Nicht, dass sich jemand wundert... es folgt ein Sprung in der Erzählweise. Ab sofort wird die Geschichte aus Boromirs Sicht zuende erzählt.

Und zur Information: Es folgen noch 5 weitere Kapitel (insgesamt sinds dann 16 :) ) und ein kleiner Epilog.

Have fun, Grüßein, Neldoreth

Kapitel 12

Die Mine seines Vaters bedeutete nichts Gutes. Auch war Boromirs nicht wohl bei der Tatsache, dass er die Stufen zum Kerker heraufkam. Er hatte sich lange Zeit dort unten aufgehalten und Boromir drängte es nach Aylana zu sehen. Als Denethor die Halle betrat, zog Boromir sich zurück in den Schatten und verließ lautlos den Raum. Es war an der Zeit.

Lange hatte er darüber nachgedacht, was zu tun war. Nach der Schlacht, die ihn so viele Männer und beinahe sein eigenes Leben gekostet hatte, war er zu dem Entschuss gekommen, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Männer brauchten ihn nicht, um zu kämpfen, Faramir war ebenfalls ein guter Heerführer. Es war nur sein Vater, der ihm Sorgen machte. Würde Faramir sich gegen ihn behaupten können, wenn er weg war? Er wollte ihn noch in seinen Plan einweihen, bevor er die Stadt endgültig verließ.

Boromir wollte sich auf den Weg zu den Ställen machen um nach den Pferden zu sehen, die er ausgesucht hatte. Für sein eigenes Pferd hatte er bereits Gepäck und Sattel bereitgelegt, Aylanas kleineres Pferd blieb ungesattelt. Er wusste, dass sie auch ohne Zaumzeug reiten konnte. Schließlich kam sie aus Rohan.

Doch irgendetwas behagte ihm nicht. Er lief noch einmal zur Halle zurück und sah, dass sich sein Vater nicht mehr dort befand. Seine Wachen mussten ihn begleitet haben. Der Raum war vollkommen leer. Ohne lange zu überlegen, nutzte Boromir die Chance. Lautlos durchquerte er die Halle und lief die Treppe hinunter. Er blickte zuerst prüfend in den Gang, um nachzusehen, ob sich irgendwelche Soldaten darin befanden. Da kam ihm der Gedanke, dass keiner das Recht hatte den Königssohn auf seinem Weg zu behindern. Doch er wollte vorsichtig sein.

Er schlich sich in den Gang hinunter, wobei ihm auf halben Wege ein dunkler Fleck auf dem Steinboden auffiel. Beim näheren Hinsehen erkannte er, dass es Blut war.

Boromirs Herz begann heftig zu klopfen und er beschleunigte seinen Schritt. Wenn Denethor Aylana irgendetwas angetan hatte, würde er ihn mit seinen eigenen Händen töten. An Aylanas Tür angekommen, zog er den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf.

Er suchte im Halbdunkel nach seiner Geliebten, doch als er sie fand, fuhr ihm der Schrecken durch die Glieder. Sie lag reglos auf dem Boden, ihr Kleid, das mehr einem alten Fetzen glich, als Decke über sich gebreitet. Darunter konnte er sehen, dass sie komplett nackt war.

Wut stieg in ihm auf. Der Gedanke daran, was sein Vater ihr angetan hatte ließ sein Blut kochen. Er beugte sich zu ihr herunter und schüttelte Aylana sanft.

Ein kleiner, heiserer Laut entkam ihr, bevor sie vorsichtig blinzelte. Sie zog ihr Kleid enger um sich und schien Boromir nicht zu erkennen. Erst als er ihren Namen sprach, hob sie langsam dem Kopf und blickte ihn aus schwachen Augen an. Ihr Mund öffnete sich, doch kein Geräusch drang heraus.

„Was ist passiert?"

Boromirs Vorstellungen weiteten sich immer mehr aus. Er wusste wie grausam der König sein konnte. Und wie weit er bereits bei seinem jüngsten Sohn gegangen war.

Aylana schüttelte den Kopf und hielt sich stützend an seinem Arm fest.

Boromir beschloss später nachzuforschen. Er musste sie sofort hier weg bringen.

„Komm, lass uns gehen."

Aylana blinzelte ihn verwirrt an. Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern.

„Weg? Wohin?"

„Hinaus aus Gondor. Weg von meinem Vater. Weg von dem Krieg." Wiederholte er ihre Worte.

Ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, das so von schmerzhaften Erinnerungen gezeichnet war.

Sie klammerte sich an ihr Kleid, als sie ihm die Hand entgegenstreckte und flüsterte.

„Hilf mir hoch."

Boromir fasste sie an den Schultern und zog sie vorsichtig auf die Füße. Er spürte wie ihre zierliche Figur zitterte und er atmete einmal tief durch um seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Er hatte sie schon einmal mit seinem Temperament erschreckt. Aylana zog sich die Überreste des Kleides über und Boromir legte ihr seinen Mantel über die Schultern. Er nahm sie an die Hand und spähte prüfend auf den Gang hinaus.

„Es ist niemand da. Komm."

Aylana stolperte kraftlos hinter ihm her und jeder Schritt schien ihr Schmerzen zu bereiten. Boromirs Nerven waren angespannt. In diesem Tempo würden sie es nicht ungesehen in die Ställe schaffen. Er hielt an und drehte sich zu Aylana. Sie hatte ebenfalls angehalten und starrte auf den Blutfleck am Boden. Ihre Lippen zitterten und ihre Augen blickten schwach. In dem hellen Licht der Fackeln konnte Boromir viele Verletzungen in ihrem Gesicht sehen, der Rest war von seinem Mantel bedeckt. Nein, sie konnte in dieser Verfassung nicht weit alleine laufen.

Er nahm sie auf die Arme und trug sie den Gang entlang. Aylana schien kleiner und leichter geworden zu sein, als sie ihre Arme um Boromirs Hals schlang und ihren Kopf an seine Brust drückte. Boromir schluckte seine eigenen Schmerzen hinunter und machte sich auf den Weg.

Die Halle war immer noch leer und Boromir schlich sich mit Aylana hindurch. Er kannte einen Weg der sie zu den Ställen führen würde, ohne den Wachen zu begegnen. Das Mädchen auf seinen Armen murmelte unverständliche Dinge, die nicht an Boromir gerichtet waren. Sie war nicht ganz bei Bewusstsein und stand vielleicht sogar unter Schock. Das bereitet Boromir Sorgen.

Sie gelangten ohne Hindernisse in die Ställe. Boromir weckte Aylana und setzte sie auf ihren Füßen ab. Er brauchte beide Arme um die Hintertür aufzustemmen. Er winkte Aylana in den Stall und führte sie an der Hand zu den Pferden, die er ausgesucht hatte. In einem Haufen Stroh hatte Boromir zwei große Beutel versteckt, die er nun an seinem Pferd befestigt. Sie konnten nicht einfach ohne Essen und Verteidigung davonlaufen.

Als er gerade die zweite Tasche und den Sattel festgemacht hatte, erreichten ihn Stimmen, die schnell näher kamen. Aylana hatte sie ebenfalls gehört und lief einige Schritte hinter das große Pferd. Angst und Unsicherheit sprachen aus ihrem Blick, als sie Boromir hilfesuchend ansah. Er legte die Finger auf die Lippen und bedeutete ihr so still zu bleiben. Boromir lauschte und vernahm die brummende Stimme seines Vaters und seiner Wachen.

„Es kann nicht sein, dass er vom Erdboden verschluckt ist. Er sollte das Bett hüten, um für den nächsten Kampf einsatzbereit zu sein und nicht einfach so durch die Gegend reiten."

Boromir erkannte seine Absicht. Er wollte nachsehen, ob sein Pferd mit ihm verschwunden war. Jetzt musste alles schnell gehen. Er packte Aylana am Handgelenk und bekam einen unterdrückten Schmerzensschrei zu hören.

Augenblicklich ließ er Aylana los, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und schreckensgeweiteten Augen ihre gesunde Hand vor den Mund hielt. Doch Denethor hatte sie gehört. Die Stimmen näherten sich schneller und der König gab Anweisungen, was sie mit der Gefangenen machen sollten, wenn seine Vermutung bestätigt wurde, dass Aylana ausgebrochen war.

Das Mädchen hatte verstanden und schwang sich mit einiger Mühe auf Boromirs Pferd, nicht ohne sich mit den Zähnen auf die Unterlippe zu beißen. Boromir setzte sich hinter Aylana und nahm die Zügel in die Hand. Mit beiden Tieren und den Männern im Weg wären sie unmöglich aus den Ställen gekommen ohne eingefangen zu werden.

In dem Moment als sich das Tor zu der Box öffnete, zog Boromir an den Zügeln und sein Pferd bäumte sich wiehernd vor dem König auf. Er und die Soldaten wichen einige Meter zurück um nicht von den Hufen des kräftigen Tiers erschlagen zu werden und Boromir preschte durch den freien Eingang. Er hörte nur noch die wütenden Flüche, die ihnen im Weg standen und ritt unaufgehalten durch die Stadt, hinaus auf den weiten Pellennor.