2. Fuchsbau: Trauerarbeit

Manchmal verliert man den Menschen, den man so gern gehabt hätte und bekommt dafür im Tausch jemanden, der einen so gern haben wollte." (Peter Schumacher)

Dort, wo man Trost findet, ist man zu Hause." (unbekannt)

Wiedersehen im Fuchsbau

Nach mehreren nervenaufreibenden Stunden Fahrt stieg Harry aus und sah sich um. Er konnte niemanden entdecken, der ihn während der Fahrt beobachtet hatte, was aber noch lange nicht hieß, dass keiner vom Orden da gewesen war. Harry wollte nicht glauben, dass sie ihn so völlig allein ließen.

Seinen Koffer und Hedwigs Käfig hielt er fest umklammert in seinen Händen und blinzelte.

„Oh, Harry!"

Ein lauter Ruf ließ ihn zusammenfahren und bevor er sich umdrehen und erkennen konnte, wer ihn da rief, ertrank er schon in Mrs. Weasleys Armen. Sie drückte ihn so fest, dass ihm die Luft wegblieb und begann, schlimm zu schluchzen.

„Molly, bitte! Was ist denn das für eine Begrüßung!" Mr. Weasley räusperte sich verhalten und schüttelte Harry die Hand, sobald seine Frau von ihm abgelassen hatte. Harry schwieg in einem plötzlichen Anfall von Schüchternheit und versuchte ein Lächeln.

„Fein, dass wir dich abholen kommen, nicht?" freute sich Mr. Weasley, „ Wir sind wie echte Muggel und gehen jetzt zum Bus!"

Anscheinend war diese Art zu reisen tatsächlich die einzig sinnvolle in Zeiten wie dieser, wenn man nicht gerade für den Orden unterwegs war und somit dieses Ein-Weg-Flohpulver benutzte. Harry ließ sich von der Begeisterung der Weasleys nicht anstecken, doch er trottete gehorsam hinter ihnen her und fragte sich, warum Ron nicht mitgekommen war.

Die Antwort bekam er, als sie endlich nach einer wahren Odyssee aus Fußmärschen, bevorzugt in die falsche Richtung, im Fuchsbau ankamen: Mrs. Weasley hatte ihre Kinder ausnahmslos dazu verdonnert, ein Festessen zu bereiten und zwar, wie es schien, ohne Zaubern; auch wenn die größeren Weasley-Jungen nicht mehr zur Schule gingen und es ihnen vom Gesetz her eigentlich erlaubt war.

Fred und George keuchten unter der Last dampfender Kessel. Ron kämpfte verbissen mit etwas, das sich als ein ziemlich widerspenstiges Baguette entpuppte. Ginny schnitt Salat in Stücke und weinte ganz furchtbar dabei, da die Zwillinge ihr erzählt hatten, dass Muggel beim Salatschneiden immer weinen, was sie natürlich mit dem Schneiden von Zwiebeln verwechselten.

Harry sah, dass auch Bill und Charlie da waren und Teller und Besteck auf ihren Armen bugsierten. Ein Mädchen mit raspelkurzen Haaren und einem langen, dunkelblauen Kleid arrangierte auf dem ausgezogenen Esstisch einen Blumenstrauß, der erschreckend viel Gras, Äste und sogar Gemüse enthielt, und flirtet ganz offen mit Charlie.

Es dauerte etwas, bis alle die Ankömmlinge entdeckten und nach einem kurzen, unsicheren Schweigen stürzten sich alle auf Harry. Ginny riss ihn in ihre Arme wie zuvor ihre Mutter und die Zwillinge beklopften Harrys Schulter so kräftig, dass er strauchelte und Bill und Charlie grinsten ihn freundlich an.

Ron stand eine ganze Weile vor Harry und breitete schließlich die Arme aus. Harry umarmte Ron fest und mochte ihn gar nicht mehr loslassen. Wie konnte er nur daran zweifeln, ob ihm die Weasleys gut tun würde?

Bevor sie zum Essen gingen, wurde Harry das Mädchen als Charlies Freundin Amber vorgestellt. Sie schüttelte Harry kräftig die Hände, küsste ihn auf beide Wangen und drückte ihn dann auf einen freien Stuhl.

Das Essen war eigenartig bis fast lecker und Harry aß mit dem größten Appetit, der ihm möglich war. Als er erzählen sollte, wie es ihm bei den Dursleys ergangen war, musste er sich räuspern, um überhaupt einen Ton heraus zu bekommen. Heiser und einsilbig berichtete er und Ron sah ihn die ganze Zeit über an.

Nach dem Essen wusch Mrs. Weasley mit den Mädchen ab und Mr. Weasley besprach sich mit seinen ältesten Söhnen. Das Thema waren, wie schon öfter, „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze". Fred und George hatten es tatsächlich erreicht, ein kleines, beinahe unauffälliges Haus in der Winkelgasse 93 zu mieten. Ein leuchtend grünes Schild mit orangener Aufschrift prangte bereits über dem Eingang und Dutzende, eng beieinander stehende Regale bogen sich unter der Last der unzähligen Sorten von magischen Scherzartikeln. Die Zwillinge würden auf keinen Fall nach Hogwarts zurückkehren; davon überzeugte Mr. Weasley nun spätestens der Vertrag, den ihm die beiden hielten.

Ron verzog sich mit Harry nach oben in sein Zimmer, das er eigens für die bevorstehende Umräumaktion geputzt hatte. Harry setzte sich auf sein Bett und fühlte sich schrecklich müde. Nach der einsamen Zeit wieder unter redenden, lachenden Menschen zu sein, war anstrengender, als er sich vorgestellt hatte. Glücklicherweise gab es kein peinliches Schweigen, keine Mitleidsbezeugungen oder sonstige Gefühlsausbrüche, was größtenteils Amber zu verdanken war. Das fröhliche, vorlaute Mädchen erzählte ganz ungezwungen von ihrer Arbeit als Erst-Flug-Begleiterin für kleine Zauberer in Rumänien und ließ so keine Missstimmung aufkommen. Er erwachte aus seinen Gedanken, als Ron ihn ansprach: „Und, Harry?"

„Und Ron?" entgegnete er leer, „Ich würde so gerne schlafen!"

Ron zuckte zusammen wie nach einer Ohrfeige und murmelte: „O.K."

Sie zogen sich um und legten sich in die Betten. Gerade, als Harry gute Nacht sagen wollte, richtete sich Ron noch einmal auf: „Schläfst du denn gut, Harry, oder träumst du von Sirius oder Voldemort?"

Harry atmete überrascht aus. Ron hatte noch nie furchtlos Voldemorts Namen ausgesprochen.

„Ich schlafe gut. Eigentlich träume ich gar nicht!" antwortete er.

„Das ist gut! Gute Nacht!"

„Gute Nacht!"

Wenn Harry allerdings gemeint hatte, er würde die Nacht durchschlafen, täuschte er sich. Gegen ein Uhr wurde er wach und hatte neben fiesen Kopfschmerzen auch einen ziemlichen Durst. Er kannte sich bei den Weasleys ja nun mittlerweile gut genug aus, um sich ein Glas Wasser zu holen und so schlich er die Treppe runter und tapste in die Küche.

Er lehnte sich gegen die Spüle und überlegte gerade, ob er sich noch einen Apfel schnappen sollte, als er Schritte im Wohnzimmer hörte. Jemand klappte im Gehen ein Buch zusammen und legte es, wie Harry glaubte, auf dem Tisch ab.

„Schätzchen, jetzt bist du ja doch auf der Couch eingeschlafen!" raunte Mr. Weasleys Stimme und gleich darauf war ein Nuscheln zu hören, das eindeutig nach seiner Frau klang.

Harry zog die Schultern ein. Er wäre jetzt lieber wieder oben im Bett. Vielleicht würden sie ärgerlich werden, wenn er mitten in der Nacht herumschlich. Oder noch schlimmer besorgt.

„Komm, wir gehen auch ins Bett! Wir wollen doch fit sein morgen!"

„Ja, das wollen wir!" Mrs. Weasley raschelte herum, anscheinend mit einer Decke und dann knarrte das Sofa, als sie stöhnend aufstand, „Ich bin so froh, den Jungen endlich hier zu haben, Arthur! Hast du gesehen, wie dünn und blass er ist? Entsetzlich! Wir müssen ihn gut aufpäppeln!"

„Das wirst du schon, Schatz!" antwortete ihr Mann und räumte so leise wie möglich auf dem kleinen Tisch herum.

„Ach, ich hoffe nur, er übersteht das irgendwie! Ich weiß doch auch nicht, was ich ihm sagen soll!" Mrs. Weasleys Stimme klang von einem Moment auf den anderen tränenerstickt und als das Sofa wieder knarzte, schloss Harry, dass sie wohl wieder Platz nahm. Er schluckte. Er wollte nicht lauschen, doch wenn er jetzt hoch schlich, würden sie ihn sehen und das wollte er ja gerade vermeiden.

Mrs. Weasley ließ einen leisen Schluchzer hören und Mr. Weasley setzte sich neben sie: „Molly, er ist doch nicht allein und er weiß das! Jetzt ist er wieder bei Ron und das wird ihm gut tun! Hermine kommt morgen und wenn die drei erst mal wieder zusammen sind, dann wird wirklich alles wieder gut!"

„Aber er muss ihn doch so vermissen! Wie sollen wir ihm das nur erklären?"

„Ich glaube nicht, dass wir da noch großartig etwas erklären können. Harry ist kein kleines, naives Kind."

„Ach, wie konnte das nur passieren? Gerade er, gerade jetzt!" Mrs. Weasley vergrub ihr Gesicht in den Händen, oder etwas anderem, das ihre Stimme dämpfte, und weinte.

Harry schloss die Augen und biss die Lippen fest aufeinander. Langsam stieg die Kälte des Fußbodens über seine Füße seine Beine hoch und er fröstelte. Nicht nur deswegen; das wusste er. Er wollte das nicht hören!

„Molly! Beruhige dich! Er ist froh, wieder hier zu sein! Hier hat er doch eine Art Zuhause, möchte ich hoffen. Wir kümmern uns alle um ihn!"

„Aber wir können niemanden ersetzen! Er wird immer an Sirius denken und ... ich kann es nicht, Arthur! Ich ... weiß nicht ...!" Sie stockte und Harry hörte die Verzweiflung aus ihrer Stimme heraus. Ein paar Minuten noch stotterte Mrs. Weasley, dann brach es aus ihr heraus: „Ich habe mich ihm gegenüber immer so unmöglich verhalten! Ich habe ihn angeschrieen und immer mit ihm geschimpft und dabei habe ich es nur gut gemeint! Aber das hat er bestimmt nicht gewusst! Wenn ich das nur irgendwie wieder gut machen könnte, aber ...!"

Sie schluchzte auf und Harry spürte, wie ihm Tränen brennend heiß in die Augen stiegen.

So viele Menschen waren unglücklich zurück geblieben. Mehr, als er sich vorgestellt hatte, aber er hatte auch größtenteils an sich gedacht. Das war nicht unbedingt falsch, überlegte er, doch wenn er Rons Mutter jetzt so hörte ...

Er kannte sie nun schon länger und kannte auch ihre Art. Sie schimpfte mit allen ihren Söhnen beinahe am laufenden Band und schickte sie durch die Gegend und wies sie zurecht, erzog an ihnen herum, obwohl sie schon erwachsen und berufstätig waren, doch Harry und ihre Kinder wussten, dass sie es nur aus Liebe tat.

Ob Sirius das gewusst hatte? Dass sie sich nur so verhielt, weil sie ihn gern hatte? Oder, weil sie Harry gern hatte?

„Molly, du hast immer das Beste gewollt und jeder weiß das! Was hätte er denn ohne dich gemacht? Er hätte keine Klamotten mehr gehabt, hätte nichts Ordentliches zu essen bekommen und keine Gesellschaft gehabt!"

„Eine schöne Gesellschaft, die immer an ihm herum gemeckert hat!" schniefte Mrs. Weasley.

„Ich wette, sogar das hat er insgeheim genossen. Er war jahrelang allein und kannte es gar nicht, dass sich jemand um ihn sorgte."

„Meinst du das ehrlich?"

„Ja!"

Eine Weile drangen keine Geräusche mehr an Harrys Ohr. Dann standen die Eltern Weasley auf und machten sich auf den Weg nach oben, um schlafen zu gehen. Harry stand noch eine ganze Weile frierend und müde in der Küche herum, bis er es schaffte, sich wieder zu bewegen.

Kaum im Bett, fiel er in einen tiefen Schlaf und hatte am Morgen schon fast wieder vergessen, was sich in der Nacht zuvor zugetragen hatte. Es kam ihm nebelhaft verschleiert vor; wie einer der Träume, die nicht kommen wollten, was ihn langsam etwas verwirrte.

Er erwachte, als ein hartnäckiger Sonnenstrahl auf sein Gesicht fiel. Harry stand leise auf, um Ron nicht zu wecken. Er sah aus dem Fenster in den verwilderten Garten und schlich dann ins Treppenhaus. Er sah Ginnys Tür, hinter der sie und, aufgrund der Unnachgiebigkeit von Mrs. Weasley, auch Amber schliefen. Fred und Georges Tür lag eine halbe Treppe höher gegenüber und war bunt beklebt mit Bildern und Anzeigen. Das Zimmer, das einst Percy gehörte, weiter oben im Dach, bewohnten die ältesten Weasley-Brüder, wenn sie zu Hause waren, da ihre alten Zimmer entweder eingestürzt waren, wie in Bills Fall, oder von Mr. Weasley als Arbeitsraum genutzt wurden, wie in Charlies Fall.

Harry seufzte tief und setzte sich auf den Treppenabsatz. Er sog gierig die Luft ein. Sie war leicht staubig, sehr schwer, warm und würzig. Es roch nach Federbetten und Knallfröschen, nach Eulenfedern und angebranntem Essen. Es roch eindeutig nach dem Fuchsbau der Weasleys und Harry fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder annähernd glücklich. Als Ron gähnend und zerzaust aus seinem Zimmer trat, sagte Harry es ihm und Ron freute sich.

„Hermine kommt heute!" verkündete Ron schaumversprühend, als die beiden beim Zähneputzen im Badezimmer standen, „Sie bringt Krummbein mit!"

Harry nickte und reichte ihm ein Handtuch. Sie ignorierten Ginnys schimpfende Schreie und ihre klopfenden Fäuste an der Tür. Ron grinste breit: „Dean kommt auch!"

„Deswegen das Theater!" stellte Harry trocken fest und lächelte.

„Er kriegt ´ne Matratze und wir stellen unsere Betten zusammen, O.K.?"

„O.K.!"

Hermine und Dean kamen noch vor dem Frühstück. Sie kamen durch den und fliehend vor wütenden Wichteln stürmten sie durch die Küchentür, die Bill geöffnet hielt. Ginny begrüßte den etwas verschüchterten Dean mit einem Küsschen auf die Wange und schob ihn dann weiter zu ihrem Dad, welcher ihm kräftig die Hände schüttelte.

Hermine gab jedem Weasley-Jungen die Hand, küsste Ginny auf beide Wangen und sah dann Harry und Ron die Treppe herunterkommen. Sie ließ Mrs. Weasley und Amber stehen und flog ihnen entgegen:„Ron! Harry!" Sie fiel ihnen gleichzeitig um den Hals, umarmte sie dann abwechselnd, brach in Tränen aus und lachte dann ganz beunruhigend.

Ron legte ihr den Arm um die Schultern und hoffte, dass niemand etwas dazu sagte. Hermine sah Harry an. Jetzt wird alles wieder gut!´ formten ihre Lippen lautlos und Harry verzog den Mund zu einem leichten Lächeln.

Das Frühstück war noch lauter als das Abendessen und die acht Eulen, die eine wahre Flut von Briefen brachten, taten ihr Übriges zu der ausgelassenen Stimmung. Ron fing Pigwidgeon auf und mühte sich ganze fünf Minuten ab, um von der aufgeregten Winzeule seinen Brief zu bekommen.

„Unsere ZAG-Noten! Unsere ZAG-Noten!" keuchte Hermine und ihre Hände zitterten, als sie ihren Brief öffnen wollte.

„Warte ein bisschen, O.K.? Ich wollte eigentlich gemütlich fertig essen, bevor du deinen Anfall bekommst!" bat Fred und Hermine funkelte ihn wüten an.

Ron nahm ihr den Umschlag aus der Hand: „Wie wär´s, wenn wir uns unsere Noten gleich oben angucken ohne diese dussligen Schulhinschmeißer?"

Hermine nickte und George grinste breit: „Seit wann beweist du diplomatisches Geschick, Bruderherz?"

Ron knurrte etwas und beugte sich dann über sein Brötchen, an dem Pig sich schon gütlich getan hatte. Ärgerlich fischte Ron das Eulchen aus seinem Honig und setzte es auf seine Serviette. Zum ersten Mal an diesem Morgen ließ sich Harrys Stimme vernehmen: „Kaum zu glauben, dass wir wieder zur Schule zurückkehren wie jedes Jahr ... als wäre nichts passiert!"

Er sagte dies weder bitter noch zornig. Alle schwiegen betroffen und Amber löste das Problem dieser Schweigsamkeit, indem sie die Eulen in einer kleinen Parade aus dem Fenster schickte, worüber alle unwillkürlich kichern mussten. Auch Harry verzog die Lippen zu einem schwachen Lächeln.

Er nahm von Hedwig seine zwei Briefe entgegen und öffnete einen. Er erkannte die Schrift nicht, da er noch nie einen Brief von Remus Lupin bekommen hatte, doch die kleine, sorgfältige Unterschrift am Ende des Schreibens verriet den Absender.

„Mein lieber Harry!

Endlich finde ich die Zeit, dir zu schreiben. Ich bin bis jetzt mit Mad-Eye; er lässt euch alle grüßen; durchs Land gezogen; immer auf der Jagd nach den entkommenen Todessern. Wir hatten Erfolg. So bin ich zum Glück etwas abgelenkt, doch es hilft nicht wirklich. Ich freue mich allerdings, dir mitteilen zu können, dass ich wieder an Hogwarts als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten werde und auch Mad-Eye wird zurückkehren. Nun, das werdet ihr alles in euren Hogwarts-Briefen lesen. Dumbledore möchte seine Schüler gut unterrichtet und vorbereitet wissen. Ich werde euch bald im Fuchsbau besuchen und dann können wir gemeinsam zur Schule fahren, wie wir es vor drei Jahren taten.

Herzliche Grüße, Remus Lupin"

Harry las die Zeilen und ihm wurde plötzlich bewusst, dass jetzt, nach Sirius´ Tod, Professor Lupin das letzte Bindeglied zu seinen Eltern war; wenn man Snape nicht mitrechnete natürlich. Er war der Freund seines Vaters gewesen und Sirius´ Freund. Er hatte mit ihnen alles gemeinsam erlebt und er konnte ihm alles erzählen, wozu Sirius nie die Gelegenheit gehabt hatte. Unweigerlich wanderten seine Gedanken jetzt zu dem dunklen Punkt zurück, der, wenn man ihn ließ, unablässig herunterleierte: Ihr habt nicht genug Zeit gehabt! Ihr hättet zusammen leben können wie eine Familie! – Jetzt ist es für alles unwiederbringlich zu spät! – Und er ist gestorben, ohne dass alle Welt von seiner Unschuld erfahren konnte! Und von seiner Stärke! Und seiner Freundschaft zu dir!

Er hoffte, dass Professor Lupin auch wirklich mit ihm reden würde. Der Brief klang gut, aber er kannte ihn nicht genug, um sagen zu können, wie es ihm ging und wie sehr er trauerte.

Harry schluckte schwer und seine Hände zitterten leicht. Bevor das Gefühl ihn vollständig überwältigen konnte, atmete er tief ein und sah auf. Wie erwartet starrten ihn alle in einer Mischung aus Entsetzen und Furcht an.

Harry räusperte sich: „Professor Lupin kommt als Lehrer nach Hogwarts zurück!"

Ron und Hermine lachten auf und auch Dean und Ginny waren begeistert. Da warf Hermine plötzlich zögernd ein: „Aber ich dachte, alle Eltern sträuben sich gegen einen Werwolf als Lehrer ihrer Kinder!"

Mr. Weasley winkte ab: „Er wird es uns erklären, wenn er hier ist! Aber die Eltern haben mittlerweile wahrlich andere Probleme!"

„Was ist mit den Kindern von Todessern? Mit Malfoy und Crabbe und Goyle?" Ron sah sich um.

„Sie sind noch nicht offiziell Todesser." sagte Mr. Weasley, „Dumbledore muss erst auf die Listen der Auroren warten, bevor er reagieren kann. Dann wird er die Schüler wohl einem Verhör unterziehen. Vielleicht ist da ja noch jemand, den man auf unsere Seite holen kann."

„Meinst du denn, das so viele Todesser jetzt noch ihre Kindern nach Hogwarts schicken?" murmelte Fred durch sein Brötchen.

„Die wären doch schön blöd! Die wissen doch, dass Dumbledore da ist."

„Also, erst einmal wird Dumbledore viel im Ministerium zu tun haben. Und vielleicht versprechen sich die Eltern ja auch etwas davon ..."

Alle sahen zu Mr. Weasley, der sich nun räusperte und auf seinen Teller starrte.