Kapitel 10

Die Musik ertönte in voller Lautstärke, als Ryan am nächsten Morgen die Küche betrat. Bernadette sass an der Bar, Pfannkuchen, Schinken und Bagels vor ihr aufgereiht. Als sie ihren Ehemann die Küche betreten sah, drehte sie die Lautstärke des Radios herunter und lächelte ihn verschmitzt an.
"Guten Morgen Schatz" murmelte Ryan, überrascht über ihre gute Laune. Er war überhaupt kein Morgenmensch, und Bernadette noch weniger, deshalb war es sehr aussergewöhnlich, dass sie bereits auf war.
"Guten Morgen" antwortete Bernadette, hob einen Teller hoch und offerierte ihm einige ihrer Pfannkuchen.
"Nein Danke, ich denke ich bleibe bei meinen Frühstücksflocken" entgegnete Ryan lächelnd und nahm sich eine Box aus dem Küchenschrank.
"Mandy hat heute morgen betreffend der Konferenz von diesem Wochenende angerufen. Sie hat mir gesagt, dass alles gebucht ist, aber dass du heute noch kurz ins Büro musst, um die letzten Vorbereitungen zu treffen."
"Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, jetzt an diese Konferenz zu gehen mit... du weißt schon" erklärte der dunkelblonde Mann, den Blick seiner Frau meidend.
"Ryan, schau mich an" wies Bernadette ihn sanft an und wartete, bis ihre Augen sich trafen.
"Mir geht's gut, wirklich... Es wird eine Zeit geben, wo du dir Sorgen machen kannst, aber das ist noch nicht jetzt. Du hast Verantwortung in der Firma und ich will nicht, dass du deine harte Arbeit nur wegen meinem Gesundheitszustand zunichte machst."
"Aber ich will nicht, dass du alleine zu Hause bleibst" antwortete Ryan aufgeregt.
"Dann werde ich bei den Cohen's übernachten, das haben wir doch früher schon so gemacht, Schatz" entgegnete Bernadette ruhig und nahm einen weiteren Bissen von ihrem Pfannkuchen.
Ryan hatte überhaupt kein Interesse daran, dieses Wochenende diese Konferzen zu besuchen, mit allem, was im Moment in seinem Kopf herumschwirrte. Aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit seiner Frau darüber zu streiten, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Also stimmte er zu, heute ins Büro zu gehen in der Hoffnung, dort eine bessere Lösung zu finden.


"Guten Morgen Mr. Atwood" rief Mandy mit fröhlicher Stimme, als er die Türe zum Büro seiner Sekretärin öffnete.
"Guten Morgen Mandy" antwortete Ryan deprimiert, seine Stimmung kein Stückchen besser.
"Ich hoffe, Sie haben Ihr verlängertes Wochenende genossen! Ich habe Ihre Post auf Ihrem Schreibtisch gestapelt. John hat ein paar Blaupausen vorbei gebracht, die Sie heute unbedingt noch genehmigen müssen. Er braucht sie bevor Sie gehen."
"Danke. Könnten Sie bitte Mark mitteilen, dass er um 11.00 Uhr zu mir ins Büro kommen soll, er muss für mich an diese Konferenz gehen – und könnten Sie bitte alle Buchungen entsprechend ändern?"
"Natürlich" antwortete Mandy überrascht, während sie Ryan einen verwunderten Blick zuwarf.
"Ist alles in Ordnung, Sir?" fügte sie dann bei, ihre Augen voller Sorge.
Ryan nickte wortlos, schenkte Mandy ein künstliches Lächeln, betrat sein Büro und schloss die Türe hinter sich mit einem Seufzer.
Er setzte sich in seinen Bürostuhl und teilte Mandy über intercom mit, dass er in der nächsten Stunde nicht gestört werden möchte. Dann vergrub er seinen Kopf in seinen Händen im Versuch, sich völlig von der Welt abzuschotten.
Ein Augenblick später wurde plötzlich die Türe aufgerissen und Seth's laute, fröhliche Stimme ertönte:
"Vielen Dank Mandy, ich komme schon zurecht!"
Ryan hob kurz seinen Kopf und beobachtete, wie sein Bruder sein Büro betrat und ihm grinsend einen unschuldigen Blick zuwarf.
"Morgen Kumpel" rief Seth, während er sich im Besucherstuhl gegenüber von Ryan niederliess.
Ryan liess seinen Kopf mit einem Seufzer wieder zurück zwischen seine Hände fallen und murmelte "geh weg Seth".
"Na ja, das ist genau das, was ich nicht tun kann, weil es dann ja überhaupt keinen Sinn… und ich meine überhaupt keinen Sinn…. gemacht hätte, zu kommen…" erklärte Seth und ignorierte Ryan's Todesblick.
"Und warum bist du vorbei gekommen?" murmelte Ryan in die Tischplatte, zu müde, seinen Kopf zu heben.
"Ich weiss, dass das Sprechen mit einer Holzplatte eventuell entspannende Wirkung haben kann, aber da dein Bruder dir gegenüber sitzt, wäre es toll, wenn du diesen kleinen "Making peace-mit-dem-Holz" Moment vergessen könntest und dich lieber mit mir unterhalten würdest."
Ryan schaute auf und gab Seth einen seiner berühmten Blicke, bevor er sagte:
"Ich bin wirklich nicht in der Stimmung, Seth..."
"Genau das haben wir uns gedacht, nachdem wir heute Morgen mit Bernadette telefoniert hatten und sie uns gefragt hatte, ob sie am Wochenende bei uns bleiben kann. Deshalb… haben mein kleines Weib und ich eine Plan ausgeheckt."
"Was für einen Plan?" fragte Ryan verwirrt, misstrauisch die Augenbraue hochziehend.
"Du willst doch nicht wirklich zu dieser Konferenz gehen, oder?"
"Hatte ich eigentlich nicht geplant, nein..."
"Siehst du, hab ich's doch gewusst. Aber ich finde, du brauchst eine Pause und bevor du uns noch zusammenbrichst und Mitten in der Nacht abhaust, haben wir uns gedacht, wir organisieren ein brüderliches Wochenende am Strand. Wir werden die Stadt nicht verlassen, im Falle eines…. Notfalls…. wir werden in der Nähe sein, aber trotzdem 3 Tage ohne Kinder, ohne Frauen und ohne Arbeit verbringen, wie findest du das?"
"Wie wars mit "ohne zu sprechen"?" fragte Ryan seinen Bruder sarkastisch, aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass dieser Plan genau das war, was er brauchte.
"Nein, tut mir leid, das kann ich nicht versprechen" grinste Seth und wartete auf die Antwort seines besten Freundes.
"Ok, ok, ich bin dabei - wenn Bernadette zustimmt"
"Cool, also, ich werde dich am Freitag um 18.00 abholen, Summer wird den Rest organisieren. Und mach dir keine Sorgen, Bernadette hat bereits zugestimmt."
Seth stand auf und begann, Richtung Türe zu gehen, wo er sich plötzlich umdrehte und gerade etwas sagen wollte, als Ryan ihn stoppte:
"Ein Wort über Tijuana und du wirst alleine gehen"
Seth warf ihm ein entschuldigendes Grinsen zu, bevor er theatralisch den Mund schloss und das Büro verliess, während er rief: "See you Freitag Bruder!"


"Es tut mir leid Schatz, aber ich habe diese immens wichtige Show am Wochenende, weshalb ich nicht mir dir an die Convention gehen kann..." erklärte Marissa ihrem Sohn schuldbewusst.
"Ich dachte, du machst eine Pause?" rief Colin wütend.
"Das mache ich auch Liebling…. es ist nur so… ich habe Verträge…." versuchte das Model zu erklären aber stoppte, als sie den Blick ihres Sohnes auf ihr haften sah, seine Augen voller Schmerz und Zurückweisung.
Marissa sammelte sich und versuchte eine andere Strategie: "Wie kann ich es wieder gut machen?"
"Wie wär's, wenn du mir den Namen meines Vaters sagen würdest?" antwortete Colin hartnäckig, während er seine Arme über der Brust verschränkte.
"Lieling bitte, nicht schon wieder diese Diskussion!" rief Marissa verzweifelt, ihre Arme in die Höhe werfend.
"Warum will er mich nicht kennen lernen?" fragte Colin leise, seine Augen voller Tränen.
"Oh Schätzchen, natürlich will er dich kennen lernen, es ist nur…. du musst mir etwas Zeit geben….. ich verspreche dir, ich werde ein Treffen arrangieren, nur nicht gerade jetzt..." Marissa bückte sich und nahm ihren Sohn in die Arme, zärtlich sein Rücken streichelnd.
Nach einer Weile beruhigte sich Colin und machte sich aus der Umarmung seiner Mutter los, bevor er sich die Tränen mit dem Ärmel abwischte.
"Ist es ok, wenn ich dich das ganze Wochenende mit Mary alleine lasse?" fragte Marissa besorgt.
Colin nickte und schluckte die sarkastische Antwort herunter, die er vorbereitet hatte, um nicht noch ein Streit mit seiner Mutter anzuzetteln. Marissa küsste zärtlich seine Stirn, zerzauste leicht seine Haare, bevor sie sich umdrehte und in ihr Zimmer ging, um ihren Koffer zu packen.
Colin verschwand in sein Zimmer, nahm den Telefonhörer in die Hand und fischte unter seiner Matraze nach der Visitenkarte. Nervös wählte er die Nummer, während er in seinem Zimmer auf und ab lief.
"Atwood?" hörte er schliesslich eine Stimme antworten.
"Mr. Atwood? Hier ist Colin..." antwortete der Junge schüchtern.
"Oh, hallo Colin, wie geht's dir?" fragte Ryan, überrascht über den Anruf.
"Mir geht's gut, wie geht es ihnen, Sir?" erwiderte Colin höflich.
"Du kannst mich Ryan nennen, Colin" lächelte der Erwachsene, im Versuch, die Spannung zwischen ihnen abzubauen.
"Ok... Ryan"
"Also, was gibt's?" fragte Ryan nach einigen Sekunden der Stille.
"Ich... Ich werde am Wochenende am Pier sein... und... ich habe mich gefragt... ob Sie…. ob du auch da sein wirst"
"Eigentlich..." begann der Architekt, aber stoppte, als ihm seine Pläne für das Wochenende einfielen.
"Oh..." antwortete Colin enttäuscht, "Ich verstehe, kein Problem"
"Nein Colin, warte! Ich werde am Pier sein, wenn du mir sagen kannst, wann" sagte Ryan schnell, bevor der Junge die Chance hatte, das Telefonat zu beenden.
"Ok…uhhmmm…. Samstag Mittag..."
"Gut, ich werde da sein" entgegnete Ryan, während er sich die Zeit und den Ort mit Colin's Name niederschrieb, damit er es nicht vergass.
"Vesprochen?"
"Ich verspreche es, Colin"
"Ok, bis dann... Ryan... bye!" sagte Colin seinem neuen besten Freund glücklich.
"Bye Colin, bis Samstag" antwortete Ryan lächelnd.

"Tut mir leid für die Unterbrechung, aber ich musste kurz mit ihm sprechen" entschuldigte sich Ryan bei Mark, der ihm gegenüber sass.
"Kein Problem" erwiderte Mark mit einem freundlichen Lächeln. .
Ryan benötigte nur eine halbe Stunde, um Mark einen Update über die Konferenz zu geben, an welcher er die Newport Group vertreten sollte.
Als Mark gegangen war, sass der Architekt wieder alleine in seinem Büro und dachte über die Tatsache nach, dass er Colin versprochen hatte, ihn zu treffen, während er das Wochenende eigentlich mit Seth verbringen sollte. Er wusste, dass sein Adoptivbruder stinksauer sein würde, aber etwas in der Stimme von Colin hatte ihn stutzig gemacht und er wusste, er durfte den Jungen nicht vernachlässigen. Obwohl Ryan bemerkte hatte, dass Colin von einer reicheren Familie stammte, seinen Kleidern und der Wohnung zu urteilen, hatte er den Blick in Colin's Augen erkannt, seine bittende Stimme tief in Ryan's Herz schneidend.
Er wollte wissen, warum Colin so verletzt war, herausfinden, was in seinem Leben schief gelaufen war, ihn so bitter gemacht hatte. Obwohl Colin älter erschien, als er war, wusste Ryan, dass er innerlich ein Junge war, der geliebt und respektiert werden wollte. Trotz all seinen persönlichen Problemen wusste er, dass er den Cohen's für immer dankbar dafür sein würde, für die Liebe und Sicherheit, die er bekam, als sie ihn in ihre Familie aufgenommen hatten. In dem er Colin half, war es für ihn, als würde er diese Schuld zurückzahlen. .