Kapitel 1

„Good morning starshine!"

„Guten morgen Sternenglanz, die Welt sagt Hallo!", tönte es fröhlich in Charlies Ohren.

Charlie riss die Augen auf und starrte direkt in das Gesicht seines Mentors, dem exzentrischen Willy Wonka. Einen Moment brauchte Charlie, um sich zu fangen und legte den erschrockenen Gesichtsausdruck ab, um dann das verrückte Lächeln über ihm zu erwidern.

„Guten morgen, Mr. Wonka.", gab Charlie etwas leiser und in einer vergleichbar beruhigenden Stimmlage zurück.

Langsam wurde er sich seiner Umgebung bewusst. Willy Wonkas energiegeladene, überdrehte Art hatte ihn nie gestört; doch jeden Morgen in unsäglich teurer Bettwäsche in genau der richtigen Temperatur aufzuwachen, anstatt in einem klapprigen Feldbett unter einem Loch im Dach zu liegen, nahm ihm jedes Mal von neuem den Verstand.

„Gut geschlafen? Schön geträumt? Gut. Zieh dich an, los, los, deine Mutter wird mit dem Frühstück nicht ewig warten. Nun komm schon, komm. Was willst du anziehen? Das da vorne? Ich weiß nicht, die Arbeit könnte heute etwas dreckig werden. Vielleicht lieber das da, dass ist sowieso schon so alt. Du brauchst neue Anziehsachen, Kleiner. Vielleicht können die Oompa Loompas…"

Charlie lächelt und richtete sich langsam auf. Auch diesen Redesturm am frühen Morgen war er gewohnt. Und immer, wenn Wonka so führsorglich und voller Hingabe von seiner, nein, ihrer Arbeit sprach und sich so um Charlie sorgte, fühlte Charlie etwas in seinem Bauch kitzeln und warm werden. Fast wie tausend kleine Schmetterlinge…

„Was gibt es denn?", fragte er. Lächelnd kroch er langsam aus dem Bett und stellte sich auf die Zehenspitzen, um den tiefroten Morgenmantel, den sein ihm geschenkt hatte, vom Haken neben der Badezimmertür zu nehmen. Doch schon stand Willy Wonka neben ihm und half ihm mit flinken Händen, das Kleidungsstück über zuziehen.

„Alle was du magst – Brötchen, Waffeln, Kakao, Törtchen mit Wunderweichcrémefüllung", wobei er bei letzterer Nennung zwinkerte, „und und und.." .Er plauderte fröhlich vor sich hin und hob seinen Gehstock wieder in die Hand. Charlie wusste, dass Willy Wonka ihn an die Hand genommen hätte, wenn er ein Mensch der Berührungen wäre, doch so ging er einfach vor an und winkte Charlie hinter sich her.

Charlie folgte ihm aufgeregt, nachdem er in die bestickten, kleinen Pantoffeln getreten war. Er war erst ein Jahr in der Fabrik und doch schon, Dank Willy Wonkas Großzügigkeit, bei seinem dritten Paar. Jedes mal bekam er neue, wunderschöne Schühchen und jedes Mal übertrafen diese ihren Vorgänger.

Es fiel Charlie schwer, nicht die Hände auszustrecken und über den Samtstoff von Wonkas Mantel zu streichen. Die Bewunderung für das Schokoladengenie war mit solch einer Hingabe in Charlies Gedanken eingebrannt, dass er am liebsten ständig die Hände über dieses wandelnde Wunder hätte wandern lassen wollen. Jede Nacht hatte er Träume von der blassen Gestalt, aber es waren keine sehnsüchtigen Träume, wie sie vielleicht manch anderer 13-jähriger hätte. Die Träume entschieden sich nicht grundlegend von dem, was er tagsüber tatsächlich mit Willy Wonka erlebte. Es waren keine wilden Fantasien und Wunschträume. Vielmehr waren Charlies Träume ein Produkt des tief sitzenden Wunsches, selbst im dunkeln der Nacht immer noch Zeit mit seinem Lehrer und Freund zu verbringen und neues zu schaffen.

Aber vielleicht würde dieser Wunsch ja bald ganz neue Dimensionen annehmen…