Disclaimer: Die Charaktere dieser Geschichte gehören zum (größten Teil) Joanne K. Rowling und ich veröffentliche das hier definitiv nicht, um damit Geld zu verdienen.

Immer Ärger
Die Hitze des Sommertages schlug Lily entgegen, als sie mit ihrer Freundin
Aisling Talbot aus dem Schulhaus trat. Endlich Sommerferien!
Lily hatte diesem Tag entgegen gefiebert, seit sie vor einigen Wochen
mächtigen Ärger mit den Lehrern bekommen hatte.
Angefangen hatte es mit einem einfachen Mathetest. Lily war in Mathematik
immer eine Niete gewesen, sie konnte mit Zahlen nun mal überhaupt nichts
Anfangen.
Darum hatte sie sich auf diesen Test besonders gut vorbereitet und Stunden
mit Lernen verbracht.
Als sie den Test dann hinter sich hatte, hatte sie wirklich ein gutes
Gefühl gehabt.
Das böse Erwachen kam, als Lily ihre Arbeit zurück bekam, der Lehrer hatte
ihr eine glatte Sechs gegeben und das, obwohl sie beinah alle Rechnungen
richtig gelöst hatte.
Lily hatte gedacht es handle sich um ein Versehen, also sprach sie
Mr.Stiles darauf an.
Seine Erwiderung dazu war, dass das Ergebnis des Testes zu gut gewesen sei,
als dass er glauben könne Lily habe es alleine fabriziert, sie musste also
irgendwie gemogelt haben.
Lily war entsetzt. Sie versuchte den Lehrer davon zu überzeugen, dass sie
sich die gute Note ehrlich erarbeitet hatte, aber er ließ nicht mit sich
reden. Lily war so wütend, dass sie den Lehrer am liebsten angeschrieen
hätte. Doch sie hielt sich zurück. Stattdessen verschränkte sie die Hände
fest und starrte stur auf den Tisch. Der Lehrer hatte die Sache damit als
erledigt angesehen und wandte sich seiner Tafel zu. Lily hatte ihre Wut
schon beinah unter Kontrolle, als sie hinter sich ein leises Kichern hörte.
Die Röte stieg ihr ins Gesicht und obwohl sie sich keinen Millimeter bewegt
hatte, erhoben sich ihre Schulbücher vom Pult und klatschen laut und heftig
gegen den Rücken des Lehrers.
Sie war für eine Woche suspendiert worden, weil ihr niemand die Geschichte
mit den selbst-fliegenden Büchern geglaubt hatte.
Jeder dachte, sie hätte sie vor lauter Zorn nach dem Lehrer geworfen und
wollte sich jetzt mit unglaublichen Geschichten heraus reden. Lilys Eltern
blieben sehr gelassen und gaben ihr keine weitere Strafe. Das taten sie
nie, egal wie merkwürdig die Dinge waren, die Lily angelastet wurden.
Dennoch spürte Lily keinerlei Freude, über die ganzen seltsamen Vorfälle,
wenngleich sie ihr anscheinend nur eine Hilfe sein wollten. Manchmal hatte
Lily den verrückten Gedanken, dass ihr irgendwelche Geister oder Kobolde
folgten und diese Dinge taten.
Lily selbst hatte ansonsten keine Erklärung für Phänomene, wie ein
verschwindendes Paar Schuhe, die einen Moment vorher noch an den Füssen
eines Mitschülers gesteckt hatten oder auch das plötzlich zusammenbrechen
eines Nigel-nagel-neuen Stuhls.
Für alle Anderen war der Fall klar: Lily war irgendwie gestört und machte
lauter furchtbare Dinge, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Tatsächlich gingen ihr die meisten Kinder schon seit dem Kindergarten aus
dem Weg, die anderen Kinder wiederum durften ihr auf Befehl der Eltern
nicht zu nahe kommen und die Nachbarn hechteten vor lauter Schreck hinter
die Gebüsche, wenn sie Lily kommen sahen.
Nach dem Vorfall mit Lehrer, wurde es allerdings noch schlimmer. Die
anderen Lehrer brummten ihr harte Strafen auf, wenn sie auch nur den
geringsten Verdacht hatten Lily stecke hinter irgendeinem „Verbrechen". Das
bekamen andere Schüler natürlich mit und so wurde Lily zum beliebtesten
Alibi anderer Störenfriede. Lily stellte daraufhin andere Schüler immer
wieder zur Rede, was - wie könnte es auch anders sein - dazu führte, dass
sich die echten Vorfälle extrem häuften.
Lily war in einem echten Teufelskreis aus Strafen und Streitereien
gefangen.
Umso beschwingter war sie, als sie heute die Schule verließ und nie mehr
dorthin zurück musste.
Ab dem Herbst würde sie gemeinsam mit Aisling auf eine neue Schule kommen,
die einige Ortschaften entfernt lag.
Lily warf ihrer Freundin einen kurzen Blick zu.
Sie lief, den Kopf gesenkt, neben ihr her. Ihr hüftlanges rabenschwarzes
Haar hing wie ein Vorhang über ihre Schultern und ließ sie besonders schmal
aussehen.
Ihre dunkelblauen Augen wirkten in dem fahlen, herzförmigen Gesicht beinahe
schwarz. Lily hatte schon bemerkt, dass es ihrer Freundin heute nicht
besonders gut ging. Sie kannte die Anzeichen: Die Blässe und der
verschleierte Blick. Aisling spielte es zwar herunter, aber Lily machte
sich dennoch ein wenig Sorgen.
Jeder wusste, dass mit Aislings Gesundheit irgendwas nicht ganz stimmte, es
hatte sogar Gerüchte gegeben, dass sie sterben würde. Damals war Lily
wirklich in Panik geraten und hatte sie gefragt, ob das stimme.
Aisling hatte sie einem Moment lang durchdringend angestarrt und war dann
in Gelächter ausgebrochen. Ab da machten sie sich gemeinsam, über dieses
Gerücht lustig.
Sprüche wie: „Lass mich in Ruhe, du weißt doch dass ich im Sterben liege!"
Waren besonders beliebt.
Dennoch gab Aislings Krankheit Lily manchmal Rätsel auf, sie hatte jedoch
nicht vor danach zu fragen, um was es sich dabei handelte. Aisling würde es
ihr schon erzählen, wenn es wichtig wäre.
"Geht deine Schwester heute auf diesen Schulball?", fragte Aisling
plötzlich.
Lily verzog das Gesicht und strich einige Strähnen ihres dunkelroten Haars
zurück.
"Ja! Und jetzt rate mal mit wem... mit Terence Peacock, dem eingebildeten
Affen! Der hält sich ja für so toll! Ich frag mich echt wieso, der tut doch
den ganzen Tag nichts anderes als auf Schwächeren rum zu hacken."
Aisling grinste schwach über Lilys herzhafte Schimpftirade.
"Immerhin sieht er einigermaßen gut aus. Wundert mich fast, das er sich mit
Petty abgi..."
Lily war abrupt vor einem schwarzen schmiedeeisernen Tor stehen geblieben.
Sie hörte Aisling seufzen.
"Was hast du nur mit diesem Haus."
Lily legte das Gesicht an die Gitterstäbe und wartete bis Aisling sich zu
ihr gesellte.
"Ich weiß nicht, ich finde es einfach schön. Wie ein Märchenschloss."
"Ehrlich gesagt, finde ich es eher traurig."
Aisling starrte das Haus durchdringend an.
Lily fand diesen Blick beunruhigender, als sie das Haus je hätte finden
können.
Sie blickte fasziniert über die gigantische Rasenfläche vor dem Gebäude,
die hie und da mit verschiedenen, alten Laubbäumen bewachsen war. Vom Tor
bis zum Haupteingang führte eine Allee, die aus großen Eichen bestand. Es
gab einen Vorplatz aus Kies, in dessen Mitte ein alter, moosbewachsener
Springbrunnen stand, der wohl einen Menschen darstellte. (Es war wegen der
Entfernung schwer zu sagen.) Eine große steinerne Freitreppe führte zum
Haupteingang.
Das Gebäude selbst bestand aus gelbbraunem Sandstein und war zu einem
großen Teil mit Efeu bewachsen.
Am fantastischsten empfand Lily einen dicken Rundturm, mit einem
steilaufragenden Spitzdach.
"Irgendwie ist es in dem Garten immer neblig", meinte Aisling und legte den
Kopf schräg.
Es stimmte, es war ein heißer sonniger Tag und trotzdem wabberte leichter
Nebel über dem Rasen.
"Wahnsinn, oder? Ich finde Nebel klasse."
Lily drückte wohl zum hunderstenmal die Klinke des Tores nach unten und wie
erwartet tat sich nichts. Dennoch war sie enttäuscht.
"Ich wünschte ich könnte mir das Ganze mal von innen ansehen", murmelte
sie.
"Tz... wir haben wirklich schon so ziemlich alles versucht, um dort rein zu
kommen. Und ich lasse mich bestimmt nicht noch mal von Mr.Corners Hund
jagen, nur weil wir wieder versuchen über seine Hecke auf das Grundstück zu
kommen."
Lily biss sich auf die Unterlippe. Aislings bleiches Gesicht sah fest
entschlossen aus.
"Ach komm schon, lass es uns noch mal versuchen, irgendwie schaffen wir das
schon."
Sie sah Aisling geradezu flehend an. Aisling verdrehte die Augen und
schaute weg.
„Bitte, bitte, bitte...", Lily versuchte so mitleiderregend wie möglich
auszusehen.
Sie schien es nicht wirklich hinzubekommen, denn Aisling begann zu kichern.
"Na gut, aber nur, wenn wir es nicht durch Mr.Corners Garten versuchen."
"Einverstanden!"
Lily blickte sich um. Die Mauer am Tor war eigentlich nicht besonders hoch
und sie wunderte sich ein wenig, dass sie nie auf die Idee gekommen war
darüber zu steigen. Dazu brauchte sie doch nur ein wenig Hilfe von Aisling.
Einen Moment war ihr so als hätte sie das tatsächlich schon mal vorgehabt,
aber warum hatte sie es dann nicht gemacht? Lily zuckte die Schultern. Sie
wusste es nicht, die Hauptsache war, dass sie es jetzt machte.
"Pass auf, du machst eine Räuberleiter und dann zieh ich mich hoch auf die
Mauer."
Lily warf ihre Tasche und ihre grüne Schuljacke hinter ein Gebüsch und
wandte sich Aisling zu.
Aisling sah nicht all zu erfreut über diesen Plan aus, aber sie hatte ja
bereits zugestimmt.
"Was machst du, wenn du nicht wieder raus kommst?"
"Das passiert schon nicht, außerdem... wenn ich oben auf der Mauer bin,
helfe ich dir erst mal nach oben, dann sind wir beide drin. Also können wir
auf die gleich Art auch wieder rausklettern."
Aisling seufzte.
"Na gut, dann mal los."
Sie nahm ihre Hände zusammen und Lily stellte ihren Fuß hinein.
Es war so einfach auf die Mauer zu klettern, dass sich Lily einen Moment
wirklich unwohl fühlte.
Was zur Hölle war heute anders? Sie hatten Jahre mit dem Versuch verbracht,
in diesen Garten zu kommen und nun funktionierte es einfach so?!
Sie hatten komplizierte Pläne entworfen, einmal hatten sie sogar mühevoll
ein Seil von der Eiche im Garten der Evans, zu einem Baum auf dem
Grundstück gespannt. Auf die Art und Weise hatten sie dann über die Mauer
hangeln wollen. (Irgendwie schien die Mauer damals höher gewesen zu sein.)
Dieses vorhaben wurde jedoch dadurch zu Nichte gemacht, dass das Seil,
kurz, bevor sie über der Mauer waren, zerriss. Aisling und Lily waren auf
den Boden geknallt und Mrs.Evans hatte ihnen darauf hin verboten überhaupt
noch mal zu versuchen in den Garten zu kommen. Was das ganze jedoch noch
spannender und leider auch komplizierter machte. So mussten sie nämlich in
fremde Gärten einbrechen um auf das Grundstück zu kommen.
Als Lily jetzt auf der Mauer im Efeu saß, überlegte sie einen Moment, ob
sie nun wirklich in den Garten hinunter springen sollte. Das Haus bereitete
ihr zwar nach wie vor kein Unbehagen, aber irgendwie kam ihr die
Leichtigkeit, mit der sie hier hoch gelangt war doch sehr komisch vor.
"Lily... da kommt jemand", Aisling klang aufgeregt.
Ohne umschweife krabbelte Lily auf allen Vieren unter die herabhängenden
Äste einer riesigen Trauerweide, die in der Nähe der Mauer stand. Es wäre
einfacher gewesen in den Garten zu springen, aber Lily war sich immer noch
nicht ganz sicher.
Im Schatten der Weide, legte sie sich also flach auf die Mauer und
beobachtete was sich unten tat.
Aisling hatte sich gebückt und tat als müsse sie ihren Schuh binden.
Einiger Meter weiter hinten konnte Lily drei Gestalten sehen, sie waren
wohl gerade mit dem Bus angekommen. Als sie näher kamen, erkannte sie
Terence Peacock, Howard Quitter und Petunia.
Lily fluchte leise.
Die Gruppe kam heran und machte dummerweise keine Anstalten einfach an
Aisling vorbei zu laufen.
"Hey Aisling... was treibst du da?", Petunia klang schnippisch, wie immer.
Sie hatte ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, was ihren Hals
besonders lang erscheinen ließ. Sie warf Aisling ein herablassendes Lächeln
zu.
"Nichts besonderes", murmelte Aisling und schien zu erstarren, als sie zu
Petunia aufblickte. Lily hatte ein komisches Gefühl im Magen, als würde es
gleich Ärger geben.
"Und wo ist Lily?"
Aisling starrte Petunia derartig kühl an, dass Lily erstaunt blinzelte.
"Hey hörst du nicht? Du wurdest was gefragt!", Terence Peacock musste sich
natürlich einmischen, das war zu erwarten gewesen.
Aisling ignorierte Petunias fragenden Blick und sah stattdessen Peacock an.
Plötzlich breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie begann zu
lachen. Es klang seltsam, als hätte sie gerade etwas wirklich witziges
gehört.
Vor lauter Lachen bekamen ihre fahlen Wangen sogar richtig Farbe.
"Ach... das ist mir doch zu blöd", sagte Petunia mit zusammengekniffenen
Lippen, „Ich hab keine Zeit für so was. Wir sehen uns."
Petunia winkte den beiden Jungen zu, dann ging sie davon und verschwand
gleich darauf um eine Ecke.
Terence Peacock und Howard Quitter blieben zurück. Peacock schien sich
durch Aislings Verhalten sehr beleidigt zu fühlen.
"Was ist so witzig, du Gestörte", er trat einen Schritt auf Aisling zu.
"Ich glaube sie lacht dich aus, Terence", schaltete sich Howard ein.
Peacock sah einen Moment sprachlos aus und Lily musste ein Kichern
unterdrücken.
"Der werd ich s zeigen! Hör sofort auf zu lachen du dämliche Kuh."
Aisling reagierte nicht wirklich. Sie blinzelte kurz und platzte dann
wieder laut heraus. Sie schien sogar noch lauter zu lachen. Tränen traten
ihr in die Augen.
Lily schüttelte den Kopf, sie sollte damit aufhören, ehe es zu einem
Unglück kam.
Da hob der puterrote Peacock auch schon seine Hand und zog damit kräftig an
Aislings Haar.
"Hey... was hast du vor!", sagte Howard.
"Ich bringe ihr bei, nicht über mich zu lachen."
Aisling krümmte sich jetzt vor Lachen.
"Du bist wohl verrückt, sie ist die Freundin von Lily Evans!"
"Wenn schert das?", Peacock sah ehrlich verwirrt aus.
Howard schnaubte.
"Ich vergesse immer, dass du erst seit einigen Monaten hier wohnst. Die
kleine Evans ist ein echtes Ungeheuer. Vor einem Jahren hat sie dafür
gesorgt, dass die Augenbrauen meines Bruders ausgefallen sind, nur weil er
den kleinen Tim Jones ein bisschen rum geschubst hat. Ich will gar nicht
wissen, was passiert, wenn es um ihre beste Freundin geht."
Lily erinnerte sich an den Vorfall. Sie war zu tiefst schockiert gewesen,
das man ihr die Schuld daran gegeben hatte. Wie hätte sie denn bitte dafür
sorgen sollen, dass jemandem die Augenbrauen ausfielen, wenngleich es
ziemlich komisch ausgesehen hatte.
"Wenn man dich hört, könnte man meinen Petunias kleine Schwester sei eine
Hexe."
Peacock grinste hämisch. Howard machte ein Gesicht, als würde er genau das
denken.
„Na ja... Hexe vielleicht nicht, aber sie kennt fiese Tricks..."
"Du bist ja verrückt", Peacock wandte sich wieder der lachenden Aisling zu.
"Ich sage es jetzt zum letzten mal, hör auf zu lachen!"
Aisling hörte nicht auf. Lily fragte sich ehrlich besorgt, was mit ihr los
war. Wenn sie so weiter machte, würde sie noch ersticken.
"Ich habe dich gewarnt, Mann!", warf Howard ein, „Ich will nichts damit zu
tun haben, den Ärger mit Evans ist das echt nicht wert."
"Du bist solch ein Feigling."
Peacock trat wutentbrannt auf Aisling zu und gab ihr einen heftigen Stoß,
der sie aus dem Gleichgewicht brachte. Für einen Moment blieb Aisling die
Luft weg, als sie hart auf dem Boden aufkam, doch dann lachte sie weiter
und sogar noch lauter. Das machte Peacock wiederum noch wütender.
„HÖR AUF!", er griff nach Aislings langem Haar und zog erneut kräftig dran.
Aisling keuchte vor Schmerz auf.
"Lass das sofort sein!", Lily sprang ohne Umschweife von der Mauer und
stürzte sich auf Peacock.
Sie gab Peacock einen Schubs, der ihn unvorbereitet traf und ihn
zurücktaumeln ließ. Lily ballte die Hände zu Fäusten.
"Du widerliche Kakerlake! Ich wünschte du würdest die Pest oder so etwas
bekommen!", Lilys Wangen glühten vor Zorn.
Howard hatte vor Schreck zu schreien angefangen, als Lily aufgetaucht war.
Bei ihren Worten war er entsetzt zusammengezuckt.
Es dauerte nur einige Sekunden, dann tauchten die ersten Pusteln auf
Peacocks Gesicht auf. Es waren kleine rote Bläschen.
Aisling setzte sich auf und betrachtete die Szene. Sie hatte sogar mit dem
Lachen aufgehört.
Lily schnappte nach Luft. Was war denn jetzt passiert?
Peacock sah plötzlich richtig schlecht aus und er schien auch zu spüren,
dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er sah auf seine Hände, wo noch mehr
roten Male auftauchten. Erschrocken schrie er auf und ging auf Howard zu.
"Was hat sie gemacht?!"
Ein eiskalter Klumpen bildete sich in Lilys Magen.
Peacock gab ihr die Schuld an dem Ausschlag... und wenn er das tat, dann
würden es bald auch alle anderen tun.
Howard war schnell einige Schritte zurück getreten.
"Komm nicht näher!", rief er panisch, ehe er so schnell wie möglich davon
rannte.
Lily schluckte.
"Es ist wohl besser, wenn du schnell nach Hause läufst, ehe es dir noch
schlechter geht."
Lily wollte gar nicht daran denken, was ihr blühen würde, sollte Peacock
mitten auf der Straße zusammenbrechen.
"Na los, geh nach Haus!", schrie sie Peacock nun an und ließ sich vor
Aisling auf die Knie sinken.
Peacock nahm ihren Rat sofort an. Aisling war die Einzige, die immer noch
grinste.
"Alles okay?"
"Ich denke schon. Ich schätze ich hab jetzt nur ein paar Haare weniger."
"Warum hast du nicht aufgehört zu lachen? Du hast ihn viel zu sehr
provoziert, das hätte nicht sein müssen...und jetzt wird jeder denken, dass
ich ihm die Pest...."
"Die Windpocken", unterbrach Aisling sie sachlich.
"Wie bitte?", sagte Lily erstaunt..
"Keine Sorge, er hat nur Windpocken und nicht die Pest. Ich weiß wie das
aussieht, die hatte ich doch letzten Winter. Ich schätze er hat sie schon
die ganze Zeit mit sich rum geschleppt."
Lily hörte die Worte und sie glaubte Aisling, dass es nur die Windpocken
waren, es machte jedoch keinen großen Unterschied, ob Pest oder Windpocken.
Sie wäre so oder so dafür verantwortlich gemacht worden.
Sie begann ruckartig zu atmen. Was war nur los?! Warum passierten immer
wieder solche Sachen?
Aisling betrachtete Lily aufmerksam und legte ihr schließlich einen Arm um
die Schulter.
So saßen sie Arm in Arm auf den Fußweg vor dem Eisentor. Einzig eine graue
Eule beobachtete sie.
Als Lily die Küche durch die Hintertür betrat läutete gerade das Telefon.
Lily hörte Petunias Schritte auf der Treppe, als diese in den Flur hastete.
Mrs.Evans stand am Herd und rührte in einem Topf.
"Hallo, mein Spatz, du kommst genau rechtzeitig. Na, wie war der letzte
Schultag?"
Lily ließ ihren Schulranzen vom Rücken gleiten und setzte sich an den
Küchentisch.
Sie hatte sich inzwischen etwas gefasst, dennoch machte sie sich sorgen,
welche Folgen der Vorfall mit Peacock haben würde.
Mrs.Evans wandte sich zu ihrer Tochter um, als sie nicht antwortete.
"Stimmt irgendwas nicht?"
Lily senkte den Kopf. Am besten würde sie ihrer Mutter auf der Stelle alles
erzählen. Lily setzte gerade an, als Petunia in die Küche stürmte.
"WAS HAST DU GEMACHT?! WAS HAST DU SCHON WIEDER ANGERICHTET?!"
Tränen liefen über ihre Wangen und sie sah so wütend aus, wie Lily sie noch
nie zuvor erlebt hatte.
Da fiel es ihr siedend heiß wieder ein - der Schulball!
Wie hatte sie das nur vergessen können. Terence und Petunia hatten zusammen
dorthin gehen wollen.
"WARUM MUSST DU IMMER ALLES KAPUTT MACHEN! IMMER VERDIRBST DU MIR ALLES! DU
VERDAMMTE KLEINE HEXE, ICH HASSE DICH!"
Petunia machte Anstalten auf Lily los zu gehen, doch Mrs.Evans trat
dazwischen.
"Was ist überhaupt los?"
Lily waren bei Petunias Worten die Tränen in die hellgrünen Augen getreten.
Petunia und Lily hatten sich schon immer viel gestritten, aber Lily würde
ihr doch nie absichtlich schaden wollen.
Es stimmte zwar, das Petunia des öfteren Opfer ungewöhnlicher Vorfälle
wurde, (zusammengebundene Schuhbänder oder Käfer im Müsli, waren durchaus
an der Tagesordnung) aber das war doch nicht ihre Schuld.
Petunia hatte Mrs.Evans inzwischen unter Schluchzern von Terence Peacocks
spontaner Krankheit erzählt.
"ICH WEIß GENAU, DASS SIE DARAN SCHULD HAT..."
"Das reicht jetzt Petty!", fuhr Mrs.Evans Petunia ins Wort.
Lily hatte immer noch kein Wort herausgebracht. Was sollte sie denn auch
sagen, Petunia würde ihr ja doch nicht glauben.
"Es ist wohl am besten, wenn du auf dein Zimmer gehst", hörte Lily ihre
Mutter sagen.
Sie rutschte von ihrem Stuhl.
"Nicht du, Lily!"
Lily blickte zu ihrer Mutter. Diese warf Petunia einen strengen Blick zu.
"Ich schlage vor, du beruhigst dich erst mal und denkst ernsthaft darüber
nach, was du gerade alles von dir gegeben hast."
Petunia starrte Lily einen Moment lang an, dann machte sie auf dem Absatz
kehrt, so dass ihr blonder Zopf nur so flog.
"Und von dir möchte ich hören, wie das passiert ist."
Mrs.Evans bedeutete Lily sich wieder zu setzten. Stockend berichtete sie
von dem Vorfall mit Aisling und Peacock. Mrs.Evans hörte aufmerksam zu, ehe
sie den Kopf schüttelte.
"Ich habe dir immer wieder gesagt, du solltest deiner Wut nicht so einfach
Luft machen! Könntest du nicht versuchen dein Temperament etwas zu zügeln?"
Lily hatte nicht die geringste Ahnung, was ihr Temperament damit zu tun
haben sollte, so wusste sie auch keine Antwort auf die Frage ihrer Mutter.
Mrs.Evans seufzte.
"Na schön, am besten gehst du auch auf dein Zimmer und ruhst dich etwas
aus, du siehst furchtbar blass aus."
Mrs.Evans strich Lily über ihr rotes Haar.
"Ich bring dir gleich was zu Essen hinauf."
Lily nickte nur. Sie fühlte sich wirklich elend. Sie hatte so gehofft, ihre
Mutter würde ihr sagen, sie könne unmöglich Schuld an der Krankheit sein.
"Lily...?!"
Erwartungsvoll hielt Lily inne.
„Ich weiß das, dass keine Absicht war. Es ist nur...", Mrs.Evans Stimme
erstarb.
Es schien, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte.
"Geh jetzt nach oben, ich komme gleich mit dem Essen."
Lily warf einen Blick über die Schulter. Mrs.Evans hatte sich wieder dem
Topf zugewandt.
Als Sie in den zweiten Stock kam, hörte sie Petunia weinen. Es tat ihr
wirklich leid, was passiert war, aber was konnte sie schon dagegen tun.
Selbst wenn sie versuchen würde ihre Schwester zu trösten, würde diese sie
sowieso nur rausschmeißen, also ging sie direkt auf ihr Zimmer.
Dort angekommen warf sie sich auf ihr Bett und war wenige Augenblicke
später eingeschlafen.