Kapitel 7
Tage vergingen und niemand außer Gweneth hatte Boromirs Zimmer betreten. Aylana hatte herumgestöbert und einige Bücher gefunden, mit denen sie sich die Zeit vertrieb. Von Zeit zu Zeit dachte sie über mögliche Fluchtversuche nach, doch Boromirs Worte, dass sie nicht weit kommen würde, leuchteten ihr ein. Ihr blieb nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, dass ihr keiner zu nahe kommen würde.
Über die Zukunft wollte Aylana nicht nachdenken. Die Fragen ob sie ihren Verlobten je wieder sehen würde, oder ihre Heimat, plagten sie und bereiteten ihr Kopfschmerzen.
Eines Tages, als sie wie sooft am Fenster saß, mit einem Buch über die Schlachten des ersten Zeitalters auf dem Schoss, erreichte zunehmender Lärm ihre Ohren. Aylana sah von ihrer Lektüre auf um die Quelle des Geräuschs ausfindig zu machen.
Sie lief aus dem Schlafzimmer in den Nebenraum und blickte aus dem Fenster. Unter ich befand sich eine große Menschenmasse, die schrie und laut Namen rief. Mitten durch die Menge drängten sich Männer in gondorianischen Rüstungen auf ihren Pferden, einige mehr oder weniger aufrecht. Neben ihnen liefen andere Männer, die mit Seilen an die Sättel der Pferde gefesselt waren und versuchten mit diesen Schritt zu halten.
Aylana suchte nach Boromir und fand ihn an vorderster Stelle reiten. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie sehen, dass er schwer verletzt war und sich nur mit Mühe auf dem Pferd hielt. Just in dem Moment als sie das bemerkte, rutschte der Krieger seitlich vom Pferd und fiel regungslos zu Boden. Die Schreie der Menschen verstummten kurz, dann wurden sie umso lauter vor Schreck.
„Boromir!"
Aylanas Stimme war nur ein Flüstern und der Drang sofort zu ihrem Geliebten zu eilen war zu stark. Sie ließ ihr Buch fallen, riss den Mantel von einem Stuhl, den ihr Gweneth gebracht hatte und eilte zur Tür hinaus. Sie schlug die Kapuze über ihren Kopf und rannte die Treppe hinunter. Die Männer und Frauen die ihren Weg kreuzten hielten sie nicht auf und Aylana selbst ignorierte jeden um sich herum.
Boromir war verletzt, vielleicht sogar lebensgefährlich. Sie konnte keine Rücksicht auf sich oder andere nehmen. Sie erreichte die große Vorhalle, die so gut wie leer war. Der König und seine Männer hatten sich bereits draußen vor dem Tor eingefunden. Aylana rannte mitten in die Menschenmenge hinein und suchte nach dem Platz, wo Boromir zusammengebrochen war.
Als sie ihn entdeckte, rief sie seinen Namen und versuchte die neugierigen Menschen zur Seite zu schieben. Doch noch bevor sie Boromirs Seite erreicht hatte, ergriffen sie zwei kräftige Arme von hinten und zogen sie zurück. Als Aylana sich wehrte und versuchte sich zu befreien, warf sie einen Blick auf den Mann, der sie festhielt.
Sie erkannte Faramir, der sie eng an sich drückte und ihr einen warnenden Blick zuwarf. Er flüsterte nah an ihrem Ohr.
„Wenn ihr näher kommt, wird das Folgen für Euch haben, die weder Euch noch Boromir lieb sein werden. Bleibt bei mir!"
Aylana sah die Ehrlichkeit in seinen Augen und nickte. Von den schützenden Armen Faramirs aus beobachtete sie, wie die Soldaten sich über ihre Heerführer beugten und hektisch gestikulierten. Zwei Männer drückten sich mit einer Trage durch die Menge und riefen den Soldaten etwas zu. Boromirs lebloser Körper wurde von den Soldaten auf die Trage gelegt und die beiden Männer trugen ihn so ins Schloss.
Aylanas Augen folgten ihrem Geliebten und in diesem Moment entdeckte sie etwas anderes, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Der Gefangene, der an Boromirs Pferd gebunden war stand regungslos da und blickte die direkt an. Aylana blinzelte einige Male und erkannte den Mann, der dort als Gefangener Gondors auf sein Schicksal wartete.
„Atanir..."
Sie formte den Namen tonlos und ihr Verlobter schluckte, als er sie endlich erkannte.
„Lasst uns hier verschwinden, bevor sie euch erkennen."
Faramir hatte sich erneut zu ihr herunter gebeugt und zog sie nun hinaus aus der Menge.
Aylana war wie betäubt von dem Anblick ihres Freundes, der ihr stumm und regungslos nachsah, bis sie ihn schließlich nicht mehr sehen konnte.
