Lebenszeichen

Am nächsten Morgen wurde er vom kratzenden Geräusch einer Eulenkralle am Fenster geweckt. Hedwig war schon leicht verärgert; anscheinend versuchte sie schon länger herein zu kommen. Harry öffnete ihr, ärgerte sich darüber, dass er in Klamotten geschlafen hatte, weswegen er sich zerknautscht fühlte und ebenso aussah und versuchte, sich daran zu erinnern, was er geträumt hatte. Er wollte jeden noch so unwichtigen, unlogischen Schwachsinn aufschreiben, denn dies wurde von „Die Gedanken sind frei – Träume und ihre Gefährdung durch Legilimentik" empfohlen.

Harry nahm dieses Thema verdammt ernst, denn ...

„Denn schließlich hast du es so geschafft, den einzigen Menschen, der dir als eine Art Elternersatz geblieben ist, dem sicheren Tod auszuliefern." vollendete Harry bitter seinen Gedanken. Er trank einen Schluck mitgebrachten und sozusagen hineingeschmuggelten Kürbissaft und nahm dann den Brief entgegen, den Hedwig ihm geduldig reichte. Schon die Handschrift auf dem Umschlag verriet seinen besten Freund Ron und Harry riss den Brief auf.

„Hey, Harry!

Es ist zwar irgendwie blöd zu fragen, wie´s dir geht, aber wie geht's dir? Meine Mum macht sich tierische Sorgen um dich und Dad fragt andauernd nach dir und ich denk natürlich auch an dich!
Dauert nicht mehr lang und du kannst uns besuchen kommen! Wir sind im Fuchsbau; meine Eltern haben sozusagen einmal Ferien vom Orden genommen. Bill und Charlie kommen auch her. Wir haben es hier ganz schön. Wenn die Dursleys dich zu sehr quälen, sagt Mum, sollst du Bescheid sagen – dann will sie dich höchstpersönlich abholen und diesem dicken Mann (hat sie selbst gesagt!) mal ordentlich die Meinung sagen. Wie schläfst du denn so? Schlimme Träume? Also, ich schlaf ganz gut, na ja, wie immer halt. Du merkst auch, dass der Brief nicht so doll ist, oder? Ich weiß nicht so recht, was ich dir schreiben soll! Vielleicht möchtest du getröstet werden – das kann ich nicht so besonders – oder du willst gar nichts über diesen ganzen Kram hören; keine Ahnung. Jedenfalls kannst du dich freuen auf unsere Zeit im Fuchsbau! Wir werden Quidditch üben und mein Zimmer anstreichen – ich möcht´s wie die Muggel machen; richtig mit Pinsel und Farbe und so. Der Garten ist schon wieder voller Gnome, die wir erledigen können. Ist gut zum Wut rauslassen. Und Fred und George brauchen bestimmt Hilfe beim Herstellen ihrer Zauberscherze. Hast du schon was von unsern ZAG´s gehört? Ich hoff ja, dass ich überhaupt welche bekomme. Fred sagte, Vertrauensschüler kriegen die automatisch, aber da glaube ich nicht dran. Jetzt ruft Mum schon zum dritten Mal zum Essen. Ich geh besser, bevor sie mir was Fieses anhext. Sie ist echt krass drauf in letzter Zeit; voll gestresst und so.Ganz viele Grüße von den ganzen Leuten hier! Denk dran: Bald sind wir wieder zusammen im Fuchsbau und dann ist alles nur noch halb so schlimm!
Bis bald,

Dein Freund Ron!"

Harry legte den Brief bei Seite und lauschte ein wenig in sich hinein. Rons Brief war vielleicht „nicht so doll" wie er sagte, aber Harry fand ihn klasse. Sein bester Freund war in Gedanken immer bei ihm. Auf Ron konnte er sich verlassen.

Aber gleichzeitig graute es Harry davor, zum Fuchsbau zurückzukehren und die ganzen Weasleys wieder zu treffen. Es würde wahnsinnig anstrengend werden und niemand würde so recht wissen, was er zu ihm sagen sollte. Er hatte das Gefühl, er bräuchte eigentlich nur Ruhe und die hatte er im Ligusterweg natürlich zur Genüge.

Die Dursleys ignorierten ihn komplett, wenn er sich mal bei ihnen blicken ließ. Sie konnten es nicht verkraften, dass er lebte und das noch dazu in ihrem Haus. Harry war das ziemlich egal. Er holte sich ab und an etwas zu essen und sprach mit niemandem ein Wort, außer mit Hedwig. Diese brachte jetzt fast jeden Tag einen Brief. Als nächstes von Hermine, die sich mit ihren Eltern dieses Jahr in Irland aufhielt.

"Lieber Harry!

Wie geht es dir? Das ist keine "Ich-frag-das-weil-ich-muss-Frage", sondern eine verdammt ernst gemeinte und ich möchte auch eine Antwort darauf!
Ich mach mir solche Sorgen um dich! Du heckst garantiert irgendetwas super Gefährliches aus, hab ich Recht? Nur, weißt du Harry, so schwer es ist, du musst damit fertig werden! Irgendwie! Du kannst mir immer schreiben, wenn dich was bedrückt; zu jeder Zeit! Und Ron ist auch immer für dich da – das weißt du ja! Und wenn du irgendein Problem hast, bei dem du den Rat eines Erwachsenen brauchst, dann wende dich an Professor Lupin! Er wird dir helfen, wo er nur kann; da bin ich sicher! Und du kannst bestimmt auch immer mit Mr. und Mrs. Weasley reden! Lass dich nicht zu sehr von den Dursleys ärgern – geh ihnen einfach aus dem Weg! Und diesem Dudley auch! Lass dich bloß nicht dazu hinreißen, ihn zu verhexen – das bringt nur Ärger! Und melde dich mal bei Professor Dumbledore; er will sicher auch wissen, dass es dir gut geht. Jedenfalls ein bisschen gut --- dir geht es doch gut, oder, Harry? Du hast doch so viele schöne Bücher mit in die Ferien genommen, die kannst du doch alle lesen. Und vergiss nicht, mir ja zurück zu schreiben, sonst platzt mein Kopf vor lauter Sorgen um dich!

Viele, liebe Grüße, Deine Hermine!"

Harry musste ein bisschen grinsen, als er Hermines Brief bei Seite legte. Er klang wie eine Ferienanleitung. „Tu dies! Tu das nicht! Und melde dich!" Es war süß, wie sehr Hermine sich um ihn sorgte und er nahm fest vor, ihr zu schreiben, auch wenn er nicht wirklich wusste, was er ihr sagen sollte. Allerdings konnte er sich vorstellen, was sie hören wollte. Außerdem würde sie ihn ansonsten mit Briefen nur so bombardieren.

Nun überlegte Harry ernsthaft, ob er Professor Lupin schreiben sollte. Dieser hatte ihn schließlich darum gebeten. Allerdings wusste er noch weniger, was er seinem alten Lehrer sagen sollte oder was der vielleicht hören wollte.

Später. Es war mitten in der Nacht. Harry saß auf dem Bett, den Kopf in die Hände gelegt und schluchzte krampfhaft.

Hätte er nur besser bei Snape aufgepasst! Ein wenig mehr Konzentration, ein wenig mehr Disziplin! Er wäre nicht so anfällig für Voldemorts Attacken gewesen! Hätte er nur auf Hermine gehört, die an seiner Vision gezweifelt hatte!
Hätte er nur jemandem Bescheid gesagt, statt es, wie immer, auf eigene Faust versuchen zu wollen! Jemand Kompetentem, anstatt nur Snape, der es mal wieder verbockte.

Er war arrogant! Er war so verdammt arrogant und dämlich und uneinsichtig und stolz! Eben wie sein Vater, der seine Schulkameraden in die Luft hängte und ihnen die Hosen auszog und das tierisch witzig fand!
Nur, dass sein Vater niemandem auf dem Gewissen hatte ... aber das mochte ja vielleicht noch kommen. Harry erfuhr ja doch nie die ganze Wahrheit. Er bekam immer nur Häppchen serviert. Wer weiß, was seine Eltern in Wirklichkeit gewesen waren!

Sirius hätte es ihm erzählen können! Alles! Er wäre ehrlich zu ihm gewesen! Nicht einmal Professor Lupin hatte ihm alles erzählt; dem musste man auch immer alles aus der Nase ziehen. Sirius hätte sich um ihn gekümmert! Sirius hatte ihn gern gehabt! Er hatte zwar oft James in ihm gesehen, doch Harry hätte das ja ändern können! Wenn sie erst mal zusammen gelebt hätten, hätten sie sich besser kennen gelernt ... überhaupt erst einmal kennen gelernt! Und dann hätte er Sirius gezeigt, was für ein Mensch er war.

Obwohl, wenn er jetzt darüber nachdachte, war er kein Mensch, auf den man stolz sein konnte. Er hatte sich und seine Freunde ständig in Gefahr gebracht und nicht durch Können, sondern einzig und allein durch unglaublichen Dusel waren sie alle heil heraus gekommen! Und beim letzten Mal war es damit nicht weit hin gewesen!

Er war ein überheblicher, besserwisserischer, fauler Kerl, der sich nie etwas sagen lassen wollte!
Er war jemand, der einen Menschen auf dem Gewissen hatte! Und zwar nicht irgendjemanden ... nein! Jemanden, der ihn geliebt hatte trotz seiner tausend Fehler! Jemanden, mit dem er hätte glücklich werden können!
Er hatte es sich selbst versaut, aus dem Dursley´schen Affenstall heraus zu kommen. Er hatte Sirius um seine mehr als berechtigte Rehabilitation gebracht. Er hatte ihn um sein Leben gebracht! Er hatte Remus Lupin, seinen guten, armen Lehrer, um den letzten Freund gebracht und den Orden um einen wichtigen Kämpfer, denn Sirius hätte kämpfen können! Jetzt war alles zu spät! Absolut alles!

Harry schluchzte auf und warf sich bäuchlings aufs Bett.

„Was jaulst du denn da schon wieder?"

Er fuhr auf wie ein Wahnsinniger und brüllte: „LASS MICH IN RUHE!" Die Antwort hörte er durch sein wildes Schluchzen nicht.

Und wenn es doch nicht zu spät war? Wenn mit diesem Vorhang wirklich etwas war? Er hatte doch Stimmen gehört. Vielleicht waren dort drinnen Leute gefangen. Seelen, die nur auf eine Rettung warteten. Vielleicht konnte er Sirius zurückholen.

Voldemort war so gut wie tot gewesen, dreizehn verfluchte Jahre lang. Und er hatte lediglich ein bisschen Blut, Fleisch und Knochen gebraucht, um wieder zu einer menschlichen Gestalt zu gelangen.

Harry wischte sich mit zitternden Händen übers Gesicht. Vielleicht.

Es musste irgendetwas mit diesem Vorhang sein. Wenn der nicht gewesen wäre, wäre Sirius sicher nur gefallen und gleich wieder aufgestanden. Sprich: Er wäre eigentlich gar nicht tot. Und wahrscheinlich war er auch in diesem Vorhang nicht wirklich tot. Er hockte bestimmt dort drinnen und wartete und langweilte sich mittlerweile schrecklich.

Er fiel in einen schweren Schlaf. Und erwachte etwas später wieder. Nicht von einem verdächtigen Geräusch oder einem üblen Traum, sondern schlicht und ergreifend, weil er auf Klo musste.

Wieder zurück im Bett kuschelte er sich trotz der leichten Sommerwärme in seine Decke und äugte in seinem Zimmer umher. Wieder kein Traum. Er wusste selbst nicht, ob das jetzt gut oder schlecht war, doch zumindest war es erholsam. Je länger er wach lag, desto mehr Hunger bekam er. Das war an sich kein Wunder; er hatte seit gestern morgen nichts gegessen, da die Dursleys eine neue Ananasdiät ausprobierten. Der liebe Dudley war schließlich immer noch zu fett. Und Harry war sich sicher, dass er dies auch bleiben würde, wenn er seine halbe Ananas weiterhin heimlich in Schinken einwickeln würde.

Harry streifte sich einen Pulli über und schlich hinunter in die Küche. Nach längerem Suchen fand er einen Fertig-Nudel-Suppen-Topf, den er nur erwärmen brauchte. Als er sich mit seinem dampfenden Teller in den Garten verzogen hatte, kam Hedwig angeflattert und stibitzte sich eine Nudel. Kauend saßen sie nebeneinander, als sich quietschend die Gartenpforte öffnete.

Harry blickte auf, sah aber niemanden. Leise kamen schwere Schritte näher.

„Guten Abend, Kingsley!"

„Gute Nacht, Harry! Kannst du mir mal verraten, warum du mitten in der finstersten Nacht im Garten herumhockst?" Kingsley wurde allmählich wieder sichtbar und nahm neben Harry Platz.

„Mir war da drinnen ziemlich langweilig."

„Nun, wir können dich ja auch nicht einsperren. Aber du hast meinen Hexenring durchbrochen. Hast du gar nichts gemerkt, als du raus gegangen bist?"

„Nö!"

Kingsley runzelte die Stirn: „Merkwürdig. Ich muss ihn wohl öfter erneuern."

„Was ist denn ein Hexenring?"

„Ein Schutzzauber. Er kann von keinem Zauberer durchbrochen werden, es sei denn, es ist bekannt, dass er da ist. Dann kann man ihn natürlich auflösen. Nicht sehr spektakulär, aber trotzdem wirksam."

Harry nickte und beobachtete interessiert, wie Kingsley erneut einen bläulichen Ring mit dem Spruch „Circumdo!" um Haus und Garten legte: „So, jetzt haben wir unsere Ruhe!"

Schweigend saßen sie ein wenig nebeneinander und Harry löffelte seine Suppe. Irgendwann räusperte sich Kingsley schwer und Harry wusste, was jetzt kommen würde.

„Und, Harry, wie geht's dir so? Schläfst du gut? Oder hast du schlimme Träume?"

„Ich träume genauer gesagt gar nicht."

„Na, das ist doch fantastisch!"

„Naja, es ist ziemlich ungewohnt."

„Natürlich, natürlich!" sagte Kingsley etwas geistesabwesend und schlug ihm einmal auf die Schulter. Harry keuchte, rieb sich das Schlüsselbein und überlegte, ob er Kingsley nicht ein bisschen ausfragen sollte. Vielleicht gab es ja etwas Neues vom Orden oder von den Sturköpfen im Ministerium.

„Und, wie geht's euch? Seid ihr noch in London? Läuft alles?"

Kingsley runzelte die Stirn und meinte ausweichend: „Alles in Ordnung!"

„Also gibt es den Orden noch? Ist immer noch alles geheim und das Ministerium stellt sich taub?"

„Taub? Strohdumm sind die! Alle miteinander! Was Arthur da jeden Tag aushalten muss! Gut, dass ich da nur noch selten hin muss. Die glauben alle, ich suche in Spanien nach Si-" Erschrocken brach er ab und Harry schluckte: „Ihr sucht ihn immer noch?"

„Naja, es würde etwas schwer werden, zu erklären, warum das nicht mehr nötig ist. Das glaubt ja doch keiner! Tut mir ehrlich leid, Harry, das das so gekommen ist! Weißt du, ich hab ihn echt gern gehabt. Er war zwar ziemlich schwierig, aber man konnte was mit ihm anfangen. Der konnte zupacken; der hatte Ideen. Nicht so ein Weichei wie Snape, der immer nur irgendwelche Berichte abliefert und dabei so tut, als wäre sein Leben in Gefahr. Sirius war ehrlich und mutig. Der hätte uns noch gut helfen können, aber so ..."

Harry lächelte Kingsley dankbar an. Dieser wusste gar nicht, was Harry so an seiner Rede begeisterte, freute sich aber, ihn etwas aufgemuntert zu haben.

„Weißt du, wir haben alle Verluste erlebt. Denk mal an Tonks. Ihre Eltern waren im ersten Orden und sind von Voldemorts Todessern getötet worden. Denk an deinen kleinen Freund Neville und das, was seinen Eltern passiert ist. Schlimm ist so was! Ich weiß, dass das im Moment nicht viel hilft, aber nun weißt du, dass du zumindest nicht allein dastehst. Das haben schon viele Leute vor dir durchgemacht und es werden noch viele Leute nach dir durchmachen! Und die Zeit heilt die Wunden! Der Spruch ist zwar bescheuert, aber komischerweise stimmt er!"

Harry schwieg. Er wollte darüber ein wenig nachdenken.
Kingsley erhob sich ächzend: „Und jetzt geh mal schön wieder ins Bett und ruh dich aus! Wir können ein andermal noch ein bisschen schnacken."
Harry nickte abwesend und stand ebenfalls auf. Kingsley verließ seinen Hexenring mit einem kurzen Spruch und desillusionierte sich auf der Straße. Er winkte Harry noch kurz zu, bevor er verschwand.

Harry nahm täglich seinePost von Hedwig entgegen und bemerkte etwas enttäuscht, dass wieder kein Brief von Professor Lupin darunter war. Er war allerdings mittlerweile nicht mehr nur enttäuscht, sondern auch beunruhigt. Er wusste nicht, wo sein ehemaliger Lehrer sich aufhielt, ob er allein oder mit wem er zusammen war. Ihn musste Sirius´ Tod (oder Verschwinden!) ebenso getroffen haben wie Harry und wer weiß, wie er damit umging. Er hatte Ron und Hermine in seinen obligatorischen „Mir-geht-es-gut-Briefen" danach gefragt, doch sie wussten es nicht.

Seufzend öffnete er die anderen Briefe. Einen von Ron, in welchem er von dem kleinen Drachen erzählte, den Charlie aus einem Reservat mitgebracht und der Mrs. Weasley einmal quer durch die Küche gejagt hatte. Einen von Hermine, in dem sie sich darüber beschwerte, dass er nicht oft genug schrieb, dabei meldete Harry sich jeden dritten Tag bei ihr. Einen von Ginny mit einem davonkriechenden Radiergummi. Es zwickte Harry einmal kurz in den Finger und machte sich dann geräuschlos und im Schneckentempo davon.
Es war auch einer von Luna Lovegood darunter. Sie hatte ihm die neueste Ausgabe des Klitterer geschickt, ohne jeglichen Kommentar. Und schließlich war da auch ein Brief von Neville. Er war so sauber und sorgfältig, dass Harry schon bezweifelte, dass Neville ihn geschrieben hatte.

„Hallo, Harry!

Hast du die ersten zwei Wochen gut überstanden? Oder sind deine Verwandten blöd zu dir? Meine Grandma ist so nett zu mir wie noch nie. Sie sagt, sie ist stolz auf mich, dass ich für einen Freund eingetreten bin und dass ich so mutig war! Das ist einerseits ja ganz schön, aber, weißt du, ich erinner mich nicht gern daran. Ich hab manchmal Alpträume davon und wenn ich dann aufwache, rede ich wieder ganz komisch. Unheimlich, nicht wahr? Dieser Mann, der ums Leben gekommen ist, das war doch Sirius Black. Alle haben ihn gesucht, weil er ein verrückter Mörder ist. Aber du hast um ihn geweint und ich frage mich heut noch, warum. Hoffentlich bist du mir nicht böse, aber ich möchte gern wissen, wer der Mann war und warum du ihn mochtest. Du musst das nicht erzählen, aber vielleicht ist das ganz gut für dich! Überleg´s dir! Ich schick dir noch ein paar Süßigkeiten mit; selbst gemachtes Karamell von meiner Grandma. Immer nur einen zur Zeitessen, sonst kriegst du den Mund nie wieder auf. Ich freu mich schon aufs nächste Schuljahr; das heißt, wenn es ein nächstes Schuljahr gibt. Grandma rechnet jedenfalls fest damit. Wenn wir uns dann alle wieder sehen ... ich meine, das wird bestimmt prima!
Ich wünsch dir alles Gute!

Bis im September, dein Neville!"

Harry wischte sich über die Augen. Nevilles Brief tat gleichzeitig weh und gut. Aber sollte er ihm antworten? Vielleicht wäre er tatsächlich gut für ihn, die Geschichte von ihm und Sirius einmal jemandem zu erzählen, der sie noch nicht kannte. Und außerdem wäre es schön, wenn noch jemand wüsste, dass Sirius unschuldig war beziehungsweise gewesen ist ... wie auch immer. Er hatte schließlich noch immer das Gefühl, Sirius verteidigen zu müssen.

Also setzte er sich hin, nahm ein Stück Pergament und seine Feder zur Hand und überlegte. Nach etlichen Versuchen und ungefähr fünf Stunden Arbeit, die Harry einmal unterbrechen musste, da er sich weinend und fluchend aufs Bett schmeißen musste, war endlich ein Brief fertig.