jemand dafür prädestiniert ist, dann sie«, bestätigte eine weiche männliche Stimme.
»Ich werde Sie noch härter rannehmen müssen«, drohte eine harte männliche Stimme.
»Das obliegt allein deinem Verantwortungsbereich.«
Harry beschloß zu klopfen.
»Kommt nur herein«, hörte Harry nun etwas lauter, und er öffnete die Tür. Langsam schritten sie hinein, und nicht nur Harry fragte sich, worüber Snape, McGonagall und Dumbledore gesprochen hatten. Sofort war ihm aber auch bewußt, wessen Stimme zu wem gehört hatte.
»Ihr kommt zwar ein wenig früh, doch das macht nichts«, sagte Dumbledore und sorgte mit einem Schwenk für genug Sitzgelegenheiten. »Professor Snape war – wie ihr wißt – damit beschäftigt, einige Nachforschungen anzustellen, aber ich denke, er sollte euch selbst über seine Erkenntnisse informieren.« Dumbledore bildete mit seinen Fingern ein Spitzdach und rutschte tiefer in seinen Stuhl.
Snape räusperte sich und sah nicht sehr begeistert aus, seine Geschichte ein zweites Mal erzählen zu müssen. »Wie ich soeben schon dem Schulleiter mitteilte, war ich in den letzten Tagen mit einigen anerkannten Experten im Ministerium. Dort hatte man uns ein Labor zur Verfügung gestellt, und gemeinsam haben wir versucht, hinter die Pläne des Dunklen Lords zu kommen. Zu meiner eigenen Enttäuschung muß ich eingestehen, daß wir nicht besonders erfolgreich waren. Zwar konnten wir eine grobe Richtung erkennen, doch das wird uns kaum weiterhelfen können.« Snapes Ton klang leicht verächtlich, und jedem der Anwesenden war klar, daß er es unter seiner Würde fand, Harry und den anderen Bericht zu erstatten.
»Welche Richtung ist das?« wagte Neville zu fragen. Snape sah ihn fast böse an.
»Das geht Sie nichts an, Mr. Longbottom«, zischte Snape, und Neville wich erschrocken ein paar Zentimeter zurück.
»Es handelt sich wohl um einen Trank, mit dem sich Voldemort vor etwas schützen kann. Das vermuten wir aber nur und haben auch keine Ahnung, wovor er sich schützen möchte«, beantwortete Dumbledore plötzlich die Frage, und Snapes Augen funkelten ihn umgehend böse an.
»Wir können aber davon ausgehen, daß er sich in irgendeiner Form vor Harry schützen möchte, da er nicht umsonst das Blut seiner Verwandten zu benutzen gedenkt«, sagte Luna überraschend, und selbst Snape und Dumbledore schienen einen Moment über ihren Scharfsinn zu staunen.
»Das haben wir uns auch gedacht, zumindest ziehen wir es in Betracht«, bestätigte Dumbledore. »Mehr an Neuigkeiten gibt es im Moment nicht, aber ich möchte euch bitten, uns dann noch kurz mit Hermine allein zu lassen; wir haben noch etwas mit ihr besprechen. Sollte sie euch später einweihen wollen, so habe ich nichts dagegen.«
Harry sah ihn ungläubig an. Warum auch er gehen sollte, verstand er nicht, doch erhob er sich von seinem Platz. Hermine sah ebenfalls etwas verwirrt aus, sagte aber nichts.
»Wir treffen uns am besten in der Bibliothek. Wir fangen schon mit der Wiederholung für die Jahresprüfungen an, und wir bringen deine Tasche mit«, meinte Harry noch zu ihr, bevor er mit den anderen hinausging.
»Was sie wohl von ihr wollen?« fragte Neville unten.
Harry konnte nur mit den Schultern zucken. »Ich hab' keine Ahnung, aber vielleicht hat es etwas mit dem Gespräch zu tun, welches sie führten, bevor ich klopfte.«
Zusammen holten sie ihre Taschen aus dem Gemeinschaftsraum und suchten sich ein ruhiges Plätzchen ganz hinten in der Bibliothek. An ihrem Stammplatz saß auch Pansy Parkinson, schien aber keine Lust auf eine Konfrontation zu haben. Die Erinnerung an den Hausarrest war wohl einfach noch zu frisch, vermutete Harry und machte sich an die Arbeit. Nur einige Minuten später kam Hermine und schaute ziemlich nachdenklich drein.
»Was war denn?« fragte er sofort.
Hermine setzte sich an den Tisch, ohne zu sprechen.
Eine Ewigkeit starrten sie alle an, bis sie plötzlich aufblickte. »Bevor ich mit allen drüber rede, möchte ich erst ein wenig nachdenken, und dann will ich auch erst noch nur mit Harry reden«, erklärte sie schließlich und nahm die benötigten Unterlagen aus ihrer Tasche.
»Okay, wenn du das so möchtest«, sagte Ron ein kleines bißchen beleidigt, doch als ihn Hermine dankbar anlächelte, hellte sich seine Miene auch schon wieder auf. Dann wandte er sich an Ginny und Luna: »Und was ist mit euch? Kommt ihr klar, oder braucht ihr unsere Hilfe?«
Beide sahen sich einen Augenblick lang an, bevor sie zu grinsen begannen. »Nein, danke! Wir kommen gut klar mit unseren ZAG-Vorbereitungen«, antworteten sie im Chor, als ob sie es einstudiert hätten. Alle fingen an zu lachen und konnten sich nur langsam wieder beruhigen, ehe sie schließlich mit der gebotenen Ernsthaftigkeit ihre Arbeit aufnahmen.
Dank einer Ausnahmegenehmigung konnten sie bis halb elf lernen und wollten dann eigentlich ins Bett, ehe Hermine Harry bat, doch noch kurz zu bleiben, weil sie mit ihm über etwas Wichtiges sprechen wollte. Beide verabschiedeten sich von den anderen und gingen erneut in den DA-Raum.
»Was ist los?« fragte er sie neugierig und setzte sich mit ihr an den Tisch.
Sie sah unsicher aus. »Dumbledore hat mich gefragt, was ich von dem Vorschlag halte, im nächsten Jahr schon die Zehnjährigen für Hogwarts zuzulassen und sie von Schülern unterrichten zu lassen.«
Er lächelte sie stolz an. »An sich keine schlechte Idee, wie ich finde … und du sollst auch unterrichten?«
»Er hat mich dafür tatsächlich im Auge. Ich würde Zaubertränke übernehmen. Ich weiß aber nicht so recht, ob ich dem gewachsen bin.«
Harry griff ihre linke Hand und streichelte sie sanft. »Hermine, hör mir gut zu. Du bist die tollste Lehrerin, die sich die Kleinen nur vorstellen können. Du bist unglaublich klug, verständnisvoll und hast eine tolle Art, jemandem etwas zu erklären. Gibt es denn etwas Wichtigeres?«
»Du hast vielleicht recht, aber ich meine … ich bin selbst noch Schüler, und ich glaube nicht, daß ich es schon so gut kann, wie ich es können müßte«, erwiderte sie, klang immer unsicherer und senkte den Kopf noch tiefer.
»Glaubst du im Ernst, Dumbledore hätte dich gefragt, wenn er es dir nicht zutrauen würde. Sogar Snape hat dir seine beiden Klassen anvertraut. Dabei ist er ein Mensch, der so etwas niemals machen würde, wenn er sich nicht zu hundert Prozent sicher wäre.« Harry griff mit seinem Finger an ihr Kinn und hob sanft ihren Kopf. »Probiere es doch einfach aus. Wenn es wirklich nicht klappt, dann kannst du noch immer aufgeben, und jeder wird es verstehen«, fuhr er fort und küßte sie sanft auf ihre weichen Lippen. Sie schmeckte so gut, daß er sich nur schwer von ihr lösen konnte.
»Wenn du meinst … dann werde ich es Dumbledore so sagen«, beschloß sie und stand auf. »Kommst du mit?«
Er nickte, während er sich ebenfalls erhob. Gemeinsam gingen sie zu Dumbledores Büro zurück und klopften oben an die Tür.
»Immer herein«, kam es von innen, und sie traten ein.
»Oh, Hermine. Ich hätte heute nicht mehr mit dir gerechnet. Ich hoffe, du hast dir genug Zeit zum Nachdenken genommen«, begrüßte Dumbledore sie.
»Ich glaube schon. Wenn ich mich allein hätte entscheiden müssen, wäre meine Antwort ein Nein gewesen, aber Harry ist der Meinung, ich sollte es zumindest versuchen.«
Dumbledore war, während sie sprach, um seinen Schreibtisch herumgekommen und griff ihre Hand. »Ich finde es schön, daß ich auf dich zählen kann.«
»Wer wird die anderen Kurse leiten?« fragte Harry und sah Dumbledore neugierig an. Er wußte nicht, ob er eifersüchtig auf Hermine sein sollte oder ob er froh sein sollte, nicht noch mehr Arbeit aufgehalst zu bekommen.
»Für Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte ich ursprünglich sofort an dich gedacht, was auch ein Grund war, weshalb ich dich die DA weiter leiten ließ, obwohl wir dieses Jahr wieder einen … wie soll ich mich am besten ausdrücken … sehr fähigen Lehrer haben. Bedenke aber, daß dein nächstes Jahr um eine ganze Stufe schwieriger wird. Wenn du trotzdem gern diese Aufgabe übernehmen möchtest – ich würde dich für die Position bevorzugen.«
Harry mußte einen Moment nachdenken, kam aber zum Schluß, daß ihm eine Meute Zehnjähriger, die alle nur auf seine Narbe starren würden, einfach zu viel wäre. »Ich lehne dankend ab. Ich würde gern Ron oder Neville für den Job vorschlagen. Sie sind beide nicht dumm, haben Talent und wären genau richtig dafür. Beide können gut mit Kindern umgehen, wobei Neville weniger aufbrausend ist, er aber für Kräuterkunde natürlich die Idealbesetzung wäre.«
Dumbledore schien sich das durch den Kopf gehen zu lassen und ging zu seinem Stuhl zurück. »Schade, daß du nicht möchtest. Vielleicht kann ich dich ja später doch noch davon überzeugen. Über deinen Vorschlag werde ich auch nachdenken. Fallen euch denn auch für die anderen Fächer geeignete Schüler ein?«
»Kommt darauf an, ob Sie dafür dann nur Siebtkläßler haben wollen.«
»Ich würde das natürlich bevorzugen, aber auch Sechstkläßler kommen in Frage.«
»Ich denke, William ist sehr gut in Verwandlung«, sagte Harry, und Hermine stimmte dem zu.
»Auch über diesen Vorschlag werde ich in Ruhe nachdenken. Noch ist zwar nicht einmal entschieden, es überhaupt so zu machen, aber ich spiele nun schon eine lange Zeit mit dem Gedanken und dachte mir, es könnte kaum schaden, einmal ein paar andere Meinungen einzuholen und zu sehen, wer interessiert sein könnte. Mit dem Unterricht ein wenig früher anzufangen, kann sich als Vorteil erweisen, da wir dadurch sicher ein halbes Jahr für die Schüler gewinnen, welches wir am Ende voll in eine Verteidigungsausbildung investieren könnten. Wenn sie in ihrem ersten Jahr von anderen Schülern unterrichtet würden, wäre der Einstieg auch erheblich sanfter.«
Dumbledore klang überzeugt, und auch Harry gefiel diese Idee immer besser. Zur Mitte der dann achten Klasse würden sie bereits gute Zauberer sein und könnten dann noch einmal ein halbes Jahr nur für ihre Verteidigung lernen. Das wäre viel intensiver als ihr bisheriges DA-Training und genau der richtige Abschluß einer Schullaufbahn – für den Fall, daß Voldemort dann noch immer ein Problem darstellen sollte.
»Sollten euch noch andere Namen einfallen, so laßt mir oder Professor McGonagall doch bitte eine kurze Nachricht zukommen, wobei ich anmerken möchte, daß die Professoren natürlich selbst auch schon Kandidaten im Auge haben und es mich wundern würde, wenn sie mit euren Vorschlägen nicht übereinstimmen sollten.«
Man verabschiedete sich voneinander, und die beiden gingen zurück in den Turm der Gryffindors. Der Gemeinschaftsraum war wie ausgestorben, obwohl es kaum elf Uhr war, und so beschlossen die beiden noch eine halbe Stunde vor dem Feuer zu kuscheln, ehe sie schlafen gehen wollten.
Der Freitag lief für Harry und die anderen problemlos, und auch der Samstag war relativ ruhig. Vormittags spielte er zwei Stunden Quidditch und bereitete sich mit den anderen auf das nahende Spiel gegen Slytherin vor. Nachmittags machte er noch ein paar Hausaufgaben, ehe er für die Abschlußprüfungen lernte und nach dem Abendessen Vorbereitungen für die nächste DA-Sitzung traf.
Sonntags wiederholte sich das Ganze, nur daß er diesmal am Nachmittag Quidditch spielte, da Slytherin den ganzen Vormittag über das Feld mit ihrem Training besetzt hielt. Beim Abendessen berichteten Harrys Spione von einigen Details, die Angus Murtaghur im Spiel verwenden wollte. Wieder einmal basierten viele von ihnen auf zweifelhaften Tricks, was auch viele Fouls beinhaltete, mit denen sie wohl das Spiel gewinnen wollten. Eigentlich hatten sie Harry nicht viel Neues erzählt, doch auf Murtaghurs generelle Taktik, von der noch keiner etwas Genaues wußte, war er äußerst gespannt.
Der Sonntag ging so zu Ende, wie er ihn begonnen hatte, und so lernte Harry auch nach dem Essen wie ein Besessener. Beinahe kam es Hermine so vor, als prügle er das Wissen nur so in sein Gehirn, und sie war nicht so recht überzeugt davon, daß seine Methode funktionieren würde. Aus Gewohnheit lernte sie selbst ein wenig langsamer, arbeitete dabei mehr mit Wiederholungen und lernte auch überaus gezielt, wobei sie sich nicht einfach auf ein Fach konzentrierte, ohne dabei Rücksicht auf andere Fächer zu nehmen, sondern querbeet lernte. Wenn es logische Verknüpfungen zwischen den Fächern gab, über einzelne Dinge, die sie sich einprägen wollte, lernte sie diese zusammen. Harry ging diese Art des Lernens zu langsam; viel lieber ratterte er seine Notizen herunter und stellte sehr häufig ein wenig überrascht fest, daß er fast alles, was er las, schon so gut wie auswendig konnte. Nie zuvor hatte er sich so gut vorbereitet gefühlt.
Als Hermine am Montag nach der Schule einen kleinen Test mit Harry und den anderen durchführte, mußte sie mit Erstaunen feststellen, daß er all ihre Fragen problemlos beantworten konnte. Auch Ron und Neville hatten sich enorm verbessert und standen Harry nur wenig nach, doch hatten die beiden noch immer ihre Achillesfersen. Im Zaubertrankunterricht konnte Ron machen, was er wollte: ab und zu mißlang ihm einfach alles. Nevilles Schwachpunkt war noch immer Verwandlung; Zauber, die er auf sich selbst wirken lassen sollte, wollten ihm nicht wie gewünscht gelingen. Zwar half ihm Ginny, so gut sie nur konnte, doch ab und zu versagte er noch immer völlig.
Zum DA-Treffen am Montagabend, hatte Harry gleich zwei Gäste eingeladen: zum einen Professor Flitwick und dazu erneut Professor McNally, der Harry schon mehrmals dabei geholfen hatte, besonders schwierige Zauber zu erlernen. Diesmal waren die beiden Professoren von Harry eingeladen worden, um mit ihm und den anderen an der Kombination des Weltum- und des Hellporar-Schildes zu arbeiten. Auch mit diesen beiden absoluten Meistern ihres Faches gab es keine wirklich positiven Entwicklungen. Am Ende hatten sie vergeblich versucht, eine Welle von Flüchen abzuwehren, und waren von mehren davon getroffen worden, die Ron und Ginny schließlich wieder aufheben mußten.
Am nächsten Morgen frühstückte Harry mit Hermine am Tisch von Slytherin. Am entgegengesetzten Ende der Tafel saßen Pansy Parkinson, Angus Murtaghur und ihre Clique. Wie gewöhnlich verfolgten sie das inzwischen schon normal gewordene Ritual der Häusermischung mit Abscheu. Da Luna mit Ron noch vor dem Unterricht etwas für ihre ZAG-Prüfung nachschlagen wollte, waren die Plätze Harry gegenüber ziemlich schnell verwaist, und so kamen irgendwann Gregory und William herüber und setzten sich. An William war Chos Abgang nicht spurlos vorübergegangen, doch schrieben sich die beiden täglich Briefe, wie Harry von Gregory erfahren hatte. Kaum wurde es am Tisch allmählich leerer, beugte sich William plötzlich näher heran.
»Pansy hat irgend etwas ganz Großes am Laufen. Sie schreibt ständig Eulen, und ich denke, es hat auf jeden Fall mit dir zu tun«, flüsterte er, und Gregory nickte zustimmend.
Um Mithörer auszuschließen, beugte sich nun auch Harry herüber. »Glaubt ihr wirklich? Wie sicher seid ihr?«
»Wir sind absolut sicher«, erwiderte Gregory leise.
»Habt ihr eine Ahnung, was es ist?« fragte Hermine.
»Leider nicht. Sie spricht meist verschlüsselt darüber. Sagt nur selten etwas wie: ›Das wird Potter sehr überraschen‹, oder so.«
»Meist sprechen sie für uns in Rätseln. Auch keiner unserer Horchposten kann sich darauf einen Reim machen«, ergänzte William.
»Du solltest unbedingt vorsichtig sein, zumindest die nächste Zeit«, riet Gregory, und Harry sah in den Augenwinkeln, wie Hermine nickte.
»Vielleicht sollten wir zu eurem Schutz eine ständige Begleitung arrangieren«, schlug William vor, und wieder schien Hermine stark zu nicken.
»Ich weiß nicht … Mit Leibwache fühle ich mich ungut«, wehrte Harry ab und blickte in Hermines flehende Augen.
»Bitte, Harry«, meinte Hermine zu ihm. »Wenigstens bis zum Spiel. Es sind doch nur noch fünf Tage. Wer weiß, was diese Kuh nun schon wieder vorhat.«
Harry mußte lächeln. »Wenn du es wirklich möchtest.« Ein dankbarer Blick traf ihn. Dann wandte er sich an William: »Dann such fünf aus, die uns ständig folgen – ich meine natürlich zusätzlich zu Ron, Luna, Neville und Ginny.«
William nickte. »Dann bin ich auf jeden Fall dabei. Seit Cho weg ist, hab' ich sowieso viel zuviel Zeit. Zusätzlich würde ich vorschlagen: Dean und Seamus. Die sind ohnehin in deiner Klasse, das macht sich gut. Dann am besten noch Adrian Rigby – der hat viel Zeit – und … Lavender Brown, die ja auch in deiner Klasse ist. Hoffentlich verwirrt sie Seamus nicht zu sehr.«
Postwendend drehten sie sich zu den beiden um, die gerade am Hufflepuff-Tisch saßen und sich verliebt küßten.
»Könnte in der Tat ein Problem sein«, flachste Gregory und grinste ein wenig.
Harry lächelte auch, wurde aber sofort wieder ernster. »Wenn es aber drauf ankommt, sind beide voll da.«
»Dann ist es abgemacht. Ich sage vor allem Adrian Bescheid, der hängt ja immer ein wenig abseits rum.«
Tatsächlich hatte sich Adrian immer ein wenig abgesondert, seit er aus dem St. Mungo zurück war. Zwar war er fraglos noch immer unbedingt bereit, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, doch hatte ihn die Schlacht um Hogwarts verändert. Sein bester Freund Scott Clayborn war bei dem Kampfe gestorben, und obwohl er nie ernsthafte Probleme damit gehabt zu haben schien – oder sie zumindest sehr gut verbergen konnte –, wollte er danach keine wirklich engen Bindungen mehr mit Mitschülern eingehen. Dennoch war auf ihn absolut Verlaß, und deshalb war er auch eine gute Wahl.
Schon beim Mittagessen waren Harrys Leibwächter um ihn versammelt, und nicht nur Adrian war es eine Ehre, Harry zu schützen, wie er sagte. Natürlich konnte er das nur während der Pausen oder in der Freizeit, doch stets war er äußerst wachsam und konzentriert bei der Sache, was auf Seamus und Lavender nur bedingt zutraf. Die beiden knutschten in der Öffentlichkeit soviel wie kein anderes Paar, und schon nach kurzer Zeit war vor allem Adrian davon ein wenig genervt.
»Ihr beiden solltet euch mehr darauf konzentrieren, weshalb ihr hier seid, und nicht darauf, wer dem anderen die Zunge tiefer in den Hals rammen kann«, maulte er am nächsten Morgen beim Frühstück und verdrehte die Augen, als beide ihn angrinsten.
»Such dir eine nette Freundin, und dann will ich, daß du uns das noch mal sagst«, gab Seamus ungerührt zurück.
Lavender brachte das, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gleich auf eine Idee. »Du, ich denke, Susan Bones wäre genau die richtige für dich. Die ist auch eher introvertiert, und ich wette, ihr gäbt ein nettes Paar ab. Sie ist auch schon lange nicht mehr mit Ernie zusammen.« Sie sprach in einem leicht provozierenden Ton, und tatsächlich drehte sich Adrian zu ihr um.
»Sie ist wirklich sehr nett und klug, aber nicht so richtig mein Typ«, erklärte er, wobei sein Gesichtsausdruck mit jedem Wort grimmiger wurde. »Und übrigens … um mein Liebesleben kümmere ich mich selbst. Vergeßt nicht, weshalb wir hier sind. In den nächsten Tagen ist Harry der einzige, an den wir denken sollten.«
Am nächsten Abend wollte Dumbledore mit Harry sprechen. Da Hermine gerade mit Lernen beschäftigt war, beschloß er, seinen Schulleiter allein aufzusuchen. Als er wie immer an die Bürotür klopfte, wartete er darauf, daß Dumbledore ihn hereinbat. Als das auch nach vielen Sekunden noch nicht geschehen war, betrat er ohne Aufforderung das Büro. Dumbledore war nicht da, und auch niemand sonst. Langsam ging er zu dem Stuhl vor dem Schreibtisch und setzte sich. Sehr viele ehemalige Schulleiter waren aus ihren Gemälden verschwunden, während sich der Rest in nur einem einzigen versammelt hatte und leise miteinander flüsterte, was leicht irritierend wirkte. Plötzlich tauchte Dumbledore aus dem Kamin auf und stutzte für einen Moment, als Harry vor Schreck zusammenfuhr.
»Verzeihe meinen überraschenden Auftritt und vor allem meine kleine Verspätung. Ich mußte eben noch wegen einer dringenden Angelegenheit ins Ministerium.« Er setzte sich auf einen Stuhl und bildete ein Spitzdach mit seinen Händen. »Kommen wir gleich zum Thema. In wenigen Tagen findet das Spiel Gryffindor gegen Slytherin statt, und ich mache mir deshalb ernste Sorgen.«
»Sir, Sie wollen es doch nicht etwa absagen?« entfuhr es Harry erschrocken; sofort saß er kerzengerade auf seinem Stuhl.
»Um ehrlich zu sein, habe ich es tatsächlich vorgehabt.«
»Das können Sie doch nicht machen – das Spiel muß stattfinden!«
»Warum muß es das?« fragte Dumbledore überrascht.
»Weil wir gegen Angus Murtaghur antreten müssen. Wir müssen allen zeigen, daß sie nicht unbesiegbar sind. Sir, Slytherin führt im Moment in der Wertung, und sie würden damit den Quidditch-Pokal gewinnen. Das kann ich nur schwer ertragen.« Harry hatte jetzt etwas Flehendes in der Stimme.
»Ich verstehe ja, daß es dir viel bedeutet … Nun gut, wir werden es darauf ankommen lassen.«
»Danke, Sir!« Harrys Augen strahlten sofort wieder, und er erhob sich.
»Ich hoffe, wir werden es nicht bereuen«, bemerkte Dumbledore nachdenklich und stand ebenfalls auf.
»Ich geh' zurück zu Hermine.«
»Moment noch. Ich werde gleich nach Osteuropa abreisen; gibt es doch ein paar neue Entwicklungen, die meiner Nachforschungen bedürfen. Natürlich erfährst du es von mir, falls sich etwas Neues ergeben sollte. Ich werde aber vor dem Spiel zurückkehren. Das will ich um nichts in der Welt versäumen.«
»Alles klar!«
Beim Hinausgehen fiel Harry auf, daß fast alle ehemaligen Schulleiter in ihre eigenen Gemälde zurückgekehrt waren und aufmerksam Dumbledore und ihm gelauscht hatten. Harry fragte sich für einen Moment, was da wohl im Busche war, wollte aber eigentlich gar nicht darüber nachdenken und eilte zurück zu Hermine.
Tatsächlich war Dumbledore am nächsten Morgen nicht anwesend. Harry aß gerade ein Brötchen, als Hermine mit Ron und den anderen über Dumbledores Angebot sprach, welches er ihr am Vorabend gemacht hatte. Alle waren durchweg angetan von der Idee und sprachen sich ebenfalls deutlich dafür aus, daß sie das Angebot nicht ablehnen durfte. Kaum war das Thema beendet, wurde auch schon Hermines Tagesprophet geliefert. Wie immer bezahlte sie die Eule sofort und sah sich die Titelseite an.
»Gibt wohl noch immer nichts Neues«, meinte sie und blätterte weiter durch die Zeitung.
»Voldemort ist mir ein wenig zu ruhig«, bemerkte Harry und beobachtete sie dabei, wie sie die Seiten überflog. Harry merkte nicht, daß eine zweite Eule im Landeanflug war und plötzlich neben ihm auf dem Tisch aufsetzte. Erschrocken zuckte er zurück.
»Wo kommt die plötzlich her?« Er sah auf den Brief, der an ihrem Beine hing. Vorsichtig löste er den Brief und sah sich dabei die prachtvolle und riesige graue Eule an. »Ein herrliches Tier. Der Brief ist für dich, Hermine.« Er reichte ihn ihr.
»Von wem ist der?« mischte Ron sich neugierig ein und kam Harry mit der Frage zuvor.
»Ich weiß nicht? Ich erwarte eigentlich keinen Brief«, erwiderte sie und nahm ihn von Harry entgegen. Sie öffnete den Umschlag und zog den Brief heraus. Sie sah ihn sich einige Sekunden lang an und wurde zunehmend rot. »Er ist von Viktor«, brachte sie nur mühsam heraus, steckte ihn schnell ein und verstaute ihn in ihrer Tasche.
»Viktor? Viktor Krum?« Ron schien seinen Ohren nicht trauen zu wollen, aber Harry ging es genauso.
»Kennen wir sonst noch einen Viktor«, fragte sie mit sarkastischem Unterton. Ihr war das Thema hörbar und sichtbar unangenehm.
»Was will der denn?«
»Das geht dich nichts an«, sagte Hermine in einem Ton, der Ron klarmachte, daß sie nicht mit ihm darüber reden wollte.
»Geht es mich etwas an?« fragte Harry unsicher und blickte Hermine ein wenig eifersüchtig an.
Es kostete sie ein wenig Überwindung, um ihm in die Augen zu sehen, doch dann schaffte sie es. »Natürlich. Wir reden nachher unter vier Augen darüber.«
»Wenn du das so möchtest.« Ein klein wenig Enttäuschung war in seiner Stimme zu hören. Obwohl ihn eigentlich nichts mehr als dieser Brief interessierte, wandte sich er wieder den anderen Themen zu und ging nach dem Essen zum Unterricht.
Harry kam mit Hermine gerade aus dem Zauberkunstunterricht und wollte zum Mittagessen, als sie ihn festhielt und von Ron und den anderen wegzog.
»Mittagessen oder Viktors Brief?« fragte sie knapp, und Harrys Gesichtsausdruck gab Antwort genug. Unauffällig verschwanden sie und betraten den DA-Raum. Kaum saßen sie am Tisch, holte sie den Brief aus ihrer Tasche und zog ihn aus dem Umschlag. Erneut las sie den Brief und dann sogar noch ein weiteres Mal, ehe sie ihn an Harry weitergab. Neugierig begann dieser den Brief zu lesen.
Meine geliebte Hermine,
seit Du mich im Sommer verlassen hast, verging keine Minute, in der ich nicht an Dich gedacht habe. Ich kann meine Gefühle nicht länger zurückhalten, und ich weiß, daß auch Du noch immer Gefühle für mich empfindest.
Ich hoffe sehr, daß es für eine gemeinsame Zukunft noch eine Chance gibt, und falls es so ist, werde ich nichts unversucht lassen, sie auch zu nutzen. Da hier in Italien (ich schreibe Dir diesen Brief aus Venedig – der Stadt der ewigen Liebe) die Quidditch-Saison endlich vorüber ist und sie mich daran gehindert hatte, mich schon früher um diese Angelegenheit zu kümmern, mache ich mich nun endlich auf den Weg zu Dir, um Dir die Stärke meiner Gefühle persönlich zu offenbaren.
Ich bin mit dem Venice Quidditch Club Meister geworden und werde Dir den Pokal mitbringen, welchen ich Dir dann als Zeichen meiner unendlichen Liebe als Geschenk überreichen werde.
Dein Dich ewig liebender
Viktor
Nachdem Harry den Brief dreimal gelesen hatte, war er zunächst sprachlos.
»Was denkst du?« fragte Hermine nach einer weiteren unglaublich langen Minute und sah ihn nervös an.
»Ich weiß nicht, was ich genau denke. Er ist ganz gut geschrieben – er muß ziemlich viel Englisch gelernt haben im letzten Jahr. Aber es stellt sich für mich eigentlich nur die Frage, ob du wirklich noch etwas für ihn empfindest oder ob er sich damit einfach nur irrt.«
Sie griff seine Hand und drückte sie fest. »Ich empfinde nichts mehr für ihn, das schwöre ich. Ich liebe nur dich, und das so sehr, daß es mir manchmal weh tut!«
»Dann gibt es für mich keine Probleme«, sagte Harry und erwiderte ihren Griff.
»Ich schreibe ihm sofort, daß er nicht zu kommen braucht«, meinte sie, und Harry begann zu lächeln.
Das ist eine glänzende Idee, dachte er bei sich, und sein Lächeln wurde noch breiter. »Hier hast du ein Stück Pergament, und natürlich kannst du Hedwig schicken. Sie ist die Schnellste.«
Harry gab ihr ein etwas alt und schmutzig aussehendes Stück.
»Hast du nichts Besseres mehr?«
Frech begann er zu grinsen. »Braucht es denn für eine Abfuhr etwas Besseres?«
»Eigentlich hast du recht. Dafür reicht fast jeder Fetzen«, erwiderte Hermine und begann zu schreiben. »Hallo, Viktor … Ich fühle mich zwar geschmeichelt … doch bitte ich Dich … nicht zu kommen … ich bin bereits vergeben … und es besteht für Dich … nicht die geringste Chance … mich zurückzuerobern … Zwar freue ich mich für Dich … daß Du Meister geworden bist … bitte Dich aber … Deinen Pokal … zu behalten … Gruß Hermine … Wie klingt das?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Klingt für mich ausgezeichnet. Wenn er klug ist, dann begreift er es«, antwortete er und sah, wie Hermine den Brief in einen Umschlag steckte.
»Laß ihn uns gleich abschicken.«
»Je schneller, desto besser«, bestätigte Harry und war schon zur Tür geeilt.
Nur wenige Minuten später hatten die beiden den Brief schon an Hedwigs Bein gebunden und sie auf die Reise geschickt. Als sie schließlich in der Großen Halle eintrafen, wurden sie sofort von Ron mit Fragen gelöchert.
»Viktor wollte tatsächlich herkommen, weil er dich noch immer liebt?« fragte er ungläubig, nachdem Hermine die ganze Geschichte erzählt hatte.
»Ja, wollte er. Hoffentlich tut er es nicht. Wäre mir irgendwie unangenehm.«
Harry nickte zustimmend. Auch ihm wäre es nicht recht, wenn der weltbeste Quidditch-Sucher wieder in Hogwarts auftauchen würde. Wenn Krum erfahren sollte, daß Hermine jetzt doch mit ihm zusammen wäre, würde der Bulgare es ihm bestimmt heimzahlen wollen, dachte Harry und erinnerte sich an das Gespräch mit ihm im vierten Jahr. Damals war Krum zum ersten Mal in Hogwarts gewesen und hatte sich sehr schnell für Hermine interessiert. Aus Eifersucht heraus hatte er Harry gefragt, wie seine Beziehung zu ihr wäre, weil sie ständig nur über ihn geredet hatte. Damals hatte er gesagt, daß sie nur Freunde wären, und tatsächlich war es auch so gewesen. Zwar hatte er sie auch zu dem Zeitpunkt schon geliebt, doch hatte er die Bedeutung dieser tiefen Liebe für sie erst später entdeckt.
Harry hatte sich noch nicht ganz satt gegessen, als schon der Unterricht weiterging, und so nahm er sich noch zwei Buletten mit auf den Weg. Bis zum Nachmittag hatte er Krum und seinen Brief vergessen, ehe er mit den anderen nach der Schule wieder einmal Hagrid besuchen ging und auch für knapp eine Stunde mit den Riesen herumtollte. Von Hagrid erfuhr er, daß noch immer jedes Wochenende DA-Mitglieder dagewesen waren und sich prächtig mit den Riesen verstanden hatten. Inzwischen sprach Grawp auch ein deutlich besseres Englisch und konnte sich schon anständig artikulieren, was Hagrid unglaublich stolz machte.
Beim Abendessen kam Ron noch einmal auf Viktor Krum zu sprechen und meinte, daß er sich über einen weiteren Besuch eigentlich freuen würde. Harry wußte genau, daß Ron einer seiner größten Fans war und es inzwischen unheimlich bereute, damals die Gelegenheit nicht richtig genutzt zu haben. Zwar hatte er sich von ihm am Ende doch noch ein Autogramm geholt, doch hätte er unglaublich gerne noch ein paar Gespräche über Quidditch mit ihm geführt. Am witzigsten an der ganzen Geschichte war, daß Ron auf Viktor eifersüchtig gewesen war, weil er damals noch irgendwie Gefühle für Hermine zu haben glaubte. Bei diesem Gedanken und Rons Worten mußte Harry innerlich lachen.
»Wenn Viktor trotzdem kommt, lass' ich mir die Chance diesmal nicht entgehen«, gab Ron mit einem Lächeln zum besten und biß mit seiner unnachahmlichen Art in ein Stück Pizza.
»Ich hoffe jedenfalls, daß er nicht kommt. Ich möchte ihm nur ungern erklären, warum ich jetzt doch mit Hermine zusammen bin«, sagte Harry, nahm sich ein neues Stück Thunfisch-Pizza und dachte einen Augenblick lang nach. »Obwohl es mir eigentlich ganz leicht fallen würde, es ihm zu erklären«, fügte er hinzu und zwinkerte Hermine dabei an.
»Mach darüber bitte keine Witze. Ich weiß, daß Viktor sehr eifersüchtig ist, und wenn er herkommt, dann wird er sicher um mich kämpfen wollen. Dabei wird womöglich noch jemand verletzt, und das wäre für mich das schlimmste«, meinte Hermine in erstem Ton und ergriff Harrys Hand.
Sanft streichelte er mit dem Daumen über ihren Handrücken. »Keine Sorge. Mit ein bißchen Glück versteht er deinen Brief richtig – und wenn nicht, dann mach' ich es ihm in einem Männergespräch schon klar.«
Der Rest des Abends verging wie im Flug. Harry lernte wie besessen und war nun sogar ein Stück weiter als Hermine. Auch Ron und Neville kamen gut voran und waren ihrem Zeitplan schon einen halben Tag voraus. Als Harry gegen elf ins Bett ging, hatte er sich schon intensiv mit dem ersten Halbjahr in Geschichte der Zauberei auseinandergesetzt und würde morgen dann den Rest angehen können.
Der Samstagvormittag stand schon ganz im Zeichen des nächsten Tages, und so trainierten Ron, Harry und die anderen Quidditch. Sie gingen noch einmal die Taktiken durch und besprachen Notfallsituationen. Zudem übten sie noch ein paar überraschende Manöver ein, und auch Ron wurde mit einem extraharten Schußtraining entsprechend vorbereitet.
Als Harry nach dem Mittagessen in die Bibliothek wollte, machte sich endlich auch die Leibwache bezahlt. Tatsächlich standen Harry und Hermine für einen Moment allein in einer Traube von Slytherins, doch keine Sekunde zu spät bogen Ron, William, Adrian, Dean, Seamus, Neville, Ginny, Luna und Lavender um die Ecke und drängten sich dazwischen.
»Das war knapp«, war Harrys Kommentar, und Hermine nickte nur ein wenig bleich, als sich Pansy mit ihrem Anhang zurückzog.
Am Nachmittag wurde wieder gelernt, und schon gegen halb sechs war Harry mit dem Rest der Geschichte der Zauberei fertig. Sofort machte er mit Zauberkunst weiter, bis es Zeit für das Abendessen war.
Als er mit den anderen in die Große Halle trat, fiel ihm sofort Dumbledore auf, und ihm fiel ebenfalls auf, daß mindestens acht Mitglieder des Ordens an den verschiedenen Haustischen saßen. Leicht konnte er Arthur und Mad-Eye ausmachen, ebenso wie Timothy Walker und Kingsley Shacklebolt. Sicher sollen sie als Absicherung für das Spiel dienen, um uns vor was auch immer zu schützen, dachte Harry und strebte den Tisch an, an dem Arthur saß. Natürlich wollten vor allem die beiden Weasleys die Gelegenheit nutzen, in der Nähe ihres Vaters zu essen.
Kaum hatte Ron sich gesetzt, fing er auch schon neugierig ein Gespräch mit seinem alten Herrn an. »Hi, Dad. Alles okay? Wie geht's Mum?«
»Bei uns ist alles okay. Ich soll dich von deiner Mutter umarmen, ein paar Mal küssen, was hiermit erledigt ist«, erwiderte dieser, zwinkerte seinem Sohn einmal zu und nahm sich eine riesige und gut belegte Scheibe Brot. »Weiterhin läßt sie dir ausrichten, daß mit deinem Wunsch alles klargeht.«
Harry sah Ron wißbegierig an. Welcher Wunsch, fragte er sich im stillen, versuchte aber seine Neugierde zu zügeln.
»Wie geht es Fred und George? Mit beiden auch alles klar?« fragte Ginny, die nun ebenfalls auf ihrem Platze saß.
»Den beiden geht's hervorragend. Ihr Laden läuft immer besser, trotz der ständigen Angst vor Vol-de-mort und seinen Schergen«, berichtete Arthur und biß kräftig in sein Brot. Beim Essen ähnelte er Ron über alle Maßen, bemerkte Harry lächelnd. »Ach, Harry. Molly läßt dir ausrichten, daß du beim Spiel morgen schön vorsichtig sein sollst.«
»Dad, schling doch bitte nicht so. Man könnte meinen, Mum gibt dir nichts zu essen«, schalt Ginny und grinste ihren Vater vergnügt an.
»Du bist ganz schön vorlaut geworden, junge Dame«, antwortete er mit vollem Mund und lächelte sie dabei sanft an, wie nur ein liebender Vater es konnte.
»Gibt es etwas Neues, was wir wissen müßten?« erkundigte sich Harry nun.
»Leider nichts Gutes. Volde-mort ist immer noch dabei, Leute zu entführen. Wir vermuten ihn aber schon bald an seinem Ziel. Polen und Ungarn können wir im Moment ausschließen«, flüsterte Arthur sehr leise. Dann ließ er ein Grinsen aufblitzen. »Und? Wer gewinnt morgen?«
»Abwarten«, meinte Harry und warf einen Seitenblick auf Angus Murtaghur.
»Quatsch, Harry. Natürlich gewinnt Gryffindor«, rief Ron euphorisch aus und blickte seinen Freund tadelnd an.
Harry schüttelte den Kopf. »Ich hab' ein komisches Gefühl bei der Sache.«
»Jedenfalls wird es spannend, will ich hoffen«, sagte Arthur und sah sich neugierig um.
»Das wird es sicher!« bestätigte Harry und trank in einem Zug sein Glas Milch aus. Boah, das geht runter wie Öl, dachte er und stellte das leere Glas auf den Tisch.
»Geht es sofort nach dem Spiel zurück, Mr. Weasley?« erkundigte sich Neville.
»Nenn mich Arthur. Du gehörst ja jetzt auch schon fast zur Familie.« Dabei zwinkerte er Ginny zu.
»Ähhm, wenn Sie – also, wenn du es so willst«, stotterte Neville und schien leicht verunsichert. Ginny bemerkte das sofort, griff seine Hand und hielt sie in ihrem Schoß.
»Und ja, direkt nach dem Spiel reisen wir ab.«
»Warum seid ihr überhaupt schon hier?« fragte Ron. »Das Spiel ist doch erst morgen.«
»Dumbledore hielt es für eine gute Idee. Wir können hier mal ganz in Ruhe schlafen und uns auch ein wenig ausruhen. Der Dauerstreß der letzten Wochen hat nicht nur bei mir Spuren hinterlassen.« Er sah dabei zu Dumbledore hinüber, der mit einemmal auf Harry keinen besonders guten Eindruck machte.
»Geht es Dumbledore nicht gut?« fragte Harry deshalb besorgt.
»Ähhm … darüber solltet ihr lieber mit ihm reden«, antwortete Arthur und blickte betrübt auf seinen Teller.
»Raus mit der Sprache. Wenn etwas nicht stimmt, dann will ich das wissen!« forderte Harry plötzlich in einem Ton, den er nicht wirklich beabsichtigt hatte.
»Diese Sache geht mich nichts an. Ich möchte und werde zu dem Thema nichts sagen!«
»Dann werde ich das selbst klären.«
Harry sprang auf und lief schnurstracks auf Dumbledore zu. Dieser sah ihn kommen, schien sich aber zu einem Lächeln zwingen zu müssen. Als Harry vorne am Tisch ankam, starrte er ihn einige Sekunden lang an, als ihm plötzlich ein bekannter Duft in die Nase stieg. Er sah sich instinktiv auf dem Tisch um und entdeckte in Dumbledores Becher eine Substanz, die für gewöhnlich nicht zum Abendessen getrunken wurde.
»Professor!« begann Harry und versuchte, sich an den Geruch zu erinnern.
»Was gibt es denn, Harry?« fragte Dumbledore relativ leise, und seine Stimme klang auch nicht ganz so wie gewöhnlich.
»Sind Sie krank, Professor?« fragte Harry ungewöhnlich direkt, während er weiter auf den Becher starrte.
»Wie kommst du darauf?« fragte Dumbledore zurück, griff sich langsam den Becher und trank ihn in einem Zug leer.
»Ich habe da ein Gerücht gehört, und wenn es so sein sollte … denke ich … sollten Sie es mir sagen!«
Dumbledore stellte den Becher möglichst weit von Harry entfernt ab. »Ich versichere dir, Harry, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden. Komm um acht in mein Büro. Allein!«
Der Professor wandte sich Snape zu, doch Harry achtete auf etwas anderes. Er verfolgte auch nicht das Gespräch der beiden Männer, sondern starrte weiter den Becher an und versuchte sich zu erinnern. Diesen Geruch kannte er, und es war mit Sicherheit ein Zaubertrank. Es ist nicht der gleiche, den er schon in seinem Büro getrunken hat und den ich von Snape gegen die Alpträume verschrieben bekam, dachte Harry und ging langsam zu seinem Platz zurück. Plötzlich fiel sein Blick auf Ginny, und da ging ihm ein Licht auf: er erinnerte sich des Trankes, den er an dem einen Wochenende mit Ginnys Hilfe gebraut hatte; des Trankes, den sie mit ihren Händen und Armen hatten umrühren müssen; des Trankes, der ihre Hände zuerst verbrannt und sie sofort wieder geheilt hatte. Es mußte ein starker Heiltrank sein, aber wogegen? Das fragte er sich im stillen und setzte sich wieder neben Hermine.
»Ich fürchte, Dumbledore ist schwer erkrankt«, meinte er leise und beantwortete damit die Frage schon, ehe sie jemand von den anderen stellen konnte. Angestrengt suchte er Blickkontakt mit Arthur, doch dieser wollte ihm nicht in die Augen sehen.
»Wie kommst du darauf? Hat er es dir gesagt?« fragte Hermine.
»Er hat noch nichts gesagt. Er erwartet mich um acht, allein! Den Rest könnt ihr euch sicher denken! Zudem weiß ich, daß er einen starken Heiltrank einnimmt. Den, den ich mit Ginnys Hilfe gebraut habe. Wenn er völlig gesund ist, dann würde er den niemals brauchen.«
Besorgt warf er das Brot, das er eben aufgenommen hatte, zurück auf den Teller. Sein Appetit war ihm vergangen. Wie krank ist er? Etwa sterbenskrank, fragte sich Harry und stützte seinen Kopf nachdenklich auf beide Hände. Auch die anderen aßen nicht mehr viel, und gesprochen wurde auch nicht mehr. Fast wünschte Harry, er hätte es nicht erfahren. Nach dem Essen hatte er noch über zwanzig Minuten, doch hatte er keine Ahnung, was er mit dieser Zeit anfangen sollte. So blieb er einfach sitzen, während nach und nach fast alle anderen aus der Großen Halle verschwanden, und starrte gedankenverloren in den Raum.
»Wir gehen schon lernen. Wir treffen uns im Gemeinschaftsraum«, meinte Ron plötzlich, Harry sah auf und beobachtete Ron dabei, wie er sich Lunas Hand griff. Neville tauschte einen kurzen Blick mit Ginny und sah dann zu Ron.
»Wir kommen mit«, sagte er, und auch die beiden erhoben sich schließlich.
Arthur stand ebenfalls auf, murmelte etwas von Mad-Eye und verschwand.
Nun saß nur noch Hermine neben ihm und streichelte seinen Oberschenkel. »Wenn du gern möchtest, bleibe ich solange bei dir«, sagte sie und lächelte ihn so unglaublich süß an, daß Harry für einen kurzen Moment seine Sorgen um Dumbledore vergaß.
»Schon gut, meine Süße. Wir sehen uns gleich im Gemeinschaftsraum. Ich liebe dich!« Er küßte sie innig.
»Ich liebe dich auch! Bis gleich!« erwiderte sie, stand auf und ging Ron und den anderen hinterher.
Kurz sah er ihr noch nach. An der Tür zur Großen Halle hielt sie an und begann ein Gespräch mit Parvati, die anscheinend hinter Colin herlief. Sein Blick ging zurück zu Dumbledore, und auch dieser hatte sich schon erhoben; gemeinsam mit Snape eilte dieser hinaus und nahm seinen Becher dabei mit. Zu gern hätte sich Harry davon überzeugt, daß es doch ein anderer Trank war, den er beim Abendessen verzehrt hatte, doch diese Möglichkeit wurde ihm dadurch genommen. Nachdem er einen kurzen Blick auf seine Uhr geworfen hatte, drehte er sich um. In der Großen Halle saßen nicht mehr viele Leute, aber es waren noch immer Dean, Seamus, Adrian, Lavender und William da. Sie schauten sich die ganze Zeit über um und konzentrierten sich dabei besonders auf Harry. Auf meine Leibgarde ist immer Verlaß, dachte er lächelnd und sah schon wieder auf die Uhr. Noch über zehn Minuten, dachte er und beschloß, zu den anderen hinüberzugehen.
»Na, ihr! Ihr wartet sicher darauf, daß ich in den Gemeinschaftsraum gehe, oder?«
William blickte ihn ernst an. »Wo auch immer du hingehst, und sei es auf die Toilette, wir werden folgen … mit Ausnahme von Lavender vielleicht.«
»Ich muß gleich zu Dumbledore. Ihr könnt dann schon in den Gemeinschaftsraum gehen.«
»Kommt gar nicht in Frage. Wir warten vor seinem Büro!« sagte Adrian mit Bestimmtheit, und die anderen nickten zustimmend.
»Bis das Spiel vorbei ist … auf Schritt und Tritt!«, ergänzte Dean und blickte Harry ebenfalls ernst an.
»Das wird Conny aber nicht gern sehen, daß du mehr Zeit mit mir als mit ihr verbringst«, meinte Harry lächelnd.
Dean lächelte ebenfalls. »Sie versteht das, und außerdem werde ich mich dafür bei ihr revanchieren. Laß das ruhig meine Sorge sein!«
Die sechs unterhielten sich noch ein paar Minuten und brachen dann gemeinsam zu Dumbledore auf. Es war fast acht Uhr, und der Schulleiter wartete schon am Wasserspeier auf Harry.
»Ich dachte, du kommst allein zu mir«, begrüßte Dumbledore ihn und schien ein wenig verärgert zu sein.
»Das komme ich auch. Meine Leibgarde wird hier unten auf mich warten«, erwiderte Harry lächelnd und zwinkerte den fünfen zu. Sie hatten ihn schon derart weit abgelenkt, daß ihm erst jetzt der Ernst der Situation wieder klar wurde. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich ein wenig, als er gemeinsam mit Dumbledore in sein Büro ging.
»Setz dich!« forderte ihn der alte Mann auf und ging um seinen Schreibtisch herum. Harry nahm Platz und sah, wie sich sein Schulleiter ebenfalls auf seinen schönen Stuhl setzte. Dumbledore bildete mit seinen Händen wieder ein Spitzdach. »Du bist ausgesprochen aufmerksam.«
»Wie ernst ist es?« fragte Harry ein wenig ängstlich.
»Das wissen wir noch nicht genau«, erwiderte Dumbledore und setzte sich ein wenig tiefer in seinen Stuhl.
»Wie, warum? Erzählen Sie doch bitte.«
»Wir waren in London. Du erinnerst dich doch an die drei Flüche, die mich trafen?«
»Natürlich, Sir!« Harry rutschte unruhig in seinem Stuhle hin und her.
»Ich hatte mich damals völlig auf Voldemort konzentriert und kann mich an zwei von ihnen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erinnern. Diese beiden haben wohl meinen Körper auf irgendeine zufällige Art und Weise vergiftet. Es war ganz sicher nicht so beabsichtigt, aber die Flüche haben eine überraschende Wechselwirkung gezeigt; beinahe so, als ob es nur ein Fluch gewesen wäre, was wahrscheinlich daran lag, daß sie mich absolut gleichzeitig getroffen haben.«
»Warum benutzen Sie nicht Ihr Denkarium«, fragte Harry mit roten Augen, und nur einen Moment später lief eine Träne seine rechte Wange herab.
»Na, na!« erwiderte Dumbledore und holte aus einer seiner Schubladen ein Taschentuch. »Ich habe es versucht. Aber man kann kein Denkarium benutzen, wenn man zuviel Adrenalin im Blut hatte. Leider ist dies eine kleine Schwachstelle. Zuviel Adrenalin läßt die Erinnerung undeutlich werden, und das Denkarium kann sie nicht darstellen. Eine solche zu betrachten ist, als ob man sie durch eine milchige Scheibe sähe. Nur das menschliche Gehirn ist in der Lage, mit einer solchen Menge Adrenalin umzugehen.«
»Was ist mit mir?« fragte Harry und weinte ein wenig heftiger.
»Ich glaube, daß bei dir noch mehr Adrenalin im Blut war. Deshalb können wir im Moment nur abwarten«, sagte Dumbledore und reichte ihm das Taschentuch. »Du brauchst wirklich nicht zu weinen. So schlimm, wie es sich anhört, ist es bei weitem nicht. Der Trank, den du mit Professor Snape gebraut hast, wird mich zwar nicht heilen, aber er kann die Vergiftung so sehr verlangsamen, daß es noch viele Jahre dauern wird, bis es wirklich soweit wäre.«
Harry wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht und beruhigte sich wieder ein wenig. »Als ob das nicht schon schlimm genug wäre.«
»Glaube mir, ich werde nicht heute und auch nicht morgen sterben. Ohne den Trank sähe es vielleicht anders aus, aber du hast seine unglaubliche Wirkung direkt am eigenen Leibe erlebt. Er ist in der Lage, Zellstrukturen zu erneuern, und tatsächlich fühlt man sich direkt nach der Einnahme sogar ein paar Jahre jünger. Wie du siehst, geht es mir im Augenblick ausgesprochen gut, und solange ich den Trank regelmäßig nehme, wird sich das auch nicht ändern. Vielleicht gelingt es uns auch, das Rätsel dieser beiden Flüche irgendwann zu lösen, und dann habe ich auch eine Chance auf eine richtige Heilung. Sobald wir wissen, um welche Flüche es sich handelt, können wir gezielter Gegenmaßnahmen ergreifen. Mehrere meiner engsten Freunde arbeiten fast pausenlos an einer Lösung dieses Problems, und ich vertraue fest auf sie!«
Durch diese aufmunternden Worte, gelang es Harry, sich ein wenig zu entspannen. »Sir, wenn es nicht so schlimm ist, warum haben Sie es mir dann nicht einfach gesagt?«
»Dir sind schon so viele Lasten auferlegt, und ich wollte dir nicht noch eine weitere aufschultern. Aus diesem Grunde möchte ich dich bitten, daß niemand sonst davon erfährt … und zwar auch nicht Hermine!«
»Das geht aus zwei Gründen nicht. Zum einen habe ich bereits mit den anderen darüber gesprochen, und sie machen sich die gleichen Sorgen wie ich selbst. Zum anderen muß ich zumindest mit Hermine über solche Dinge sprechen, denn, wie Sie schon richtig erkannt haben, alleine wäre mir die Last schon viel zu groß geworden.«
»Nun gut. Rede mit deinen engsten Freunden, wenn es vonnöten ist, aber bitte nicht über diesen Kreis hinaus.«
Harry überlegte einen Moment und sah nun wieder sehr neugierig aus. »Sir, welches war der dritte Fluch, der sie traf?«
»Es war ein Schmerzfluch. Nicht so stark wie der Cruciatus – aber, bei Merlin, gespürt habe ich ihn.« Harry konnte die schmerzhafte Erinnerung deutlich in seinen Augen erkennen.
»Welche Farbe hat er?« wollte Harry wissen, wußte aber nicht, warum es der Fall war.
»Er ist hellblau«, antwortete Dumbledore, hielt ihm nun seine Hand hin und beendete damit das Gespräch.
Harry schüttelte sie und verließ das Büro. Anschließend ging er mit William und den anderen zurück in Richtung Gryffindor-Turm und dachte die ganze Zeit über das Gesagte nach. Vor dem Bild der fetten Dame verabschiedete er sich von Adrian und William, die in ihren eigenen Gemeinschaftsräumen lernen wollten. Als Harry durch das Portraitloch den Gemeinschaftsraum betrat, brüteten die anderen nicht etwa über ihren Büchern, statt dessen flüsterten sie leise in der hintersten Ecke. Eilig entließ er seine Leibgarde und ging sofort zu Hermine und den anderen, um sie über alles aufzuklären.
Alle waren ausgesprochen erleichtert, daß es bei weitem nicht so ernst war, wie sie ursprünglich gedacht hatten. Dies ermöglichte es ihnen, ihre Arbeit aufzunehmen und weiter für die Abschlußprüfungen und die ZAG-Prüfungen zu lernen. Erst kurz nach elf kam Harry müde ins Bett, nachdem er sich noch gebührend bei seiner Freundin verabschiedet hatte.
Die ganze Nacht über träumte er ausgesprochen schlecht und sah plötzlich wieder die Erlebnisse in der dunklen Straße vor sich. Vage sah er, wie Dumbledore von drei Flüchen niedergestreckt wurde. Viel deutlicher sah er das tote Mädchen, und verschwommen hörte er die Flüche, die gesprochen wurden. Alles war in einer wirren Reihenfolge, doch nach und nach wurden die Bilder und die Töne klarer. Zuerst war es war mehr wie ein Rauschen oder wie das Plätschern eines kleinen Baches, aber er konnte immer mehr erkennen. Er hörte Voldemorts Todesfluch.
Plötzlich war da auch die Stimme Dumbledores: »Immodicus Amicio!«
Er hörte seine eigene Stimme: »Proturesa Weltum!«
Unerwartet sah er die Todesser, und er sah Voldemort. Er konnte sehen, wie sich ihre Lippen bewegten. Sagt es, dachte er verzweifelt in seinem Traum, aber er sah nur, wie sie die Flüche abschossen. Mit ängstlichem Blick verfolgte er die Flüche und sah sie auf Dumbledore und sich zufliegen. Der rote Fluch galt ihm, und Harry beobachte ihn ganz genau. Es war ein Stupor, und er erkannte ihn an der Farbe und am Geräusch, welches er machte, als er donnernd an ihm vorbeiflog.
Wieder sah er das tote Mädchen, und plötzlich vernahm er erneut das Echo seiner eigenen Stimme.
»Proturesa Weltum!«
Mit Genugtuung sah er, wie Voldemort von Dumbledores Fluch niedergestreckt und weggeschleudert wurde. Undeutlich konnte er dann plötzlich einen der Flüche sehen, die Dumbledore niedergestreckt hatten, und konnte genau sein tiefes Summen hören. Seine Sicht wurde immer klarer, bis er ihn so plastisch sehen konnte, als wäre er nur wenige Zentimeter entfernt gewesen.
Eindeutig war er gelb, aber nicht so gelb wie die Sonne. Vielmehr war das Gelb fast orange. Merkwürdigerweise kam ihm dieser Fluch nicht gänzlich unbekannt vor. Irgendwo hatte er ihn schon einmal gesehen, nun mußte er sich nur noch erinnern. Wieder hörte er das tiefe, unheimliche Summen, und diesmal war es viel lauter.
»Wach auf, Harry. Wir müssen zum Frühstück«, hörte er und öffnete die Augen. Das Licht blendete ihn.
»Was … was ist los?« fragte er total verwirrt und versuchte sich krampfhaft an seinen Traum zu erinnern.
»Wir müssen zum …«, begann Ron, aber wurde von Harry weggestoßen. Dieser sprang aus dem Bett und hechtete zu seiner Schultasche. Hektisch holte er ein Stück Papier und etwas zum Schreiben heraus und begann wie ein Verrückter, die noch frischen Erinnerungen aufzuzeichnen.
»Was ist mit ihm«, hörte Harry ganz schwach, und die Stimme klang irgendwie nach Neville.
»Weiß nicht, was er hat«, nahm Harry eine andere Stimme wahr, nur etwas lauter, und sie konnte nur Ron gehören.
Erst nach mehreren Minuten war Harry fertig und las es sich noch einmal durch. Er gab das Papier an Ron, und der starrte ihn verwirrt an.
»Lies es. Ich wette, ich werde mich bald noch viel besser erinnern können«, sagte Harry und stand vom Boden auf.
»Was ist das?« fragte Neville, und auch Dean und Seamus kamen interessiert herüber.
»Harry hat einen Traum aufgeschrieben. Von der Nacht in London, als er mit Dumbledore gegen Voldemort kämpfte«, staunte Ron, ohne den Blick von dem Stück Papier zu wenden. Er las noch einige Sekunden, und im Raum herrschte derweil absolute Stille. »Du glaubst, du kannst rauskriegen, welche Flüche Dumbledore vergiftet haben?« fragte er Harry, als er fertig war, und gab das Papier an Neville weiter, dem Dean und Seamus sofort über die Schulter sahen.
Harry begann sich anzuziehen. »Ich weiß es nicht genau. Aber ich glaube, ich habe es damals doch wahrgenommen. Ich konnte aber das Gesicht des Mädchens nicht mehr ertragen und hatte deshalb alles verdrängt. Und wenn ich ehrlich bin, geht es mir auch jetzt noch ganz schön an die Nieren.«
»Ein dunkelgelber Fluch, beinahe orange, tief und schnell summend«, las Neville, und Dean wiederholte es. »Ich wette, ich weiß, welcher das ist. Ich bin in der Bibliothek, sagt Ginny Bescheid.« Blitzschnell war Neville mit dem Stück Papier aus dem Schlafsaal verschwunden; in der Aufregung hatte er noch nicht einmal bemerkt, daß er keine Schuhe trug.
»Ich werde ab jetzt ein Traumtagebuch führen«, beschloß Harry, während er mit den anderen die Treppenstufen nach unten ging. »Wenn ich mich an beide Flüche erinnern kann, dann kann man Dumbledore viel leichter heilen.«
Unten saß Hermine vor dem Kamin und blätterte in einem Buch. »Was ist denn mit Neville los?« wollte sie wissen und deutete zu Ginny hinüber, die traurig aussah. »Er ist an ihr vorbei gehetzt, ohne sie auch nur anzusehen.«
Erleichtert sah Harry, wie sich Ginnys Gesicht wieder aufhellte, als Dean und Seamus es ihr erklärten. Harry dachte wieder stärker an diesen Fluch. »Ich hatte einen interessanten Traum, und Neville will etwas nachprüfen.«
»Was hast du geträumt?« fragte sie und gab ihm erst einmal seinen Begrüßungskuß.
»Von der Nacht, in der Dumbledore vergiftet wurde. Ich denke … vielleicht gelingt es mir, mich an die Flüche irgendwie zu erinnern.« Er küßte sie erneut. Das Gesicht des toten Mädchens verschwand aus seinem Bewußtsein, und sein Herz erwärmte sich dabei über alle Maßen. Plötzlich drang das Geräusch des Fluches immer lauter zurück in seine Wahrnehmung.
»Wir müssen zum Frühstück, sonst gibt es gleich nichts mehr«, meinte sie und küßte ihn erneut.
»Deine Küsse sind Frühstück genug«, antwortete er und küßte sie schon wieder.
»Nein, im Ernst. Ich hab' schon seit einer Stunde Hunger. Wollte nur auf dich warten«, flüsterte sie beinahe und stand auf.
»Dann los.«
Erneut hörte Harry den Fluch; mit jeder weiteren Sekunde nahm das Geräusch an Intensität zu. Unbewußt versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen und verließ mit ihr händchenhaltend den Gemeinschaftsraum. Seine Aufmerksamkeit wandte sich immer mehr diesem Geräusch zu, während er beinahe geistesabwesend mit Hermine die Treppe herunterstolperte und fast an der Großen Halle vorbeigelaufen wäre. Lächelnd zog sie ihn durch die Tür, und Harry konnte nun das Geräusch nicht mehr abschütteln. Es wurde so laut, daß er beinahe nichts anderes mehr wahrnehmen konnte. Zwar sah er, wie sich Hermines Lippen bewegten, und er sah auch, wie sich auch andere in der Halle unterhielten, doch das Summen ließ jetzt beinahe seinen Schädel platzen. Wie in Trance nickte er Hermine zu und setzte sich mit ihr an den Hufflepuff-Tisch. Es wurde so laut, daß er sich instinktiv die Ohren zuhielt, ohne daß es etwas nutzte – von der einen zur anderen Sekunde war es einfach weg.
»Ich weiß es«, brüllte Harry erleichtert und schlug mit der Hand auf den Tisch. Arthur war vom gleichen Fluch getroffen geworden, dachte er und blickte sich um. Jeder starrte ihn an, und er verstand gar nicht, warum sie das taten. Er wurde nervös. »Was ist?«
Ron war der erste, der sich wieder gefaßt hatte; trotzdem sah er aus, als hätte er soeben einen Geist gesehen. »Du hast eben geschrien.«
»Hab' ich nicht gemerkt«, erwiderte Harry, und noch immer starrte ihn die komplette Große Halle an. Beschwichtigend bedeutete er mit den Händen, das alles in Ordnung wäre.
»Was weißt du jetzt?« fragte Hermine und nahm seine Hand.
»Ich weiß, welcher Fluch es ist. Aber ich will erst wissen, ob Neville zum gleichen Schluß kommt, bevor ich damit zu Dumbledore gehe.«
An das Spiel am Nachmittag dachte er überhaupt nicht mehr und hatte jetzt großen Hunger. Zehn Minuten später kam Neville und hatte ein Buch dabei.
Ginny begann zu kichern und ging ihrem Freund entgegen. »Du hast keine Schuhe an«, sagte sie weiter glucksend und zeigte auf seine Füße, die nur in einem Paar Socken steckten.
»Oh, hab' ich gar nicht gemerkt. War in Gedanken.« Neville kam zu Harry. »Rutsch mal, Ron.« Er setzte sich zwischen die beiden. »Hier! Ich wette, der ist es.« Völlig überzeugt schlug er Seite dreihundertvierundfünfzig auf.
»Du bist wirklich gut«, sagte Harry, nachdem er den Namen des Fluches gelesen hatte, und gab das Buch an Hermine weiter. Sie überflog die Seite und fing an zu nicken.
»Das könnte wirklich einer von beiden sein«, sagte sie schließlich, gab das Buch an Harry zurück, der es zu Ron hinüberschob.
»Dann sagen wir ihm das beim Mittagessen«, verkündete Harry, während Ron das Buch schloß und es an Neville zurückgab.
»Ich bringe es gleich zurück«, sagte dieser und stand schon wieder auf.
Ginny wehrte ab. »Geh und zieh deine Schuhe an. Ich bringe es zurück.« Luna erbot sich mitzukommen, und zusammen verließen sie die Große Halle.
»Jetzt bleibt nur noch ein Fluch übrig, und vielleicht kriege ich den auch noch raus«, sagte Harry erfreut.
Später im Gemeinschaftsraum trafen sie wieder auf Neville, der nun auch seine Schuhe trug. Harry gab Dean, Seamus und Lavender Bescheid, daß er bis kurz vor eins zum Lernen hierbleiben würde, und so griff seine Leibwache ebenfalls zu den Büchern.
»Ich seh' mir was für Verwandlung an. Und du, Ron?« fragte Harry und sah in Rons nachdenkliches Gesicht.
»Klingt gut, mach' ich auch«, antwortete dieser und ging zusammen mit Harry die Treppe nach oben, um die nötigen Unterlagen zu holen.
Kurz vor eins kamen Dean, Seamus und Lavender zurück und begleiteten Harry und die anderen zum Mittagessen. Die komplette Gryffindor-Mannschaft saß dort eng beisammen und besprach noch einmal einige Kleinigkeiten für das gleich beginnende Spiel. Da sie erst spät gefrühstückt hatten und die meisten von ihnen sowieso viel zu aufgeregt waren, bekamen sie nur wenige Bissen runter. Plötzlich fiel Harry ein, daß er Dumbledore etwas Wichtiges sagen wollte, und lief sofort zu ihm nach vorne. Nur kurze Zeit später kam er auch schon wieder zurück und hatte ein Lächeln im Gesicht. Er drehte sich noch einmal um, und Dumbledore lächelte ebenfalls.
»Er hat gesagt, daß es ihm schon sehr hilft, zumindest einen der Flüche zu kennen«, sagte Harry und setzte sich neben Hermine.
»Das ist schön«, meinte sie und hielt seine Hand in ihrem Schoß.
»Wir halten uns strikt an die Taktik, und egal, wie sehr sie uns auch foulen, niemand von uns wird sich revanchieren!« bleute Ginny ihnen noch einmal ein und sah vor allem Ron und Harry dabei ernst an.
»Schon gut, Schwester«, frotzelte Ron grinsend.
»Wir werden heute nur einstecken und nicht selbst austeilen, zumindest was Fouls angeht«, erwiderte Harry ernst und streichelte unter dem Tisch Hermines Oberschenkel, während sie über seine Hand streichelte. Auf eine seltsame Art und Weise beruhigte ihn das ungemein, und er war so locker und gelöst wie noch nie vor einem so wichtigen Spiel.
Als es Zeit wurde, verließen alle die Große Halle und machten sich auf den Weg zum Quidditch-Stadion. Harry verabschiedete sich mit einem langen Kuß von seiner Liebsten und ging mit den anderen Spielern in die Umkleidekabinen.
»Wir machen alles wie besprochen«, forderte Ron noch einmal, während er sich seinen Umhang zuband.
»Wir wissen Bescheid. Du brauchst es wirklich nicht noch mal zu erzählen«, sagte Ginny und griff ihren Besen.
»Laßt uns einfach rausgehen und siegen!« rief Harry begeistert und öffnete die Tür.
Es war zwei Minuten vor vierzehn Uhr, und das Spiel sollte gleich beginnen. Als erster trat Harry aus den Umkleideräumen nach draußen, und die anderen folgten ihm. Sofort übernahm Ron wie immer die Führung, während sich Harry ganz am Ende einreihte. Hintereinander lief das Team auf das Feld, während ihnen die ganze Menge zujubelte. Selbst aus dem Slytherin-Block kamen die Anfeuerungsrufe, und so konnte Harry nur eine winzige Gruppe von vielleicht zehn Schülern ausmachen, die erst zu jubeln anfingen, als er hinter sich Angus Murtaghur erkennen konnte. Das Spiel kommentierte wie immer in diesem Jahr Malcolm Clarke, und er legte sofort los.
