A/N: Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber ich wollte nichts überstürzen und manchmal hilft es, wenn man das Kapitel ein bißchen "liegen läßt" und es dann nochmal liest. Dann fällt einem doch einiges auf, das man besser machen könnte. Ich hoffe, es gefällt euch. I.
4. Kapitel: Tee
Als Greg am nächsten Abend ins Labor kam, war kein Mensch zu sehen. Mit einem lautlosen Seufzen blickte er sich um und begann dann zu sichten, was Simmons "verlegt" hatte. Der Typ würde es wahrscheinlich nie lernen! Mindestens einmal in jeder Schicht suchte Greg irgendwas, das nicht da war, wo es sein sollte, weil Simmons es immer da ablegte, wo er gerade stand und dann vergaß, es wieder aufzuräumen. Aber, hey! Der dumme Sanders von der Nachtschicht hatte ja Zeit!Besonders jetzt, wo er ja sowieso nichts anderes als Laborarbeit machen durfte, weil die Frau, in die er sich leichtsinnigerweise verliebt hatte, ihn umbringen wollte und er sich erstmal wieder "erholen" mußte.
Klar.
Greg schaltete den CD-Player an und begann Ordnung zu schaffen.
Zumindest wollte er das.
Die Musik kam ihm so gar nicht bekannt vor. Definitiv nicht "Black Flag". Er hatte seine CD nicht herausgenommen als er gestern gegangen war, da war er sich sicher. Und...Deutsch? Also Laney's CD. Er hörte keine deutsche Musik, außer man zählte Mozart dazu – was man normalerweise nicht tat, da Mozart ja Österreicher war. Aber wen interessierte das heute schon noch?
Hm...Der Song klang gar nicht so schlecht. Er fing relativ ruhig an und wurde dann etwas rockiger. Die Melodie gefiel ihm. Und der Text...An der Uni hatte er spaßhalber mal vier Semester Deutsch gelernt, um seine Pflichtstunden voll zu kriegen, aber inzwischen war es etwas eingerostet. Irgendwas über Geister und jemanden, der in einem Haus eingesperrt war, wenn er das richtig verstand. Egal! Er ließ die CD erstmal weiterlaufen. "Black Flag" konnte er ja später noch einlegen. Er summte leise mit und räumte weiter auf. Es war ja nicht so, daß es nichts zu tun gab.
Greg fragte sich, wann Grissom zu dem Schluß kam, daß er wieder mit den anderen "raus" durfte. Auf die Straße. Böse Jungs und Mädchen jagen. Die Arbeit im Labor war ja nett und schließlich hatte er jahrelang nichts anderes gemacht, aber jetzt, wo er – im übertragenen Sinne – erstmal Blut geleckt hatte, kam ihm die Arbeit im Labor ziemlich eintönig und...naja, "unaufregend" vor. Obwohl die Labortechniker natürlich wichtige Beiträge leisteten, das wollte er gar nicht "kleinreden". Ihre Ergebnisse führten zu Verurteilungen oder Freisprüchen. Dennoch...
Greg stellte das Kästchen mit den Objektträgern entschlossen zurück in den Schrank und machte sich auf den Weg zu Grissoms Büro.
Laney hatte sich Tee gemacht und war gerade mit ihrer Thermoskanne auf dem Rückweg vom Aufenthaltsraum ins Labor, als ihr Hodges entgegen kam. Oh nein!
Es war nicht nur, das sie Hodges nicht leiden konnte – niemand konnte das! Sie hatte einmal den Fehler begangen, sich auf eine Unterhaltung mit ihm einzulassen. Während dieser "Unterhaltung" hatte eigentlich nur er geredet und Laney hatte zugehört. Aufmerksam. Der Mann war nicht nur eingebildet, arrogant und unglaublich rechthaberisch, er war auch noch paranoid. Von allen Seiten witterte er Gefahr! Jeder war scharf auf seinen Job und Grissom wartete praktisch nur auf die richtige Gelegenheit, um ihn rauszuschmeißen. Von ihr, Laney, allerdings brauchte er das ja nicht zu fürchten. Sie konnte, wie ja alle erzählten, sowieso nichts. O-kay...
Laney wich in den nächsten Gang links aus. Sehr erwachsen, wie sie mit diesem Problem umging, aber schließlich wies sie alle, die sie kannten und kennenlernten wiederholt darauf hin, daß sie ziemlich kindisch war. Manchmal.
Wie sich dann allerdings herausstellte, war dieser Gang auch nicht wesentlich besser, da in der zweiten Tür rechts Sara Sidle stand. Noch hatte sie sie, Laney, nicht entdeckt, aber es konnte nicht mehr lange dauern und dann...Laney seufzte. Egal. Sie war gerade Hodges ausgewichen, da mußte sie jetzt eben durch.Wenn sie allen Leuten hier im CSI-Gebäude ausweichen wollte, die sauer auf sie waren, dann durfte sie nicht mehr zur Arbeit gehen.
"...und weißt du, was sie gesagt hat, Cath? Sie war's nicht! Die Daten, die sie ausgewertet hat, waren im Computer nicht geändert, aber sie war's nicht! Natürlich ist sie es gewesen! Wer hätte es denn sonstsein sollen? Sie hat es nur wieder vergessen, wie immer!"
"Sara, sie ist...Die Situation ist auch für Laney nicht so leicht, weißt du? Ich denke..."
"Was? Ich verlange von ihr nur, daß sie ihren verdammten Job macht! Den, für den sie eingestellt worden ist. Nichts anderes! Mann, ich bin so froh, daß Greg wieder da ist, ich kann's dir gar nicht sagen!"
Laney stand mitten im Gang und hatte für einen Moment vergessen, daß Sara nicht gerade leise gesprochen hatte und sie inzwischen alle anstarrten, die die Tatortexpertin gehört hatten. Laney erinnerte sich an die Sache, die Sara gerade beschrieben hatte. Die Daten, die sie dem Team gab, mußte sie auch in ein Statistikprogramm eingeben und natürlich auch in die laufende Ermittlungsakte, die im Computer gespeichert war. Sonst stimmte ja das, was in der ausgedruckten Akte stand nicht mit dem überein, was anschließend elektronisch archiviert wurde.
Laney hatte die Daten zwar in das Statistikprogramm eingegeben, aber nicht in den "normalen" Computer, war aber der festen Überzeugung gewesen, das sie es genau umgekehrt gemacht hatte. Deswegen hatte sie auch Sara gegenüber steif und fest behauptet, daß sie es natürlich korrekt eingegeben hatte. Und eben so natürlich hatte sich hinterher herausgestellt, daß sie es nicht getan hatte. Sara war wütend geworden, weil sie dachte, Laney wollte sie verarschen oder sowas, aber Tatsache war, daß Laney sowas öfter als einmal am Tag passierte. Meistens fiel es ihr rechtzeitig wieder ein, aber manchmal eben auch nicht.
Jedenfalls hatte Sara jedes Recht der Welt sauer zu sein. Sie, Laney, war einfach komplett ungeeignet für diesen Job. Vielleicht sollte sie doch lieber kündigen.
Und dann...?
Laney blinzelte. Dann raffte sie ihren letzten Rest von Würde zusammen und lief zu den Damentoiletten. Sie mußte jetzt eine Runde heulen. Wenn sie das nämlich nicht tat, dann passierte ihr das nachher im Labor und sie wollte Greg auf keinen Fall erklären müssen, warum sie das machte. Die ganze Sache war so schon deprimierend genug.
Greg sah Laney nach, wie sie um der nächsten Ecke verschwand. Sara's Worte waren gut zu verstehen gewesen. Sicher hatte auch Grissom sie noch gehört und dessen Büro lag fünf Türen weiter...
Nachdenklich setzte Greg seinen Weg fort.
Leise, fast zögernd, klopfte Greg an die offenstehende Bürotür seines...Nun, im Grunde genommen war Grissom noch immer sein Vorgesetzter, aber nach der langen Zeit, die sie nach der Sache mit Melissa zusammen verbracht hatten und nach all' dem, was Grissom für ihn getan hatte, fühlte Greg sich irgendwie genötigt, ihn als "Freund" zu bezeichnen. Denn kein Mensch der Welt hätte so viel Zeit, Mühe und Geduld darin investiert, ihn, Greg, wieder einigermaßen in die Spur zu kriegen, wenn er nicht ein Freund gewesen wäre.
Er hatte Grissom das Leben zur Hölle gemacht.
Dennoch...
"Was kann ich für dich tun, Greg?"
Grissoms ruhige Stimme riß Greg aus seinen trüben Gedanken. Er sah auf und blickte in die aufmerksamen Augen des Mannes, der ihm wenn nicht das Leben, so doch wenigstens seinen Verstand gerettet hatte.
"Ich..." Greg wußte nicht so recht, wie er es formulieren sollte. Fast wie ein Schutzschild verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen. "Ich habe mich nur gefragt...Jetzt, nachdem alles vorbei ist und ich wieder meinen normalen Dienst tun kann..."
Er ließ die Frage unbeendet, aber Grissom verstand ihn auch so.
"Du willst wieder zurück auf die Straße."
Es war eine Feststellung. Greg nickte trotzdem. Grissom atmete tief durch, was immer kein sehr gutes Zeichen war, und nahm die Lesebrille ab.
"Greg,...Mal ganz davon abgesehen, daß ich es dafür noch für viel zu früh halte: Es geht nicht."
"Gris..."
Der Angesprochene hob abwehrend die Hand und fuhr fort: "Unter den Umständen, die momentan hier herrschen, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich Laney wohl kaum behalten kann. Was auch sonst ihre Fähigkeiten sein mögen, Laborarbeit gehört nicht dazu. Aber ich kann sie auch nicht einfach auf die Straße setzen. Sie hat einen Vertrag unterschrieben und ich ebenfalls. Ich glaube, wir alle – einschließlich Laney – wären glücklicher, wenn das möglich wäre, aber wir müssen nunmal gewisse Fristen einhalten. Sie hat zwar noch Urlaub, aber nicht genug, um sofort zu verschwinden. Und bis ich jemand geeignetes gefunden habe, brauche ich dich im Labor. Jaqui und Hodges sind gut, aber wir haben einfach zu viel zu tun, als daß es mit dieser Zahl von Labortechnikern zu schaffen wäre. Tut mir leid. Könntest du dich noch ein paar Wochen gedulden?"
Wenn er es so formulierte, konnte Greg noch nichtmal etwas dagegen sagen. Auch wenn es ein Trick war, um ihn hinzuhalten. Die Sorge in Grissoms Augen verriet ihn. Bestimmt war Gil Grissom kein Mann, der sich leicht in die Karten gucken ließ, aber Greg kannte ihn inzwischen einfach zu gut. Er seufzte.
"Ja. Klar."
"Gut."
Einen Moment herrschte Stille. Grissom hob eine Augenbraue.
"Ist sonst noch etwas?"
"Nein. Nein, gar nicht. Bis später irgendwann."
Greg stieß sich leicht vom Türrahmen ab und lief davon. Zeit für eine schöne Tasse Kaffee. Er würde ihn noch brauchen.
Laney saß an ihrem Lieblingsmikroskop und starrte hinein, ohne etwas zu sehen.
Besser.
Ein wenig.
Aber die ganze dämliche Geschichte würde ihr noch nachhängen, bis sie ins Bett ging und dann konnte sie hundertprozentig nicht schlafen.
Nie wieder.
Naja, zumindest die nächsten...acht Wochen, oder so.
Sie hätte gerne irgendwas getan, um sich besser zu fühlen, aber was? Nun, sie war eine Frau, richtig? Und was half Frauen grundsätzlich, wenn sie deprimiert waren? Genau: Shoppen! Wenigstens behauptete Kim das immer.
Nur leider, leider gehörte Laney zu denjenigen Frauen, die es haßten, shoppen zu gehen. Sie fühlte sich am wohlsten in Jeans und T-Shirt. Natürlich konnte sie sich auch elegant oder geschäftsmäßig kleiden, wenn es die Umstände erforderten, aber Gott sei Dank erforderten es die Umstände meistens nie.
"Laney?"
Es dauerte einen Moment, bis die junge Frau begriff, daß die leise, fast vorsichtige Stimme von Greg stammte. Überrascht blickte sie auf. Sie hatte ihn nicht hereinkommen hören.
Sie wollte gerade antworten, da fuhr er auch schon fort: "Ich habe dir eine Tasse Kaffee mitgebracht. Das ist nicht das normale Zeug aus dem Aufenthaltsraum, sondern echter brasilianischer Kaffee. Mild geröstet. Schlägt nicht so auf den Magen."
Laney war sich sicher, Greg hätte ihr auch noch den kompletten Namen, die lateinische Bezeichnung, den genauen Herkunftsort, die chemische Zusammensetzung und die Zeit, die die Bohnen der Sonne ausgesetzt waren nennen können, aber das hätte ihr auch nicht wirklich geholfen, denn...
"Äh...Greg, danke. Das...Das ist wirklich nett, aber...Weißt du, mir geht es wie dir. Ich...Ich trinke keinen Kaffee. Nur Tee. Aber danke für das Angebot."
Sie wollte ihn weder verärgern, noch enttäuschen, aber was brachte es, wenn sie ihn anlog? Wenn sie nicht gleich klare Ansagen machte, dann würde er ihr immer wieder seinen – da war sie sich sicher – sündhaft teuren, privat gekauften Kaffee mitbringen und das war nun wirklich Perlen vor die Säue – naja, in diesem Fall nur eine Sau – geworfen.
"Oh," meinte Greg nur. "Ach so. Ich..."
"Aber," unterbrach Laney ihn hastig, ohne genau zu wissen, wieso in Gottes Namen eigentlich, "laß' ihn ruhig da stehen! Vielleicht...wage ich ja doch nochmal einen Versuch. Er duftet jedenfalls verlockend."
Klare Ansagen. Genau. Toll gemacht, Stevens!
Greg stellte die Tasse neben ihr Mikroskop und lief dann zu seinem Stuhl. Sie mochte keinen Kaffee. Wie konnte jemand ohne Kaffee überhaupt leben? Aber okay. Er mochte keinen Tee. Und er hatte ihn auch nicht angenommen, als sie ihm gestern einen angeboten hatte. Das war nicht gegen sie gerichtet, sondern nur gegen das Getränk. Und daß Laney keinen Kaffee mochte, bedeutete ja nicht gleich, daß sie ihn, Greg, haßte. Sie trank eben nur lieber Tee, richtig? Richtig.
Er überlegte kurz, ob er ihr sagen sollte, daß sie praktisch schon entlassen war, entschied sich dann jedoch dagegen. Das war nicht seine Aufgabe, sondern Grissoms.
Dann wollte Greg sie fragen, ob ihre Freundin – Kim – sie gestern noch gefunden hatte, aber eigentlich ging ihn das ja gar nichts an, also schwieg er.
Stumm machte er sich wieder an seine Arbeit.
Es traf ihn ziemlich unvorbereitet. Im Labor war immer genug zu tun, um ihn abzulenken. Was seine Wach-Phasen betraf, hatte er sich schon recht gut erholt. Schlimm wurde es eigentlich immer erst nachts, wenn er schlief und die Träume kamen.
Vielleicht war es die Art von Fall, die Warrick ihm beschrieb, bevor er das Beweismaterial, das Greg analysieren sollte, auf den Tisch gelegt hatte und wieder gegangen war – ein Mord in einer dunklen Gasse, Tod durch Kopfschuß – vielleicht aber auch, weil in diesem Moment Kim Hunter, Laneys Freundin, im Türrahmen stand und ihn mit ihren schönen, grünen Augen fragend ansah.
Vielleicht auch beides zusammen...
Als er da am Boden der Gasse lag und spürte, wie das Blut – sein eigenes Blut – ihm in den Mund lief, da hatte er kaum mitgekriegt, wie Trey ihn getreten hatte. Okay, damals hatte er natürlich noch nicht gewußt, wer dieser Typ eigentlich war, und gesehen hatte er ihn auch nicht wirklich, aber das Schlimmste war in diesem Moment sowieso Melissa gewesen. Die Erkenntnis, daß sie es gewesen war, die ihn tot sehen wollte. Sie, der er vertraut hatte.
Sie hatte nicht geschossen, oh nein! Das hatte Trey für sie erledigt – weil sie ihn darum gebeten hatte – und nur das rettete sie vor der Todesstrafe. Aber sie hatte zugesehen. Sie hatte daneben gestanden und zugesehen, wie Greg darum kämpfte, bei Bewußtsein zu bleiben, bloß nicht ohnmächtig zu werden, weil er nicht wußte, ob er je wieder aufwachen würde, ohne auch nur einen Finger zu rühren, um ihm zu helfen. Und sie hatte gelächelt.
'Warum...?'
'Weil ich es verdient habe CSI 1 zu werden, im Gegensatz zu dir...'
"Greg! Greg"
Er blinzelte und schüttelte heftig den Kopf. Wo war er? Er war nicht in der Gasse. Aber er war auch nicht alleine...
"Du bist im Labor," sagte eine ruhige Stimme. "Im CSI-Gebäude. Hier bin nur ich, Laney, sonst niemand. Es ist alles in Ordnung."
Greg spürte die Berührung am Handgelenk, eine Hand in seinem Nacken...
"Ich...Labor...?"
Wieso klang er so atemlos? Er sah zur Tür. Da stand niemand. Kim nicht und Melissa auch nicht. Die Hand in seinem Nacken verschwand und Laney richtete sich wieder etwas auf, gab ihm seine "Privatsphäre" zurück und schaffte wieder die nötige, vertraute Distanz.
"Sie ist im Aufenthaltsraum und wartet da auf mich," erklärte Laney, die seinen Blick wohl richtig gedeutet hatte. "Ich wollte mit ihr Pause machen, falls das okay ist."
Langsam fand Greg zurück ins Hier und Jetzt. Ihr Reden half. Sie wollte nicht wissen, was passiert war, sie sagte ihm, was er wissen wollte. Und sie redete ganz normal weiter, so als wäre nichts gewesen, obwohl er sicher war, daß er wenigstens fast vom Stuhl gefallen war und irgendwas vor sich hin gebrabbelt hatte. Das geschah immer, wenn er solche Panikattacken hatte. Normalerweise fand er sich danach auf dem Boden wieder. Die Hand in seinem Nacken...Laney hatte ihn festgehalten, zumindest so weit, daß er auf dem Stuhl blieb.
'Warum...?'
'Weil ich es verdient habe...'
Pause...Pause machen...Greg versuchte verzweifelt wieder Halt zu kriegen am rutschigen Hang der Hysterie.
"Darf ich ihr was von deinem Kaffee geben?" Laneys Stimme. "Kim, meine ich. Das Zeug schmeckt wirklich nicht schlecht – und das von einem Teetrinker wie mir! Wie heißt das Gesöff? Abgesehen von "Kaffee" natürlich?"
"M...Moak Bar Break", brachte Greg schließlich heraus. "Ist ein sehr milder Kaffee. Wenig Säure und kaum Koffein. Für Leute wie mich ein Nachteil, aber heute war mir danach. Schön, daß er dir schmeckt."
Was zum Teufel redete er denn da?
"Bestimmt nicht billig", meinte Laney und stand auf. Beiläufig griff sie nach dem Beutel mit Warricks Beweismaterial. "Ich könnte dir im Gegenzug einen grünen Tee anbieten. Leider aromatisiert, aber lecker. Keine Ahnung, wann die das Kraut geerntet haben, aber vermutlich im März, spätestens April, es ist nämlich höllisch anregend. Als ich ihn das erstemal probiert habe, habe ich den Fehler gemacht, das abends zu tun. Danach wollte ich meine Wohnung tapezieren, Tomb Raider spielen und Seilspringen. Gleichzeitig. Ach, äh...Könntest du bitte mal kurz kontrollieren, was ich da in der letzten halben Stunde gemacht habe? Ob es richtig ist, meine ich. Ich weiß, du hast viel zu tun, aber ich glaube, ich habe mir keine allzu groben Fehler geleistet."
Greg schaffte es wieder, sich auf die wichtigen Dinge im Labor zu konzentrieren. Pause. Laney wollte Pause machen. Genau.
"Oh. Ja. Ja, klar. Aber du wolltest Pause machen. Geh' ruhig! Wenn was sein sollte, finde ich dich schon irgendwie."
Nette Worte, aber nichts dahinter und das wußten sie beide. Wie hätte Laney Greg schon helfen können?
"Danke. Bis später, Greg."
"Bis später, Laney."
Als sie ging, achtete sie darauf, daß er möglichst nicht bemerkte, daß sie Warricks Beweise mitnahm.
Gil sah auf, als es an seiner Bürotür klopfte. Zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit. Laney wirkte zwar etwas unsicher, aber nichtsdestotrotz entschlossen.
"Ja?" fragte er höflich, als sie ihn eine Weile angesehen, aber nichts gesagt hatte.
"Ich..."
Sie machte ein paar mutige Schritte in den Raum hinein. Himmel, wirkte er wirklich so einschüchternd auf die junge Frau? Laney atmete tief ein und überbrückte mit zwei schnellen Schritten den Rest der Distanz zu seinem Schreibtisch und stellte eine braune Papiertüte darauf ab. Gil wartete.
"Das sind die Beweise, die Mr. Brown zusammengetragen hat", erklärte Laney schließlich. "Greg sollte sie untersuchen, aber...Könnte das vielleicht jemand anderes tun?"
Gil neigte den Kopf leicht zur Seite.
"Hat Greg gesagt, daß er das möchte?"
"Nein", erwiderte Laney. "Das sage ich. So wie's aussieht, braucht Greg noch ein bißchen Zeit, um über sein Trauma hinwegzukommen, aber ich denke, das wissen Sie, sonst hätten Sie ihn längst wieder in den aktiven Dienst geschickt. Ich bin sicher, eine Analyse dieser Sachen wäre kein Problem gewesen, wenn man ihm nicht gesagt hätte, worum es geht. Jetzt ist der Zug abgefahren. Vielleicht könnte Jaqui das übernehmen. Oder Hodges."
Der Chef der CSI Nachtschicht sah sie lange an.
"Liegt es an der Sprache?"
Laney konnte dem Gedankensprung mühelos folgen. Er bot ihr einen Ausweg. Eine...Ausrede. Gil Grissom wollte wissen, ob sie ihre Arbeit nicht so erledigen konnte wie sie es sollte, weil sie nicht gut genug Englisch sprach. Aber Laney wollte nicht lügen. Sie...schätzte sein "Angebot" sehr, aber das war einfach nicht ihre Art. Sie war in diesem Job hoffnungslos verloren, weil sie schlicht und ergreifend zu dumm dazu war. Und dadurch richtete sie – so unabsichtlich auch immer – mehr Schaden an, als daß sie irgendjemandem nutzte.
Nicht, daß Laney von sich glaubte, daß sie zu allem zu dumm war! Keineswegs. Sie hatte es eben nur nicht mit der naturwissenschaftlichen Schiene. Und ganz besonders nicht mit Biochemie. Ihre Fähigkeiten lagen eben auf anderen Gebieten.
Deswegen antwortete sie schließlich: "Nein, mein Englisch ist absolut ausreichend. Ein Teil meiner Familie lebt in England, was Ihnen sicher bekannt ist. Ich habe einen großen Teil meiner Ferien und Freizeit dort verbracht und schließlich auch hier, in Las Vegas, studiert. Es liegt nicht an der Sprache."
Gil nickte.
"Danke für Ihre Ehrlichkeit, Laney."
Sie lächelte schief.
"Danke für den Ausweg. Was ist nun mit...?"
Die junge Frau ließ die Frage unbeendet. Er würde sie auch so verstehen.
"Ich werde sie Jaqui geben."
"Danke, Sir."
Laney lief zur Tür. Kim wartete schon lange genug und hier war ja wohl offensichtlich alles geklärt.
"Wer hat Ihnen erzählt, was mit Greg passiert ist?"
Gils Stimme hielt sie kurz vor der Tür wieder auf. Laney wandte sich um und sah ihn leicht verwirrt an.
"Wie, was mit Greg passiert ist?"
"Die Sache mit der Gasse und dem Mordanschlag. Wer hat Ihnen davon erzählt?"
"Niemand, Sir. Mit mir reden hier nicht viele. Und schon gar nicht über Greg. Höchstens, um mir zu sagen, daß er ein phantastischer Labortechniker ist, was ich bereits weiß." Ihre Worte waren bar jeglicher Ironie oder Bitterkeit. Laney stellte lediglich Tatsachen fest. "Aber man schnappt natürlich hier und da einiges auf, es gibt wilde gerüchte und sowas. Ich habe nur meine eigenen Schlüsse gezogen, aber ich weiß selbstverständlich nicht, ob sie der Wahrheit entsprechen. Was ich sicher weiß, ist, daß Greg angeschossen wurde. Darüber hinaus..." Sie zuckte die Schultern. "Vermutungen, Beobachtungen, Eindrücke...Er hat Angst vor grünen Augen. Seine Hände zittern stärker, wenn er an einem Fall arbeitet, der mit Morden zu tun hat, die in irgendeiner der kleinen Gässchen neben dem Strip begangen wurden. Er meidet die Dunkelheit, wo immer es nur geht. Er hat Angst vor schönen Frauen, was mich eigentlich schon fast beleidigen müßte, da er vor mir offensichtlich keine Angst hat. Und wie Sie vielleicht in letzter Zeit an Miss Sidle gemerkt haben, kann man einer Frau keine stärkere "Ohrfeige" geben, als wenn man sie als "nicht schön" bezeichnent – direkt oder indirekt. Selbst wenn es ein Serienkiller ist."
"Wie meinen Sie das?" fragte Gil neugierig.
"Howard Delhomme", erklärte Laney. "Er hat Miss Willows schön genannt, als er Miss Sidle, die seinen Fall bearbeitete, gegenüber saß. Das tut weh. Hier."
Sie legte eine Hand auf ihre Brust. Irgendwie klang die junge Frau als hätte sie Erfahrung damit.
"Heißt das...", begann Gil nachdenklich, "Sara war gar nicht sauer, weil ich sie und Nick praktisch übergangen und ihnen damit die Chance auf eine Beförderung sehr erschwert habe, sondern es war lediglich gekränkte Eitelkeit?"
Laney legte den Kopf schief.
"Ich glaube, ganz so einfach ist es nicht, Sir, obwohl es sicher auch etwas damit zu tun hat. Aber vielleicht sollten Sie darüber lieber mit Miss Sidle persönlich sprechen."
Laney würde ihm sicher nicht erzählen, daß Sara bis über beide Ohren in ihn verknallt war und daß er ihren Gefühlen und ihrem Ego einen gehörigen Tiefschlag versetzt hatte, indem er Catherine vorgezogen und in Saras Augen quasi Howard Delhomme recht gegeben hatte. Das war nicht nur gekränkte Eitelkeit, das war Liebeskummer, und da hielt Laney sich tunlichst raus.
"Hätten Sie an meiner Stelle anders gehandelt, Laney?"
"Nein, Sir. Sinn der Sache war es, aus Mr. Delhomme mehr Informationen rauszukriegen und das war nur über Miss Willows möglich. Er hat sie gewollt, weil sie seinem Opferprofil entsprach, und er hat sie bekommen. Nur so war er bereit zu reden, hat sich letztendlich in Widersprüche verstrickt, ist unvorsichtig geworden und Sie konnten ihn überführen. Wären Miss Sidle und Mr. Stokes an dem Fall drangeblieben, hätte er kein Wort gesagt. Und Beförderung hin oder her, ich finde, diese Sache war es wert. Deswegen habe ich den ganzen Aufstand auch nicht so wirklich nachvollziehen können, letzeres ist allerdings meine rein persönliche Meinung, aber was weiß ich schon?"
Stille.
"War sonst noch etwas, Dr. Grissom?"
"Hm?" Gil blinzelte. "Oh. Nein. Danke für Ihre Zeit, Laney."
Sie nickte und ging. Manchmal verhielt sich der Mann echt seltsam.
A/N: Ich hoffe wirklich, daß diese Story überhaupt noch jemand liest... I.
