Von James, Lily und Sirius

Als er sich etwas beruhigt hatte, stand Harry auf und griff nach dem Krug Kürbissaft und seinem Glas, die auf dem Schreibtisch standen. Er stürzte drei Gläser hinunter, bis er das Gefühl hatte, es ginge ihm besser. Das kalte Getränk strömte durch seinen erhitzten Körper und er setzte sich ächzend auf einen Stuhl. Er fühlte sich, als hätte er einen 100- Kilometer-Lauf hinter sich und als setzte der Muskelkater schon erbarmungslos ein. Aber er war glücklich, dass er diese Erinnerung hatte erleben dürfen. Remus konnte ihm zwar davon erzählen, doch es war wirklich etwas anderes, wenn man mehr oder weniger mittendrin war im Geschehen.

Allerdings taten sich ihm ein paar Frage auf, die er beschloss, später mit Remus zu besprechen. Jetzt wollte er noch mehr sehen und erleben.

Er sah Remus´ Mantel auf der Lehne des Schreibtischstuhls hängen und griff hoffnungsvoll in die Tasche. Grinsend zog er eine angefangene Packung Schokolade heraus und brach sich ein großes Stück ab. Remus war ein ziemlich cooler Lehrer; er hatte immer Schokolade in der Tasche.

Er kaute nachdenklich und betrachtete den wirbelnden, silbernen Strudel im Denkarium. Wie viele Erinnerungen mochte Sirius für ihn dort hinein gedacht haben?

Harry schaute auf die Uhr: „Ich habe genug Zeit, es heraus zu finden!"

Es war gerade kurz nach neun und Hermine würde ihm noch ungefähr eine knappe Stunde geben, bevor sie sich Sorgen machte und ihn suchen ging. Zwei bis drei Erinnerungen würde er noch ausprobieren können.

Harry schüttelte den Kopf. Es war wahnwitzig! Er hatte tatsächlich die Möglichkeit seine Eltern zu erleben und das aus der Sicht eines Menschen, der sie über alles geliebt hatte. Es kam ihm noch etwas unwirklich vor.

Nach einigen tiefen Atemzügen stand er wieder auf und beugte sich über die Schale. Er fiel angenehmer als beim ersten Mal, da er sich mehr darauf einlassen konnte. Er schloss die Augen.

Und als er sie wieder öffnete, befand er sich im Schlafsaal der Jungen in Hogwarts. Er war so eingerichtet, wie der, in dem Harry schlief; vermutlich war es wirklich derselbe, doch er hatte vier, statt fünf Betten. Sirius saß auf einem Bett und war über irgendetwas gebeugt, das auf seiner Decke lag. Er lachte und sagte etwas.

Harry ging näher an ihn heran und betrachtete seinen Paten noch einmal eingehend. Es war in der Tat ziemlich unfair, dass Sirius so verdammt gut aussah, während Harry und sein Vater höchstens durch ihre Vogelnest ähnlichen Haarschöpfe auffielen. Sirius´ Haare, tiefschwarz und sorgfältig gekämmt, lagen schwer auf seinen Schultern und bewegten sich, wenn er lachte. Sein feingeschnittenes Gesicht und seine dunkeln Augen mussten einfach wirken.

Sirius nahm das ding vom Bett in die linke Hand. Harry erkannte den Zwei-Wege-Spiegel, den Sirius ihm gegeben hatte und den er nicht benutzt hatte ... doch weg damit!

Sirius lachte frech in den Spiegel und sagte: „Wenn man auch so blöd ist und sich erwischen lässt, James! Hast du wenigstens Spaß da beim Putzen?"

Harry trat hastig näher, um James´ Antwort verstehen zu können.

„Halt bloß die Klappe, Sirius! Du solltest froh sein, dass ich dich nicht verpfiffen hab! Zum Glück guckt dieser Schleimbeutel nicht zu, sonst könnt ich mich nicht mal mit dir unterhalten!"

„Die Pokale putzen sich aber trotzdem nicht von selbst, mein Freund! Du solltest den Lappen schwingen, während du dich unterhältst!"

Harry sah so gut es ging in den Spiegel und meinte, den Oberkörper eines Jungen erkennen zu können, welcher wütend die Faust Richtung Sirius schüttelte.

„Ich bin in der Lage, dir selbst aus dieser Entfernung einen Schwanz und ein hübsches, haariges Paar Ohren anzuhexen, also nimm dich in Acht!" drohte der James im Spiegel und Sirius lachte: „Nein, danke! Einmal im Monat reicht mir! Wo ist Remus übrigens?"

„Hat sich in der Bücherei vergraben." sagte James und Harry konnte undeutlich sehen, wie er einen Quidditchpokal polierte.

„So ein kleiner Streber! Ich weiß echt nicht, warum wir mit dem befreundet sind!" scherzte Sirius, doch James zuckte nur mit den Schultern: „Er ist cool!"

„Natürlich!" Sirius beobachtete James eine Weile und brach dann in schallendes Gelächter aus: „Sag mal, verguck ich mich oder putzt du tatsächlich nur die Pokale, auf denen dein Name steht?"
James lachte ebenfalls laut und auch Harry musste grinsen.

„Die andern sind es eh nicht wert!" rief James und Sirius meinte: „Meine Güte, bist du arrogant!"

„Weißt du denn wenigstens, warum du mit mir befreundet bist?"

„Klar, neben dir schaff sogar ich es, mal brav auszusehen!"

„Na, schönen Dank!"

Während sie noch lachten, hörten Harry und Sirius Schritte und ein fragendes „Hallo?"

„Wer ist denn da?" Sirius hatte anscheinend die Stimme erkannt und streckte James die Zunge raus, „Bis später mein Freund! Lily Evans besucht mich gerade!"

„Sirius, ich warne dich ... pack jetzt nicht diesen Spiegel weg!" Doch Sirius hatte schon sein Kissen über den Spiegel gelegt und strich sich die Haare zurück.

Harry schwankte zwischen empörtem Stirnrunzeln und freudiger Erwartung. Seine Mum würde gleich hereinkommen.

„Warte einen Augenblick, Lily. Du kannst hier nicht mehr hoch."

„Wieso nicht?"

„Dumbledore hielt es für besser, euch Mädchen von unserem Schlafsaal fern zu halten. Der Gute vertraut mir wohl nicht!"

Lily prustete und meinte trocken: „Du bist mal wieder völlig von dir überzeugt, Sirius Black! Und das wie immer völlig zu Unrecht!"

Sirius lachte und stieg die Treppe herunter: „Hi!"

Lily machte ein enttäuschtes Gesicht: „Bist wirklich nur du da?"

„Meine Güte, Evans! Du bist so unhöflich!"

„Entschuldige! Aber ... ich dachte ..." Sie wand sich etwas und mied Sirius´ Blick. Dieser grinste: „Ich weiß schon. Du dachtest, James sitzt hier oben rum und braucht vielleicht etwas Gesellschaft."

Lily sah zu ihm hoch: „Abgesehen davon, dass es irgendwie anzüglich klingt, wie du es sagst, ja!"

„Du brichst mir das Herz, Evans, ehrlich!" Theatralisch ließ sich Sirius auf einen Sessel fallen und Lily nahm neben ihm Platz, „Wenn ich dir sage, dass ich keine andere als dich ..."

„Dann würde ich sagen, hör auf zu spinnen, Black!" sagte sie mitleidslos und Sirius seufzte auf: „Isst du wenigstens ein bisschen Schokolade mit mir, bis James wiederkommt?"

„Klar."

Lily grinste und Harry, der bis jetzt ganz ergriffen noch an der Treppe gestanden hatte, trat näher und sah seine Mutter an. Sie hatte tatsächlich dieselben grünen, mandelförmigen Augen wie er und sie strahlten förmlich. Ihr rotes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und ihre hellen, schlanken Finger griffen elegant nach der Schokolade, die Sirius ihr anbot.

„Wo ist er denn eigentlich?" fragte Lily kauend.

„Pokale putzen."

„Schon wieder Strafarbeit vom Hausmeister?" Lily runzelte die Stirn.

Sirius beugte sich vor: „Tja, meine Liebe. Wenn du den guten James willst, musst du ihn mit all seinen schlechten Eigenschaften und Strafarbeiten nehmen."

„Und mit seinen bescheuerten Freunden?" fragte Lily frech grinsend und Sirius sah sie empört an, lenkte dann aber ein: „Kompliment für die Schlagfertigkeit, Evans! Ich hoffe, James weiß, was er an dir hat!"

„Das weiß ich, danke!" James stand grinsend in der Tür, „Hi, Lily!"

„Oh, hi!" Sie verschluckte sich ein bisschen an der Schokolade und lächelte ihn dann an.

„Wo kommst du denn her?" fragte Sirius.

„Aus dem Pokalraum, du Scherzkeks." James setzte sich neben Lily und nahm sich ein Stück Schokolade.

„Der alte Filch bringt dich um, wenn er sieht, dass du abgehauen bist."

„Ha, ich lass dich doch nicht allein hier mit Lily sitzen und schrubb seelenruhig diese Dinger!"

„Aber, wenn er sieht, dass die Pokale nicht sauber sind ..."

„Beruhig dich, sie sind sauber!"

Lily runzelte die Stirn: „Hast du gezaubert? Das ist nicht ehrlich!"

James guckte etwas betreten, hatte dann aber sofort wieder Oberwasser: „Nur, um in deiner Nähe zu sein!"

Lily lachte und Sirius verdrehte gespielt genervt die Augen.

Allmählich verschwamm die Szene und so gern Harry auch geblieben wäre; er wurde heraus gerissen und fand sich abermals auf dem Fußboden im Kaminzimmer wieder.

Ohne auch nur eine Minute zu warten, sprang er auf die Füße und beugte sich über das Denkarium. Er zitterte und atmete schwer, doch diese Erinnerung war so schön gewesen ... er MUSSTE wieder zurück. Er benahm sich schon, als wäre er süchtig. Süchtig nach der Vergangenheit. Harry starrte in den Nebel und ließ sich fallen.

Etwas unsanft landete Harry an einem großen, rustikalen Holztisch, den er erst nach ein paar Sekunden erkannte. Er stand in der Küche im Haus der Blacks am Grimauldplatz. Harry versteifte sich. Würde er gleich Sirius´ Familie, die mindestens zur Hälfte aus Todessern bestand, erleben, wie sie ihn terrorisierten?

Doch bald merkte er, dass dies nicht der Grimauldplatz der Vergangenheit war, sondern der, den er selbst kennen gelernt hatte und in dem er sich gerade wieder befand. Das Hauptquartier des Ordens. Denn lauter ihm bekannte Sachen lagen und standen herum: Freds und Georges Langziehohren, Rons Buch über die besten Quidditchspieler dieses Jahrhunderts, ein Katzenkorb für Krummbein, den dieser allerdings komplett ignoriert hatte.

Harry schaute sich um und fragte sich, wo Sirius sich wohl befand, da flog die Tür auf und er rauschte herein: „Einmal noch! Ein Wort von diesem Schleimbeutel und ich vergesse mich! Ich halte das einfach nicht mehr aus!" Er warf sich auf einen Stuhl.

„Natürlich hältst du das noch aus, Sirius!" ertönte plötzlich Dumbledore durchdringender Bass von der Tür und Sirius und Harry zuckten beinahe synchron zusammen. Dumbledore schüttelte etwas seinen Bart und ging dann zu Tisch herüber. Er beugte sich zu Sirius herunter und sah ihn lange und fest an. Sirius wand sich wie ein Schuljunge, der erwartete, ausgescholten zu werden, und war sichtlich erleichtert, als Dumbledore endlich Platz nahm.

„Sirius, ich weiß, wie frustrierend dieses Leben für dich sein muss ..."

„Und genau daran zweifle ich manchmal! Keiner hier in diesem Haus scheint begreifen zu können, wie ich mich fühle! Ich bin eingesperrt wie ein Tier und ich habe nichts verbrochen! Tagaus, tagein gehe ich nur durch diese Flure! Du lässt mich nicht einmal mehr als Hund in den Hinterhof oder in den Garten! Ich verrecke hier drin langsam und du weißt es, doch du tust nichts!"

Dumbledore hatte aufmerksam zugehört und nickte dann: „Eines musst du mir glauben, Sirius: Ich weiß, wie es ist, eingesperrt zu sein! Ich weiß es! Und ich verstehe dich und deine Wut, nur musst du anfangen zu verstehen, dass wir momentan an deiner Situation nichts ändern können! Du musst dich endlich damit abfinden, statt dagegen anzukämpfen, denn dann würde es dir auch weniger schwer fallen!"

Sirius stöhnte und vergrub das Gesicht in die Hände: „Du weißt nicht, wie es für mich ist, gerade hier zu sein! Gerade hier! Es ist, als würden sämtliche Alpträume meines Lebens wahr werden!"

„Ich möchte ... ach, ich möchte so vieles! Nach all den Jahren in Askaban ... ich wünschte mir nur ein bisschen Sonne ... nachdem ich geflohen bin! Sonne und frische Luft und etwas Gutes zu essen!"

„Na, über das Essen kannst du dich hier aber nicht beschweren, mein Lieber!" warf Dumbledore ein und zog eine lange, hölzerne Pfeife aus seinem Umhang. Er stopfte sie großzügig mit Kraut aus derselben Tasche und zündete sie an. Sirius sah auf. Seine geröteten Augen fixierten Dumbledore, als wolle er auf ihn losgehen: „Sag mal, nimmst du mich wenigstens ein bisschen ernst!"

„Ein bisschen, ja! Ich weiß das alles, Sirius, und ich verstehe es. Aber ich kann es nicht ändern. Alles, was ich tun kann, ist, dich zu bitten, trotzdem zu bleiben! Wenn schon nicht für dich oder für mich, dann vielleicht für Harry!"

Da sprang Sirius auf: „Für Harry? Für den Harry, den du mir so hartnäckig vorenthältst? Für den, den ich doch nie zu mir nehmen darf, weil du dich mir ... uns so unerbittlich in den Weg stellst? Sei doch kein Dummkopf, Albus! Harry hätte nicht mehr und nicht weniger von mir, wenn ich jetzt draufgehen würde!"

„Aber er würde dich ziemlich vermissen und das ist es, was du nicht begreifst! Du musst nicht bei ihm, du musst nur da sein; das reicht! Es mag dir nicht so vorkommen, aber allein zu wissen, dass es dich gibt, hilft Harry!"

Sirius zog etwas den Kopf ein und starrte in die Richtung der Wand, vor der Harry stand. Dieser hatte das beunruhigende Gefühl, dass Sirius ihn sehen konnte, doch dann wandte sich sein Pate ab.

„Es macht dich nicht glücklich, aber ich bin davon überzeugt, dass es bald ein Ende haben wird!"

Sirius starrte Dumbledore an, während er sich mit der rechten Hand den verspannten Nacken massierte und wieder Platz nahm. Dumbledore paffte seine Pfeile und sagte dann: „Es gibt viel zu tun, Sirius. Wir können uns nicht nur darauf konzentrieren, dich zu rehabilitieren."

„Ich weiß!"

„Und Severus und Kingsley tun, was sie können."
Sirius stieß ein verachtendes Schnauben hervor, der verdächtig nach „Schniefelus" klang hervor, worauf Dumbledore ihn strafend ansah: „So werden wir dies nie überwinden, Sirius!"

Harrys Pate sah auf. Sein müdes Gesicht drückte Resignation aus: „Das ist alles, was ich tun kann? Still halten und Snapes spöttische Vorträge über mich ergehen lassen? Das ist wirklich zum Heulen!"

Dumbledore blies einen Rauchring, sah ihm zu, wie er höher schwebte und sich dann auflöste: „Das ist es!" Dann stand er auf und Sirius schniefte einmal laut.

„Ich werde ungefähr drei Wochen in Hogwarts bleiben, dann komme ich wieder."

Sirius winkte gleichgültig ab und Dumbledore verließ den Raum.

Harry sah Sirius an und tat so, als würde er seine Hand auf dessen Schulter legen. Und dann stellte er sich vor, was für ein hübsches, harmonisches Bild sie beide abgeben würden. Irgendwann stand Sirius schwerfällig auf und schlurfte zur Anrichte. Er griff nach einer bauchigen Flasche mit einem leicht trüben Getränk. Er zog den Stöpsel ab und goss sich ein großes Glas voll. Allerdings setzte er es nicht an die Lippen, sondern starrte es hasserfüllt an.

Die Tür schwang auf und Mrs. Weasley kam herein: „Bleib im Treppenhaus, Kreacher, oder binde dir meine Socke dreimal um deinen sturen Hals!"

Kreacher grunzte irgendetwas und Mrs. Weasley schloss die Tür. Sie stand einen Moment unschlüssig da und als sie Sirius gewahrte, wurde ihr Blick missmutig: „Trinkst du schon wieder?"

Eine schwindelerregende Schleuderreise später hockte Harry auf dem Boden und schluchzte. Er heulte so sehr, dass er meinte, sein Kopf müsste platzen. Hermine saß neben ihm und tätschelte ihm ratlos den Arm. Sie hatte nach Harry gesucht, ihn im Kaminzimmer gehört und dann Ron geholt. Zusammen waren sie hier mehr oder weniger eingebrochen und hatten sich dann verwirrt umgesehen. Harry war nirgends zu sehen. Sie wollten schon gehen, als plötzlich ein gleißendes Licht aus der Schale auf einem der Schreibtische gebrochen war und Harry mit einem Krachen auf dem Boden landete. Seit 10 Minuten kauerte er nun dort und weinte und Ron zweifelte allmählich daran, dass er sich je wieder beruhigen würde.

Irgendwann aber hatte Harry keine Tränen mehr, wischte sich übers Gesicht und sah seine Freunde aus verquollenen Augen an.

„Was ... was hast du denn gemacht, Harry?" fragte Hermine vorsichtig und deutete auf die Schale, „Ist das ein ...?"

„Ein Denkarium. Von Sirius. Remus hat es mir gegeben."

„Und was ist da drin? Wie funktioniert das?" wollte Ron wissen und da die anderen beiden keine Anstalten machten, aufzustehen, ließ er sich neben ihnen auf dem Boden nieder.

Harry seufzte: „In einem Denkarium kann man Erinnerungen speichern, die man nicht verlieren will. Man zieht sie sozusagen mit dem Zauberstab aus dem Kopf und legt sie in der Schale ab. Sirius hat für mich ein paar Erinnerungen an meine Eltern dort hineingetan. Und noch einige andere."

„Und du kannst da ... rein ... schlüpfen?" Ron war noch etwas verwirrt.

„Ja, mehr oder weniger. Man muss sich rüberbeugen und dann wird man hineingezogen."

„Aus welcher Erinnerung kamst du gerade?" fragte Hermine und zwirbelte nervös eine Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger.

Harry räusperte sich: „Grimauldplatz. Sirius hat sich mit Dumbledore gestrittenEr hat Sirius gesagt, er müsse still halten und Sirius sagte immer wieder, wie schwer ihm das fällt!" Ron und Hermine schwiegen betroffen. Dann traute sich Ron als erster: „Können wir auch einmal mit hinein?"

Harry sah ihn an: „Ich glaube, es wäre schon schön, das nächste Mal nicht ganz allein zu sein. Aber ich weiß nicht, ob wir uns nicht darin verlieren. Ich werde mal Remus fragen. Ich muss sowieso kurz mit ihm reden über die ersten Erinnerungen, die ich probiert habe! Ich muss ihn etwas fragen. Wie seid ihr eigentlich hier rein gekommen?"

„Falls du den Schutzzauber meinst; der hielt nur ein Stündchen. Danach muss man nur eine abgeschlossene Tür überwältigen." meinte Ron und deutete auf das aufgebrochene Schloss.

„Das gibt Ärger, oder?" fragte Hermine desinteressiert und die Jungen zuckten mit den Schultern.

„Wollt ihr hier auf mich warten?" fragte Harry. Die beiden nickten.

Harry verließ das Kaminzimmer und traf im Flur Tonks, die eine Tasse heiße Milch auf ihrem Kopf balancierte: „Schau mal, ich bin ein Künstler!"

„Ja, klasse! Weißt du, wo Remus ist?"

„Im Bett?" Tonks grinste, „Soll ich für dich nachsehen?"

Harry räusperte sich entrüstet und Tonks nahm die Tasse herunter: „Sorry, Mad-Eye hat mir von seinem Whiskey gegeben und der wirkt doch schon ein bisschen."

Sie stockte kurz und fuhr dann fort: „Du kommst klar, oder? Und verstehst dich gut mit Remus?"

Harry nickte: „Ja, es tut wirklich gut, ihn zu haben!"

„Schön! Ich hab mir nämlich Sorgen um dich gemacht! War ja nicht einfach ... für uns alle nicht!" Da fiel Harry plötzlich ein, dass Tonks Sirius´ Großnichte war. Er starrte sie an und wusste nicht, was er tun oder sagen sollte.

„Ist schon gut, Harry! Mir geht´s gut! Ich habe ganz viele, liebe Menschen, die sich um mich kümmern! Auch wenn es mich immer noch nicht los lässt!"

„Wie meinst du das?"

Tonks zuckte zusammen, als hätte sie etwas Unbedachtes gesagt: „Naja, Molly will nicht, dass ich so etwas zu dir sage!"

„Tu es trotzdem!"

„Ich meine diesen dämlichen Vorhang! Ich bitte dich: Ist das eine Art zu ... gehen ... abzutreten ... für jemanden wie Sirius? Das ist ja lächerlich! Aber es ist wohl leider doch wahr." Tonks schwankte.

„Soll ich dich nach oben bringen? Schläfst du überhaupt hier?"

„Manchmal. Aber ich gehe noch nicht. Ich treffe mich noch mit Kingsley in einem der Arbeitszimmer. Wir haben noch so einen tierisch langweiligen Bericht zu schreiben. Dann, gute Nacht, Harry!"

„Ja, viel Erfolg bei dem Bericht!"
Tonks zog eine Schnute und steuerte eine Tür, die von der Eingangshalle abging an, während Harry die Stufen hochsprang. Vor Remus´ Tür blieb er stehen. Er klopfte zaghaft und fragte: „Bist du noch wach?"

„Ja, komm rein!"

Harry trat ein und sah Remus auf einem runden Läufer auf dem Boden sitzen. Um ihn herum lagen verschiedene Bücher und beschriebene Pergamentrollen. Sein Haar war verwuschelt und er grinste: „Hi! Ich bereite gerade meinen Unterricht vor."

„Jetzt? Es ist schon 10 Uhr durch!"

„Also, erst mal saß ich hier wie auf heißen Kohlen, während du unten durchs Denkarium gewandert bist und außerdem ist Neumond."

„Neumond?"

„Ja!" Remus wies zum Fenster, „Jetzt sind der letzte und der nächste Vollmond am weitesten voneinander entfernt."

„Und das spürst du?"

„Ja. Ich spüre den Mond immer. Vor Vollmond bin ich gereizter und ungeduldiger als sonst."

Harry lachte leicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Remus wirklich ungeduldig oder böse werden konnte. Obwohl er ja nicht besonders ruhig auf die Rückkehr in dieses Haus reagiert hatte.

„Lachst du mich aus?"

„Nein!"

„Setz dich, Harry! Du hast es ja nicht wirklich lange ohne mich ausgehalten."

Harry nickte verlegen: „Ich hab nur ein, zwei Fragen."

„Schieß los!"
„Sag mal, wie ist es, sich zu verwandeln?"

Remus stöhnte und lehnte sich zurück: „Das ist jetzt echt ein fieses Déja-vu!"

„Wieso?"

„Weil schon einmal so ein Junge vor mir gesessen hat. Einer, mit solchen Haaren und einer solchen neugierigen Nase. Allerdings hatte James damals wesentlich mehr Sensationslust im Blick als du jetzt!"

Harry lächelte schwach: „Ich hab mir eine Erinnerung von euch in der Hütte angeschaut."

Remus hob die Augenbrauen: „Von mir oder von Sirius?"

„Von Sirius!"

„Also hat man meine Verwandlung nicht gesehen?"

„Nein, warum ist das so wichtig?"

Remus sah verlegen aus: „Jetzt überleg mal. Es war damals schon hart für mich, die drei zu mir zu lassen, wenn ich mich zurückverwandelt hatte und nackt und zerschunden herum lag. Ich glaube, das kann dir jetzt erspart bleiben ... und mir auch."

„Äh, klar. Tschuldige!"

Remus winkte ab.

„Ist es sehr schlimm?"

„Harry, warum bist du so ein Quälgeist?" Er sah noch nicht wirklich ärgerlich aus, war aber wohl auf dem besten Weg dorthin, „Hast du nicht ein paar andere Fragen, denn die werde ich dir nicht beantworten."

Harry schluckte das „Warum nicht?" hastig herunter und sagte dann vorsichtig: „Ich habe mich gewundert, warum Madam Pomfrey dich anscheinend irgendwann nicht mehr verarztet hat. Hat sie sich nicht gewundert?"

„Nun, je älter ich wurde, desto unangenehmer wurde es mir, mich einmal im Monat von ihr so durchchecken zu lassen und ich sagte, ich hätte mich als Wolf ziemlich unter Kontrolle und könnte mich selbst versorgen."

„Das hat sie dir geglaubt?"

„Jetzt hör mal! Sie hatte einen der talentiertesten Schüler des Jahrgangs vor sich. Natürlich hat sie mir geglaubt und ab und an hat sie mich auch noch zur Sicherheit untersucht, aber generell genügte es später, mich einen Tag durchschlafen zu lassen."

„Und mein Dad und Sirius und ... haben die dich zum Krankenflügel gebracht?"

Remus wischte sich kurz mit der Hand über das Gesicht. Es fiel ihm schwer darüber zu sprechen; das merkte Harry, also schlug er vor: „Wir können das auch erst mal verschieben."

„Verschieben?" knurrte Remus, „Wie wäre es, wenn wir das ganz vergessen?"

„Nein! Es gehört dazu! Zu dir! Und zu meinem Dad und zu Sirius! Ich will es wissen!"

„Du kannst es dir ja glücklicherweise ansehen!" meinte Remus sarkastisch.

Harry nickte fest: „Genau! Hast du dir eigentlich alle Erinnerungen angeschaut?"

„Ich weiß es nicht; es sind ziemlich viele. Das ist nicht so wie ein Video, Harry. Man kann, soweit ich weißnur reinschauen und gucken, was kommt. Naja, ich glaub, irgendwie kann man es steuern, aber ich weiß nicht, wie und ich hab mir nicht die Mühe gemacht, es heraus zu finden. Ich hab nur versucht, Sirius´ Gedanken ein bisschen zu vervollständigen und hab welche hinzugefügt. Nur, damit du es vielleicht besser verstehst."

„Ich habe schon drei ausprobiert. Die waren schön bis ... ziemlich heftig."

Remus nickte langsam und schaute auf den Boden.

„Kann man auch zu dritt in ein Denkarium?"

Remus sah auf: „Du willst Hermine und Ron mitnehmen? Alle Achtung, Harry! Ihr drei seid echt klasse!"

„Ich weiß!"

„Also, wenn ihr euch aneinander festhaltet, müsste es gehen. Falls ihr euch verliert, trefft ihr euch ja draußen wieder."

Harry nickte: „Dann probieren wir das wohl mal." Er schwieg bis Remus unsicher fragte: „War das alles?"

„Hm." Harry stand auf und ging zur Tür: „Ich geh wieder runter; Hermine und Ron warten schon!"

„O.K." Nun saß Remus etwas unschlüssig auf dem Läufer und Harry stand mit hängenden Armen vor der Tür.

„Kann ich dich vielleicht noch um was echt Kitschiges bitten?"

„J-ja ... ."

„Kannst du mich nur mal kurz in den Arm nehmen?"