Kapitel 6

"Ich brauche einen Drink, willst du auch einen?" fragte Ryan nach ein paar Moment unangenehmer Stille zwischen sich und Marissa.

"Du trinkst?" fragte Marissa überrascht und erinnerte sich sofort an ihre Streitereien während ihrer Teenager Alkoholproblemen.

"Manchmal..." antwortete Ryan und schlenderte zur Bar im Wohnzimmer, wo er sich selbst einen Whiskey einschenkte.

Marissa folgte ihm schweigend und setzte sich auf einen Barstuhl. Sie schüttelte ihren Kopf als Ryan ihr einen fragenden Blick zuwarf und auf die Flasche deutete.

"Trocken seit 10 Jahren" erwiderte sie und lächelte nervös.

"Gut, gut..."

Wieder folgte ein unangenehmes Schweigen, in welchem niemand etwas zu sagen wusste.

Ryan's Gedanken waren voller Fragen. Dinge, die er fragen wollte. Wie war es ihr ergangen? Hat sie gefunden was sie gesucht hatte als sie ihn verliess? Aber es gab eine Frage die ihn vor allem beschäftigte: hatte sie die Entscheidung je bereut?

"Ich denke ab und zu an dich, weisst du..." brach Marissa endlich das Schweigen, während sie Augenkontakt mit Ryan suchte. Ryan hielt ihren Blick als er antwortete:

"Ich nicht..."

Das Model zuckte sichtbar zusammen bei seiner Antwort, aber seine Augen zeigten keine Wut, sondern Schmerz.

"Versteh mich nicht falsch.. ich habe ganze Nächte damit verbracht an dich zu denken, mich zu sorgen, hoffen dass du zurück kommst... aber nach all den Briefen die zurück kamen... den unbeantworteten Telefonanrufen... entschied ich mich, mein Leben weiterzuleben…. also habe ich dich aus meinen Gedanken verbannt, mir selbst verboten, je wieder an dich zu denken..."

Seine Stimme war sanft aber sie konnte genau den bitteren Unterton hören, wodurch sie realisierte, wie sehr durch Ihre Abreise gelitten hatte.

"Es war schlimme... Immer wenn ich dich am Fernsehen gesehen habe, Summer und Seth zugehört habe, wenn sie über dich sprachen..."

Ryan unterbrach den Augenkontakt, wanderte von der Bar weg und setzte sich auf die Couch. Marissa seufzte und folgte ihm wortlos, bevor sie sich neben ihm niederliess. Er reagierte nicht als sie ihre Hand auf seinen Schenkel legte.

"Es tut mir leid… dass ich dich aus meinem Leben ausgeschlossen habe... aber ich bereue die Entscheidung, als Model zu arbeiten, nicht, Ryan... ich musste mir selber beweisen, dass ich mein Leben alleine in die Hand nehmen konnte... endlich Verantwortung für mein Leben übernehmen... Seit dem Tage an dem ich geboren wurde, musste ich nach den Entscheidungen anderer leben…. Ich wusste, dass du das nicht verstehen würdest. Du warst von je her für dein eigenes Leben verantwortlich, weil sich einfach niemand um dich kümmerte… Ich fühlte mich verloren, unselbständig und kindisch im Vergleich zu dir... Also habe ich mich entschlossen, diese Chance zu ergreifen. Du hast keine Ahnung wie hart es war, dich zurückzulassen, mit gebrochenem Herzen, am Boden zerstört. Ich habe dich Tag und Nacht vermisst..."

Sie warf dem schweigenden Mann neben ihr einen kurzen Blick zu um herauszufinden, ob er ihr noch zuhörte. Als er den Kopf hob und sie ansah, lächelte sie kurz und fuhr fort:

"Als Summer mir erzählte, dass du heiratest, war ich im Boden zerstört. Ich verbrachte eine ganze Woche damit, mir zu überlegen, was ich tun sollte. Zurückfliegen um dich zu sehen oder dich dein Leben leben lassen? Ich entschied mich, mein Leben weiter zu leben. Und glaube mir, dass war mit Abstand die schwerste Entscheidung die ich je zu treffen hatte. Ich wusste, dass die Chance bestand, dass du mir vergibst… vielleicht sogar die Hochzeit abbläst und wir wieder zusammen gekommen wären...Aber die Chance war klein und da ich dich sehr gut kenne, wusste ich, dass du mich überwunden hattest, du würdest nicht einfach so ein Mädchen heiraten, nicht ohne 150 sicher zu sein... Fakt ist… ich konnte mich nicht dazu bringen zurückzukehren und ein zweites Mal dein Leben zu zerstören..."

Ryan stand auf und ging zurück zur Bar um sich einen weiteren Whiskey einzugiessen. Dann begann er, im Raum auf und ab zu gehen, sein Blick auf den Boden geheftet.

"Aber jetzt bist du zurück..." murmelte er endlich.

"Ich wusste nicht, dass der Brief von deiner Frau ist, das musst du mir glauben..." versicherte ihm Marissa ruhig aber bestimmt. "Aber als ich realisierte, dass Bernadette deine Frau ist, konnte ich nicht gehen.. Ich weiss, dass muss dumm tönen, aber ich wollte wirklich mit dir in Kontakt treten, schon seit einiger Zeit habe ich darüber nachgedacht…. ich wollte wissen wie es dir geht und ich hatte einfach nicht die Selbstdisziplin, zu gehen..."

Als er nicht antwortete, wurde Marissa klar, dass es zu früh für ihn war, über seine innersten Gefühle zu sprechen, er brauchte Zeit um über das nachzudenken, was sie ihm gesagt hatte. Nervös schaute sie ihm Raum auf und ab und versuchtem, etwas zu finden, über das sie sprechen konnten, bis sie ein einsames Bild von Alyssa vor ihr stehen sah.

"Alyssa ist bezaubernd" sagte sie, verzweifelt, dass weitere Minuten eisernen Schweigens folgen könnten.

Ryan war dankbar dafür, dass sie das Thema wechselte, hörte aber trotzdem den traurigen Unterton in ihrer Stimme, der ihn veranlasste zu stoppen und ihr einen eindringlichen Bluck zuzuwerfen.

"Sie ist bezaubernd... Sie ist mein Leben... ich hatte keine Ahnung, dass man jemanden so bedingungslos lieben kann, aber als ich sie das erste Mal in meinen Armen hielt wusste ich, dass ich sie für immer mit meinem ganzen Herzen lieben würde….. ich denke, dass ist eine Art von Liebe, die nur Eltern erfahren.."

Überrascht über seine eigene Aussage, drehte sich Ryan weg von der Frau in seinem Wohnzimmer und ging hinüber zum Cheminee, wo er sich die Zeichnungen von Alyssa ansah, um sich etwas zu sammeln. Normalerweise sprach er nur mit Bernadette über die starken Gefühle seiner Tochter gegenüber, aber es war offensichtlich, dass e simmer noch eine starke Verbindung zwischen Marissa und ihm gab und er war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war.

Mit seinem Rücken zum Model konnte er nicht sehen, wie sich Marissa eine Träne vom Gesicht wischte und einen tiefen Atemzug nahm.

"Hör zu, ich bin müde und wir werden heute sowieso nicht alle Probleme lösen, vielleicht sollten wir schluss machen und uns… vielleicht morgen zum Essen treffen?" fragte der dunkelblode Mann dann, während er sich umdrehte und seine Teenager Liebe beobachtete.

"Klar..." antwortete Marissa, während sie von der Couch aufstand und unsicher in der Mitte des Wohnzimmers stand. Dann griff sie in ihre Tasche, nahm einen Schreiber und ein Stück Papier hervor und schrieb ihre Handy Nummer auf.

Ryan wanderte währenddessen zur Türe und wartete, bis sie ihm folgte. Marissa gab ihm den Zettel und nickte lächelnd. Bevor er die Türe öffnete, küsste er sie leicht auf die Wange, umarmte sie kurz und flüsterte: "Es war schön dich zu sehen..."

"Es war auch schön dich zu sehen" entgegnete Marissa, lächelte sanft und drückte kurz seinen Arm. Dann drehte sie sich um und ging, verwirrt aber mit einem guten Gefühl im Magen.


Sie stieg in ihr Auto, startete den Motor und lenkte ihren Wagen Richtung Strand, wo ihre Wohnung lag. Nach 10 Minuten erreichte sie ihr Apartment, parkte den Wagen in der Garage und stieg in den Lift um in den obersten Stock zu gelangen. Marissa öffnete die Türe leise und platzierte ihre Schlüssel auf der Kommode in der Eingangshalle. Als sie das Licht im Wohnzimmer einschaltete, lächelte sie über die Magazine, die auf der Couch verstreut waren, die Kissen lagen auf dem Boden und ein Dutzen DVD's waren vor dem DVD Player verteilt. Ihr Apartment was ziemlich gross, mit einem Wohnzimmer, einer grossen Küche, zwei Badezimmern und drei Schlafzimmern, wobei sie eines davon als Büro benutzte. Der Blick über Newport war fantastisch und sie genoss den Sonnenuntergang jedes Mal von neuem. Marissa hatte das Apartment vor einiger Zeit als Investition gekauft und nicht damit gerechnet, jemals einzuziehen.

Als sie aber entschied, ein bisschen kürzer zu treten, wusste sie, dass wie zurück nach Newport ziehen musste. Nur hier kannten sie die Leute nicht nur als Marissa Cooper das Supermodel, aber als Marissa Coop, das Mädchen mit dem sie zur Schule gingen.

Sie bucket sich und hob die DVD's auf, um sie im DVD Gestell zu versorgen. Danach platzierte sie die Magazine im Ständer und ordnete die Kissen hübsch auf dem Sofa an. Sie löschte das Licht und ging zum Schlafzimmer, welches neben ihrem Zimmer lag. Leise öffnete sie die Türe und schlüpte in den Raum. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Bett, dass unter dem Fenster stand und lächelte glücklich über den schlafenden Jungen im Bett und strich zärtlich mit der Hand über seine dunkelblonden Haare. Nach ein paar Minuten seufzte sie, gab ihrem 12 jährigen Sohn einen letzten Blick und schlich sich aus dem Zimmer, die Türe leise hinter sich schliessend.