Disclaimer: Nichts an dieser Geschichte gehört mir, außer dem generellen Plot und ein paar unbedeutenden Namen. Alle originalen Charaktere und Schauplätze, die aus dem HP-Universum entnommen sind, gehören J. K. Rowling oder Warner Bros. oder wem auch immer. Ich mache damit kein Geld.

AN: Vielen Dank für die netten Reviews und auch für den netten Mailkontakt, den ich wieder mit dem einem oder dem anderen von euch hatte. Ich bemühe mich immer, alle anfallenden Fragen zu klären und freue mich immer über meine Geschichte zu diskutieren.

Mein Kumpel Ralf hat nun auch die letzten beiden Kapitel BETA gelesen, weshalb ich auch diese Online stellen kann. Wieder erinnere ich daran, dass alles in der alten Rechtschreibung gehalten ist (was Absicht von Ralf ist).

Damit ist dann das sechste Schuljahr abgeschlossen. Im Moment arbeite ich an einer Fortsetzung des Halb-Blut Prinzen und werde wohl erst danach die Zeit finden, den zweiten Krieg zu beenden. Ich wünsche euch nun wie immer viel Spaß mit den beiden letzten Kapiteln!

Kapitel 20 - Schilde / Duell / Mcnamara

Der Raum der Wünsche hatte sich wieder optimal angepaßt. Harry dirigierte alle auf ihre Plätze und stellte sie genauso auf wie in der letzten Nacht. Um Zufälle auszuschließen, wollte er alles bis ins allerkleinste Detail nachbilden.

»Ich werde zur Sicherheit mit Miß Weasley und Miß Lovegood ein Stück zurückgehen und uns mit einem Schild gegen eine mögliche Explosion schützen«, meinte Dumbledore.

»Das ist eine gute Idee. Wer weiß, was jetzt überhaupt passiert«, sagte Harry und drehte sich wieder zu Ron um, der nicht wirklich glücklich aussah. »Genau wie letzte Nacht: ich und Hermine auf drei und über Kreuz, Neville auf sechs mit einem Stupor.«

Harry begann zu zählen, und auf drei ließen er und Hermine ihre Schilde auf Ron wirken. Erneut war nicht das geringste zu sehen, doch Harry fühlte genau, daß irgend etwas passiert war. Während Neville weiter bis fünf zählte, wurde Ron zunehmend nervöser. Der Stupor verließ Nevilles Zauberstab, und Harry sah einen Schild aufblitzen. Der Fluch wurde aufgesogen, und er mußte die Augen schließen. Es gab einen lauten Knall, Harrys Herz setzte dabei einen Schlag aus, und als er Ron wieder sehen konnte, lag dieser verletzt auf dem Boden. Sofort eilte er zu ihm, doch Luna war noch schneller, obwohl ihr Weg viel weiter gewesen war.

»Ronald, bist du verletzt? Sag doch was … bitte!« schrie sie leicht panisch und nahm ihn in den Arm.

»Laß mich mal sehen«, drängte sich Dumbledore dazu und sah sich Ron genauer an. »Ihm fehlt nichts«, stellte er nach unendlich langen Sekunden fest und lächelte erleichtert.

Das beruhigte Luna noch nicht richtig, und eine Träne lief an ihrer Wange herab. Sie liebt ihn sehr, dachte Harry im stillen und sah in Nevilles käseweißes Gesicht, das erst langsam wieder eine normale Farbe annahm. Auch weiterhin hielt Luna den Kopf ihres Freundes und streichelte seine Wange, während Ginny beruhigend über Lunas Rücken strich. In diesem Moment erwachte Ron und sah sie alle verwundert an.

»Was … ist passiert?« fragte er schwach. Luna lächelte schon wieder und küßte ihn auf die Stirn.

»Ich weiß es nicht genau«, gab Harry zu und sah die anderen ratlos an.

»Der Schild ist implodiert«, berichtete Dumbledore.

Harry wurde stutzig. »Warum ist er implodiert?« fragte er sich leise und schnappte sich sein Buch über Schildtheorie. Er setzte sich an den Tisch und las noch einmal einige Passagen, fand aber auf die Schnelle keine Lösung. Auch Neville setzte sich und blickte über seine Schulter. Die anderen kamen dazu und setzten sich zu ihnen. Noch immer war Ron ein wenig wacklig auf den Beinen, doch offenbar war ihm wirklich nichts passiert.

»Kann ich mal sehen?«

Harry reichte Dumbledore das Buch. »Ich bin mir sicher, es hat etwas mit den Zauberstäben zu tun.«

Dumbledore sah sich einige Textabschnitte genauer an. Harry entspannte sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er versuchte, das soeben Geschehene noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren zu lassen. Zu diesem Zwecke schloß er seine Lider. Plötzlich sah er Ron vor sich stehen; im Augenwinkel sah er, wie der Stupor abgeschossen wurde, wie er auf den unsichtbaren Schild traf und dieser dadurch unglaublich hell aufblitzte. Der Stupor tanzte großflächig auf dem Schilde, der in dem gleichen Augenblick implodierte, als Harry während des Versuches die Augen geschlossen hatte.

»Ja, es liegt an den Stäben«, rief Dumbledore auf einmal, so daß Harry sofort seine Augen aufriß. »Einer von euch dreien sollte mit Ron den Platz tauschen, und Ron sollte den Stupor sprechen.«

Harry verstand sofort: die drei verbundenen Zauberstäbe wirkten also nicht auf normale Weise gegeneinander, sondern in gewisser Weise unberechenbar. Er sprang mit Elan auf. »Natürlich!« rief er laut aus und grinste. Auch Ron fing an zu lächeln, und Harry wußte sofort, warum. »Heute aber nicht mehr.«

»Schade. Ich hätte dich gern mal mit einem Stupor angegriffen«, scherzte Ron, und nun begriffen wohl auch die anderen, daß er sich zu gern bei Harry revanchiert hätte.

»Wir machen morgen weiter. Ich will heute unbedingt noch für Zaubertränke lernen. Nur noch eine Woche bis zu den Prüfungen, und außerdem waren es heute schon genug Zwischenfälle«, meinte Harry ernst. Sein Eifer machte Hermine sichtbar stolz, und sie lächelte ihn liebevoll an, während sie seine Hand streichelte.

»Dann machen wir es morgen nach dem Abendessen, gegen acht Uhr«, schlug Dumbledore vor, und Harry nickte.

»Vielleicht sollten wir Madam Pomfrey dazu holen, falls es wieder einen Unfall gibt«, meinte Ginny.

Auch für Dumbledore schien das eine gute Idee zu sein. »Ich werde sie bitten zu kommen«, sagte er nur und verließ den DA-Raum.

Zusammen gingen die anderen in den Gemeinschaftsraum und machten sich daran, für die Zaubertrankprüfung zu lernen. Gegen halb sechs tauchte plötzlich Viktor Krum auf und setzte sich in Harrys und Hermines Nähe. Mehrmals blickte Harry danach zu Krum und mußte dabei feststellen, daß dieser permanent entweder Hermine oder ihn anstarrte. Dies ging die nächsten zwanzig Minuten so weiter, ehe der Bulgare unvermittelt zu ihnen herüberkam.

»Hallo, meine Schönste!« begrüßte Krum Hermine lächelnd, doch diese sah nicht einmal auf. Er wartete, aber als sie zehn Sekunden später noch immer in ihre Arbeit vertieft war, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Wütend starrte er Harry an, der ihn achselzuckend ansah:

»Kannst du es nicht einfach akzeptieren? Es tut mir ja leid für dich, aber es ist nun mal so gekommen, und ich kann und will es auch nicht ändern.«

Bei diesen Worten verfinsterte sich Krums Miene immer weiter. »Ich will dich unter vier Augen sprechen!« fauchte er zurück.

Nun sah Hermine doch auf. »WAS - DU – WILLST, das interessiert hier keinen! Wenn du höflich fragst, überlegt er es sich vielleicht.« Sie sah wieder auf ihr Pergament.

Auch diese überraschende Schlagfertigkeit liebte Harry an ihr, und begann sie anzulächeln. Daß sie das spürte, wußte er in dem Moment, da sie ebenfalls zu lächeln begann, ihren Blick dabei aber gesenkt hielt und leicht rot wurde. Nach Hermines Reaktion schien Krum ein wenig geschockt zu sein, doch blickte er nicht mehr ganz so angewidert zu Harry herüber.

»Also, ich würde dich gerne unter vier Augen sprechen.« Dabei blickte er seitlich zu Hermine, die sich aber nicht rührte.

»Ich weiß zwar nicht, was dir das bringt, aber wenn es denn unbedingt sein muß … Wo wollen wir hin?«

»Der Raum vom letzten Mal war gut. Da sind wir ungestört«, brummte Krum mit angewidertem Blick auf seine Bewunderer, drehte sich schon um und ging in Richtung Ausgang.

»Wenn ich in einer Viertelstunde nicht zurück bin, dann schick mir einen DA-Stoßtrupp hinterher«, scherzte Harry und zwinkerte Hermine zu.

»Mach darüber bitte keine Witze – und bitte … laß dich nicht von ihm provozieren«, mahnte sie und gab ihm einen Kuß.

Als Harry aufstand, bemerkte er, daß Krum den Kuß beobachtet hatte und ihn dafür äußerst grimmig ansah. Nur ungern wollte Harry sich mit ihm allein in einen Raum setzen, sah Krum doch wirklich bedrohlich aus. Zwar war Harry ihm zaubertechnisch wahrscheinlich deutlich überlegen, doch in einem körperlich geführtem Kampf würde er gegen ihn wohl kaum bestehen können, dessen war er sich sicher.

Während sie auf dem Wege zum DA-Raum waren, sprachen sie kein Wort miteinander. Dies war Harry nur recht, da sich in Krums Nähe beinahe ununterbrochen irgendwelche Fans aufhielten, die das Gespräch belauschen könnten, was wohl beiden nicht so recht gewesen wäre. Die Fans konnten sie erst kurz vor dem DA-Raum abschütteln, um sich in diesem dann ungestört unterhalten zu können. Der Raum war so kalt und steril, wie er es auch beim letztenmal gewesen war, doch schien sich Krum daran nicht zu stören. Die beiden setzten sich an den Tisch und auf die wieder überaus unbequemen Stühle.

Eine Zeitlang wartete Harry darauf, daß Krum etwas sagen würde, doch dieser starrte ihn fast eine Minute lang einfach nur an, während er die richtigen Worte abzuwägen schien.

»Ich würde dir gerne etwas vorschlagen«, begann Krum schließlich und klang dabei fast so klebrig-süß, wie Harry es von der inzwischen verstorbenen Umbridge gekannt hatte.

»Was denn?«

»Einen kleinen Wettstreit.«

»In was?«

»Quidditch«, sagte Krum und lächelte breit.

»Warum sollte ich so was Verrücktes wohl tun?«

»Wenn du gewinnst, dann gebe ich mich geschlagen und verschwinde sofort.«

Das klang für Harry beinahe wie ein Grund, für den es sich zu spielen lohnte. Allerdings war ihm klar, daß er gegen Krum kaum eine Chance haben würde, war er doch nicht umsonst der weltbeste Spieler. »Was ist für dich drin?« fragte er zurück. Er wollte zumindest diese Sache geklärt haben, bevor er diesen absurden Vorschlag abwies.

»Wenn ich gewinne, dann hilfst du mir, Hermine davon zu überzeugen, sich fünf Minuten lang mit mir zu unterhalten – unter vier Augen natürlich.« Krums Augen blitzten dabei gefährlich.

Hält der mich für blöd, fragte sich Harry im stillen und wollte nun wirklich ablehnen. »Dieses Duell kommt für mich nicht in Frage.«

»Wie du willst. Dann bleibe ich natürlich noch eine Weile.« Dabei grinste er Harry fies an, der gerade dabei war aufzustehen.

Das könnte an meine Substanz gehen, dachte dieser bei sich und setzte sich wieder. »Wenn du dein Gespräch unter vier Augen hattest – genau fünf Minuten und keine Sekunde länger – und Hermine dich dann nicht will, dann verschwindest du auf der Stelle?« Nun funkelten Harrys Augen gefährlich. Eigentlich war er sich absolut sicher, daß Hermine Krum wegschicken würde, und so hatte er normalerweise nichts zu verlieren, während er »Ruhe vor Krum« gewinnen konnte.

»Das würde ich dann tun – es gibt allerdings noch eine Bedingung.« In der Miene des Bulgaren spiegelte sich eine ekelhafte Überheblichkeit wider.

»Was?« fragte Harry ein wenig genervt.

»Wir spielen nach dem Abendessen … kurz danach. Nur wir beide. Niemand darf davon erfahren, auch nicht Hermine.«

Harry sah ihn fragend an. »Darf ich fragen, warum es keiner wissen soll, auch Hermine nicht?«

»Falls du gewinnst – wovon ich keinesfalls ausgehe –, will ich wenigstens meinen Ruf retten. Ich will meine Ehre wahren. Gegen einen Grünschnabel wie dich zu verlieren, wäre eine Schande für mich. Auch Hermine würde die Idee des Duells nicht gefallen.«

Für Harry klang diese Erklärung durchaus plausibel, auch wenn sie ihn maßlos ärgerte. Zu gerne würde er ihm zeigen, was er draufhatte; ihm zeigen, daß er beileibe kein Grünschnabel war; ihm zeigen, daß auch ein Viktor Krum nicht unbesiegbar war. Zwar wollte er es unbedingt Hermine erzählen, doch konnte er es ja eigentlich auch hinterher tun, und Krum würde es dann nie erfahren. »Wie stellst du dir das Spiel genau vor? Ich meine, das Ziel ist klar, der Schnatz … doch ich meine das ganze Drumherum«, fragte Harry gespannt, und Zorn über die Bemerkung von eben lag noch in seiner Stimme.

»Den Schnatz stelle ich. Er war der schwierigste Fang, den ich je geschafft habe, und er führte zu meinem Meisterschaftsgewinn«, sagte Krum und holte einen kleinen goldenen Schnatz aus seiner Hosentasche, den er auf den Tisch legte.

»Wenn es sein muß. Ich hoffe, er ist nicht manipuliert.«

»Du kannst ihn prüfen, wenn du willst. Zudem werden wir sechs Klatscher verzaubern, die uns die Sache noch ein wenig schwieriger machen.«

Harry nickte, was er schon im nächsten Moment bereute. Sechs sind verdammt viel, dachte er, doch ihm kam da auch eine kleine Idee. »Wobei wir sie so verzaubern, daß vier immer den von uns angreifen, der näher am Schnatz ist.«

Nun dachte Krum einen Moment lang nach. »Klingt nur fair.«

Schließlich gaben sie sich die Hand. Jeder von ihnen griff so fest zu, daß sich ihre Gesichter vor Schmerzen verzogen. Als es für Harry kaum noch zu ertragen war, versuchte er seine Hand wegzuziehen, doch Krum verstärkte noch den Druck.

»Laß los«, preßte Harry durch seine Zähne.

»Eins zu null für mich«, grinste Krum hämisch und lockerte den Griff.

Harry war sauer, dieses Vorspiel verloren zu haben, doch mit dieser verlorenen Schlacht war der Krieg noch nicht vorbei. Beim Quidditch zählten andere Qualitäten als die pure Kraft, und insgeheim hatte er sogar die Hoffnung, zu gewinnen und diesen Schnösel damit nach Hause zu schicken.

Jetzt mußte er sich nur noch eine gute Ausrede einfallen lassen, mit der er Hermine für die Zeit des Spieles ablenken konnte. Dies gefiel ihm als einziges so gar nicht an der Sache und war mit Abstand das Unangenehmste an dieser Geschichte; viel unangenehmer, als gegen Krum zu verlieren, dachte er. Irgendwie hatte er echte Probleme damit, sie anzulügen, und fürchtete sich sogar ein wenig davor. Eigentlich liebte er sie viel zu sehr, um ihr eine solche Abmachung zu verheimlichen, doch hatte er leichtsinnigerweise bereits eingeschlagen. Ein wenig sauer auf sich selbst, verließ er mit Krum den Raum, und ihre Wege trennten sich an der Treppe. Als Harry in den Gemeinschaftsraum zurückkam, wollte Hermine sofort wissen, was Viktor von ihm gewollte hatte, und er bereute die Lüge schon, bevor er sie ausgesprochen hatte.

»Na ja … er hat mir gesagt, daß er dich noch will, und wollte wissen, wie sehr ich dich liebe.« Harry war unsicher, sogar in seinen eigenen Ohren klang das nicht gerade sehr glaubwürdig.

»Reist er denn jetzt ab?«

Harry schüttelte mit dem Kopf. »Er will noch mal über alles nachdenken.« Er gab ihr einen Kuß. »Ich muß kurz in meinen Schlafsaal, bin gleich wieder da.« Er verschwand, bevor sein Gesicht vom Lügen zu rot wurde.

Geschwind lief er die Treppe nach oben und holte seinen Feuerblitz aus dem Schrank. Dieser war noch immer in einem perfekten Zustand, und Harry konnte nicht viel tun, um ihn vor seinem Duell noch zu verbessern. Bevor er in den Gemeinschaftsraum zurückging, legte er auch noch seinen Tarnumhang bereit, mit dem er nach dem Abendessen zum Quidditch-Feld hinuntergehen wollte. Keiner würde ihn so sehen können, und damit hätte er sich auch an diese unselige Absprache gehalten.

Als Harry wieder hinunterging, plagte ihn sein schlechtes Gewissen noch mehr, und er vermied es bis zum Abendessen, Hermine in ihre wunderschönen Augen zu schauen, was diese glücklicherweise nicht bemerkte, da Harry ununterbrochen versuchte, Ron in ein Gespräch zu verwickeln. Dabei versuchte er krampfhaft, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, weshalb er nach dem Abendessen unbedingt allein sein mußte. Während des Essens fiel ihm durch einen Blick auf die verzauberte Decke auf, daß es draußen inzwischen regnete, und er beschloß, sich darauf gut vorzubereiten. Als er noch immer krampfhaft nach einer Ausrede suchte, half ihm plötzlich das Glück. Gerade als Harry mit Essen fertig war – Krum hatte ihn schon ungeduldig angesehen –, kam Dumbledore plötzlich zu ihnen und bat Hermine zu sich ins Büro.

»Kein Problem, geh nur. Ich lerne derweil ein wenig«, meinte Harry zu ihr und küßte sie flüchtig auf die Wange.

»Du kannst gern mitkommen, Harry«, bot Dumbledore an.

Harry winkte ab. »Nicht nötig, Sir! Hermine kann es mir danach erzählen.« Er stand auf. Dumbledore und Hermine liefen in Richtung des Ausganges, und Harry tauschte einen Blick mit Krum. Er mußte nun nur noch Ron und die anderen loswerden. Wieder hatte er beinahe unverschämtes Glück, da sich Ron noch etwas auf seinen Teller tat und gleichzeitig ein Gespräch mit Neville anfing. »Wir sehen uns nachher«, meinte Harry zu den beiden, die ihm nur zunickten, und verließ langsam die Große Halle.

Harry wollte unbedingt schnell nach oben und seinen Tarnumhang anziehen, doch er wollte sich auch nicht zu auffällig benehmen. Kaum war er die erste Treppenstufe nach oben gegangen, zog ihn jemand am Umhang. Als er sich umdrehte, erkannte er sofort Krum.

»In zehn Minuten«, verkündete dieser und verschwand in Richtung Kerker, um seinen eigenen Besen zu holen.

Harry bemerkte William, dem dieses kurze Gespräch nicht entgangen war und der Krum nun nach unten folgte, während er nach oben lief und überrascht war, wie gut es bisher geklappt hatte. William konnte nicht wissen, worum es ging, und deshalb machte Harry sich auch keine Sorgen, daß er sie gehört hatte.

Schnell durchquerte er den fast leeren Gemeinschaftsraum und stieg die Stufen zu seinem Schlafsaal hoch. Oben verzauberte er seine Brille, um sie so vor dem Beschlagen zu schützen. Danach zog er sich seine Quidditch-Ausrüstung an, schnappte sich seinen Besen und warf sich den Tarnumhang über. Leise schlich er sich nach unten. Lange mußte er nicht warten, bis ein Zweitkläßler in den Gemeinschaftsraum kam, so daß er problemlos durch die Öffnung hinausschlüpfen konnte.

Auf dem Weg nach unten kam er wieder an der Großen Halle vorbei und erhaschte einen Blick auf Ron und Luna, die gerade nach oben gingen. In nur geringem Abstand folgten ihnen Neville und Ginny, die verliebt Händchen hielten. Vorsichtig ging Harry hinaus, wobei er darauf achtete, daß niemand die Tür beobachtete.

Draußen stürmte es heftig, und der Regen begann sofort, ihn aufzuweichen. Trotzdem war es überraschend hell, da es weiter hinten schon wieder aufzureißen schien und die Sonne hindurchstrahlte. Mit leichtem Bedauern, dieses herausfordernde Spiel bei einem solchen Mistwetter spielen zu müssen, bestieg er seinen Besen. Noch immer vom Tarnumhang verborgen, stieß er sich vom Boden ab und flog in lockerem Tempo hinunter zum Stadion. Dabei überholte er Krum, der anscheinend lieber laufen wollte. Dabei hielt er das Tempo niedrig genug, um nicht den Umhang zu verlieren; diesen wollte er dann irgendwo verstecken, da Krum schließlich nicht erfahren mußte, daß er einen solchen besaß. Endlich landete er, betrat sofort die Umkleidekabinen und versteckte seinen Tarnumhang in seinem Spind. Anschließend verließ er wieder die Räumlichkeiten, um zurück in den Regen zu gehen und auf Krum zu warten. Dieser war nun nicht mehr weit entfernt und stand nur wenige Augenblicke später vor ihm.

»Hast es wohl eilig zu verlieren«, spottete dieser, als er ihn gewahrte, war aber offenbar doch erstaunt, daß Harry eher dagewesen war.

»Wo sind die Klatscher?«

»Die habe ich vor dem Essen schon vorbereitet. Wenn du willst, kannst du sie gern prüfen. Sie liegen da um die Ecke.« Dabei wies Krum auf die linke Wand der Umkleidekabinen.

Zur Sicherheit wollte Harry sie wirklich lieber in Augenschein nehmen, obwohl er nicht annahm, daß ihn der weltbeste Spieler würde betrügen wollen. Gemeinsam gingen sie hinüber, und Harry führte einige Zauber aus, um sich zu vergewissern, daß Krum sie richtig vorbereitet hatte. Tatsächlich waren vier von ihnen so eingestellt, daß sie immer den jagen würden, welcher in der geringeren Entfernung vom Schnatz war, und die beiden anderen sollten sich entsprechend um den anderen kümmern. Harry war soweit zufrieden und konnte keine Manipulationen feststellen. Jeder von ihnen trug drei Klatscher, und gemeinsam gingen sie hinaus auf das Feld. Mit jedem Schritt wuchs Harrys Nervosität, die sich immer weiter steigerte, bis Krum den Schnatz aus seiner Tasche holte.

»Hier, prüf ihn.«

Harry nahm ihn und stellte sofort fest, daß er noch leichter war, als der Schnatz, den er normalerweise jagen mußte, und daß er noch viel filigraner wirkte. Allmählich bekam er eine Vorahnung, wie schwierig es sein würde, Krum zu besiegen, doch der Ehrgeiz brannte in ihm.

Mit seinem Zauberstab prüfte er den Schnatz und gab ihn zurück. »Sieht gut aus, denk' ich.«

Der Bulgare aktivierte den Schnatz und ließ ihn hoch in die Luft fliegen, während sich die beiden nur grimmig anstarrten. Fast eine Minute standen sie einfach nur so da, während Harry nicht wagte zu blinzeln.

»Er hat genug Vorsprung, laß uns beginnen. Die Klatscher starten in vier Minuten«, meinte Krum plötzlich und bestieg seinen Besen.

Unmittelbar nach dieser Aufforderung stieg Harry auf seinen Besen, und sie stießen sich gleichzeitig vom Boden ab. Sofort beschleunigte Krum und entfernte sich schnell von ihm. Was mach' ich jetzt, fragte sich Harry und entschied rasch, sich genauso zu verhalten, wie er es bei jedem anderen Spiel auch tun würde.

Zuerst flog er eine lockere Runde um das Stadion und versuchte, inmitten des vielen Regens den Schnatz zu entdecken. Dagegen wandte Krum eine gänzlich andere Taktik an, die offenbar darin bestand, in immer größeren Kreisen durch die Gegend zu fliegen. Dabei versuchte Harry ihn natürlich immer mit einem Auge im Blick zu behalten, was ihm im Regen aber nicht leicht fiel.

Einige Minuten änderte sich nicht viel an der Situation, bis Harry plötzlich von zwei Klatschern verfolgt wurde, denen er nur mühsam ausweichen konnte. Sofort war ihm klar, daß Krum näher am Schnatz war und er sich ihm seinerseits nähern mußte. So schnell es sein Feuerblitz hergab, flog Harry auf seinen Gegner zu. Lächelnd sah er, daß Krum von vier Klatschern verfolgt wurde und sich nur mühsam gegen sie durchsetzen konnte. Plötzlich kamen zwei dieser Klatscher auf Harry zu, der angestrengt versuchte, den Schnatz zu finden, gleichzeitig aber den gefährlichen Geschossen auswich.

Bei seinem Ausweichmanöver verlor Harry seinen Gegner aus den Augen, doch tauchte dieser nach einer Rechtskurve plötzlich mitten vor ihm auf. Krum verfolgte den Schnatz in geringem Abstand und war in einer deutlich besseren Position. Ernüchterung machte sich in Harry breit und er glaubte das Spiel schon verloren – doch noch gab es ein wenig Hoffnung. Die vier Klatscher waren wieder an Krum herangekommen und umschwirrten unablässig dessen Kopf. Dieser versuchte sie mit seinen Händen abzuwehren, doch sie jagten ihn weiter, bis ihn einer plötzlich traf – alles war wieder offen.

Leicht orientierungslos driftete Krum weg, und Harry heftete sich grinsend an den Schnatz. Kaum hatte er das getan, mußte er die Verfolgung aber schon wieder abbrechen, da ihn sonst zwei Klatscher voll getroffen hätten. Instinktiv tauchte Harry nach unten weg und sah Krum, der sich wieder gefangen hatte. Sie flogen in knappen Abstand aneinander vorbei, und in den Augen des Bulgaren brannte der pure Haß. Dies schockte Harry einen Moment lang. Daß ihn Krum wegen Hermine so sehr hassen würde, hätte er nie geglaubt, und doch schien es tatsächlich so zu sein.

Wieder kam ein Klatscher auf Harry zu, und ein zweiter war nicht weit weg. Seine harte Wende kam sofort, und damit hielt er wieder auf Krum zu. Überraschend sah Harry den Schnatz und konnte sein Glück kaum fassen. Er war nicht weit hinter Viktor, doch dieser konnte ihn nicht sehen, da er in die andere Richtung flog. Sofort beschleunigte Harry und hielt voll auf ihn zu, bis der Schnatz plötzlich mit ungewöhnlich schnellen Ausweichbewegungen begann und mit einemmal verschwunden war.

Krum hatte nicht übertrieben, dachte Harry enttäuscht und mußte vier Klatschern gleichzeitig ausweichen, die ihn von allen Seiten angriffen. Einer von ihnen traf ihn am linken Unterarm, und er stöhnte vor Schmerzen laut auf. Sein Arm brannte, und er konnte sich nur mit Mühe zusammenreißen. Unmittelbar danach bemerkte er, daß Krum näher am Schnatz war, da sich wieder nur zwei der Klatscher um ihn kümmerten, während Krum von vieren verfolgt wurde.

Während Harry wieder auf Krum zuflog, dabei ein Klatscher knapp über seinen Kopf hinwegjagte und ein anderer ihn verfolgte, flog der Bulgare abenteuerliche Ausweichmanöver, bis er dann doch getroffen wurde.

Rasend schnell näherte sich Harry seinem Gegner und ließ den Klatscher, welcher sich hinter ihm befand, forsch immer näher herankommen. So knapp er konnte, schoß er an Krum vorbei und hörte dann das Geschoß dumpf in dessen Körper einschlagen. Harry konnte sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen; als er dann aber nach rechts blickte und dort den Schnatz sah, hätte er beinahe aufgejubelt.

Während Harry in dessen Richtung lenkte, flog der Schnatz steil nach oben, woraufhin er sofort reagierte. Das Tempo des Schnatzes war so hoch, daß Harry selbst mit Maximalgeschwindigkeit nicht viel schneller war und ihm kaum näher kam. Der Schnatz ging in eine Art Looping, und er folgte ihm in zwanzig Meter Abstand. Die Fliehkräfte wirkten und drückten ihn an den Besen, bis sie wieder steil nach unten flogen. Plötzlich kam Krum ihm und dem Schnatz entgegen, während Harry das Letzte aus seinem Besen herausholte. Die Hoffnung auf den Sieg schrumpfte ein wenig, als er sah, wie Krum dem Schnatz schneller näher kam, als er selbst es vermochte, doch noch wollte er nicht aufgeben; eine reine Verzweiflungstat schoß ihm durch den Kopf. Grimmig entschied er, das Wagnis einzugehen und Krum nicht auszuweichen.

Rasend schnell sah er ihn genau auf sich zukommen, und auch der weltbeste Sucher wollte es offenbar darauf ankommen lassen. Alles ging so schnell, dennoch wirkte es auf Harry, als wenn er alle Zeit der Welt hätte. Seine Hände verkrampften sich um seinen Besen, und er starrte Krum einfach nur an. Er konnte schon das Weiße in seinen Augen erkennen, als dieser plötzlich Angst zeigte. Harry konnte es kaum glauben; noch entschlossener hielt er voll auf seinen Gegner drauf, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Der Schnatz war genau zwischen ihnen, als Harry seine Augen schloß und sich, so fest er konnte, an seinem Besen klammerte. Gleich stoßen wir zusammen, dachte er, als er schon den Aufprall spürte.

Etwas riß an seinen Beinen, und er verlor beinahe den Halt. Geschockt öffnete er sofort seine Augen, doch Krum war nicht zu sehen. Verzweifelt sah er sich nach dem Schnatz um, doch auch ihn konnte er nicht entdecken. Sein Herz rutschte ein Stück in die Hose, als er den Boden überraschend schnell näher kommen sah. Kraftvoll riß er seinen Besen wieder in die Waagerechte und erkannte zwei Klatscher, die von der Seite auf ihn zukamen. Hat er ihn schon, fragte sich Harry unruhig und wich in einem spektakulären Manöver aus, welches er vorher nicht für machbar gehalten hätte.

Als er sich zu Krum umblickte, schwebte dieser in der Luft und hing schief auf seinem Besen. Harry sah, daß er sich den Kopf hielt und war sich in diesem Augenblick sicher, daß er ihn mit seinen Beinen dort getroffen haben mußte. Erleichterung machte sich in ihm breit, denn nun schienen seine Chancen wieder gestiegen zu sein. Wenn ich aber doch gegen Krum verlieren sollte, habe ich ihm wenigstens einen guten Kampf geliefert, dachte er und blickte wieder nach vorn.

Gerade noch rechtzeitig wich er erneut einem Klatscher aus und näherte sich in einer Rechtkurve wieder Krum an, der gerade von zwei anderen Klatschern angegriffen und brutal getroffen wurde. Einen Moment später bemerkte er voller Schadenfreude zwei weitere Klatscher, die schon auf Krum zurasten, als sie plötzlich die Richtung änderten und sich Harry als neues Ziel suchten, was diesem das Grinsen aus dem Gesicht trieb.

Beiden Klatscher wich er im letzten Moment aus, wurde aber von einem weiteren Geschoß hart in den Rücken getroffen und nach vorn geschleudert. Sich vor Schmerzen windend, biß er aber auf die Zähne und schoß an Krum vorbei, dem es nicht besser zu gehen schien. Noch mehr Adrenalin floß durch sein Blut, verdrängte die Schmerzen und steigerte seine Aufmerksamkeit. Einer der Klatscher brach Harrys Verfolgung ab und flog erneut auf Krum zu, der nun wieder Tempo aufgenommen hatte.

Viktor Krum flog steil nach oben; er schien irgend etwas gesehen zu haben, das er mit seinem Blick fixierte. Sofort reagierte Harry und setzte sich hinter ihn. Langsam kam er ihm näher, als Krum plötzlich geschwindigkeitsraubende Manöver flog und er ihn mit einem Schlag eingeholt hatte. Wieder wurde Krum von einem Klatscher getroffen, doch schien ihm das nichts auszumachen. Plötzlich ging er in einen steilen Sinkflug; Harry folgte. Immer schneller kamen sie dem Boden näher, und Krum streckte seinen Arm aus. Schon sehr nah war Harry an ihm dran, konnte aber nichts erkennen. War es eine Falle? War es der Wronski-Bluff? Harry war sich nicht sicher, entschied aber dranzubleiben. Blitzartig kamen drei Klatscher auf Krum zu, und Harry war nun sicher, daß es kein Trick gewesen war. Alles aus dem Feuerblitz herausholend, kam er ihm noch näher. Nur noch einen halben Meter war Harry zurück, bis er die genau gleiche Geschwindigkeit erreicht hatte und nicht mehr näher kam. Vor seinem Gegner sah er den Schnatz, doch dann war er wie aus heiterem Himmel verschwunden. Reflexartig brach Harry den Sturzflug sofort ab, während Krum wohl Mühe hatte, es zu realisieren, und einen Moment zu lange zögerte. Nun konnte er nicht mehr rechtzeitig genug hochziehen und schlug halb in den aufgeweichten Boden ein, halb rutschte er darüber.

Regungslos blieb der Sucher liegen, doch Harry ließ sich davon nicht ablenken. Schnell versuchte er, den Schnatz zu orten, der in seiner Nähe sein mußte, und wich zwei Klatschern aus, die es jetzt auf ihn abgesehen hatten. Im Regen konnte Harry nur schwer etwas erkennen und flog deshalb größer werdende Kreise um die Stelle, an der er den Schnatz aus den Augen verloren hatte. Sein klitschnasser Umhang klebte dabei an ihm und ließ ihn frieren, doch konnte er sich davon nicht ablenken lassen. Einige Zeit lang konnte er nichts entdecken und mußte immer wieder heranbrausenden Klatschern ausweichen, die sich auf ihn konzentrierten, solange Krum noch am Boden war. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, während der er öfter einmal einen Blick nach unten warf und dort einen offenbar bewußtlosen Krum liegen sah. Doch schon beim nächsten Blick war die Stelle, wo er gelegen hatte, leer.

Wieder wich Harry einem Klatscher aus, welcher frontal auf ihn zukam, und zog steil nach oben. Der Regen prasselte ihm dabei heftig ins Gesicht, und mit einemmal sah er den Schnatz. Er war nur dreißig Meter entfernt, genau über ihm, und Harry flog voll darauf zu, als ihn auch schon eines des Geschosse am Kopf traf.

Er verspürte ein Déjà-vu-Gefühl, sein Blick verschwamm, und er sackte ab. Einen Moment später spürte er einen weiteren Klatscher in seine Rippen schlagen, und für einen Moment bekam er keine Luft mehr. Er spürte, wie er schneller wurde, und versuchte verzweifelt, etwas zu erkennen. Dabei raste er weiter auf den Boden zu und zog den Besen steil nach oben, gerade noch rechtzeitig, um nicht aufzuschlagen. Ein weiterer Klatscher kam auf ihn zu, und beim Ausweichen versuchte er Krum zu entdecken, den er schließlich weit über sich kreisen sah. Mit heftigen Kopfschmerzen ging Harry wieder auf Höhe und beobachtete, wie Krum von drei Klatschern gejagt wurde. Ein vierter näherte sich unbemerkt von der Seite und traf Krum unvorbereitet am Bein. Da Harry ihm schon nahe gekommen war, konnte er ihn laut aufschreien und fluchen hören.

Noch näher kam er ihm. Krum streckte, offenbar in Erwartung des Schnatzfanges, seinen Arm aus, während er gleichzeitig in den Sturzflug ging. Nervös und voller Anspannung starrte Harry ihm hinterher. Kein Klatscher war in der Nähe, und wenn Krum den Schnatz vor sich hatte, dann würde er ihn vielleicht nicht mehr am Fang hindern können, ging es durch seinen Kopf. Krum beschleunigte maximal, doch aufgeben war für Harry nie eine wirklich Option, und so setzte er sich knapp hinter seinen Gegner und versuchte alles, um ihn einzuholen.

Er gab alles, was er hatte, und kam ihm tatsächlich langsam näher. Plötzlich kam ein Klatscher auf sie zu, und Harry sah, daß er nicht auf Krum zielte. Verzweifelt versuchte er dabei mehrmals, seinen Rivalen zu rammen, doch streifte er nur den Schweif dessen Besens. Der Klatscher jagt mich? Warum jagt er nicht ihn? Einer Eingebung folgend, blickte er sich plötzlich um. Er wußte nicht wirklich, warum er es tat, doch er hatte ein merkwürdiges Verlangen, das befriedigt werden wollte.

Er sah den Schnatz und brach umgehend Krums Verfolgung ab. Steil zog er nach oben und flog auf das Ziel seiner Begierde zu. Wieder wich er zwei Klatschern aus, doch wurde er von einem dritten am linken Unterarm getroffen. Tränen schossen Harry in die Augen, ließen seinen Blick leicht verschwimmen, doch er biß die Zähne zusammen. Das letzte aus seinem Rennbesen herausholend, hatte er nur eine Sekunde danach den Schnatz in seiner rechten Hand. Er fühlte, wie dessen Flügel verzweifelt zu schlagen versuchten, und er konnte es gar nicht richtig fassen, es noch nicht begreifen.

Schon als er ihn in der Hand hielt, war seine Erinnerung an den Fang verschwommen, und wie es ihm überhaupt gelungen war, wurde mit jeder Sekunde unklarer, doch dieses unglaubliche Glücksgefühl schwoll an. Seine Schmerzen waren wie nie dagewesen, und dieses plötzliche Weichen der Anspannung war unglaublich befreiend. Was für eine Leistung ... Viktor Krum besiegt, dachte er nur und wollte am liebsten sofort anfangen zu tanzen. Er wollte in Hermines Nähe sein, sie umarmen, sie küssen ... wußte er doch nur zu gut, daß man einen solchen Triumph nur wenige Male in seinem Leben würde spüren können. Am liebsten wollte er ihn zusammen mit Hermine voll auskosten, doch wurde ihm wieder bewußt, daß er mit niemandem darüber würde reden dürfen, nicht einmal mit ihr.

Langsam flog er, innerlich jubilierend, nach unten und starrte dabei auf den Schnatz in seinen Händen. Mit einemmal war ihm aber klar, daß er es zumindest Hermine irgendwann erzählen würde, konnte er dies doch nicht einfach so für sich behalten. Es war einfach zu groß ... zu wichtig ... zu gut!

Ich muß Viktor unbedingt fragen, ob ich den Schnatz behalten kann, dachte er und strahlte wie selten in seinem Leben. Wenn schon niemand sonst von diesem Duell erfahren soll, dann will ich wenigstens dieses Erinnerungsstück an diesen unglaublichen Sieg behalten.

Langsam ging er mit seinem Besen immer tiefer und setzte in der Nähe einer der Tribünen auf, unter der er zumindest ein wenig vor dem Regen geschützt wäre. Seinen Feuerblitz stellte er an einen der dicken Stützpfeiler, ein gutes Stück unter der Holzkonstruktion, und ging wieder einige Schritte näher an das Spielfeld heran, um auf Krums Ankunft zu warten. Auch dieser kam nun allmählich nach unten. Harry sah auf seine Uhr und konnte es nicht fassen. Das Duell hatte ungefähr eine halbe Stunde gedauert, wobei es ihm nur wie ein paar Minuten vorgekommen war. Krum setzte auf und seine Miene ... sein Blick sagten alles. Er war so enttäuscht, daß Harry es beinahe riechen konnte. Mit einemmal war Harrys Glücksgefühl verschwunden, und seine Instinkte rieten ihm zur Vorsicht.

»Hast mich also besiegt«, sagte Krum mit zittriger Stimme, und pure Verachtung war in ihr zu hören.

»Sieht so aus«, meinte Harry sachte. Er wollte Krum lieber nicht reizen. Er wollte nun lieber nicht mehr fragen, ob er den Schnatz behalten könne, da es Krum sicher wütend machen würde. »Hier, dein Schnatz.«

»Den will ich nicht mehr«, antwortete Krum patzig und schlug ihn mit großer Wucht aus Harrys Hand. Er flog weit unter die Tribüne und, wie durch einen Zufall, an den vielen umstehenden Stützpfeilern vorbei. Harry wußte nun nicht, was er tun sollte. Sollte er ihn lieber liegenlassen oder ihn einfach aufheben, denn haben wollte er ihn nach wie vor sehr gern.

»Dann wirst du jetzt abreisen?« fragte er vorsichtig und wollte Krum vorsichtig an seinen Einsatz erinnern.

»Wir werden sehen.«

Das machte Harry ein wenig wütend. »Hältst du dich also nicht an unsere Vereinbarung?«

»Wir werden sehen«, kam es erneut von Krum, und er funkelte Harry böse an.

»Dann werde ich jedem von meinem Sieg berichten müssen«, entfuhr es Harry zornig, und er bereute es sofort.

»Schon gut«, meinte Krum plötzlich und schien zu Harrys Erleichterung doch noch einlenken zu wollen.

»Gehst du nun oder nicht?«

»Ich gehe. Du kannst dir deine Trophäe holen. Aber zu niemandem ein Wort! Wehe ... du würdest es bereuen!« warnte Krum und drehte sich um.

Unglaubliche Erleichterung machte sich in Harry breit. Auf eine Konfrontation mit Viktor konnte er gut verzichten, füchtete er sich doch sogar ein wenig davor, und das nicht nur deshalb, weil Hermine ihm danach sicher Vorwürfe gemacht hätte. Er erinnerte sich an den Schnatz, drehte sich in die Richtung, in die er geflogen war, und ging los. An all den Stützpfeilern vorbeigehend, erspähte er ihn reglos auf dem Boden liegend, und erst jetzt wurde ihm bewußt, mit welcher Kraft Krum ihm das Objekt seiner Begierde aus der Hand geschlagen hatte; zwanzig Meter war er sicher geflogen. Er ging die letzten Schritte auf ihn zu. Zufrieden bückte er sich zu ihm hinunter und hob ihn auf. Als er wieder stand und den glitzernden Schnatz in den Händen hielt, kam das Glücksgefühl zurück, das er direkt nach seinem Fang gespürt hatte. Er drehte sich um. Krum stand kaum zehn Meter von ihm entfernt. Seine Augen funkelten angriffslustig und voller Abscheu. Der Zauberstab in Krums Händen zog Harrys Blick magisch an. Seine Spitze richtete sich auf ihn aus, und Harry reagierte wie eine frisch geölte Maschine.

Der Schnatz fiel langsam zu Boden, als er schon in seinen Umhang griff, seinen eigenen Zauberstab aus ihm hervorzog und gleichzeitig hinter den nächsten Stützpfeiler hechtete, um hinter ihm in Deckung zu gehen. Eigentlich hatte er diesen Angriff noch gar nicht richtig realisiert, als schon ein grüner Fluch über der Stelle flog, an der er soeben noch gestanden hatte. Harrys Puls ging steil nach oben, sein Herz sprang ihm dabei fast aus der Brust, und große Mengen Adrenalin pumpten erneut durch seinen Körper. Sein Verstand war in diesem Moment so klar wie selten zuvor, und er war fassungslos über diesen Mordversuch, den er nicht nachvollziehen konnte. Klar konnte Krum ein Mistkerl sein, und verletzte Eitelkeiten konnten schwer wiegen, doch mit so etwas hätte er nie gerechnet. Sein Blick ging für einen winzigen Moment links um den Pfahl herum, ehe er sich auf die andere Seite drehte und Krum einen Fluch entgegenschoß.

»Gib auf, Potter. Du kannst nicht allein gegen vier gewinnen«, rief Krum, und Harry stutzte. Vier … wieso vier?

»Darauf falle ich nicht rein«, erwiderte er und preßte sich mit seinem Rücken noch fester an den dicken Pfahl, der ihm im Moment guten Schutz bot.

»Worauf fällst du nicht herein?« fragte eine weibliche Stimme mit einem sarkastischen Unterton, die Harry nur zu genau kannte.

»PARKINSON!« brüllte er verzweifelt.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam ihn. Bisher war Parkinson schon ein gefährlicher Gegner gewesen, und er war sich sicher, daß sie ihn diesmal nicht mit ein paar blauen Flecken und einer gebrochenen Nase davonkommen lassen würde – diesmal ging es um Leben und Tod!

Er verstand nur nicht, warum auch Krum seinen Tod wollte. Es konnte doch nicht nur wegen Hermine oder dieser Niederlage sein, grübelte er und schickte einen weiteren Fluch in seine Richtung.

»Wer sind die anderen?« Er wollte erst einmal auf Nummer Sicher gehen, daß sie ihm wirklich vier zu eins überlegen waren.

»Komm schon raus, Potter«, rief eine Stimme, die Harry kannte.

»Wenn du nicht kommst, dann kommen wir!« drohte eine weitere Stimme, die er ebenfalls schon einmal gehört hatte.

»Pritchard und North, nicht wahr? Hätte ich mir ja denken können«, brüllte Harry, und sowohl Wut als auch Verzweiflung waren in seiner Stimme zu hören.

»Kommst du nun, und es wird schnell gehen? Oder sollen wir kommen, und es wird schrecklich?« ertönte Krums Stimme. Harry konnte genau hören, daß ihm die zweite Möglichkeit lieber gewesen wäre.

Viele Gedanken flogen durch seinen Kopf. Was soll ich tun? Vier gegen einen? Das wird hart … aber ich habe schon Schlimmeres überlebt. Aber warum war ich so dumm? Warum bin ich schon wieder allein in eine Falle getappt? Ich hätte es doch besser wissen müssen!

Als Harry an der linken Seite des Pfahles vorbeisehen wollte, kam ihm schon ein Fluch entgegen, und trotzdem hatte er die vier kurz erblicken können. Sie standen hinter verschiedenen Pfeilern in kaum zehn Metern Entfernung und warteten auf Harrys Entscheidung. Sollte er sich ergeben … nur damit es schnell ging? NIEMALS, ging es ihm durch den Kopf, und unbewußt stellte er sich schon auf die schlimmsten Schmerzen ein.

»Kommt und holt mich, ihr feigen Schweine! Aber einen von euch nehme ich mindestens mit mir!« brüllte er und lief im selben Moment los. So schnell er konnte, eilte er zum nächsten Pfeiler und ging dahinter in Deckung. Zu seiner eigenen Überraschung gelang es ihm problemlos, und so hatte er weitere vier Meter zwischen sich und seine Feinde gebracht.

»Dann kommen wir jetzt, Potter! Los, verteilt euch, ihr beide nach links«, befahl Krum, und Vorfreude war in seiner Stimme zu hören.

Harry versuchte, auf jedes noch so kleine Geräusch zu hören, doch der prasselnde Regen machte es ihm nicht leichter. Verzweifelt schloß er seine Augen. Zu seiner Überraschung konnte er sie nicht nur hören, er glaubte das ganze Szenario beinahe sehen zu können. Zwei von ihnen gingen nach links, zwei nach rechts. Sofort hob Harry seinen Zauberstab, drehte sich in einer fließenden Bewegung nach rechts um den Pfeiler und schoß einen Reduktor-Fluch ab. Jemand warf sich in den Dreck und stöhnte leise auf, während Harrys Fluch in einen Pfeiler einschlug und ihn zerschmetterte.

Es war Pansy Parkinson gewesen. »Daneben, Potter.« Harry hörte, wie sie wieder aufstand. »Wenn du erst tot bist, dann schnapp' ich mir die Schlammblutnutte.«

Zornig wollte er sie dafür würgen und solange mit seinen Händen ihren Hals fest umschließen, bis sie sich nicht mehr rührte. Nicht Hermine, bitte nicht Hermine, ging es dabei immer wieder durch seinen Kopf, und nur schwer wurde er diesen Gedanken wieder los. Niemals kann ich mir verzeihen, wenn ihr etwas zustößt, dachte er, als er plötzlich einen dumpfen Schlag hörte und jemand zu Boden ging. Nur für einen Augenblick drehte sich Harry um den Pfeiler und sah Krum, der über Parkinson stand.

»Wenn du sie anrührst, dann bist du tot«, schrie Krum auf sie ein, und seine Stimme zitterte vor Wut. In Harry keimte Hoffnung. Wenn er schon hier und jetzt sterben sollte, würde wohl wenigstens Hermine überleben. Auch wenn er nicht wußte warum, machte es die Situation beinahe erträglich für ihn, obwohl er nicht wirklich wissen wollte, was Krum mit ihr tun würde.

»Wenn du mich noch mal schlägst, dann sag' ich's dem Dunklen Lord!« drohte Parkinson, und Harry hörte sie erneut aufstehen.

Krum lachte. »Sag ihm, was du willst, aber Hermine Granger gehört mir … und nur ich werde entscheiden, wann sie stirbt.«

Harry drehte sich der Magen um. Irgendwann tötet er sie doch. Dieses Schwein … ich mach' dich kalt, dachte er, und mit dem Mute der Verzweiflung feuerte er einige Flüche auf die Bande ab, von denen kein einziger sein Ziel traf.

»Das wird dir nicht helfen. Wir kriegen dich gleich«, lachte Krum, und Harry schloß die Augen.

Alle vier lachten nun laut über ihn, und dieses Lachen fraß sich in sein Hirn. Nichts wünschte sich Harry jetzt mehr, als daß Hermine und seine Freunde hier bei ihm wären und ihm beistünden. Er wünschte es sich so sehr, daß es ihm beinahe körperliche Schmerzen zufügte. Wieder war er allein, obwohl er es nie mehr hatte zulassen wollen. Wieder würde er allein kämpfen müssen, und wieder würde er allein siegen müssen. Er mußte siegen, er mußte Hermine beschützen. Sein Ziel vor Augen drehte er sich um den dicken Pfeiler und schoß einen Fluch ab.

Hermine folgte Dumbledore nach dem Abendessen aus der Großen Halle. Zusammen gingen sie direkt in sein Büro, wo Professor Snape schon auf sie wartete. Erst jetzt fiel ihr auf, daß dieser beim Essen gefehlt hatte, und als sie ihren Lehrer für Zaubertränke vor sich sah, wußte sie auch, warum. Fast erschrak sie sogar ein wenig, da er unglaublich schlecht, eigentlich sogar richtig krank aussah. Sein Gesicht war so fahl, wie sie es noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte; seine Haare waren so fettig und hingen so schwer von seinem Kopfe herab, daß es aussah, als hätte er sie in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Mal gewaschen. Auf eine merkwürdige Weise empfand Hermine Mitleid mit Snape, doch wußte sie nicht, wie sie es zum Ausdruck bringen sollte, ohne sich dafür von ihm einen erbosten Kommentar einzufangen. So beschloß sie, den Mund zu halten und sich einfach hinzusetzen.

»Ich danke dir für dein Kommen«, begann Dumbledore, als er sich gerade hingesetzt hatte. Als Hermine einen Seitenblick auf Snape warf, konnte dieser sich beinahe nicht mehr wach halten, nickte ihr dann aber zu.

»Wie kann ich Ihnen denn helfen?« fragte Hermine und sah dabei wieder Dumbledore an.

»Professor Snape möchte Sie bitten, für ihn einen Trank zu brauen, da er selbst es nicht mehr kann.«

Hermine blickte wieder zu Snape, und ihr fiel auf, daß er auch sehr schwer atmete. »Warum tut es nicht Madam Pomfrey oder jemand aus dem St. Mungo?«

»Die Gründe brauchen Sie nicht zu interessieren«, grollte Snape mit zittriger und schwacher Stimme.

»Wenn das so ist, kann ich ja gehen«, erwiderte Hermine und klang absichtlich ein wenig beleidigt. Ich bin doch nicht seine persönliche Hauselfe, dachte sie bei sich und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Dumbledore schien es zu amüsieren, daß sie so forsch auftrat, konnte er sich ein Lächeln doch nur schwer verkneifen.

»Dann gehen Sie«, knurrte Snape, und Hermine stand schon auf, als Dumbledore ihr mit einem Zeichen bedeutete, es nicht zu tun. Er sah zu Snape, und seine Augen schienen ihm etwas mitteilen zu wollen, daß sie nicht verstehen konnte.

»Ich kann es nicht sagen«, erwiderte Snape abwehrend und fing sich dafür einen bösen Blick ein.

»Wenn du es nicht tust, dann werde ich sie einweihen.«

»Eine Dreistigkeit ist das ... aber was bleibt mir?« flüsterte Snape und schien gar nicht zu merken, daß er es laut ausgesprochen hatte. »Das bleibt unter uns. Wenn Potter oder sonst jemand davon erfährt, werden Sie es bereuen.« Er klang überaus kraftlos, sah Hermine dabei aber streng an. Seine schwarzen Augen funkelten angriffslustig, und hätte sie nur diese Augen sehen können, sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß er krank sein könnte.

»Ich verspreche, es nur dann jemandem zu erzählen, wenn ich es für absolut notwendig erachte«, sagte sie nach einer kurzen Überlegung, und nun konnte Dumbledore sein Lächeln nicht mehr verbergen.

»Das ist eine bodenlose … Ich akzeptiere dies«, sagte er mit knirschenden Zähnen, nachdem er sich schon wieder einen grimmigen Blick eingefangen hatte.

»Ich denke, du solltest es ihr dann endlich erzählen.«

Snape sah nicht glücklich aus. »Ich habe mir einen Heiltrank gebraut. Dieser hatte einen Fehler. Ich habe eine falsche Zutat benutzt. Das hatte entsprechende Folgen.« Irgendwie klang es monoton und schien für ihn wenig Bedeutung zu haben, doch Hermine begann zu begreifen. Ihr unfehlbarer Lehrer hatte einen schwerwiegenden Fehler in der Zubereitung eines Trankes begangen und sich damit selbst geschadet. Allein das Wissen um diesen Fehler wog all die Probleme mit ihm auf, die sie in all den Jahren gehabt hatte. Tief in ihrem Innern fühlte sie Genugtuung für so viele Jahre der Pein, die sie und ihre Freunde hatten erdulden müssen.

»Warum wollen Sie nicht, daß es jemand erfährt?« fragte sie und lächelte ihn verschmitzt an. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, ihn zu provozieren, doch irgendwie konnte sie sich nicht daran hindern.

»Übertreiben Sie es nicht!« fauchte Snape.

»Schon gut. Sie brauchen Hilfe, ich werde helfen. Leichtfertig sagen werde ich es auch keinem.« Sie holte ein Stück Pergament aus ihrem Umhang. Kurz danach hatte sie eine Feder in der Hand, und ein offenes Tintenfäßchen stand vor ihr auf Dumbledores Schreibtisch. Sie sah Snape erwartungsvoll in die schwarzen Augen. »Fangen Sie an.«

»Ich wollte einen Heiltrank für mich selbst brauen, den Spliotesa-Trank. Leider verwechselte ich zwei Zutaten aus meinem Regal, da mir schwindlig war und ich nur unscharf sehen konnte. Es gelangte Rotglaba hinein, und dessen Wechselwirkung mit Dremanpulver sollte Ihnen bekannt sein«, zischte Snape, und bei jedem Wort spürte sie, wie peinlich es ihm wirklich war.

»Dann sollte Ihnen der Blimarosa-Trank helfen?« fragte sie, und Snape nickte nur kurz. »Da muß Blauglaba hinein. Haben Sie das überhaupt?« Snape schüttelte den Kopf.

Als sie darauhin Dumbledore ansah, nickte dieser: »Ich habe schon jemanden beauftragt. Er sollte in einigen Minuten zurückkommen.«

Hermine schrieb die ganze Zeit mit und begann damit, die Fallstricke bei der Zubereitung des Spliotesa-Trankes aufzuschreiben. Sie stellte Snape noch ein paar Fragen, doch in den folgenden zehn Minuten wurde kaum gesprochen.

»Hallo, Dobby«, meinte Dumbledore plötzlich, und Hermine sah von ihrem Pergament auf, das sie sich soeben noch einmal durchgelesen hatte.

»Master, Sir! Dobby hat alles besorgt, was Sie wollten, Sir!« sagte Dobby, kam näher heran und stellte einen Beutel auf dem Schreibtisch ab.

»Hallo, Dobby«, begrüßte ihn Hermine, und dieser grüßte zurück.

»Verschwinde jetzt«, befahl Snape verächtlich und sah den Hauselfen böse an.

»Jawohl, Master Snape, Sir«, entgegnete dieser unterwürfig und verschwand so unauffällig, wie er gekommen war.

»Behandeln Sie ihn nicht so«, sagte Hermine zornig. Er blickte sie lange an, sagte aber nichts. Er will mich bloß nicht verärgern, er braucht mich, dachte Hermine und wollte ihn damit nur ungern einfach so davonkommen lassen. »Wieviel Zeit habe ich noch, bevor Sie sterben?«

Snape funkelte sie grimmig an. »Neun Stunden.«

Hermine begann zu überlegen. »Nun, dann fange ich in fünf Stunden mit dem Trank an, die Zubereitung dauert ja nur etwa drei Stunden.« Snape sah sofort ein wenig nervöser aus.

»Hermine«, sagte Dumbledore leicht ermahnend, doch sie reagierte nicht darauf. Weiter starrte sie auf Snape, der nun leicht zu schwitzen begann, und sie wußte genau, warum.

Der Spliotesa-Trank war ein unglaublich empfindlicher und schwierig zu brauender Trank, der nicht selten schiefging. Sollte sie mit dem ersten Versuch scheitern, würde er sterben, da keine Zeit für einen weiteren Versuch bleiben würde. Mühsam versuchte sich Snape ein wenig aufrechter hinzusetzen, doch es gelang ihm nicht, war er dafür wohl schon zu schwach. Insgeheim fragte sich Hermine, woran ihr Zaubertranklehrer wohl dachte. Bereute er, sie gefragt zu haben und nicht jemanden aus dem St. Mungo? Warum war es ihm vor ihr weniger peinlich als vor anderen? Sie wußte auf ihre Fragen keine Antwort, doch ruhte ihr strenger Blick noch immer auf ihm.

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte der Tränkemeister, und sein Blick entspannte sich ein wenig. Auch Hermine sah wieder zu Dumbledore und wollte Snapes Antwort so positiv werten, wie es überhaupt möglich war. Es kostete ihn sicher viel Überwindung, dessen war sie sich sicher, und sie wollte gerade etwas sagen, als Remus Lupin im Kamin erschien und sie zusammenzucken ließ.

»Hallo, Albus. Hallo, Hermine … Severus, du siehst ja grausam aus«, rief er entsetzt, und das Lächeln, das er eben noch für Hermine in sein Gesicht gezaubert hatte, verschwand wieder.

»Längst nicht so grausam wie du nach dem letzten Vollmond«, zischte Snape zurück. Diese patzige Antwort war Remus wohl genug Konversation mit dem alten Rivalen, und so drehte er sich zu Dumbledore.

»Remus, wenn du persönlich kommst, muß es etwas Wichtiges geben«, sagte dieser, und mit einem Schwenk seiner Hand erschien ein weiterer Stuhl.

Remus ging hinüber, setzte sich und blickte zu Hermine. »Wenn du hier bist, dann kann Harry doch nicht weit sein, oder?«

Doch sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Schön, dich zu sehen. Harry kommt aber nicht. Ich denke, er wird oben lernen.«

»Schade, ich hätte ihn gern gesehen. Kann leider nur wenige Minuten bleiben.« Dann blickte er zu Dumbledore und wies mit dem Kopf zu Hermine. »Kann ich reden, oder … ?«

»Ich denke, wir brauchen uns wegen Hermine keine Sorgen zu machen«, erwiderte Dumbledore und schenkte ihr ein warmes Lächeln.

»Na ja, es geht um Harrys Verwandte, wir wissen Neues.«

»Was ist es?« fragte Dumbledore und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem stets freundlichen und zurückhaltenden Mann, den Hermine seit den Sommerferien wirklich liebgewonnen hatte. Schon vorher hatte sie ihn gemocht, doch inzwischen betrachtete sie ihn als Freund.

»Wir wissen, daß Voldemort vor zwei Wochen in Bulgarien fündig wurde; doch steckt noch mehr dahinter, da er sofort danach das Land verlassen hat und mit unbekanntem Ziel irgendwo in Südeuropa verschwunden ist«, berichtete Remus. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in Hermine aus, und sie bekam davon eine Gänsehaut.

»Er hat sie wirklich gefunden? Schon vor zwei Wochen?« fragte Snape schwach und wollte es offenbar nicht glauben.

»Ja, so sieht es leider aus. Wir haben es eben gerade durch einen glücklichen Zufall erfahren, doch kennen wir den Namen der Familie nicht, können es im Moment also nicht wirklich überprüfen. Die Zuverlässigkeit dieser Information ist allerdings überaus hoch … und ich bin mir dessen sicher.«

»Vielleicht sollten wir Harry darüber informieren, ich könnte ihn holen«, meinte Hermine und spürte den zwingenden Drang, sofort das Büro zu verlassen.

»Dies wäre wohl angebracht«, erwiderte der Schulleiter. »Schick ihn bitte her und nenne ihm das Paßwort. Sobald du das erledigt hast, gehe bitte in die Kerker und beginne mit deiner Arbeit.«

Sofort stand sie auf und ging langsam aus dem Büro, während Remus und Dumbledore sich weiter unterhielten. So schnell sie konnte, lief sie zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors, doch Harry war nicht da. Ron und Neville saßen an einem Tisch, und so beschloß sie, die beiden zu fragen, während das ungute Gefühl in ihr weiter wuchs.

»Habt ihr Harry gesehen, ist er im Schlafsaal? Es gibt wichtige neue Informationen.«

Ron sah von seiner Arbeit auf. »Nö, wir dachten, er ist hier, aber das ist er genausowenig wie im Schlafsaal. Sollen wir dir suchen helfen?«

Sie klappten ihre Bücher zu, und nur Augenblicke später verließen sie gemeinsam den Gemeinschaftsraum.

»Warum läufst du so schnell, ist es eilig?« fragte Neville und schloß ein wenig keuchend zu Hermine auf.

»Ich weiß nicht, ist ein ungutes Gefühl«, erwiderte sie, während sie die Tür zur Bibliothek öffnete.

Nur wenige Sekunden danach kam sie wieder hinausgestürmt, überlegte für einen Moment, als William, vollbepackt mit Schulsachen, um die Ecke gebogen kam.

»Sag mal, hast du Harry gesehen?« fragte Ron ihn sofort.

William überlegte einen Moment. »Ja, vor … weiß nicht genau … na ja, nach dem Essen halt. Er wollte wohl nach oben, als ihn Viktor Krum kurz festhielt.« Er kramte in seiner Hosentasche, während er versuchte, seine Schulsachen nicht fallen zu lassen.

»Weißt du, was Viktor wollte?« fragte Hermine besorgt.

»Weiß nicht genau. Sagte was von ›In zehn Minuten!‹ oder so und ist dann in den Kerker. Vielleicht meinte er, daß er in zehn Minuten verschwinden wollte, denn ich hab' ihn mit seinem Besen den Kerker verlassen sehen. Hat versucht, ihn unter seinem Umhang zu verstecken, sah komisch aus«, berichtete William, dem es inzwischen gelungen war, seine Uhr aus der Tasche zu holen.

Hermine dachte über das Gesagte nach. Wollte Viktor wirklich einfach so verschwinden? Das kommt mir ein wenig merkwürdig vor. Warum hat er seinen Besen verborgen? Sicher würde er es mir doch sagen, wenn er abreist und dabei dann noch einen letzten Versuch unternehmen. Irgendwas ist doch hier oberfaul. Er hatte einen Besen dabei und sagte: ›In zehn Minuten!‹? Was ist in zehn Minuten? Denk nach, Hermine. Verdammt, denk nach. Viktor ... Bulgarien … Viktor … Besen … Bulgarien … Quidditch … Bulgarien ... Viktor und Harry ... Duell? Viktor mit Harry verwandt? Ihre Gedanken rasten, und jedem anderen wäre dabei wohl schwindlig geworden.

»Vor dreißig Minuten sah ich Harry ungefähr«, ergänzte William, doch Hermine begann schon zu laufen.

»Kommt schon«, rief sie aufgeregt den anderen zu. Mittlerweile ging sie schon vom Schlimmsten aus.

»Was ist denn los?« brüllte ihr William hinterher, doch folgte er ihr genau wie Ron und Neville.

»Harry ist vielleicht in Gefahr, wir müssen uns beeilen«, rief sie zurück. Es schepperte laut hinter ihr, und ihr war sofort klar, daß William all seine Sachen fallen gelassen hatte.

»Wo ist er?« fragte Neville, der sich nun fast neben Hermine befand, die die Treppen nach unten zu stürzen begann.

»Quidditch«, brachte sie nur heraus, doch offenbar reichte es aus.

Die Gruppe polterte die Treppe hinunter und rannte dabei einige andere Schüler beinahe über den Haufen. Sie hatten nur noch eine weitere Treppe nach unten zu laufen, als plötzlich Filch vor ihnen auftauchte, wild mit den Händen fuchtelte und sich ihnen in den Weg stellte. Irgendwie überholte Neville Hermine und sprang mit voller Wucht in Filch hinein. Hermine hörte nur ein »Lauft!«, als sie schon irgendwie über Neville und Filch hinweg war, die bis zum Fuß der Treppe geflogen waren. Entschlossen stürzte sie zum riesigen Eichentor des Schlosses und öffneten es mit magischer Leichtigkeit. So schnell sie konnten, liefen sie die lange Steintreppe hinunter und in Richtung des Stadions.

Der Regen prasselte mit dicken Tropfen auf sie hinab, und innerhalb kürzester Zeit war sie naß bis auf die Knochen. Bei jedem Schritt auf dem durchweichten Boden gab es schmatzende Geräusche, die sie aber bald nicht mehr wahrnahm. Auf halbem Wege zum Stadion setzte bei ihr ein fieses Seitenstechen ein, doch sie ignorierte es einfach und beschloß, daß nichts sie würde stoppen können. Angestrengt versuchte sie während des Laufens, Harry und Viktor am Himmel zu entdecken, doch konnte sie keinen von beiden ausmachen.

»Wo sind sie?« keuchte Ron leicht außer Atem.

»Vielleicht in der Umkleide«, erwiderte Hermine und verlagerte die Laufrichtung leicht nach rechts.

»Ein Lichtblitz!« rief Ron plötzlich.

Sofort blickte Hermine wieder nach vorn. »Noch einer.« Sie lief noch schneller.

»Unter der Tribüne, irgendwo zwischen den ganzen Pfeilern«, sagte William, der seinen Zauberstab zog.

Auch Hermine zog ihren Stab und bereitete sich gedanklich auf den Kampf vor. Sie beschloß, auf Neville zu warten, der noch ungefähr dreißig Meter hinter ihnen war, und verlangsamte. »Wartet«, sagte sie leicht erschöpft, und auch die anderen wurden langsamer. Neville war in wenigen Sekunden bei ihnen und sah sie fragend an.

»Wir verteilen uns. William und ich nach rechts, ihr beide nach links«, keuchte sie außer Atem und lief mit William los.

Vorsichtig näherten sie sich der Tribüne und versuchten derweil wieder zu Atem zu kommen. Dort angekommen, versuchten sie Harry zu entdecken; die breiten Pfeiler verdeckten allerdings ihre Sicht, und so gab sie William ein Handzeichen. Er verstand offenbar sofort und ging leise vor. Einige Flüche wurden von noch weiter hinten abgeschossen, und es mußte wohl Harry gewesen sein, der sich anscheinend zur Wehr setzte. Lautlos folgte sie William unter die Tribüne und wollte sich mit ihm von der rechten Seite an Krum anschleichen.

»Das wird dir nicht helfen. Wir kriegen dich gleich«, hörte sie eine Stimme, und es war Viktors.

Hermine und William schlängelten sich durch die Pfeiler, immer weiter an Viktors rechter Flanke vorbei, und versuchten dabei unentdeckt zu bleiben. Lautes Lachen war plötzlich zu vernehmen, und Hermine wußte, daß sie es nicht nur mit Viktor zu tun hatten. Die anderen mußten links von ihm sein, und sie hoffte, Neville und Ron würden mit ihnen fertig werden können.

Plötzlich sah sie Viktor Krum und Pansy Parkinson, keine fünfzehn Meter von ihrer Position entfernt; und sie wußte auch, wo Harry war, als er im selben Augenblick einen Fluch auf die beiden abschoß. Auch er war höchstens fünfzehn Meter von ihr entfernt. Ich muß ihm ein Zeichen geben, beschloß sie, ich muß ihm zeigen, daß er nicht allein ist.

»Hallo, Viktor«, rief Hermine ziemlich laut, hielt sich jedoch zur Sicherheit im Schutze eines Pfeilers verborgen und versuchte, in Deckung zu bleiben.

Augenblicklich drehte sich der Bulgare zu ihr um. »Was willst du hier? Willst du zusehen, wie ich Potter töte?« Er klang amüsiert.

Aufmerksam wurde sie von William angestarrt, der nur einen Pfeiler weiter stand und Krum bisher noch nicht aufgefallen war. Sicher entdeckt er die Angst in meinen Augen, die solche Worte in mir auslösen, dachte sie verzweifelt und wollte das um jeden Preis vermeiden.

Sofort wandte sie ihren Blick von ihm ab, da sie Stärke zeigen mußte, was ihr jedoch ausgesprochen schwerfiel, da Harrys Tod ihr größter Alptraum war. Mit ansehen zu müssen, wie Harry getötet würde, wäre auch ihr eigenes Ende gewesen, dessen war sie sich absolut sicher. Sich wieder ein wenig beruhigend, versuchte sie wieder Blickkontakt mit William herzustellen, doch dieser drehte sich im gleichen Moment um den Pfeiler, hinter dem er sich bisher versteckt gehalten hatte. Irgendwie wollte sie ihn noch davon abhalten, doch sie konnte nur noch zusehen.

»Nur du wirst heute sterben!« brüllte William und stützte auf Viktor zu. »Avada …«

Noch im gleichen Moment wich Entsetzen der Wut in seinem Gesicht, da schon ein grüner Lichtblitz Viktors Zauberstab entsprang und auf ihn zuflog. Merkwürdigerweise spukte im gleichen Moment eine Frage durch Hermines Kopf: Woher kann William den Todesfluch? Noch während sie über diese Frage nachdachte, wurde er von dem grünen Blitz getroffen und stürzte. Wie in Trance sah sie, daß er noch in ihre Richtung blickte, die Augen schloß und nach vorn kippte. Die Frage war unwichtig geworden. Seine Knie berührten den trockenen Boden, und sein linker Arm folgte, während er immer weiter fiel. Das Gesicht, welches noch vor einer Sekunde Mut und Tapferkeit ausgestrahlt hatten, landete im Dreck. Sein nasser Körper blieb regungslos liegen. William war tot.

Als sie wieder zu Krum sah, bemerkte sie ein widerliches Grinsen in dessen Gesicht, durch welches ihr speiübel wurde. »WILLIAM«, schrie sie schockiert und warf sich mit dem Rücken an den Pfeiler. Panik und Verzweiflung machten sich in ihr breit, und sie hoffte inständig, Harry würde es diesem Mistkerl zeigen.

Sofort nach seinem Fluch ging Harry wieder in Deckung.

»Hallo, Viktor«, hörte er eine weibliche Stimme, und Harrys Herz verkrampfte sich für einen Moment.

War es die Wirklichkeit gewesen, oder hatte er sie nur in seiner Phantasie gehört? Sie konnte nicht hiersein. Niemand wußte, daß er hier war, niemand außer den vieren, die ihn töten wollten.

»Was willst du hier? Willst du zusehen, wie ich Potter töte?« fragte Krum, und Harry wurde klar, daß er nicht träumen konnte. Es mußte echt sein ... wirklich passieren. Hermine war hier … hier bei ihm.

»Nur du wirst heute sterben! Avada …«, brüllte jemand, während mittendrin jemand leise »Avada Kedavra« murmelte.

Unsicher, wem die brüllende Stimme gehört hatte, konnte er nur das Beste hoffen. Vorsichtig versuchte er, sich um den Pfeiler zu drehen, doch konnte er es einfach nicht. Er wußte, daß wieder jemand sterben würde, und wollte es nicht schon wieder mit ansehen müssen.

»William!« schrie die Liebe seines Lebens, und Harry war augenblicklich wieder hellwach.

Unglaublich schnell wand er sich um seinen Stützpfeiler, schoß einen Fluch auf Krum und ging hinter dem nächsten Pfeiler in Deckung. In einiger Entfernung auf der anderen Seite hörte er mehrere Flüche und war sich sicher, auch Ron gehört zu haben. Der gute Ron … immer da, wenn man ihn wirklich brauchte, dachte er und hatte für einen kurzen Moment ein Lächeln auf den Lippen, als ihm der Ernst der Lage wieder bewußt wurde.

»Expelliarmus!« schrie Krum, und da Harry ihm kein Ziel bot, mußte Hermine sein Opfer sein.

Hatte er sie erwischt oder nicht? Harry war sich nicht sicher. Unendliche Sekunden vergingen, in denen er nicht wußte, was passiert war. Plötzlich begann sein Zauberstab zu vibrieren, und er verkrampfte innerlich. Ihre Kette, dachte er und zitterte leicht. Sie war in Gefahr und er damit sicher, daß Krum sie mit dem Entwaffnungszauber erwischt hatte. So hatte sie keine Chance, dachte er, drehte sich entschlossen um den Pfeiler und lief, so flink es ging, zum nächsten. Damit kam er Hermine wieder ein Stück näher, und sie war auch sein Ziel.

»Alligosolum«, hörte Harry von Krum und wußte, daß er mit diesem Zauber ihre Füße auf den Boden gefesselt hatte. Damit verhinderte er effektiv, daß sie davonlaufen konnte, und so würde sie alles mit ansehen müssen, was auch immer gleich passieren würde.

Noch immer vibrierte Harrys Stab, und bevor er ihr helfen konnte, mußte er es beenden. »Finite Vibrate!« flüsterte er, und es stoppte sofort.

»Keiner rührt sie an, verstanden?« brüllte Krum seinen Helfern hinterher.

Harrys Anspannung wich ein wenig. Zunächst war Hermine nicht in unmittelbarer Gefahr, und das war für ihn das wichtigste. Er war noch immer Krums erstes Ziel, und das war vielleicht noch ein kleiner Trumpf, den er besaß. Krachend schlug ein Fluch in Harrys Deckung ein und schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch.

»Warum tust du das, Viktor? Hat dich Voldemort in seiner Gewalt, oder bist du freiwillig auf seiner Seite?« fragte Hermine fast schreiend und lenkte Krums Aufmerksamkeit wieder auf sich. Angst lag in ihrer Stimme, und allein dies versetzte Harrys Herz einen schmerzhaften Stoß.

»Er ist ein großer und mächtiger Zauberer, und er hat mir die Augen geöffnet. Durch ihn kann ich haben, was immer ich will! Durch ihn werde ich auch dich kriegen!« brüllte er, und nun stutzte Harry. Was hatte Voldemort damit zu tun, und woher wußte Hermine davon?

»Du wirst mich niemals kriegen. Alles, was ich bin, gehört Harry!«

»Wenn Potter tot ist, gehörst du mir«, brüllte Krum zornig, und wieder schlug krachend ein Reduktor-Fluch in den Pfeiler ein, hinten dem Harry sich versteckt hielt. Er knarrte und splitterte.

Harry lief los. In Krums Richtung blickend, konnte er auch Hermine kurz sehen, und die Angst in ihrem Gesicht gab ihm einen erneuten Adrenalinschub. Währenddessen schoß Parkinson einen Fluch auf ihn ab, und er konnte nur mühsam unter ihm hindurchtauchen. Derweil konzentrierte sich Krum wieder auf Hermine, die Harry nun nicht mehr sehen konnte, weil ihm ein Pfeiler die Sicht versperrte.

»Mein Herz gehört auf ewig ihm. Wenn du ihn umbringst, dann … dann …«, stammelte sie, und diese Worte erfüllten Harry in seinem tiefsten Inneren mit unglaublicher Wärme. Sie hatte ihren Satz nicht beendet, aber für ihn war es auch nicht nötig. Er wußte, was passieren würde, wenn Krum ihr nur die geringste Möglichkeit dafür bieten würde. Trotzdem fand er es reichlich riskant von ihr, ihn so zu provozieren. Noch immer unbewaffnet, zudem mit den Füßen am Boden angewurzelt, konnte Krum sie jederzeit angreifen, und Harry würde sie nicht schützen können.

Unbewußt drehte Harry den Kopf nach links und konnte kurz Ron entdecken. Über dreißig Meter entfernt schoß er in dem Moment einen Fluch ab und ging hinter einem der vielen Dutzend Pfeilern in Deckung, wodurch Harry ihn wieder aus den Augen verlor. Ron mußte sich einen harten Kampf mit Pritchard und North liefern, und Harry konnte nur hoffen, daß er sie besiegen würde. Noch nie empfand er eine solch tiefe Dankbarkeit in einem Moment der Gefahr, wie er sie in dieser Sekunde für Ron empfand. Er stand tief in dessen Schuld und konnte nur hoffen, diese irgendwann einmal begleichen zu können. Vor seinem geistigen Auge sah er schlagartig eine Möglichkeit dazu, zumindest wenn sie alle ihre Schulzeit überleben sollten. Beim Gedanken daran mußte er unwillkürlich lächeln, auch wenn es ihm reichlich absurd und unpassend vorkam.

»Du sagst, ich kann dich niemals haben – dann habe ich keine Verwendung mehr für dich!« Die Stimme von Krum zitterte leicht und klang mehr als nur verbittert.

Sofort stockte Harry der Atem. Vorsichtig drehte er sich um den Pfeiler und sah Krum schon auf sie zugehen. Wollte er sie wirklich töten? Er hatte es vorhin zu Parkinson gesagt: »Nur ich entscheide, wann sie stirbt.« Hatte er entschieden, daß sie jetzt sterben sollte? Harry war verzweifelt. Er würde sich für sie opfern, das stand für ihn außer Frage, aber würde er das überhaupt können? Harry rannte los und zielte mit seinem Stab auf Krum. Dieser war nur noch fünf Meter von Hermine entfernt, er selbst aber noch über zehn. Während er sich dem Feind näherte, sprach er schon seine Formel:

»Stupor

Schon während er das Wort aussprach, spürte er einen Schlag am Bein. Der rote Lichtblitz verließ gerade seinen Stab, als Harry der Länge nach hinfiel und der Fluch harmlos in den Boden einschlug. Auf dem Bauch im Dreck liegend, drehte er sich völlig verblüfft auf den Rücken. Hinter dem Pfeiler hatte Parkinson gelauert und ihm ein Bein gestellt. Lässig an den Pfeiler gelehnt, zielte sie mit ihrem Stab auf ihn, doch er war schneller.

»Stupor

Ein roter Lichtblitz schoß in ihre Brust, während ihr Zauberstab um den Pfeiler flog. Augenblicklich fiel sie um und blieb liegen. Harry versuchte sich sofort zu Krum umzudrehen, doch als er noch mitten in der Bewegung war, hörte er schon dessen Worte.

»Expelliarmus

Ein harter Schlag traf Harrys Magen, und er rutschte einen Meter zurück, während sein Zauberstab in Krums ausgestreckte linke Hand flog. »Jetzt wirst du sterben, Potter!«

Achtlos schmiß er Harrys Zauberstab auf den Boden. Ein paar Schritte kam Krum noch auf ihn zu und zielte mit seinem Stab auf ihn.

Verzweifelt streckte Hermine ihre Hand nach Harrys Zauberstab aus und schien sich unglaublich zu konzentrieren. Ihre Hand begann zu zittern; ihr ganzer Körper begann zu zittern. Eine unglaubliche Anspannung schien ihren Körper aufzuladen, und tatsächlich bewegte sich sein Zauberstab, der mehr als fünf Meter von ihr entfernt lag.

Harry sah Krum in die Augen, er mußte ihr Zeit verschaffen. »Hätte nicht erwartet, ausgerechnet durch deine Hand zu sterben. Die Prophezeiung hat etwas anderes berichtet.«

»Enervate!« sagte Krum und zielte kurz auf Pansy Parkinson. »Sie soll miterleben, wenn du stirbst.«

Die Wiedererwachte gab einige Geräusche von sich. »Achtung!« schrie sie plötzlich.

»ACCIO ZAUBERSTAB«, schrie Hermine fast zur gleichen Zeit. Krum drehte seinen Kopf herum, während er weiter auf Harry zielte. Sie fing den Stab auf und sah irgendwo nach rechts mitten ins Nichts. Sie nickte und zielte mit ihrem Stab auf Harry. Harry sah ihr genau in die Augen. »Proturesa Hellporar

Von irgendwo hinter den Stützpfeilern war ebenfalls Gemurmel gekommen, wovon Harry aber nichts verstanden hatte.

»Falsche Formel!« höhnte Krum trocken und wandte sich wieder Harry zu. »AVADA KEDAVRA

Noch immer starrte dieser Hermine an, die nun ihre Augen schloß. Zwar hatte er begriffen, was sie versuchte, doch er hatte keine Ahnung, was jetzt passieren würde. Die gemischten Schilde hatten bisher noch nie richtig funktioniert, und bei Voldemorts Todesfluch gegen das Mädchen hatte selbst sein mächtiger Weltum-Schild versagt. Wie es bisher immer bei den gemischten Schilden gewesen war, hatte sich auch diesmal um ihn herum kein sichtbares Kraftfeld aufgebaut. So wußte er nicht einmal, ob es überhaupt da war. Gespürt hatte er absolut gar nichts, und so wollte er die vielleicht letzten Augenblicke seinen Lebens damit verbringen, Hermines Schönheit zu bewundern.

Langsam wurde es immer heller.

Das Licht überstrahlte einfach alles, und auch Hermine verschwand nach und nach in seinem Schein. Dann ist es jetzt vorbei, dachte er traurig und bereute irgendwie, sein Leben nicht sinnvoller gelebt zu haben. Laut der Prophezeiung hätte er von Voldemort getötet werden müssen oder selbst Voldemort töten müssen, aber vielleicht hatte er ja genau das auch getan. Noch einmal erinnerte er sich an den Friedhof und wie er das Schwert Gryffindors in Voldemorts Körper getrieben hatte. Vielleicht war damit die Prophezeiung schon erfüllt worden, selbst wenn er danach in Draco Malfoy hatte weiterleben können? Diese Sache konnte er nun nicht mehr mit Bestimmtheit klären, weshalb er nicht mehr darüber nachdachte.

Plötzlich war Hermine nicht mehr sichtbar. Jeden Moment erwartete er, statt dessen Sirius zu sehen, und vielleicht würden auch schon seine Eltern auf ihn warten. Er wollte sie endlich in den Arm nehmen – zum ersten Mal in seinem Leben – zum ersten Mal nach seinem Leben. Langsam schloß auch er die Augen. Dieses unglaublich strahlende, helle Licht war einfach nicht länger zu ertragen. Doch obwohl seine Lider geschlossen waren, strahlte das Licht so intensiv hindurch, daß er die feinen Adern seiner Lider zu sehen glaubte. Ein merkwürdiges Geräusch erklang, und es war auf einen Schlag wieder dunkel.

»Harry!« schrie jemand, doch er nahm es kaum wahr. Er hoffte, es wäre sein Vater, seine Mutter oder auch Sirius, doch er wußte es nicht.

»Radirefigo«, hörte er ganz schwach und wunderte sich. Ein Zauberspruch im Totenreich? Konnte das sein? Und dann auch noch der Zauberspruch, der den Wurzel-Zauber aufhob? Wer war denn hier angewurzelt gewesen?

»Paß auf! Pansy!« schrie jemand, und es hörte sich verdächtig nach Neville an.

Was machte Neville hier? Harry öffnete die Augen und hob den Kopf ein wenig. Vor ihm war Pansy Parkinson, die sich nach Krums Zauberstab bückte und ihn ergriff. Schnell lief sie nach rechts und um einen Pfeiler herum, doch Harry wußte nicht, was er machen sollte. Er war zu verwirrt, und ohne Zauberstab war er sowieso fast hilflos. Zudem lag er noch immer mehr auf dem Boden, und es würde schon zu lange dauern, um überhaupt aufzustehen.

Ein grausiges Knacken stoppte Parkinsons Flucht, und es hörte sich so an, als ob dabei einige Knochen gebrochen worden wären. Brutal wurde die Slytherin nach hinten geschleudert, und er konnte Hermine hinter ihr auftauchen sehen. Nun war er vollends verwirrt, während sich Hermines Gesicht vor Schmerzen verzog und sie schützend ihre rechte Hand hielt. Plötzlich stand Neville vor ihm und zog ihn hoch.

»Wo kommst du denn her?« fragte Harry überrascht.

»Später! Ron braucht uns dringend«, gab Neville zurück und zeigte mit seinem Stab auf Hermine. »Accio Zauberstab.« Nur einen Moment später drückte er Harry dessen eigenen Stab in die Hand. »Schnell.«

Mehr brauchte Harry nicht zu wissen, um Neville zu folgen. Beide liefen los, obwohl ihm doch ein wenig unwohl bei dem Gedanken war, Hermine zurückzulassen. Zusammen liefen sie auf die Stelle zu, an der er Ron das letztemal gesehen hatte. Vorsichtig und hastig zugleich tasteten sie sich vor und hörten schnell, daß Ron wohl noch immer lebte. Harry war erleichtert. Einige Lichtblitze zuckten vor ihnen auf, und er versuchte verzweifelt, zwischen den ganzen Pfeilern etwas zu entdecken.

»Da! North!« warnte Harry und schickte ihm im selben Moment einen Fluch auf den Hals.

Der Reduktor-Fluch verfehlte sein Ziel zwar, zerschmetterte aber in einer kleinen Explosion den Pfeiler neben North, und die Splitter setzten ihm schon gut zu. Da ihr Gegner mit sich selbst beschäftigt war, liefen sie schneller, und als sie nur noch knapp fünfzehn Meter von ihm entfernt waren, schoß Harry einen weiteren Reduktor-Fluch auf ihn, der das Ziel diesmal nicht verfehlte. North wurde weggeschleudert, flog weit durch die Luft und schlug mit seinem Arm dabei krachend an einen weiteren Stützpfeiler.

»Ron?« rief Harry und sah sich um.

»Hier«, antwortete dieser. Der Stimme nach zu urteilen, glaubte Harry ihn irgendwo rechts von sich, gut dreißig Meter entfernt.

»Wo ist Pritchard?«

»Den hab' ich gleich«, beruhigte ihn Ron. Harry ging vorsichtig los. In seinem Schlepptau hatte er Neville, und langsam schlichen sie zwischen den vielen Pfeilern hindurch.

»Stupor!« Kaum hatten sie Rons Worte gehört, da tauchte er auch schon lächelnd vor ihnen auf. Harry strahlte ihn für einen Moment an. Ron umarmte ihn. »Hi, Kumpel, gut dich zu sehen. Wo sind Hermine und William, geht's ihnen gut?«

Harrys Gesicht wurde sofort wieder ernst. »William ist tot«, meinte er leise, und auch Rons Lächeln verschwand umgehend. Er fluchte so laut und heftig, wie Harry es nie zuvor von ihm gehört hatte.

Zusammen mit Ron und Neville lief er wieder zurück zu Hermine, ohne einen weiteren Gedanken an North und Pritchard zu vergeuden. Dabei begann er sich noch unwohler zu fühlen, weil er Hermine allein mit Parkinson zurückgelassen hatte, auch wenn diese von seiner Freundin wahrscheinlich ausgeknockt worden war.

Plötzlich hörte Harry Stimmen und verlangsamte das Tempo. Bitte nicht noch mehr Gegner, flehte er innerlich und blieb mit den beiden anderen im Schutz der Pfeiler. Überaus vorsichtig schlichen sie sich weiter an, bis Harry plötzlich eine der Stimmen erkannte – es war Dumbledore.

»Harry, geht es dir gut?« fragte dieser besorgt, sobald er ihn erblickt hatte.

Harry bejahte kurz und suchte sofort mit seinen Augen nach Hermine. Sie saß neben Pansy Parkinson mit dem Rücken an einen Pfeiler gelehnt und hielt sich leise wimmernd ihr rechtes Handgelenk; dieses sah stark ramponiert aus und war sicher gebrochen. Umgehend stürzte er zu ihr und schmiß sich neben ihr auf den Boden.

»Sonst alles okay?« fragte er mit sanfter Stimme und küßte sie, bevor sie antworten konnte. Leise stöhnte sie auf, und Harry zuckte zurück.

»Nicht aufhören, bitte«, flüsterte sie und kam ihm wieder näher. Erneut küßten sie sich, und ein unglaublich warmes und vertrautes Gefühl verteilte sich in ihm. Es ging von seinem Herzen aus und strahlte nach wenigen Sekunden in jeden Winkel seines Körpers. Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben, sie je wiederzusehen, doch erneut war er mit unwahrscheinlich viel Glück dem Tode entronnen. Er wollte sie in den Arm nehmen und bis in alle Ewigkeit halten.

»Au!« stöhnte Hermine und drückte Harry ein wenig mit der linken Hand weg. »Laß uns das nachher fortsetzen.« Sie versuchte aufzustehen. Harry sprang, ohne zu zögern, auf die Füße und half ihr anschließend dabei, sich zu erheben.

»Harry, was genau ist hier heute vorgefallen?« fragte Dumbledore und sah dabei auf Williams toten Körper.

Wieder durchfuhr ein unangenehmes Gefühl seinen Körper und vertrieb all die schönen und angenehmen Gedanken. Erst jetzt begriff er mehr und mehr, daß erneut ein treuer Verbündeter und guter Freund gefallen war – und daß er nur für ihn gestorben war, machte es Harry noch schwerer.

»Sir, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll«, sagte Harry resignierend und spürte, wie Hermine seine Hand griff.

»Dann gleich in meinem Büro. Wie viele sind noch hier?«

»Pritchard und North liegen irgendwo da hinten. Vielleicht fünfzig oder sechzig Meter von hier.« Er zeigte mit seiner linken Hand in die Richtung, aus der er eben gekommen war.

Dumbledore drehte sich um. »Severus, Remus!«

Erst jetzt bemerkte Harry, daß auch Snape hier war und ungewöhnlich schlecht aussah. Dagegen sah er Remus erstmals nach langer Zeit wieder.

Gleichzeitig schritt Dumbledore auf Parkinson zu, und dünne Schnüre schossen aus seinem Zauberstab, welche sie fesselten und knebelten. »Mobilcorpus

Wie an unsichtbaren Fäden, die sich um ihre Armgelenke, Hals und Knie gewickelt hatten, wurde sie hochgezogen, bis sie aufrecht stand. Ihr Kopf baumelte dabei hin und her, und die Füße schwebten nur wenige Zentimeter über dem Boden. Ihre Nase war mit Sicherheit gebrochen, und Blut sickerte auf ihren Umhang, doch Harry spürte kein bißchen Mitleid.

»Professor, was ist mit Krum und William?« erkundigte sich Harry, als er Dumbledore langsam zum Rand der Tribüne folgte. Parkinson schwebte dabei vor Dumbledore.

»Remus und Professor Snape werden sie zum Schloß mitbringen. Folgt mir bitte alle.«

Sie erreichten den Rand der Tribüne, und erst jetzt bemerkte Harry, daß es noch immer regnete. Schweigend folgten sie ihrem Schulleiter zurück zum Schloß. Als sie nach wenigen Minuten am Fuße der Treppe ankamen, warf Harry einen kurzen Blick zurück. Mehrere Gestalten tauchten bei der Tribüne auf, und über dem Quidditch-Feld verschwanden die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages.

Mit Hermine an der Hand ging er still die Stufen hinauf. Wie von Geisterhand öffnete sich die schwere Tür und gab den Weg in das Innere von Hogwarts frei. Einige Schüler kamen lachend und feixend aus der Großen Halle, verstummten aber bei dem Anblick, der sich ihnen bot. Es waren Angus Murtaghur und Blaise Zabini, deren Gesichtsausdruck sich schlagartig änderte.

Daß die beiden über dieses Bild, welches sich ihnen hier präsentierte, nicht gerade glücklich waren, bemerkte Harry schon im ersten Moment; nur einen Augenblick später aber strömte der blanke Haß auf ihn ein, wovon er sich aber nicht beeindrucken ließ. Im Gegenteil blitzte für einen winzigen Moment Triumph in seinen Augen auf, ehe er an den Preis dafür denken mußte, den ihn dieser Triumph gekostet hatte.

Ron zog ihn und Hermine aber schweigend weiter, und sie folgten den anderen. Zwei Stockwerke weiter oben warf Harry einen kurzen Blick in Hermines vor Schmerz verzerrtes Gesicht und stoppte sofort. »Sir, Hermine muß sofort auf den Krankenflügel!«

»Wenn das unbedingt erforderlich ist, werden wir unser Gespräch eben dort führen«, gab Dumbledore zurück. Dann wandte er sich an Ron. »Warte hier bitte auf Remus und Professor Snape. Sie werden jeden Moment kommen. Bitte führe sie dann zu uns in den Krankenflügel.«

Ron setzte sich ein wenig erschöpft auf die Stufen. Als Harry an ihm vorbeiging, sah er ihm direkt in die Augen. »Danke dir, Kumpel!« Ron nickte nur lächelnd.

Weiter stiegen sie die Stufen nach oben, und noch immer ließ Dumbledore die verschnürte Parkinson vor sich herschweben. Kurz darauf öffnete Neville die Tür zum Krankenflügel und ließ dann Dumbledore passieren.

»Poppy, wir benötigen deine Hilfe«, rief Dumbledore in den Raum und stellte Pansy an der Wand ab.

»Du meine Güte, was ist denn mit Miß Parkinson passiert?« rief diese entsetzt, als sie aus ihrem Büro kam, und lief sofort zu ihr. Die komplette Brust von Pansy war mit Blut beschmiert, und sie sah wirklich erbärmlich aus.

»Miß Parkinson kann warten. Bitte kümmere dich zuerst um Hermine«, erklärte Dumbledore ernst, und von seiner Güte war nichts in diesen Worten zu hören.

Ungläubig sah Madam Pomfrey ihn an, blickte dann auf Hermines Handgelenk und wieder zu ihm zurück. »Albus?«

»Hermines Handgelenk hat absolute Priorität, sie wird gleich noch in einer lebenswichtigen Angelegenheit benötigt.«

Madam Pomfrey nickte skeptisch, ging nun zu ihr und betrachtete sich ihre Verletzung. Hermine stöhnte leise und verzog vor Schmerzen ihr wunderschönes Gesicht. »Ich bin gleich wieder da.« Milde lächelnd verschwand sie in ihrem Büro.

»Würdest du nun bitte berichten, Harry«, bat Dumbledore und sah ihn erwartungsvoll an.

»Also gut! Krum hat mich zu einem Quidditch-Duell herausgefordert. Wenn ich gewinnen würde, wollte er von hier verschwinden, und falls er gewonnen hätte, dann sollte ich ihm dabei helfen, fünf Minuten mit Hermine zu reden.« Hermine stöhnte nun nicht mehr, sondern sah ihn überrascht an.

»Warum war keiner deiner Freunde dabei?« fragte Dumbledore weiter.

Während Madam Pomfrey mit einem Tablett zurückkam, erzählte Harry ihm den Grund dafür. Vorsichtig begann die Heilerin, an Hermines Handgelenk zu arbeiten, während er von den weiteren Geschehnissen berichtete. Ohne Stolz erzählte wie er von seinem Sieg, wie er dann gelandet und von Krum plötzlich angegriffen worden war. Er schilderte, wie Parkinson mit ihren Kumpanen aufgetaucht war und dann überraschend Hermine und die anderen zu seiner Rettung angerückt waren. Mit einer Träne in den Augen beschrieb er, wie er William sterben gehört hatte und wie Krum seine Freundin hatte umbringen wollen. Keiner unterbrach seine Ausführungen, bis er erzählte, wie Krum den Todesfluch auf ihn abgeschossen hatte und er schon geglaubt hatte, nun endgültig sterben zu müssen.

Sanft lächelnd blickte er Hermine an, und diese prüfte gerade ihr geheiltes Handgelenk. »Tut noch ziemlich weh«, meinte sie, kam zu Harry herüber und küßte ihn zärtlich, während sich Madam Pomfrey an Pansy Parkinson zu schaffen machte.

»Wo seid ihr überhaupt hergekommen? Wieso wußtet ihr, wo ich war?« fragte er und drückte Hermine an sich.

Als Hermine gerade davon erzählte, wie sie in Dumbledores Büro gesessen hatte und Remus plötzlich aus dem Kamin gekommen war, ging die Tür zum Krankenflügel auf. Ron, Remus und Snape kamen herein, und sie hatten Krum, Pritchard, North und William dabei.

Remus hielt Pritchard und North in der Luft. Beide waren bewußtlos und schwebten einen Meter vor dem Wehrwolf. »Wohin mit ihnen?«

»Feßle sie auf dem letzten Krankenbett«, antwortete Dumbledore emotionslos und ging einen Schritt aus dem Weg, damit Remus problemlos durchkonnte.

»Was ist mit diesen beiden?« fragte Snape ganz schwach und hielt sich wohl nur noch mit größter Anstrengung auf den Beinen. Er sah aus, als würde er jeden Moment tot zusammenbrechen. Mehrmals rieb er sich die Augen, so, als würde er nicht richtig sehen können, und blickte zu Madam Pomfrey. Immer wieder kniff er die Augen zusammen.

»Bitte bring die beiden zu diesen Betten«, sagte Madam Pomfrey und zeigte auf die nächsten freien Liegemöglichkeiten. Snape tat, wie ihm geheißen, und Madam Pomfrey sah sich sofort Krum an. Nur Sekunden danach blickte sie ungläubig zu Dumbledore. »Was genau hat ihn getroffen?«

»Ein reflektierter Todesfluch«, antwortete Neville an dessen Stelle.

»Ihr habt es also tatsächlich geschafft?« staunte Remus voller Ehrfurcht.

»Woher weißt du denn davon?« fragte Harry überrascht.

»Na, von Mad-Eye natürlich. Er hat mir alles erzählt, was er erfahren konnte. Hätte nicht geglaubt, daß du es überhaupt schaffen kannst.«

»Nicht mich mußt du anstarren. Neville und Hermine haben mich gerettet«, wehrte Harry ab und schenkte beiden ein Lächeln, während Ron Neville auf die Schulter klopfte. Dann fiel ihm ein, wo sie gerade stehengeblieben waren. »Was ist dann passiert, Hermine, nachdem Remus aus dem Kamin gekommen war?«

»Remus erzählte uns, daß Voldemort deine Verwandten gefunden hätte … in Bulgarien«, berichtete Hermine und erzählte danach, wie sie Harry hatte holen wollen und vor der Bibliothek auf William getroffen war. »Er sagte, Viktor hätte mit seinem Besen die Schule verlassen, und da hat es bei mir klick gemacht. Ich dachte, Krum wäre dein Verwandter und Voldemort hätte ihn auf dich angesetzt.« Hermine bekam feuchte Augen.

Auch Harry mußte ihre Worte erst einmal verarbeiten. Ich mit Krum verwandt? Kann das sein? Skeptisch beobachtete er Hermine, die sich setzen mußte.

Neville begann die folgenden Ereignisse zu erzählen: »Als wir unten bei der Tribüne ankamen, haben wir uns in zwei Gruppen getrennt. Ron und ich sind nach links gegangen und haben uns von hinten Pritchard und North genähert, die sich an Harry anschleichen wollten. Dann hörten wir plötzlich den Schrei von Hermine und sind dabei wirklich zusammengezuckt. Wir wußten nicht, was William passiert war, doch wir entschieden, daß Ron und ich uns trennen und er allein gegen Pritchard und North kämpfen sollte, während ich außen, um die Tribünen herum, zu Hermine wollte.« Neville mußte eine kurze Pause machen. »Ich hab' dann Hermine gesehen … und auch William. Er lag auf dem Boden und Hermine sah so verzweifelt aus, daß ich genau wußte, daß William … nun ja … tot war.« Traurig blickte er einen Moment zu Boden, bevor Ron seinen Arm um ihn legte.

Neville fuhr fort: »Hermine war an den Boden gefesselt, und ich lief weiter nach rechts, während Krum zu ihr sagte, daß er keine Verwendung mehr für sie hätte. Ich wußte, was das heißt, und wollte unbedingt zu Harry. Doch plötzlich ging alles so schnell. Harry kam vorgestürmt, und ich wollte ihn noch vor Pansy warnen, doch es war schon zu spät. Als ich Harry sah, da lag er auch schon auf dem Boden und schockte gerade Pansy Parkinson. Krum entwaffnete ihn und ging zu ihm rüber. Das war meine Chance. Er war so auf Harry fixiert, daß er mich gar nicht bemerkt hat, obwohl ich keine sechs Meter von ihm weg war. Ich wußte nicht genau, was ich machen sollte, bis ich Hermine ansah. Ich weiß nicht, warum sie mich überhaupt gesehen hat, doch nach dem Blick war alles klar.

Sie sah zu Harrys Zauberstab und … ich weiß nicht wie, aber sie hatte ihn nur einen Moment später in der Hand. Wir nickten uns zu, und ich wußte in meinem Inneren genau, was ich zu tun hatte. Ich wußte nicht, welchen der beiden gemischten Schildzauber sie verwenden würde, doch ich verließ mich auf meinen Instinkt, und das hat ja geklappt.« Einen kurzen Moment lächelte er, ehe sein Blick Williams toten Körper erfaßte.

»Woher wußtest du, daß Neville da war?« fragte Harry und sah seine Freundin fragend an.

»Ich weiß es wirklich nicht. Ich … ich habe ihn halt gesehen.«

»Und woher kamen Sie so plötzlich, Sir?« fragte Ron und sah zu Dumbledore.

»Mr. Filch kam in mein Büro und war äußerst ungehalten darüber, daß Mr. Longbottom ihn mit voller Absicht mitten auf der Treppe angesprungen und umgerissen hatte. Als ich ihn fragte, was geschehen sei, erzählte er mir unter anderem, daß ihr, wie von der Tarantel gestochen, nach draußen gerannt wärt. Als ich aus dem Fenster sah, konnte ich Lichtblitze unter den Tribünen sehen, und bin natürlich sofort mit Remus und Professor Snape zu euch geeilt.«

Dumbledore unterbrach seine Erzählung und erinnerte Remus daran, daß er noch etwas Wichtiges zu erledigen habe. Dieser zögerte einen Moment, holte dann eine Uhr hervor und stöhnte kurz laut auf. »Tut mir leid, muß sofort weg.« Noch bevor er sich von Harry verabschieden konnte, stürmte er schon aus der Tür.

»Sir, ist Krum wirklich mit mir verwandt gewesen?« fragte Harry nun gespannt, als sich die Tür hinter Remus geschlossen hatte.

»Das läßt sich leicht klären. Poppy, würdest du bitte?« Dumbledore sah Madam Pomfrey an, die gerade traurig über William gebeugt war.

»Er sieht so friedlich aus«, sagte sie bedauernd und verschwand kurz in ihrem Büro. Nur einen Moment später kam sie wieder, und sie hatte einen Becher dabei. Sie ging zu Krum und hielt einen Finger von ihm hinein.

»Was macht sie da?« fragte Harry seinen Schulleiter.

»Das wirst du sofort begreifen.«

Madam Pomfrey kam nun zu Harry. »Halte deinen Finger bitte hinein«, forderte sie ihn auf, und Harry tat es. Der klare Trank färbte sich dunkelblau. Harry blickte in Madam Pomfreys Gesicht, und diese schüttelte den Kopf. »Das Ergebnis ist eindeutig. Viktor Krum ist nicht mit Harry verwandt.«

»Ein sehr interessantes Ergebnis. Ich wüßte zu gern, was es zu bedeuten hat«, flüsterte Dumbledore leise.

»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte Harry und sah sich hilflos um.

»Vielleicht kann ja Miß Parkinson Licht ins Dunkel bringen. Würdest du sie bitte wecken?« meinte Dumbledore zu Madam Pomfrey gewandt, und diese verschwand erneut in ihrem Büro. Sie kam mit einem feuchten Tuch wieder, welches wohl mit einem Zaubertrank benetzt war. Sie hielt dieses einige Zeit an Pansy Parkinsons inzwischen wieder geheilte Nase, bis diese schließlich unter stöhnenden Geräuschen erwachte.

Dumbledore sah derweil auf seine Uhr und wechselte einen Blick mit Snape. Der schlief beinahe schon im Stehen ein und zitterte so stark, daß Harry sicher war, daß es dem Tränkemeister sehr schlecht ging. Als er wieder zu Pansy sah, wußte Harry, daß sie freiwillig nichts sagen würde. Sie starrte nur hilflos und trotzdem angriffslustig alle im Raum an.

Dumbledore bat Ron und Neville, Professor Snape auf ein Bett zu legen, und warf dann Hermine einen auffordernden Blick zu.

Diese blickte erst zu Snape und dann zu Harry. »Erzähl mir nachher alles!« Sie küßte ihn auf die Nasenspitze und lief in Richtung Tür.

»Wo willst du denn jetzt hin?« fragte Harry überrascht, doch sie rief ihm nur noch ein »Später!« zu und war schon aus der Tür heraus

Dumbledore blickte die Heilerin an, die anscheinend erst jetzt bemerkt hatte, wie schlecht es um Snape stand, und näher trat, um ihn zu untersuchen. »Du kannst nichts für ihn tun, Poppy.«

Sie drehte sich sofort zu Dumbledore um. »Was meinst du damit?« Sie war aufgebracht und wollte diese Beleidigung ihrer Fähigkeiten wohl nicht einfach so akzeptieren.

»Vertrau mir. Das Problem wird sich auf andere Weise lösen«, beschwichtigte der Schulleiter sie und wandte sich daraufhin den anderen zu. »Kommt mit. Wir werden Miß Parkinson in meinem Büro befragen.« Mit einem Schwenk seines Zauberstabes flog sie vor ihm durch die Lust.

Unterwegs begegneten sie einigen Schülern, die sofort ein wenig ängstlich Platz machten. Sobald die kleine Karawane aber vorbei war, begann sie aufgeregt zu tuscheln. Schließlich kamen sie bei den Wasserspeiern an, und Dumbledore nannte das Paßwort: »Schokofrosch!«

Sie gaben die Treppe frei, und die kleine Prozession schritt schließlich in Dumbledores Büro. Dabei bemerkte Harry, daß Fawkes nicht in seinem Käfig war. Dumbledore stellte Parkinson an einem Bücherregal ab und ging zu seiner Schublade. Die kleine Ampulle, die er hervorholte, beinhaltete ohne jeden Zweifel ein starkes Wahrheitsserum. Kraftvoll ging er damit zu Parkinson und baute sich drohend vor ihr auf.

»Nun, Miß Parkinson, wären Sie so nett und würden uns über die merkwürdigen Vorkommnisse aufklären, die sich heute am und im Quidditch-Stadion ereignet haben?« fragte Dumbledore ruhig, aber bestimmt.

»Kein Wort erfahrst du von mir, dreckiger Muggelfreund!« brüllte sie ihn an und bespuckte ihn dabei wohl unabsichtlich.

»Miß Parkinson, ich bitte Sie noch genau einmal höflich, meine Frage zu beantworten, ansonsten sehe ich mich leider gezwungen, zu härteren Maßnahmen zu greifen.« Dumbledores Stimme klang nun schon ein wenig unfreundlicher.

»Von mir erfahrst du nichts, du widerliches, altes …« Weiter kam sie nicht. Mit nur einem Schnipsen seiner Finger verstummte ihre Stimme, obwohl sich ihr Mund weiter bewegte. Mit einem weiteren Schnipsen seiner Finger ging ihr Mund weit auf, und er träufelte ihr das Serum hinein.

»Wir müssen einige Minuten warten«, erklärte Dumbledore und setzte sich auf seinen Stuhl. Auch Harry, Ron und Neville setzten sich, während sie weiter Parkinson anstarrten.

»Sir, was haben Sie ihr gegeben?« fragte Neville neugierig, und Dumbledore reichte ihm die Ampulle. »›Verifitare Plappade‹«, las Neville vor.

»Dies ist im Moment das stärkste Wahrheitsserum, welches mir hier zur Verfügung steht. Sicher könnte ich Professor Snape bitten, doch das wird erst morgen früh möglich sein. Solange können wir aber nicht warten, ich möchte noch heute abend einiges geklärt haben. Wie konnte das passieren, Harry?«

Nur zu gut wußte Harry, was er meinte. Er hatte sich dieselbe Frage auch schon gestellt. Wie hatte er Krum nur so leichtgläubig in die Falle tappen können – nachdem er sich selbst geschworen hatte, nie wieder allein seinen Feinden gegenüberzutreten; nachdem er seine Freunde beschworen hatte, daß er sie dringender bräuchte als alles andere, daß sie nur gemeinsam gewinnen würden. Er wußte darauf keine echte Antwort. Es hatte sich halt für ihn so ergeben, auch wenn es wieder einem guten Freund das Leben gekostet hatte.

»Sir, diese Frage kann ich Ihnen nicht wirklich beantworten. Doch ich werde in Zukunft noch viel vorsichtiger sein, ich … es … ist mir sehr unangenehm, wie dumm ich mich erneut verhalten habe.« Er schaute beschämt zu Boden. Ron legte seinen Arm um Harrys Schulter, und selten war er seinem Freund so dankbar für eine kleine Geste wie in diesem Moment.

»Dann werden wir uns nun Miß Parkinson widmen«, meinte Dumbledore und stand auf. Er schnipste einmal mit dem Finger, und die Slytherin, die mit leicht glasigem Blick vor sich hin stierte, gab wieder Töne von sich. »Nun, Miß Parkinson, würden Sie uns erklären, warum Mr. Krum heute unbedingt Mr. Potter umbringen wollte?«

Das Gesicht von Pansy Parkinson verzog sich zu einer Fratze, und ihre Augen blickten etwas Fernes an, welches weit außerhalb des Büros zu sein schien. »Viktor Krum wurde vom Dunklen Lord geschickt. Er sollte Potter töten. Er wollte Potter töten. Das Schlammblut war sein Ziel. Sie hat ihn gedemütigt.« Pansy ließ den Kopf hängen.

»Stehst du in Kontakt mit dem Dunklen Lord? Und wenn nicht mit ihm, mit wem dann?« fragte Dumbledore weiter.

»Ich stehe in Kontakt mit Pettigrew, dem treuen Diener des Dunklen Lords.«

»Was wollten sie von dir?«

»Ich sollte Viktor Krum helfen, Potter zu töten.«

»Wer war an dieser Aktion sonst noch beteiligt?«

»North, Pritchard«, murmelte Pansy ausdruckslos, ohne den Kopf zu heben.

»Sir, darf ich?« mischte sich Harry ein. Da Dumbledore nickte, wandte er sich an Pansy. »Angus Murtaghur, wußte er von eurem Plan?«

»Ja.«

»Aber er war nicht beteiligt? Warum?«

»Er wollte nicht mit hineingezogen werden. Seine Pläne sind andere Pläne«, zischte Pansy schwer verständlich. Sie konnte ihre Augen kaum noch offenhalten.

»Was für Pläne sind das?« fragte Harry mit Nachdruck.

»Seine Pläne sind mir unbekannt.«

»Weißt du etwas über meine Verwandten in Osteuropa?«

»Harry Potter hat keine Verwandten in Osteuropa«, lallte sie total erschöpft und schlief ein.

»Verdammt«, fluchte Harry, und Ron mußte ihn beruhigen.

»Eine der Nebenwirkungen«, erklärte Dumbledore bedauernd und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Im Ministerium wird sie mit Veritaserum verhört werden, dort bekommt man vielleicht noch mehr aus ihr heraus.«

»Sir, was wird dann mit ihr passieren?«

»Nach dem Verhör wird man sie höchstwahrscheinlich verurteilen. Da sie noch minderjährig ist, wird sie allerdings keine wirklich schlimme Strafe erwarten. Im schlimmsten Falle wird ihr Zauberstab vernichtet und ihr wird jegliche Magiebenutzung verboten, während sie zu Hause unter Hausarrest gestellt wird, bis sie einundzwanzig ist. Zudem wird sie der Schule verwiesen, ebenso wie die anderen Beteiligten.«

Harry hätte nach diesen Worten beinahe angefangen, vor Wut zu schreien. Nur mühsam beherrschte er sich. »Sir, ich fürchtete, im letzten Jahr nach Askaban zu kommen, weil ich mich vor Dementoren geschützt habe, und sie wird nur der Schule verwiesen und bekommt Hausarrest?« zischte er aggressiv und nun völlig außer sich.

»So sind nun einmal die Gesetze. Auch du wärst niemals nach Askaban gekommen, selbst wenn du schuldig gewesen wärst«, entgegnete Dumbledore, äußerlich gelassen.

»Diese dreckige Mißgeburt wollte mich und Hermine töten und war an der Ermordung eines Freundes beteiligt – und sie wird nur der Schule verwiesen? Was sind das für kranke Gesetze?« Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Er wußte nicht, woher der Jähzorn kam, der ihn jetzt gepackt hatte, und er wußte auch nicht, wie er sich selbst besänftigen sollte. Eine Träne lief seine Wange hinab, wie von Sinnen sprang er auf, und sein Stuhl flog dabei nach hinten. »Ich werde also nur von der Schule verwiesen, wenn ich diese widerliche Schlange töte?« schrie Harry im höchsten Maße erregt und hatte schon seinen Zauberstab in der Hand.

»Genau das wird passieren. Zusätzlich wird dein Stab vernichtet werden, und du wirst bei den Dursleys unter Hausarrest gestellt, und zwar vermutlich etwa bis zu deinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr«, meinte Dumbledore völlig ruhig. Gerade das machte Harry noch wütender. Er drohte, eine Wehrlose zu töten, doch anscheinend wollte ihn Dumbledore nicht ernst nehmen. Ron und Neville jedoch starrten ihn nur ängstlich und fassungslos an.

»Was sollte mich davon abhalten, sie einfach zu töten?« brüllte Harry wie von Sinnen.

Dumbledore zuckte mit seinen Schultern. »Vielleicht bist du der einzige, der dich davon abhalten kann.« Der alte Mann schien sich dessen aber nicht sicher zu sein.

»Denk doch an Hermine«, rief Neville.

»Genau, was wird sie wohl davon halten?« gab Ron vorsichtig zu bedenken.

Hermine? Was Hermine davon halten würde? »Es wäre nur gerecht. Hermine würde mich bedingungslos unterstützen«, sagte er zwar, doch so recht glaubte er nicht daran. Würde sie das wirklich? Würde sie ihn noch immer lieben, wenn er jemand völlig Wehrloses töten würde, selbst wenn die Person es so sehr verdient hätte? Langsam kamen ihm immer mehr Zweifel. Er senkte seinen Zauberstab und steckte ihn schließlich weg. Harry ging zwei Schritte zu ihr hin. Ihm war noch eine andere Möglichkeit eingefallen, mit der er sich rächen konnte. »Sir, wecken Sie sie auf!«

»Warum?« Dumbledore schien der Sache nicht zu trauen.

»Das geht nur mich und Parkinson was an.«

»Was wird passieren, wenn ich sie wecke?« fragte Dumbledore ernst.

Wenn du es ihm sagst, wird er es nicht tun, ging es durch Harrys Kopf. Er wollte es wirklich, doch anlügen konnte er ihn nicht. Er funkelte Dumbledore zornig an. »Ich gab ihr vor nicht allzu langer Zeit so etwas wie ein Versprechen. Dieses werde ich jetzt halten. Ich werde ihr eine verpassen, die sie ihr Leben lang nicht vergißt.«

Der alte Mann erhob sich. »Auch das kann ich nicht zulassen, Harry.«

»Sir, ich – ich – kann sie doch nicht – einfach davonkommen lassen«, stammelte Harry, und nun flossen noch mehr Tränen seine Wangen hinab.

Wie stark er auch sein mochte, wieviel stärker er auch als die meisten anderen sein konnte, in manchen Situationen war ihm einfach nur noch nach Heulen zumute. Sein Schulleiter nahm ihn liebevoll in den Arm und hielt ihn beinahe so, wie er wohl einen Sohn halten würde. Von hinten spürte Harry plötzlich eine weitere Umarmung und wünschte, daß es Hermine wäre – doch es war nur Ron.

Nein! NICHT … nur Ron! Es war Ron, sein bester Freund, und eine enorme Last schien von ihm genommen und sich auf die beiden anderen verlagert zu haben. Seine Tränen versiegten. Er fühlte sich geliebt, wie nur ein guter Mensch geliebt werden konnte. Fast sein ganzer Zorn war verraucht, und tatsächlich fühlte er sich wieder viel besser.

Nicht nur wegen William hatte er eben geweint; auch wegen Sirius, seiner Eltern, der gestorbenen DA-Mitglieder und sogar wegen Percy hatte er geweint. Er hatte wegen all der Toten geweint, die ihm etwas bedeutet hatten. Harry dachte an Voldemort. Dieser würde niemals wegen des Verlustes von jemandem weinen, aber es würde auch niemand bei seinem Tode weinen. Das zeigte Harry deutlich, wo seine Stärken, seine Vorteile lagen: Gefühle zu haben und die Fähigkeit, sie zu zeigen, sind es, die uns von diesem Monster unterscheiden, dachte er und löste sich aus der langen Umarmung.

»Ich danke dir, Ron, wieder einmal! Dir auch … Albus«, sagte er ein wenig unsicher, schenkte aber beiden ein Lächeln. »Bei dir muß ich mich natürlich auch bedanken, Neville. Ohne dich wäre mein Leben vorbei gewesen. Du bist wahrlich ein großer Zauberer, und deine Eltern wären so unglaublich stolz über deine heutigen Leistungen.« Die letzten Worte sprach er leiser und umarmte den noch immer sitzenden Neville. Als Harry die Umarmung beendete, liefen auch seinem Freund zwei Tränen an den Wangen hinab, die Harry nur noch mehr verdeutlichten, wie gerührt er über diese Geste und seine Worte war. »Solltest du jemals etwas benötigen, oder wenn ich dir bei irgend etwas helfen kann – egal, was es ist, egal, wieviel es kostet –, dann sag mir einfach nur Bescheid!« Harry schenkte nun auch Neville ein herzliches Lächeln.

Er grinste Harry einen Moment schelmisch an. »Ich werde es nicht vergessen.«

Umgehend blickte Harry zu Dumbledore. »Sir, ich wäre gern bei Parkinsons Verhör anwesend.«

Der Schulleiter schüttelte sofort den Kopf. »Ich werde sie gleich abholen lassen, und ich denke, für euch ist es das beste, wenn ihr bald ins Bett geht.« Dumbledore warf einen Blick über Harrys Schulter. Als Harry an die gleiche Stelle blickte, stellte er fest, daß es weit später war, als er angenommen hatte. Tatsächlich steckte ihm der Kampf in den Knochen, und nach der vielen Anspannung kam langsam auch seine Müdigkeit zum Vorschein. Dumbledore erhob sich. »Zudem wird es sicher Miß Weasley und Miß Lovegood interessieren, was in den vergangenen zwei Stunden passiert ist.«

Für Harry war es das Zeichen, welches dieses Gespräch fürs erste beendete, und so stand auch er auf. »Morgen, nach der Schule?« fragte er und bekam ein Nicken als Antwort.

Ein wenig zögerlich lief Harry zur Tür zurück, und als er sich noch einmal umsah, warf Dumbledore Flohpulver in den Kamin. Harry öffnete die Tür und ging hinaus, wobei ihm Neville und Ron folgten.

»Ich glaub', ich geh' ins Bett. Bin wirklich müde«, meinte Harry, als sie am Fuße der Treppe ankamen.

»Verstehe ich. Sag mal, hast du Krum wirklich besiegt? Mit sechs Klatschern im Spiel? Echt kraß!« staunte Ron, und Neville nickte zustimmend.

»Warum sollte ich lügen, nur weil er es nicht mehr abstreiten kann?« fragte Harry und sah seine Freunde ernst an.

»Versteh mich bloß nicht falsch, Harry! Krum ist der … war der … weltbeste Sucher. Find' es einfach nur kraß, daß du sogar ihn besiegt hast.«

Ein Lächeln umspielte Harrys Mund. »Keine Angst, Ron! Ich verstehe dich nicht falsch. Aber ich habe doch nur mit viel Glück gewonnen; so, wie ich heute viel Glück hatte, überlebt zu haben. Wenn Remus nicht gekommen wäre und Hermine überhaupt auf die Idee, nach mir zu suchen, dann weiß ich wirklich nicht, was passiert wäre. Ich dachte sogar eine Sekunde lang daran aufzugeben.« Mit jedem seiner Worte war er leiser geworden.

»Du wirst niemals aufgeben! Und sei die Situation noch so ausweglos! Versprich es mir!«

Ein Moment später lächelte Harry wieder, während er ihm zunickte. Wieder umarmten sich die beiden, und Neville gesellte sich dazu.

»Sieh an, wen haben wir da? Drei schwule Gryffindors«, sagte eine wohlbekannte Stimme.

Harry drehte sich herum. »Sieh einer an, wen haben wir denn da? Die kleine Schlange, die heute seine Freundin verlor. Wirst dir wohl eine andere Gespielin suchen müssen. Doch halt … außer Pansy ist ja kein einziges weibliches Etwas auf deiner Seite; sind nur noch Kerle in deinem Team. Wenn du mich fragst, ist das doch sehr auffällig. Bei uns dagegen ... schöne Frauen, wohin man nur schaut«, erwiderte Harry völlig gelassen, wofür er sich von Angus Murtaghur einen bösen Blick fing.

»Was soll das heißen?« fragte Zabini, der diese Anspielung wohl nicht verstanden hatte.

»Komm, Blaise, diese Schwuchtel hat unsere Aufmerksamkeit noch nicht verdient. Er wird später noch erleben, was es heißt, mich zu beleidigen«, sagte Murtaghur trocken und zog seinen Kameraden weg.

Nun war Harry doch ein wenig nervös. Niemals hätte Draco Malfoy einfach ruhig gehen können, und zudem war es für Murtaghur schon untypisch, überhaupt etwas zu sagen, doch schien er durch Parkinsons Gefangennahme ein wenig irritiert zu sein. Der ist wirklich gefährlich, dachte Harry und sah ihnen hinterher.

Die beiden verschwanden so schnell und so unauffällig, wie sie gekommen waren, doch Harry glaubte nicht wirklich an eine zufällige Begegnung. Sicher hatte Murtaghur es geplant, dachte er und setzte mit den beiden anderen den Weg zum Gemeinschaftsraum fort. Oben angekommen, nannte Neville der fetten Dame das Paßwort, und sie betraten den ziemlich vollen Raum.

Sofort verabschiedete sich Harry von den beiden und ging ziemlich direkt zur Treppe, während Ron und Neville zu Luna und Ginny gingen. Einige Sekunden später war Harry schon oben und begann sich umzuziehen. Psychisch erschöpft, legte er sich ins Bett und deckte sich zu. Er schloß die Augen und hörte William, wie er sich tapfer auf Krum warf.

Sofort öffnete er die Augen und sprach leise mit sich selbst. »Ganz ruhig. Konzentrier dich. Denk an deine Übungen.«

Harry versuchte seinen Geist zu leeren, doch irgendwie schien es ihm nicht so recht zu gelingen. Er schloß erneut die Augen und sah nur einen Moment später Sirius durch den Schleier fallen. Erschrocken riß er die Augen auf. Einige Minuten starrte er an die Decke und redete dabei weiter beruhigend auf sich ein. Erneut versuchte er langsam die Augen zu schließen, und alles, was er sah, war Dunkelheit. Trotzdem konnte er sich nicht entspannen. Zu frisch waren die Ereignisse, und nach nur wenigen Augenblicken erschienen wieder grauenhafte Bilder vor seinem geistigen Auge. Er war wieder in London, in der Nacht des Angriffs. Sein Schild hatte soeben versagt, das Mädchen starb, und Voldemort lachte ihn aus.

»Aufhören«, brüllte Harry und schreckte hoch.

Zerstreut blickte er auf die Uhr und stellte fest, daß er erst seit zwanzig Minuten im Schlafsaal war. Noch müder legte er sich wieder hin, aber sosehr er es auch versuchte, er konnte nicht einschlafen. Gegen elf kamen Dean und Seamus, und kurz vor Mitternacht kamen Ron und Neville. Dafür beneide ich dich wirklich, dachte Harry bei sich, als er an Nevilles regelmäßigen Atemzügen erkannte, daß dieser sofort eingeschlafen war. Dagegen wälzte sich Ron eine Stunde unruhig umher, doch dann schlief auch er ein.

Immer müder fühlte sich Harry, doch das Einschlafen wollte ihm einfach nicht gelingen. Von kurz nach zwei bis halb vier saß er am Fenster und sah einfach nur in die Nacht hinaus. Es war überaus hell, und das lag eindeutig am Vollmond. Er konnte einige Thestrale sehen, welche aus dem Verbotenen Wald aufstiegen und wahrscheinlich auf die Jagd gingen. Würde Hermine sie jetzt sehen, fragte er sich für einen Moment, ehe er sich die Frage selbst beantwortete; natürlich würde sie die schwarzen Tiere sehen können. Williams Tod spukte wieder durch seinen Kopf, ehe ihm mit einemmal klar wurde, warum Remus wieder so schnell hatte verschwinden müssen: es war Vollmond. Harry beschloß, sich ins Bett zu legen, und versuchte erneut einzuschlafen.

Er hatte die Augen geschlossen und versuchte, sich nur auf seinen Atem zu konzentrieren. Plötzlich hörte er ein leises Knarren, und es war eindeutig von der Tür gekommen. Ging jemand hinaus, oder kam jemand herein? Harry war nicht sicher, hatte aber niemanden sein Bett verlassen hören – es mußte jemand ins Zimmer gekommen sein. Sofort waren seine Augen offen, und er hob sachte und unmerklich den Kopf. Ohne seine Brille konnte er nicht ausreichend scharf sehen, doch es lief eindeutig jemand in seinem Zimmer umher. Er hatte keine Ahnung, wer es war, und versuchte verzweifelt, irgend etwas in der Dunkelheit zu erkennen. War es Murtaghur, der nun seine Drohung wahr machte?

»Bist du doch noch wach?« fragte eine leise und so unglaublich warme Stimme, daß Harry von ihr verzaubert wurde. Es war nicht das erstemal, daß es geschah, und er hoffte inständig, es würde auch nicht das letztemal sein. Die ganze Anspannung war sofort weg. »Darf ich bei dir schlafen?« fragte diese liebliche Stimme, und Harry richtete sich gänzlich auf.

Er reichte ihr eine Hand, und als sie die seine ergriffen hatte, zog er sie sanft zu sich in Bett. Er rutschte ein Stück zur Seite, ließ sie unter seine Bettdecke schlüpfen und umschlang sie mit seinem Arm. Ganz eng lagen sie aneinander, und er genoß die von ihrem Körper ausgehende Wärme. Müde sah er auf Rons Uhr und bemerkte, daß es schon nach vier war. Liebevoll küßte er ihren Hals.

»Ich konnte einfach nicht einschlafen ohne dich. Immer sah ich William vor mir«, flüsterte sie ganz leise, und er küßte sie erneut.

»Ich liebe dich!« flüsterte er zurück.

Wenige Minuten später waren beide friedlich eingeschlafen, und kein Alptraum störte ihre Ruhe. Zumindest keiner, der nicht Ron hieß.