Hogwarts 2 – Sirius
„Ich gebe mein Leben für sie! Aber was ist, wenn er mehr verlangt, als ich geben kann?" („Der erste Ritter")
Und der Tote kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Angesicht verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus sprach zu ihnen: „Löset die Binden und laset ihn gehen:" (Johannes-Evangelium (Paraphrase))
Der geheimnisvolle Vorhang
Harry erwachte, als er etwas Nasses auf seinem Gesicht spürte. Ärgerlich wischte er sich mit der Hand über die Wangen und öffnete die Augen. Jetzt sah er den Grund, warum sein Nacken so steif war: Er lag auf Rons Schulter. Rons Arm hatte sich um Harry, der eingewickelt war wie ein Würstchen im Schlafrock, geschlungen und hielt ihn fest, während Ron noch selig weiterschlief, obwohl auch auf seinem Gesicht Wassertropfen glänzten.
„Was macht ihr beiden denn da Lustiges?"
Harry stöhnte einmal und stützte sich dann auf seinen Ellenbogen hoch: „Was?"
„Guten Morgen heißt das!" Seamus grinste ihn breit an und wedelte mit einem tropfenden Waschlappen, „Warst du einsam letzte Nacht, oder was?"
„Klappe, Finnigan! Nerv mich nicht am frühen Morgen!" knurrte Harry und rüttelte an Rons Schulter.
„Es ist gleich zehn!" sagte Seamus trocken und verschwand aus Harrys Blickfeld.
„Morgen, Harry!" Nevilles hochroter Kopf schob sich über die Bettkante.
„Was machst du da unten?"
„Trevor ist unter dein Bett gehuscht!" Er tauchte wieder ab und als er sich stöhnend aufrichtete, hatte er seine Kröte in der Hand.
„Dummes Tier!" schimpfte er keuchend, dann runzelte er die Stirn, „Alles klar bei euch?"
„Jaha!" Harry wurde leicht ungeduldig und schüttelte Ron etwas kräftiger.
„Was?" Ron öffnete die Augen und sah sich verwirrt um, „Was machst du hier?"
„Schlafen." Harry musste lachen und kletterte dann über Ron aus dem Bett. Ron setzte sich auf und kratzte sich zerstreut am Kopf.
„Ich geh duschen!" verkündete Harry und schnappte sich sein Waschzeug.
Sauber und duftend marschierten sie etwas später in die große Halle und nahmen am Frühstückstisch Platz. Hermine empfing sie, indem sie ihnen den Tagespropheten vorsetzte mit den Worten, wenn schon kein Crashkurs an diesem Wochenende stattfand, sollten sie sich eigenständig um ihre Weiterbildung bemühen und das Wesen des Feindes studieren. Dann wies sie ein paar Schüler zurecht, die sich mit Marmelade beschmierten und verteilte großzügig Strafarbeiten an die Erstklässler, da sie, woher auch immer, wusste, dass diese des Nachts unterwegs gewesen waren.
„Mann, hat die schlechte Laune!" murrte Seamus.
Ron grinste: „Schlechtes Gewissen würde ich sagen!"
„Wieso?"
„Geht dich nichts an und jetzt iss und nerv nicht länger!" Hermine sah Seamus aufgebracht an und dieser wandte sich erschrocken seinem Brötchen zu. Harry butterte sich seinen Toast und betrachtete interessiert die Anzeigen für neue Besen. Ron blätterte um: „Hier sind die neuen Fotos! Schau dir das an!" Auf mehreren Bildern wirbelten die neuesten Modelle durch die Luft und stellten sich zur Schau.
„Der Windstoß – der zuverlässigste Arbeitsbesen seit der alte Wieselflink abgetreten ist!" las Ron vor, „Der Findus – der Lernbesen für unsere Kleinen. Und hier der schwarze Orkan – das Modell, das die Quidditchnationalmannschaften schon jetzt bestellen, obwohl es noch im Test ist; die nächste Generation von Rennbesen; ein Feuerblitz der Extraklasse! Oh, Mann!"
„Nicht schlecht! Guck dir seine Beschleunigung an!" Harry deutete auf die angegebenen Daten.
„Hey, ihr sollt die Artikel lesen!" schimpfte Hermine, „Ich stell euch nachher Fragen dazu, wenn ihr meint, ihr müsst das nicht ernst nehmen!"
Die beiden seufzten. Dann schnappte sich Harry das Tagesmagazin und entdeckte sofort einen Bericht, der ihn interessierte:
„Gestern wurde von Christopher Flamel, Ur-ur-ur-ur-...-Enkel des berühmten Alchemisten Nicolas Flamel, das hochmoderne Forschungslabor „S-T-O-N-E" eingeweiht. C. Flamel widmete die Labors seinem verstorbenem Verwandten und bezeichnete sie als „die Erfüllung eines kleinen Traums". Seit dem Tod von Nicolas Flamel und seiner Frau Perenell vor vier Jahren haben etliche Forscher versucht, einen Stein der Weisen herzustellen, waren aber daran gescheitert. Nun soll in den neuen Labors gelingen, was ihnen bisher versagt blieb: Die Erschaffung eines Steins, der Ruhm und Reichtum bringt, ewiges Leben und Macht.
C. Flamel betonte, dass die Arbeit an einer erneuten Herstellung „nicht in einen Wettkampf gegen die Zeit und gegen den Tod ausarten"sollte, wie es zeitweilig Nicolas Flamel vorgeworfen wurde.
Die Herstellung eines solchen Materials solle, laut C. Flamel, neue Möglichkeiten in der Heilung eröffnen. Ein Flügel des Hauses, in dem sich die betriebsinterne Cafeteria befindet, wurde nach Nicolas Flamel benannt; eine Geste, die „mein alter Verwandter sicherlich zu schätzen wüsste!" (C. Flamel).
Nicolas Flamel, geboren 1326, wurde schon in seiner Jugend von einem unstillbaren Forschungsdrang angetrieben und galt zeitweise, als er seine gefährliche Forschung auf den Höhepunkt trieb, als besessen von dem Wunsch, den Tod zu überlisten. Tatsächlich widmete er sein gesamte Leben der „Erforschung des letzten Augenblicks" (N. Flamel: „Der Beweis der Stärke – Diskussion über die Frage: Sind wir schwach, wenn wir sterben?", S. 116).
Den Stein der Weisen entwickelte er bereits in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts und überdauerte so die Zeit. Er entwickelte mehrere Ideen, die auf dem Papier zwar durchaus logisch erschienen, sich aber in der Ausführung als äußerst problematisch erwiesen. Ergebnisse dieser zum Teil gefährlichen Experimente waren die verschiedenen Materialien zu Aufbewahrung von Seele und Körper in einer Art Vakuum in Form von Kristallen, Stoffen und Metallen.
Nach der Heirat mit Perenelle, geboren 1333, mäßigte sich sein Forscherdrang und er lernte „das Leben zu lieben, nachdem er bereits gelernt hatte, wie er es sich erhalten konnte" (F. Fitzgerald: „Ein Tag im Leben des Nicolas Flamel", S. 27).
Er lernte schließlich den Forscher Albus Dumbledore kennen, der später den schwarzen Magier Grindelwald besiegen sollte. Mit ihm zusammen verfasste er sein wichtigstes Werk über die Alchemie: „Die Kunde vom Stein – Fakten, Möglichkeiten und Versuche", welches sich zurzeit in seiner 157. Auflage befindet (Obscurus Books, London).
Nach einem erfüllten Leben starben Nicolas Flamel und seine Frau am selben Tag vor vier Jahren, nachdem Harry Potter, der Junge der lebt, sich in seinem ersten Schuljahr gezwungen sah, den Stein der Weisen zu vernichten, um zu verhindern, dass er der Rückkehr von Du-weißt-schon-wem ... na, gut ... wenn ihr meint ... Voldemort diente.
Sein Andenken wird nun in den Forschungslabors in London auf ewig erhalten bleiben."
Harry seufzte und trank einen Schluck von seiner Milch.
„Interessant?" fragte Ron hinter seinem Teil der Zeitung hervor.
„Der Nachfahre von Nicolas Flamel hat ein Forschungslabor eröffnet." teilte Harry bereitwillig mit und Ron sah auf: „Flamel? Lebt der eigentlich noch?" Er beugte sich über den Artikel und überflog ihn.
„Nein, er ist vor vier Jahren gestorben. Wie seine Frau." Harry breitete den Artikel auf dem Tisch aus, „Besonders toll ist, dass sie es geschafft haben, mich zu erwähnen."
„Das tun sie auch im Lokalteil in dem Artikel über die Schließung der Zauberapotheke in Little Tabioka." sagte Ron und Harry sah auf: „Wirklich?"
„Nein!"
„Sehr witzig, Weasley!"
„Finde ich auch. Was ist das für eine Materie, die er entwickelt hat und die nicht funktioniert hat?"
Harry schaute noch einmal auf den Artikel: „Ähm ... „Materialien zur Aufbewahrung von Seele und Körper in einer Art Vakuum" ... Kristalle und Stoffe und so."
Ron runzelte die Stirn: „Was für Stoffe? Schals? Kleider? Teppiche?"
Harry lachte: „Wahrscheinlich. Er war ja ein bisschen verrückt."
„Vielleicht auch noch Tapeten und Gardinen!" Ron schüttelte den Kopf und widmete sich wieder seinem Müsli, während Harry das Lachen im Halse stecken blieb. Ihm wurde heiß und kalt und in seinen Ohren rauschte es. Die Hand, die eine Ecke der Zeitung festhielt, begann zu zittern und er atmete schwer.
Gardinen? VORHÄNGE !
Er sprang auf und stürmte zur Tür, riss sie auf und war in der Eingangshalle verschwunden. Ron sah verwundert auf und konnte nur noch die Tür zufallen sehen.
„Was ist passiert?" rief Hermine von der anderen Seite des Tisches herüber und Ron zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung!" sagte er und blickte noch einmal auf den Artikel in der Hoffnung, hier die Antwort für Harrys seltsames Verhalten zu finden.
„Mr. Weasley?" erklang plötzlich Professor McGonagalls Stimme hinter ihm, „Was hat das zu bedeuten?"
Ron zuckte mit den Schultern und versuchte, möglichst unschuldig zu klingen, als er sagte: „Vielleicht ist ihm wieder schlecht. Ihm ging es gestern Nacht schon nicht gut. Ihm war übel."
McGonagall seufzte und zog elegant eine Augenbraue hoch: „Nun, wenn es nicht besser wird, schicken Sie ihn in den Krankenflügel!" Ron nickte. Hermine wartete, bis sie sich entfernt hatte, krabbelte dann unter dem Tisch durch zu Ron und setzte sich auf Harrys verwaisten Stuhl: „Was war los?"
„Ich weiß es wirklich nicht! Ihm war gestern Nacht schlecht, aber das hing mit dem Denkarium zusammen. Er war noch kurz drin." Ron hatte seine Stimme gesenkt und sich etwas zu Hermine herüber gebeugt: „Dann hat er den Artikel hier gelesen und wir haben uns gefragt, was das wohl für Dinger waren, die nicht funktioniert haben und haben gelacht und dann ist er abgehauen."
Hermine überflog den Artikel in Windeseile und wurde abwechselnd rot und blass.
„Lass mich raten: Du weißt, was er hat!" brummte Ron leicht genervt und Hermine wuschelte mit den Händen aufgeregt über das Papier: „Himmel noch mal, Ron! Merkst du es nicht?"
„Anscheinend nicht!"
„Ach, hör auf, mich anzuzicken und komm mit!" Sie zog ihn energisch vom Stuhl hoch und spurtete mit ihm aus der Halle.
Remus beobachtete dieses Verhalten vom Lehrertisch aus und machte ein misstrauisches Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht. Meta stieß ihn von der Seite an: „Was hat die denn gebissen?"
„Ich weiß es nicht, aber ich werde er herausfinden!"
„Meinst du, das geht dich was an?"
„Dieser Junge gerät am laufenden Band in Schwierigkeiten und meist sind die so gravierend, dass sie das Ende der Welt herbeiführen könnten. Dummerweise hat er die Angewohnheit, so ziemlich alles zu verheimlichen und allein auszufressen! Da muss sich jemand drum kümmern!" Remus legte seine Serviette zur Seite.
„Du bist wirklich gut!" Meta grinste ihn schief an, „Ein richtiger Psychologe, wie?"
„Das habe ich studiert, Meta!" Remus lächelte selbstgerecht, auf seiner Stirn aber stand eine steile Falte.
Harry rannte in die Bibliothek und polterte durch die Tür in einer Lautstärke, die ihm sofort Madam Pince auf den Hals hetzte: „Was soll das denn werden? Ein Überfall? Das hier ist eine Bücherei und kein Spielplatz!"
„Entschuldigen Sie!" keuchte Harry, „Wo stehen die Bücher von Nicolas Flamel?"
„In der Verbotenen Abteilung und da kommst du nicht rein, mein Freund!" Madam Pince baute sich vor Harry auf, was ziemlich lächerlich war, da Harry sie überragte.
„Tatsächlich nicht?" Harry drehte sich um und lief durch die Flure zu seinem Schlafsaal.
Auf dem Weg dorthin rannte er beinahe Ron und Hermine über den Haufen, die, als er zu keiner Erklärung ansetzte, sich kurzerhand dazu entschlossen, ihn zu verfolgen. Also hetzten drei Schüler durch die Gänge, zum Gryffindor-Turm, in den Schlafsaal, zurück durch die Flure und kamen schwer schnaufend wieder bei Madam Pince an.
„Hier!" Harry drückte ihr ein Stück Papier in die Hand. Die Bibliothekarin las es und wurde rot: „Ach, das ist eine Schande! Eine Schande! Geh! Verschwinde! Mach doch, was du willst!"
Sie zockelte zurück hinter ihren Tisch und steckte ihre lange Nase in ein aufgeschlagenes Buch.
Harry sah zufrieden auf das Erlaubnisschreiben von Professor Dumbledore, welches er ihm und Ron ausgehändigt hatte, damit sie für ihre Hausarbeit in Zaubereigeschichte uneingeschränkt Nachforschungen anstellen konnten. Er hatte ihnen gesagt, dass sie diese Arbeit für sich selbst und für ihn schrieben und daher so viel über den Orden des Phönix herausfinden sollten, wie sie es für richtig hielten. Er selbst fände es recht witzig, wenn sie die Mitglieder etwas nervten. Zwar hatten er und Ron noch nicht allzu viel für die Arbeit getan und das Schreiben kam jetzt zum ersten Mal zum Einsatz, aber es diente zumindest einem guten Zweck.
Harry sprang über die alte, abgewetzte Kordel zur Verbotenen Abteilung und Hermine und Ron folgten ihm keuchend.
„Harry, was ist los?" brachte Ron hervor und lehnte sich vorn über auf seine Knie. Hermine hielt sich schwankend an einem Bücherregal fest und beobachtete Harry, wie er fieberhaft die Titel der Bücher entzifferte: „Geht es ... um Sirius?"
Ron merkte auf: „Wieso ... du meine Güte!"
„Na, kommt ihr auch endlich drauf!" zischte Harry und riss ein Buch aus dem Regal: „Das nächste große Abenteuer – Gedanken über den Tod". Er schlug es auf, überflog das Inhaltsverzeichnis und pfefferte das Buch in eine Ecke. Da packte Hermine seine Hände und drückte ihn mit aller ihr noch verbliebener Kraft gegen das Regal: „Stop! Hör auf! Setz dich hin!"
Sie zwang ihn, in die Knie zu gehen und sich auf den Teppich zu setzen. Dann nahm sie neben ihm Platz und Ron stolperte an Harrys andere Seite. Harry lehnte seinen Kopf gegen das Regal und schloss die Augen: „Er ist vielleicht ... oh, denkt doch nur mal daran!"
„Du glaubst, dieser Vorhang im Ministerium ist so ein Teil von Flamel, oder?" fragte Ron, „Und Sirius steckt da irgendwo drin und dreht Däumchen?"
Harry nickte kaum merklich und presste die Hände vor´s Gesicht. Ron schüttelte den Kopf: „Das ist vollkommen unmög... !"
„Nein, ist es nicht!" unterbrach Hermine ihn, „Das Ministerium hat etliche von Flamels Besitztümern geerbt. Der Vorhang könnte tatsächlich ihm gehört haben. Die Mysteriumsabteilung forscht schließlich in die Richtung. Aber, Harry: Er funktioniert nicht! Vielleicht sollte er dazu gut sein, Leben zu bewahren, aber Flamel ist daran gescheitert! Er war ein kluger Kopf, ein phantasievoller Schriftsteller, aber außer dem Stein der Weisen ist ihm rein gar nichts gelungen! Vergiss das wieder! Es ist Schwachsinn! So viele Leuten wissen von dem Vorhang: die Forscher, Professor Lupin, die Auroren, Dumbledore! Und keiner von denen kommt auf diese Idee und versucht was? Ist doch absurd!" Hermine hatte ihre Hand in Harrys Arm gekrallt und sah ihn durchdringend an, „Absurd, hörst du?"
Harry öffnete die Augen und sah sie an.
„Das weißt du nicht!" flüsterte er, „Das kannst du nicht wissen!"
„Aber ... !" Hermine sprang auf und wanderte vor dem Bücherregal auf und ab wie ein eingesperrtes Tier, „Aber sie wären doch auch auf diese Idee gekommen! Besonders Dumbledore! Flamel war sein Partner! Sie hätten doch alles versucht!"
„Nicht, wenn jemand den Vorhang vielleicht weggebracht hat! Irgendwohin, wo nicht mal Dumbledore mehr an ihn rankommt! Jemand wie Fudge, der vor allem Angst hat!" überlegte Ron und Hermine fauchte: „Unterstütz ihn nicht bei diesen Hirngespinsten!"
„Warum nicht? Hermine, du würdest doch auch wollen ... wenn es nun dein Vater gewesen wäre? Oder deine Mum?" gab Harry leise zu bedenken. Das war zuviel für Hermine. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und kämpfte ein paar Minuten mit den Tränen. Harry seufzte und wandte sich dann an Ron: „Hilfst du mir, mein Freund?"
„Immer! Gib mal das Buch!"
Während Ron und Harry sich durch die Inhaltsverzeichnisse durch „Das nächste große Abenteuer" und „Der Beweis der Stärke" stöberten, rutschte Hermine am Regal herunter und saß ganz blass und auf ihrer Lippe kauend am Boden. Schließlich konnte Harry nicht mehr weiterlesen und auch Ron warf stöhnend das Buch weg.
„Hermine. Hermine!" Sie knieten sich wieder hin.
„Jungs, ehrlich! Das könnt ihr nicht machen! Er ist weg! Und er kommt nicht wieder! So weh es uns auch tut!" Hermine verbarg das Gesicht in den Händen und weinte leise. Harry tätschelte abwesend ihr Knie und machte sich Vorwürfe, versuchte aber gleichzeitig zu verbergen, dass er am liebsten wütend herumschreien wollte.
„Lass es uns versuchen, Hermine! Lass uns wenigstens die Bücher lesen und nachsehen, ob es möglich ist oder komplett illusorisch! Es ist wirklich zu wichtig, als dass wir es einfach außer acht lassen könnten!" schlug Ron vor und Harry nickte: „Bitte, Hermine! Ich MUSS es versuchen! Ich ... kann nicht ohne ihn!"
„Aber wenn es nicht funktioniert!" schrie Hermine, schlug die Hände auf den Boden und sah sie wütend an, „Dann bist du verletzt! Und wenn es funktioniert, aber es geht schrecklich schief! Ich habe mal was gelesen über ... über Leute, die ... zurückgeholt wurden ... oder zurückkamen und manchmal waren sie ... Harry, er könnte total anders sein als vorher! Ein Monster oder ein Verrückter!"
„Das Risiko können wir umgehen!" sagte Harry, „In den Büchern würden solche Fälle beschrieben werden! Wir werden uns einlesen!"
„Mach dir bitte keine Hoffnung, Harry! Ich dachte, du hättest ..."
„Nein, habe ich nicht!" rief Harry heftig aus.
„Hast du wirklich nicht! Du warst gestern Nacht echt fertig!" meinte Ron leise und Harry sah ihn an: „Danke, dass du für mich da warst!"
„Immer doch!"
„Was war gestern, Harry?" fragte Hermine vorsichtig und Harry erzählte: „Ich war im Denkarium und habe mir eine Erinnerung angesehen, in der Sirius bei Seidenschnabel saß. Abgesehen davon, dass er so einsam war, dass er sich mit einem Hippogreifen unterhalten hat, hat er versucht, mich über den Zwei-Wege-Spiegel zu erreichen, den er mir am Grimauldplatz geschenkt hat. Ich habe dieses Geschenk nie ausgepackt, weil ich ihn nicht zu mir locken wollte und habe ihn nie benutzt. Sirius hat ... so oft vor dem Spiegel gesessen und nach mir gesucht und ich war nie da! Er hat mich vermisst ... hat sich gefragt ... Nein, er hat meinen Dad gefragt, wie er sich nur um mich kümmern soll, wenn er mich nicht erreicht! Es war schrecklich, das zu sehen ... ES TUT JETZT NOCH WEH!" Harry zitterte und schlang die Arme um den Leib. Hermine machte ein ganz furchtbar erschüttertes Gesicht und Ron war ganz weiß geworden.
„Harry." brachte Hermine hervor und Harry schüttelte den Kopf: „Ich liebe ihn, Hermine, und ich vermisse ihn wahnsinnig! Und wenn ich nur irgendwie die Chance kriegen könnte, ihm das zu sagen ... nicht in meinem Traum, wo er mich auslacht, sondern wirklich ... wenn ich ihm das nur sagen könnte! Ich ... bin mir nicht sicher, ob er das gewusst hat!" Er wischte sich über das Gesicht und spürte eine vereinzelte Träne.
„Harry, haben wir dir genug geholfen?" fragte Hermine leise, „Oder haben wir was falsch gemacht?"
„Ihr wart toll!" sagte Harry kopfschüttelnd, „Aber ich schaffe es trotzdem nicht!"
„Du hast Remus Lupin!" sagte Ron unbestimmt.
„Er kann Sirius nicht ersetzen und das soll er verdammt noch mal auch gar nicht!" murmelte Harry und lehnte den schweren Kopf gegen das Regal, „Ich kann nicht mehr! Das hat mich geschafft! Durch das Denkarium weiß ich noch so viel mehr von ihm, aber das macht das Ganze nur schlimmer! Ich vermisse Dinge, die ich nie an ihm gesehen habe! Ich möchte mich für tausend Sachen entschuldigen und möchte ihn noch mehr tausend Sachen fragen! Ich möchte ihm was erklären und möchte Geschichten erzählen und erzählt bekommen! Eine Zeit lang ... eine wunderbare Zeit lang dachte ich, wir könnten eine Familie werden. Oder zumindest so was in der Art." Harry legte die Hände an die Stirn und presste sie so fest dagegen, als könnte er es dadurch besser machen. Hermine und Ron schwiegen.
„Wenn ich das jetzt nicht versuche, gibt es noch etwas, weswegen ich mir Vorwürfe machen muss und das würde ich echt nicht verkraften! Das würde ich nicht schaffen, glaubt mir!"
„Harry, ich glaube schon, dass er gewusst hat, wie wichtig du ihm bist!" sagte Hermine vorsichtig.
„Aber ich habe es nie gesagt und ich ... versteh doch, Hermine: Ich bin zwar nicht allein Schuld an dem ganzen Unglück, aber ich habe verdammt viel dazu beigetragen! Ich bin es ihm schuldig, dass ich es zumindest versuche! Ich bin es auch Remus schuldig, schließlich ist Sirius sein Freund. Und mir selbst bin ich es verdammt noch mal auch schuldig! Ich habe ein Recht auf ihn! Ich gebe ihn nicht auf! Nicht so!"
„Das kann ich gut verstehen!" sagte Ron inbrünstig und erhob sich, „Also, fangen wir an? Jeder schnappt sich ein Buch und guckt, was Flamel Lustiges zu sagen hatte?"
„Klingt gut!" sagte Harry, stand ebenfalls auf und zog Hermine vom Boden hoch.
„O.K.!" murmelte sie und ließ sich ohne jeden weiteren Widerspruch „Die Sache mit dem Licht am Ende des Tunnel – Mythen und Fakten über das Sterben und den Tod" geben und schlug den Wälzer auf.
Da die Bücher aus der Verbotenen Abteilung nicht ausgeliehen werden konnten, sahen sich die drei gezwungen, in jeder freien Minute in der Bibliothek herum zu hängen, was natürlich mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. Madam Pince schlich dauernd um sie herum und versuchte, spitz zu kriegen, was genau sie.
Ihre Klassenkameraden fragten ständig, was sie denn so Wichtiges suchten und auch Remus wurde misstrauisch, da ihm der Eifer doch arg übertrieben erschien. Er entschied als Strafe für sie, abends Hagrid bei der Pflege des Wildes zu helfen, denn im Verbotenen Wald gab es neben Riesenspinnen, Zentauren, Grawp und weiß Merlin noch für Viecher auch ganz oder relativ normales Getier in Form von Rehen, Wildeulen, Luchsen und anderen Kleintieren. Sie ließen sich zutraulich von den Schülern füttern und ein paar, die offenbar nicht schnell genug einer Hexerei ausgewichen waren, stellten ihre Absonderlichkeiten zur Schau wie das seine Farbe wechselnde Kaninchen oder das Kitz, das sich spontan ein paar schicke Flügel wachsen lassen konnte.
Da es gängig war, Schüler zur Strafarbeit zu Hagrid zu schicken, beschwerte sich keiner; Harry, Ron, Hermine und Hagrid am allerwenigsten. Allerdings ließ es sich Remus nicht nehmen, ein ernstes Gespräch mit den dreien zu führen. Harry saß entnervt bei ihm im Büro und klopfte mit den Fingern auf die Tischkante, während Remus mit elegant auf den Händen aufgestütztem Kopf auf der anderen Seite saß und Harry geduldig ansah.
„Harry, zick nicht so rum! Ich weiß, dass ihr euch keine wilden Orgien erlaubt, aber ihr könntet trotzdem langsam anfangen, zu begreifen, dass ihr Teenager seid, die sich nicht einfach so zueinander aufs Bett legen oder sich im Schlafsaal der Mädchen treffen können, ohne, dass es jemanden wie Professor McGonagall entsetzt! Du tust so, als könntest du das gar nicht verstehen und das ist es, was mich stört!"
Harry seufzte: „Und wenn ich verspreche, dass so etwas nie wieder vorkommt? Ich seh es ja ein; das war ein bisschen blöd!"
„Ein bisschen, ja!" Remus nickte zufrieden und griff dann mit einer Hand in seine Schreibtischschublade, „Ich muss noch ein paar Tests benoten. Ich will dich nicht rauswerfen, aber es könnte langweilig werden!"
Harry zögerte. Wie er wusste oder vielmehr ahnte oder noch viel mehr hoffte, saßen Hermine und Ron im Gemeinschaftsraum zusammen und büffelten, da Ron ein paar Schwierigkeiten in Heiltränke bekommen hatte. Harry wünschte sich, dass die beiden endlich etwas in die Gänge kamen, doch Ron schien dummerweise beschlossen zu haben, dass es sinnlos war und hielt sich zurück. Wenn er sich jetzt zu ihnen setzen würde, stände er einer positiven Entwicklung nur im Wege.
In die Bücherei konnte er auch nicht. Noch nicht jedenfalls. Madam Pince machte Inventur in der Trank- und Lexikon-Abteilung und würde jeden umbringen, der sich ihr jetzt näherte. Harry hatte deswegen vor, sich nachts mit dem Tarnumhang hinzuschleichen.
„Hast du was dagegen, wenn ich einfach sitzen bleibe und ein paar Hausaufgaben mache?" fragte er und Remus sah auf. Er sah Harry eine Zeit lang einfach nur an und dann lächelte er: „Natürlich nicht. Hast du die Sachen hier?"
„Ja."
„Na, dann!" Remus schaffte Platz auf seinem Tisch zu machen und zauberte ihnen dann noch eine Kanne leckeren Sirup. Harry breitete sein Zeug für Fremdverwandlung aus und vertiefte sich in seine Aufzeichnungen. Remus grinste noch immer und hatte sich Mühe, sich auf seine Tests zu konzentrieren. Auch Harry brauchte ein bisschen, um wirklich bei der Sache zu sein. Es war einfach zu gemütlich, mit Remus hier zu sitzen und zu arbeiten. Es gab ihm das Gefühl, als wäre das selbstverständlich und richtig und darüber freute er sich.
Das Schlafengehen der anderen wurde Harry an diesem Tag arg lang. Seamus und Dean unterhielten sich noch endlos lang über ihre anstehende Doppelverabredung mit Padma und Parvati, wegen der Seamus, der sonst so eine große Klappe hatte, tatsächlich etwas aufgeregt war. Neville erzählte Harry und Ron von einigen neuen Entdeckungen aus der Trankforschung und verkündete ganz stolz, dass er Professor Vance bei der Zubereitung des Wolfsbanntrankes helfen durfte. Laut Neville war es so gut wie fertig und würde gut wirken, da sie etliche Zutaten neu kombiniert hatten. Endlich löschte Dean das Licht und kurz darauf schienen alle eingeschlafen. Harry rollte sich aus dem Bett.
„Was gibt es denn jetzt noch?" murrte die Fette Dame, als er am Portrait angekommen war.
„Verzeihen Sie! Ich komme später wieder!" flüsterte Harry.
„Na, toll! Dann weckst du mich wieder! Wo willst du überhaupt hin? Und wo bist du; ich seh dich nicht!"
Das ist ja auch Sinn der Sache!´ dachte Harry spöttisch und machte sich auf den Weg zur Bücherei. Er entdeckte den dicken Einband von „Wie man dem Tod entgehen kann ... vielleicht ... eventuell ... wenn man Talent und eine gute Portion Glück hat" und zog das Buch leise heraus. Er hockte sich mit dem Rücken an die Wand und schlug das Kapitel auf, das er wenige Tage zuvor entdeckte hatte:
„Bewahrung und Wiederherstellung:
Den Menschen machen drei Dinge aus: Körper, Geist und Seele.
Dass wir einen Körper haben, kann niemand leugnen; siehe Arme, Beine, Fleisch, Knochen und so; und unter Geist verstehen die meisten das Denken und die Gefühle eines Individuums, doch was genau die Seele darstellen soll, ist noch immer ungeklärt, also lassen wir sie hier erst einmal außer acht.
Damit unser Körper gesund bleibt müssen wir ihn pflegen; waschen, essen, Sport treiben; und das Verhältnis zwischen unserer Pflege und seiner Leistung ist äquivalent. Das Versagen der lebenserhaltenden Organe bedeutet den körperlichen Tod.
Unser Geist allerdings arbeitet, wie ich in zahlreichen Eigenexperimente herausfinden konnte, unabhängig von unserem Körper, also ist es nicht nur gut möglich, sondern eher höchstwahrscheinlich, dass der Geist erhalten bleibt, wenn der Körper längst aufgegeben hat.
Ein Geist kann ohne Körper existieren. Aber ein Körper ohne Geist ist eine leb- und wertlose Hülle.
Wenn es uns gelingt, den Geist in einer Form aufzubewahren, in der er uns nicht einfach abhauen kann, dann müssten wir in Verbindung mit einiger Zaubersprüche und –opfer in der Lage sein, den gestorbenen Körper daraus zu rekonstruieren."
Harry seufzte und rieb sich die Augen. Flamels Schreibstil war anstrengend und da es mitten in der Nacht war, fühlte er sich ziemlich überfordert. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass es mittlerweile ein Uhr durch war. Harry schüttelte den Kopf und sah wieder auf das Buch. Noch wollte er nicht aufgeben. Vielleicht kam Flamel ja gleich zum Punkt; bei ihm konnte es jeden Augenblick so weit sein. Oder auch nicht.
„Der Geist erinnert den Körper genug, um ihn noch einmal neu zu erschaffen; er braucht allerdings einen Anreiz dazu. Der Geist eines verstorbenen Körper ist faul und ich kann es ihm nicht verdenken. Er kehrt nicht einfach aus Lust und Laune zurück; wahrscheinlich kommt er noch nicht einmal auf die Idee.
Wenn sich aber jemand die Mühe macht, mit dem erhaltenen Geist in Kontakt zu treten und etwas für ihn zu opfern, dann müsste das Experiment zu schaffen sein.
Ich kann stolz sagen, dass es mir gelungen ist, mit dem Diurantae, einer Art Vakuum-Vorhang, ein ideales Gefäß zu kreieren, das den Geist eines Verstorbenen festhalten und somit seine geistige und körperliche Rückkehr zu garantieren."
Harry schloss die Augen und drückte das Buch an seine Brust. Endlich kam er voran! Endlich war von diesem vermaledeiten Vorhang die Rede!
„Verbunden mit den äskrolyptischen Molekülen eines Fäonerirs, wie man ihn nur in abgelegenen Gebirgsgegenden findet, stellt eine Fiassawurzel ein geradezu perfektes Gefäß dar, das, war man klug genug, es intensiv genug zu vierleizten, ..."
Harry legte das Buch zur Seite und sah einen Augenblick in die Dunkelheit außerhalb des zaghaften Lichtes seines Zauberstabes.
Dann dachte er ernsthaft darüber nach, ob es sich lohnen würde, diesen Schmu noch einmal zu lesen und beschloss, die Seite mit dem Fremdwörterteil zu überspringen. Er musste sonst ja jedes zweite Wort in einem Lexikon nachschlagen, das gerade noch nicht einmal zugänglich war. Also weiter auf den folgenden Seiten.
„So muss also nur eine gewisse Sehnsucht in dem aufbewahrten Geist geweckt, etwas Blut für ihn vergossen und ein paar Kerzen für ihn angezündet werden; kitschig, aber doch immer sehr wirkungsvoll; dann dürfte eigentlich keiner widerstehen können.
Was der wiederkehrende Geist allerdings mit der Seele anstellt, ob der wiederhergestellte Körper noch eine hat und wie diese beschaffen ist, das kann ich mir auch bei meiner ausufernden Phantasie nicht vorstellen. Auch hier geht wieder einmal Probieren über Studieren und ich bedauere, dass sich noch kein Mensch aus meinem Bekanntenkreis dazu bereit erklärt hat, seinen Geist nach seinem Tod mir zur Verfügung zu stellen."
„Wirklich unverständlich!" flüsterte Harry und gähnte herzhaft. Er überflog die folgenden Seiten, konnte sich aber nicht weiter konzentrieren. Und als er das zweite Mal weggenickt war, machte er sich schleunigst auf den Weg zurück ins Bett. Schließlich konnte er sich wesentlich angenehmere Dinge vorstellen als Madam Pince´ fieses Gesicht am Morgen, wie sie ihn zwischen den Regalen hervorzog, um ihn dann gleich Filch und seiner Folterkammer zu übergeben. Harry schlief ein, kaum, dass sein schwerer Kopf das Kissen berührte und er schlief mit dem guten Gefühl ein, etwas geschafft zu haben.
Etwa zwei Wochen später.
Hermine räusperte sich zum wiederholten Male und deutete mit ernstem Gesicht auf die Bücher, die lieblos ignoriert und definitiv nicht aufgeschlagen, wie sie es ihrer Meinung nach sein sollten, vor Harry und Ron lagen. Die beiden sahen ungeduldig auf und winkten beinahe synchron ab: „Wir haben Wichtigeres zu tun als dieses Phönixzeug!"
„Aber, Jungs! Ihr habt versprochen, dass die Hausaufgaben nicht darunter leiden!" protestierte Hermine und vermied dabei, Harry anzusehen, da er diesen Blick drauf hatte, der fragte „Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein?"
Ron seufzte: „Komm, Harry! Wir legen das mal zur Seite; wir stecken eh fest. Lass uns kurz Kampf gegen magische Geschöpfe machen und dann schauen wir noch mal rein!"
„O.K." Harry nickte ergeben und zog Newt Scamanders Ratgeber zu sich heran, während Ron langsam „Die Herren der Lüfte – Über Flügel, Schnäbel, Federn und Krallen" aufschlug.
Sie hatten bei Charlie alle möglichen und unmöglichen, fliegenden Wesen durchgenommen und sollten sich in der Hausaufgabe damit beschäftigen, wie gefährlich ungezähmte Phönixe sein können. Wie gefährlich ein Peruanischer Viperzahn-Drachen war hatten sie in der letzten Stunde herausgefunden, als Charlie mit Bills Hilfe einen dieser kleinen, aber angriffslustigen Viecher mitgebracht und auf sie losgelassen hatte. Hagrid war ganz begeistert von Charlies Lehrmethoden, während Dumbledore und McGonagall Charlie etwa jeden dritten Abend ins Direktorenbüro bestellten und ihn besorgt fragten, ob er vorhatte, die Schülerschaft nachhaltig zu dezimieren und, wenn ja, warum bloß.
„Also, eigentlich macht so ein kleiner Phönix doch nichts Schlimmes!" meinte Ron, woraufhin Hermine schnaubte: „Ein Phönix ist ein hochsensibles Tier. Er stärkt die Herzen der Lauteren und schlägt die der Unlauteren mit Angst. Wenn er erkennt, dass du tief in deinem Herzen Angst hast, wird er dir nicht zu Hilfe kommen! Wenn er spürt, dass du es nicht ernst meinst, könnte ein Flügelschlag, ein Blick von ihm tödlich sein!"
„Schon gut, du brauchst nicht schon wieder unter Beweis zu stellen, dass du alles besser weißt!" murrte Ron und Harry rollte genervt mit den Augen: „Übertreib mal nicht, Hermine! Ich bezweifle, dass Fawkes uns umbringen würde, wenn wir uns ein bisschen ängstigen, weil, sagen wir mal, ein Todesser vor uns steht!"
„Fawkes ist auch ein gezähmter Phönix. Es gelingt übrigens nicht oft, ein Exemplar zu bändigen. Aber der wilde Phönix aus dem Urwald würde, wenn man es schafft, in seine Nähe zu kommen, einmal müde lachen und so ziemlich jeder wäre dahin."
„Klingt abenteuerlich!" sagte Harry und notierte sich das. Er hatte sich im Laufe der Jahre abgewöhnt, alles, was Hermine von sich gab, noch extra nachschlagen zu wollen. Es war ja erfahrungsgemäß eh richtig. Hermine nickte zufrieden und widmete sich dann wieder ihren Unterrichtsmodellen und Stundenplänen, die sie für Zaubereischule entworfen hatte und auf die sie sehr stolz war.
„McGonagall wird begeistert sein!" sagte Harry mit einem Blick auf ihre komplizierten, ausgetüftelten Ideen, „Du hast es tatsächlich geschafft, sie nicht voll zu stopfen! Respekt!"
„Hier ist nicht Quantität angesagt, sondern Qualität!" meinte Hermine wichtig und tippte mit ihrer Feder nachhaltig auf den Tisch, „Was bringt es mir und meinen Schülern, wenn sie etliche Daten der Koboldkriege auswendig kennen und die Namen dieser Hutzeldinger, aber nicht verstanden haben, warum überhaupt gekämpft wurde? Nichts! Eine einmalige Prüfung und danach ist alles wieder vergessen. Aber wenn man im Unterricht mehr darauf eingehen würde, warum sich Urtlap und sein Bruder Uklap überhaupt gegen ihre Ober-Bolde aufgelehnt haben und die Schüler das selbst erforschen und erfahren lässt, bleibt mit Sicherheit viel mehr hängen!"
Ron und Harry sahen Hermine mit ungläubig geöffneten Mündern an. Schließlich brachte es Ron fertig, ganz vorsichtig zu fragen: „Sagst du also, dass Prüfungen und Tests unsinnig sind und abgeschafft werden sollten?"
„Naja, nicht völlig unsinnig. Als kleine Strafe könnten sie ganz nützlich sein. Aber man sollte doch mehr Wert auf das mündliche Unterrichtsgespräch legen, in dem man mit den Schülern Dinge erörtert, erklärt und nachvollzieht. Nachlesen kann man in Büchern doch immer." Hermine wollte sich ihrem Aufsatz zuwenden, doch dann sah sie noch einmal kurz auf: „Ich spreche hier übrigens von zukünftigen Schülergenerationen! Für uns sind Prüfungen und Tests lebenswichtig. Solange das Schulsystem noch nicht geändert wurde, und so etwas dauert Jahrzehnte, müssen wir in dem bestehen, das wir gerade haben und da gibt es noch Prüfungen!"
Harry nickte etwas betäubt und Ron kratzte sich am Kopf: „Du sagst „deine Schüler"! Wirst du jetzt also Lehrerin?"
Hermine errötete leicht und lächelte verlegen: „Vielleicht. Ich bin mir noch immer nicht sicher, aber Professor Lupin sagt, ich wäre gut darin!"
„Oh, das denke ich auch!" sagte Harry im Brustton der Überzeugung, „Und ich erzähle meinen Kindern später gerne, dass meine beste Freundin diejenige war, die die Prüfungen abgeschafft hat!"
„Ja, da werden wir tatsächlich stolz darauf sein, mit Hermine befreundet zu sein! Dass es einmal so weit kommt!" neckte Ron und er und Harry lachten. Hermine aber sah auf und hatte plötzlich Tränen in den Augen.
„Tschuldigung!" murmelte Ron ganz automatisch, ohne wirklich zu wissen, was los war.
Hermine schüttelte leicht den Kopf: „Ich ... ich bin so blöd!"
„Das wage ich zu bezweifeln!" widersprach Harry, „Was ist los?"
Hermine wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel: „Ich ... es ... es trifft mich nur irgendwie, wenn du sagst, dass du deinen Kindern später mal was erzählen wirst! Wo wir doch gar nicht wissen, ob ... es ein später gibt ... für dich ... für uns alle!"
Harry und Ron saßen wie vom Donner gerührt auf ihren Plätzen und schnappten nach Luft.
Harry fühlte sich wie ein Fisch, den man plötzlich brutal und ohne jegliche Vorwarnung aufs Trockene geworfen hatte und nun dort ersticken ließ. Hermine stand hastig auf, raffte ihre Sachen zusammen und rief noch „Das nächste Kapitel bei Flamel braucht ihr nicht lesen. Ich habe esgestern durchgearbeitet. Hier sind die Notizen! Viel Glück und lasst mich ein Weilchen in Ruhe, ja?" Dann rauschte sie davon und ließ die Jungen sitzen.
Harry war noch immer leicht schwindelig, als Ron leise sagte: „Mein lieber Himmel!" Sie sahen sich an.
„Also, lassen wir sie erst mal und suchen erst, wenn sie nicht zum Abendbrot kommt?" fragte Ron unsicher und Harry nickte: „Wenn sie doch ausdrücklich darum bittet. Ich glaube, das ist das Beste!"
„O.K." Ron klang einverstanden, aber nicht wirklich glücklich und vergrub sich wieder in sein Buch. Er und Harry arbeiteten noch eine Viertelstunde an ihrem Aufsatz für Charlie und wandten sich dann Hermines Notizen und dem Werk von Flamel zu. Harry strich über Hermines saubere Schrift und sagte lächelnd: „Schau mal: Sie macht erst Notizen und guckt dann, ob der Text überhaupt was taugt!"
„Ja!" Ron nickte, „Und dann schreibt sie so lustige Sachen an den Rand wie „Quatsch!" und „Sinnlos!"!"
Die beiden lachten leicht, dann sah Harry seinen Freund ernst an.
„Ah, Harry, bitte!" Ron wand sich etwas.
„Hast du auch ein bisschen Angst, Ron?"
„Nein, weißt du? Ich lebe ein glückliches, sorgenfreies, erfülltes Leben!" knurrte Ron aufgebracht und erinnerte Harry einen Augenblick an Sirius, wenn er schlechte Laune hatte, „Natürlich habe ich Angst! Angst um dich und Hermine und mich und meine Familie! Um die ganzen Leute hier und so, aber es bringt nichts, Angst zu haben, oder? Der Phönix würde mich sogar auslachen und damit um die Ecke bringen, wenn er das spitzkriegen würde!"
Ron lachte unmotiviert und Harry legte, einer plötzlichen sentimentalen Stimmung folgend, eine Hand auf seinen Arm: „Ich würd dich arg vermissen, wenn dir was passieren würde und ich bin froh, dass wir so eine schöne Zeit hatten!"
„Du meine Güte!" Ron schüttelte Harrys Arm ab und stand auf, seinen dicken Ordner wie ein Schutzschild vor die Brust gepresst, „Unsere schöne Zeit ist ja NOCH nicht vorbei! Also lass uns noch was draus machen! Ich geh mich schon mal umziehen fürs Training und du könntest auch mal wieder mitmachen! Nur, weil es dieses Jahr kein Quiddith-Turnier gibt, heißt das ja noch lange nicht, dass du faul und dick werden kannst! Gerade du nicht, mein Freund!" Ron stiefelte Richtung Tür davon.
Harry wandte sich etwas enttäuscht wieder seinen Büchern zu, da drehte Ron sich noch einmal um: „Harry? Ich bin auch froh! Um jeden einzelnen Tag! Auch um die, an denen wir uns gezofft haben!" Er schlüpfte durch die Tür und Harry grinste breit. Nachdem er die Tür eine Weile freudig angestrahlt hatte, nahm er Hermines Zettel zur Hand. Quidditchtraining schön und gut, aber das konnte er jetzt nicht liegen lassen. Vor allem nicht, weil auf der dritte Seite von fast 14 (Das musste sich mal jemand vorstellen: 13 ½ Seiten Stichwörter zu einem Text über gute 9 Seiten!) wortwörtlich stand „Genau was wir suchen!"
Er überflog den Anfang, las sich kurz ein und konzentrierte sich dann auf die Beschreibung der Möglichkeit, den bewahrten Geist wieder zu holen. Nachdem er, Hermine und Ron heraus gefunden hatten, DASS man den Geist und somit die Erinnerung an einen wieder rekonstruierbaren Körper bewahren konnte, war es ihnen ziemlich egal, WIE man das anstellen musste. Interessant war, wie man den Geist wieder heraus kriegte.
„Wenn es also so ein Vorhang ist ..." murmelte Harry und klopfte sich mit dem Bleistift an die Stirn, „ ... dann führt man ein Ritual durch, das ... Hermine, wo steht die Beschreibung! Aha!"
„ - um den Geist zurück zu holen, müssen die richtigen Worte gesprochen werden -sie müssen den Geist überzeugen und müssen von Herzen kommen -fallen einem nicht ein, wenn man ganz aufgeregt vor dem Vorhang steht -dafür Kerzen: die Anzahl der Kerzen muss einer für beide Personen wichtigen Zahl entsprechen und wenn die letzte Kerze brennt, erscheint eine Schrift, die die richtigen Worte formuliert - Wo? (Fußboden; Decke; Luft; Papier? Vielen Dank für so eine tolle Beschreibung!) -Blut: um zu beweisen, wie ernst es einem ist, um den Vorhang zu besänftigen und dem Ganzen eine gruselige Stimmung zu geben (typisch Flamel; so ein Spinner!) - Ritual NIEMALS! allein durchführen, da Verletzungen sehr tief und nachhaltig - Arme anritzen und Blutkreis um den gesamten Vorhang ziehen"
Harry runzelte die Stirn. Das sollte es gewesen sein? Blut, Worte und Kerzen? Und diese Warnung? War die auf Hermines Mist gewachsen oder stand es tatsächlich so im Buch? Sie klang auf jeden Fall sehr nach Hermine. Harry zuckte mit den Schultern und überlegte sich noch einmal die Einzelheiten.
Er brauchte Kerzen in der Anzahl einer für ihn und Sirius bedeutsamen Zahl.
„13!" fiel es Harry spontan ein, „Als ich 13 war, haben wir uns das erste Mal gesehen. Oder eher wieder gesehen!"
Er grübelte, was das wohl für Worte waren, die die Kerzen ihm aufzeigen sollten. Außerdem war nicht beschrieben, wie die Kerzen angeordnet sein sollten. Harry vermutete auch im Kreis; Flamel liebte das Klischee. Es war auch keine Reihenfolge angegeben.
„Erst bluten oder erst Kerzen anzünden?" fragte sich Harry halblaut und dachte, dass man das ja auch beides verbinden könnte. Wenn er die Kerzen rund um den Vorhang aufstellte und anzündete, konnte er bei der Gelegenheit ja auch gleich sein Blut verteilen.
Er saß noch einen Augenblick mitten in realistischen Planung versunken da, dann lief ihm ein kalter, übermächtiger Schauer durch den gesamten Körper und er musste sich an der Tischplatte festklammern. Er zitterte und sein Atem hatte sich arg beschleunigt. Jetzt stand er kurz davor. Nur noch wenige Meter trennten ihn von diesem Vorhang und Sirius, wenn er denn darin steckte und wenn es denn ein Aufbewahrungsteil von Flamel war.
„Oh, Sirius!" stieß er leise hervor und biss die Zähne zusammen, „Ich steht SO kurz davor! Ich glaube fest daran!"
Er las sich nochmals die Beschreibung des Rituals durch und ging in die große Halle, als sein Magen unnachgiebig knurrte. Er traf Ron und Ginny am Tisch. Beide waren frisch geduscht und rochen jeweils nach Kokosnuss und Pfirsich, was Harry noch mehr Hunger machte (Übrigens behauptete Ron immer steif, sein Shampoo würde nicht nach Kokosnuss riechen, sondern nach Wasserfall).
„Wie wars?" fragte Harry, als er sich setzte.
„Toll!" sagte Ginny mit glühendem Gesicht, „Aufreibend, auspowernd, schweißtreibend, schmerzhaft! Schlichtweg fantastisch!" Sie grinste übers ganze Geicht und Harry musste lachen. Er hörte Ron und Ginny geduldig zu, wie sie von ihren geschickten Angriffen und abenteuerlichen Stürzen erzählten und versprach Ron, dass er sich für das nächste Training, an dem Harry aufgrund eines Okklumentiktermins nicht teilnehmen konnte, seinen Feuerblitz ausleihen konnte. Ron wurde ganz aufgeregt und schwärmte ausgiebig von dem Besen, als Hermine zu ihnen kam. Ganz still umarmte sie erst Ron, dann Harry, setzte sich hin und als Ginny sie mit großen Hundeaugen anschaute, umarmte sie auch noch einmal lachend ihre Freundin.
„Alles klar?" fragte Harry, da Ron den Mund nicht mehr zu bekam und Hermine nickte: „Ja, vielen, vielen Dank!"
Während des Essens beschlossen die drei, dass sie Hermine vorsichtig auf Professor Walter ansetzen wollten, der ja schließlich im Ministerium gearbeitet hatte. Harry und Ron wollten weiterforschen, welche Nachwirkungen zu erwarten wären. Als Ginny merkte, dass sie nicht mitreden konnte, drehte sie sich etwas enttäuscht zu ihren Freundinnen, doch nicht einmal Harry konnte sich in seiner jetzigen angespannten Verfassung großartig darum sorgen.
Einige Tage später kam Hermine keuchend in den Gemeinschaftsraum gerannt, wo Harry und Ron mit Neville, Dean, Seamus und einigen Siebtklässlern zusammen saßen und Karten spielten.
„Harry, Ron, kommt mal mit!" Die beiden standen auf und machten Anstalten, Hermine zu folgen.
„Oh, Mann! Ihr zwei steht ja ganz schön unter dem Pantoffel!" lachte Seamus und Dean und Neville grinsten zustimmend. Ron wollte etwas erwidern, doch Hermine schickte den dreien einen ihrer berüchtigten, tödlichen Blicke und zog die Jungen fort: „Es ist echt wichtig!"
Sie gingen nach draußen aufs Gelände, um die verbleibende Zeit bis zur Ausgangssperre um fünf Uhr zu nutzen und Hagrid zu besuchen, und Hermine erzählte aufgeregt: „Professor Walter hat eine kleine Exkursion angesetzt! Wir gehen nächste Woche ins Zaubereiministerium!"
„Wow! Passt perfekt!" sagte Ron und Hermine runzelte die Stirn: „Ihr seid fixiert, wisst ihr das? Und fixiert sein auf etwas ist sehr gefährlich!"
„Wissen wir alles. Wer kommt noch mit?" Harry wedelte ungeduldig mit der Hand, „Besteht die Chance, dass Ron und ich mitkönnen?"
„Nein!" Hermine schüttelte abwehrend den Kopf, „Ihr seid nicht in seinem Politikkurs und dich Harry lässt Dumbledore garantiert nicht ins Ministerium zu diesen Schwachköpfen! Die bringen es noch fertig und verlieren dich! Außerdem würde Walter bei euch zu misstrauisch werden. Ich kann ja schließlich auch nicht direkt was über den Vorhang fragen, weil ich dabei gewesen bin und alle diese Geschichte kennen. Naja, zumindest die wirren Vermutungen der Zeitungen. Ich würde mich verdächtig machen, also habe ich anders herum angefangen und erst Sachen über Flamel gefragt. Interesse wegen des Artikels letztens und so. Dass der Vorhang wahrscheinlich wirklich Flamel gehört hat, hat Walter ja selbst gesagt, aber sicher ist er nicht. Vielleicht verlaufe ich mich einfach, wenn wir im Ministerium sind und lande wieder ... dort ... und dann muss er mit einer Erklärung rausrücken!"
Hermine nickte fest und stapfte energisch vorwärts über den unfreundlichen gefrorenen Boden. Ron rieb geschäftig die Hände gegeneinander: „Gut, und wenn du erfährst, dass der Vorhang so ein Geistesgefäß ist, wann schlagen wir dann zu?"
„In den Ferien?" fragte Harry, „Schließlich lassen die uns während der Schulzeit doch nicht weg!"
Hermine lachte leicht tadelnd: „UNS lassen sie sowieso nicht weg! Die Welt ist ein Schlachtfeld, jede Straße ist gefährlich und Harry ist derjenige, der uns alle retten soll! Wir werden bewacht wie Schätze! Das einzige, was wir machen können, ist ganz offiziell abhauen. Also würde ich auch sagen, wir nehmen die Ferien! Es sind ja auch nur noch drei kurze Wochen."
„Offiziell abhauen!" Ron nickte, „Könnte von den Zwillingen sein! Oh, die haben übrigens geschrieben, aber ich konnte den Brief noch gar nicht lesen." Er zog einen schmutzigen, verknitterte Umschlag aus seiner Manteltasche und öffnete ihn.
„Lies vor, ja?" bat Hermine.
„Hallo Ron und Harry und Hermine!
Ihr hängt zu Recht ganz gespannt über einem Brief von den erfolgreichsten Geschäftsinhabern der Winkelgasse. Und, wie wir stolz hinzufügen möchten, auch den beliebtesten. Ja, das Leben tut uns noch immer nur Gutes. Demnächst werden sogar zwei Schulhinschmeisser in einen exklusiven Klub aufgenommen! Sie können es kaum erwarten, endlich mitzuspielen! Hey, Harry! Ist ja nicht wahr, oder? Wir haben herausgefunden, wer die Karte gemacht hat und warten auf Bestätigung, um uns triumphierend jubelnd aufs Bett schmeißen zu können: M. ist unser guter Professor und T. unser aller Lieblingshund, den wir nie vergessen werden (Wie geht's dir denn da so? Bist schön tapfer, gell!). Aber wer sind die anderen beiden Herren? Bitten um baldige Aufklärung. Ist ja ne ganz dolle Geschichte! Wir haben übrigens eine Freundin. Richtig gehört: Eine. Wir dachten, das wäre vielleicht netter für sie, da sie uns eh nicht auseinander halten kann. Allerdings trauert Fred ja noch immer ein bisschen Angelina hinterher! Und jetzt schlägt er mich, weil ich das geschrieben habe. Wahre Bruderliebe, nicht? Wie sehen eure Tage denn so aus? Viel lernen und so? Ach, ja! Wir vermissen es nicht gerade, allerdings haben wir gerade erst letztens, als wir Mum besuchten und einen Kuchen backen sollten, festgestellt, dass wir nicht mehr so gut lesen können und so die Anleitung dummerweise nicht richtig verstanden haben. War aber witzig, sich aus der Küche rauszufressen.
Wir schicken viele Grüße und seid lieb zu Micha (Eule)! Tut nichts, was wir nicht auch tun würden (- Wink mit dem Zaunpfahl! Hoffentlich spielt ihr ein paar saftige Streiche! Schließlich kann ja nicht alles an dem guten Lee hängen bleiben!)!
Macht es besser!
Fred und George, deren neues Lebensmotto lautet: Zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen! Also, auf ein Neues!"
Ron steckte lachend den Brief weg.
„Oh, ich liebe die beiden!" keuchte Hermine und wischte sich Lachtränen aus dem Gesicht.
„Ich auch!" bekräftigte Harry, „Wir müssen ihnen heute Abend gleich schreiben! Ich wusste ja, dass sie es rauskriegen!"
„Hallo, Hagrid!" rief Ron laut, als ihr großer Freund ihnen entgegen gestapft kam.
„Na, geht's euch allen gut?"
„Bestens! Wie geht's den Rehen?" erkundigte sich Ron.
„Fressen viel und sind etwas misstrauischer geworden. Liegt am Winter." gab Hagrid bereitwillig zur Auskunft, „Ich geh grad rüber zu Charlies Drachen. Hab versprochen, ihn zu füttern, wenn er oben im Schloss ist um die Essenszeit. Hab ganz leckere Sachen für ihn. Wollt ihr sehen?" Erschrocken wichen sie vor dem dicken, unförmigen Sack zurück, aus dem Blut tropfte.
„Nein, danke!" keuchte Hermine und presste die Hand vor den Mund.
„Was wurde denn eigentlich aus all deinen Hippogreifen, Hagrid?" wollte Ron wissen und gemeinsam gingen sie das Stück zum Drachengehege.
„Die waren ein bissel traurig, dass Seidenschnabel gegangen ist und dann wollten sie wieder fort. Kommen aus dem magischen Zoo in Liverpool und die waren eigentlich froh, sie los zu sein. Naja, wo der Mensch halt sein Zuhause hat, nich? Oder eben das Tier! Naja, jedenfalls geh ich Grawpy gleich besuchen. Magst du mitkommen, Hermine? Vier Jungens aus der Siebten wollten ihn auch mal sehen. Lee Jordan und ein paar Freunde. Wollen mir helfen, die Guten. Ich bring euch dann nachher hoch zum Schloss. Sind auch zum Abendessen um halb sieben wieder da."
„Klingt gut, Hagrid!" sagte Hermine.
„Wir müssen leider zurück, Hagrid!" sagte Harry bedauernd, „Wir haben noch einen Aufsatz und wir haben versprochen, Ginny ein bisschen zu helfen. Die sechste macht doch jetzt Hippogreife bei euch."
„Ja, aber nur Theorie. Ist echt öde. Mal gucken, ob ich nicht wenigstens einen noch mal aus dem Zoo ausleihen kann." brummelte Hagrid, „Geht schon klar. Ihr sollt fleißig lernen! Aber morgen könnt ihr mal auf einen Tee vorbeikommen. Hab auch Remus und die Kleine eingeladen."
„Die Kleine?"
„Meta!"
„Oh, Hagrid, nenn sie doch nicht so!" sagte Hermine leicht empört, doch Hagrid winkte ab: „Die ist zäher, als wir alle glauben! Die hat eine dicke Haut. Sie und Remus sind von derselben Sorte: still und schweigsam, aber haben es faustdick hinter den Ohren."
Hagrid lachte tief und grollend und auch Harry und seine Freunde grinsten. Mittlerweile standen sie am Drachengehege und Hagrid warf blutige Klumpen in die Luft, die der Viperzahn kurz mit selbst produzierter Flamme röstete und dann verschlang.
„Er würd ja lieber jagen, aber ich mag nicht zu viele Hasen aus dem Wald opfern. Die armen Tierchen haben auch schwere Zeiten vor sich! Wird immer eisig im Winter im Verbotenen Wald." erklärte Hagrid und wischte sich die blutigen Hände an seiner riesigen, eben noch fast blütenweißen Schürze ab, „Ja, ja! Damals hatten wir´s schon echt schön! Wie oft haben die Bengel bei mir gesessen und Tee getrunken und Kekse gemampft! Dein Vater, Harry, und Sirius und Remus und diese stinkende Ratte!"
Hagrid spuckte einmal aus und fuhr dann sanfter fort: „Haben uns immer gut verstanden. Das waren liebe Burschen. Aufsässig und viel zu neugierig, aber sie hatten das Herz am rechten Fleck; das steht fest! Von mir haben sie damals den ersten Schluck Feuerwhiskey gekriegt ... oh, wenn McGonagall das rauskriegt, zieht sie mir noch heute dafür die Ohren lang! Naja, man war ja noch jung damals und unerfahren! Ich war ja so froh, dass ich noch Freunde auf der Welt hatte. War ja schließlich nicht immer einfach als Wildhüter hier auf der Schule, wo sie mich doch eigentlich lieber hatten rauswerfen wollen."
Hagrid nickte gedankenversunken und als er den letzten blutigen Fetzen an den Drachen verfüttert und diesem eine gute Nacht gewünscht hatte, brachten er und Hermine Harry und Ron zum Tor, wo sie die Siebtklässler abholen wollten.
„Sirius hat ja immer versucht, dass man´s nicht merkt, dass er ein ganz lieber Kerl ist, aber James hat man´s auf hundert Meter Entfernung angesehen! Der reinste Sonnenschein, als er noch klein und süß war. Klar konnte er auch sauer werden; wenn um Ungerechtigkeit ging oder wenn jemand seine Freunde beleidigt hatte, aber sonst immer fröhlich, immer nett, immer zu Scherzen aufgelegt!" Hagrids Tonfall wurde leicht sehnsüchtig, ebenso wie Harrys Stimmung, „Ich hab ja erst später erfahren, dass der kleine Lupin ein Werwolf ist. Ich dachte, der wär halt öfter krank; gibt's ja. Aber das hat mich echt geschockt. War das erste Mal seit Jahren, dass ich wieder die Bücherei von Hogwarts betreten hab, um was nachzulesen. War ´ne Zeit lang nicht so gerne im Schloss. Aber ich bin hingegangen und hab mich schlau gemacht. Man weiß ja nichts über Werwölfe. Oder besser, was man weiß, is falsch. Und den netten Jungen wollt ich mir ja nu´ nicht madig machen lassen, versteht ihr? War einer der Klügsten und Fleißigsten, die mir je unter gekommen sind. Hat immer gelesen und gelernt. Selbst, wenn sie nur zu meiner Hütte spaziert sind, hat er ein Buch mitgeschleppt. Und für mich hatte er immer was Interessantes zu erzählen: von den Pflanzen hinter meinem Haus oder von den neusten Drachen-Forschungs-Ergebnissen. Wirklich ein ganz lieber, der sich immer gekümmert hat!"
Harry lächelte. So war Remus ja schließlich heute noch, auch wenn er nicht überall ein Buch mit sich herumtrug.
„Ja, ach, war schon schön damals!" sagte Hagrid noch einmal und reckte sich, wobei seine Knochen knackten, „Viel Erfolg dann noch, Harry, Ron! Hallo, Lee! Kann´s losgehen?"
„Hallo, Hagrid! Wir sind bereit!"
„Glaube ich weniger!" flüsterte Ron und rief ihnen laut hinterher: „Viel Spaß und bis später!"
Hermine winkte noch einmal und Harry und Ron machten sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum. Oben im Flur trafen sie Remus, der doch tatsächlich ein aufgeschlagenes Buch in den Händen hielt und höchst aufmerksam las, weswegen er im Begriff war, gegen eine Statue zu rennen.
„Remus!"
Er sah auf, änderte die Richtung und begrüßte sie freundlich, ohne sich des nur knapp abgewendeten Zusammenstoßes bewusst zu werden: „Hallo, ihr beiden! Na, was habt ihr vor?"
„Hausaufgaben, wie es sich gehört!" sagte Harry tugendhaft und lächelte ihn so lieb an, wie er konnte. Er hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen, dass sie die Geist-Bewahrungs-Vorhang-Forschung so völlig ohne Remus´ Wissen betrieben. Seit Remus am Fuchsbau angekommen war, hatten sie schließlich ein gutes Verhältnis zueinander aufgebaut, das auf gegenseitigem Vertrauen basierte. Er mochte das Gefühl nicht, Remus etwas so Wichtiges zu verheimlichen. Er hatte sich daran gewöhnt, die Dinge mit ihm zu besprechen. Aber hier war es nicht wirklich angebracht, Remus komplett einzuweihen. Die Sache würde ihm zu nahe gehen und ihn wahrscheinlich fertig machen.
Remus erwiderte sein Lächeln: „Na, dann wünsche ich euch viel Erfolg! Mögt ihr das hier mitnehmen und Alicia, Katie und ihren Freundinnen geben? Es sind ihre korrigierten Hausaufgaben. Dann muss ich nicht extra hoch in den Turm. Unser Unterricht in der nächsten Woche fällt nämlich aus. Einmal ist da die Exkursion ins Ministerium, an der die Hälfte meines Kurses teilnimmt und außerdem haben wir dann auch schon wieder Vollmond."
„Schon?" fragte Harry verwirrt und Remus nickte. Harry und Ron sahen sich an. Sie hätten beide nicht gedacht, dass sie schon wieder in einen Monat rumhatten. Das lag wahrscheinlich an der intensiven Arbeit über den Vorhang. Wenn man schließlich nur auf den nächsten Augenblick wartete, den man unbehelligt in der Bücherei mit einem Buch auf den Knien verbringen konnte, verlor man tatsächlich ein wenig das Zeitgefühl.
„Wie läuft es diesmal ab?" fragte Harry und wurde von Remus geschockt, als dieser sagte: „Jakob hat sich angeboten, mir Gesellschaft zu leisten, bis es los geht und er wird mich am nächsten Morgen zur Schule bringen."
Harry und Ron bleib der Mund offen stehen: „Jakob?"
„Ja!"
„Sie mögen ihn nicht!" Ron fühlte ich verpflichtet, Remus daran zu erinnern, doch dieser winkte ab: „Leute, ihr habt euch da was in den Kopf gesetzt, das einfach nicht stimmt. Wir kommen bestens miteinander klar. So, müsst ihr nicht weiter?"
„Er will uns loswerden, siehst du?" fragte Harry Ron und dieser nickte: „Weil da was faul ist! Na, wir kriegen´s eh raus! Bis morgen im Unterricht, also!"
„Bis morgen, Remus!"
Die beiden wandten sich um und stiefelten mit den Aufsätzen für die Mädchen der siebten Klasse unter den Armen davon.
Von dem Ausflug im Ministerium kam Hermine mit hochroten Wangen zurück. Sie traf Harry und Ron im Gemeinschaftsraum. Die beiden hatten gerade geduscht, da sie Quidditch gespielt hatten und lümmelten sich nun in eine Ecke in zwei Sessel; eingewickelt in dicke Pullis und mit dampfenden Tassen in den Händen. Es wurde immer kälter und ungemütlicher draußen. Es herrschte ein aufdringliches Nieselwetter und der Wind pfiff gnadenlos um die Ecken. Obwohl es mittlerweile Anfang Dezember war, war von winterlichem Schnee noch weit und breit nichts zu sehen.
„Hallo! Ist kein Platz mehr am Kamin frei?" Hermine blieb vor ihnen stehen und sah missmutig Richtung Kamin, wo sich eine Gruppe Zweitklässler breit gemacht hatte.
„Schmeiß sie doch raus! Du bist doch Schulsprecherin!" schlug Ron vor und pustete in seine Tasse.
„Ach, was! Hier ist es auch O.K.!" Hermine sah sich suchend um.
„Kein Sessel mehr für dich?" fragte Harry und grinste breit, „Kannst dich ja zu Ron setzen!"
Während Ron rot anlief und Harry entgeistert ansah, machte Hermine ein trotziges Gesicht: „Mach ich auch!"
Jetzt keuchte Ron einmal und rückte so hektisch von der Lehne weg, auf der Hermine Platz nahm, dass er etwas Kakao verkleckerte.
„Also, ich hatte einen echt interessanten Tag!" sagte Hermine und Harry und Ron machten sich auf eine längere Rede gefasst. Hermine zauberte sich schnell auch noch einen Kakao und legte dann los: „Professor Walter hat uns die verschiedenen Abteilungen gezeigt und alle zu erledigen Arbeiten erklärt. Er weiß über echt alles Bescheid! Übrigens viele Grüße von deinem Dad, Ron, und von Kingsley und Tonks! Als sie hörten, dass Hogwarts-Schüler kommen, sind sie alle mal wieder zur Arbeit gegangen. Wir haben mit ihnen Mittag gegessen; Alicia, Angelina, Katie, Lee, Milo und ich."
„Wer ist Milo?" fragte Ron wie auf Kommando und Harry verkniff sich ein Lachen.
„Lees Freund. Der große Blonde, gegen den ihr auf dem Dach von den Drei Besen gekämpft habt. Ist ganz nett. Jedenfalls hab ich mich viel mit Tonks unterhalten. Sie ist total happy, dass sie noch mit River zusammen ist. Für Kingsley wird es langsam schwer, seinen Unterricht und seine Aurorenarbeit zu managen. Und dein Dad ist immer noch voll im Stress. Er schläft fast gar nicht und sieht auch genau so aus, aber er hat sich gefreut, mich zu sehen." Hermine lächelte und nahm einen Schluck Kakao. Die Jungen schwiegen und sahen sie ruhig an.
„Hallo!" sagte plötzlich eine leise Stimme und erschrocken fuhren sie herum. Ginny stand etwas verlegen vor ihnen: „Wie wars im Ministerium, Hermine? Hast du Dad getroffen?"
„Ja! Er schickt dir ganz liebe Grüße und einen Kuss!" sagte Hermine warm und lächelte Ginny an. Ginny grinste und schlackerte ein wenig mit den Armen: „Danke! Na, dann gute Nacht!"
„Gute Nacht, Ginny!"
„Schlaf gut!" Harry sah sie an und fühlte, wie ihr Anblick ihm durch und durch ging. Wie sie da stand; etwas unsicher, zaghaft und müde. Er lächelte sie an und freute sich, als sie es erwiderte, bevor sie nach oben ging.
„Konzentrieren wir uns!" sagte Ron und Hermine stieß ihn in die Seite. Harry fühlte sich ertappt und drehte sich mit rotem Kopf wieder zu ihnen. Etwas zu hastig fragte er: „Und was hast du nun über den Vorhang heraus gefunden?"
„Also, wir sind in die Mysteriumsabteilung gegangen, um uns sie Gerichtsräume anzuschauen. Die sind ja echt gruselig. Naja, wir sind natürlich nicht in ... diese Räume gegangen, aber ich bin der Gruppe „versehentlich abhanden gekommen" und ... wieder im Raum mit den Gehirnen gelandet und dann habe ich mich wirklich verlaufen. Professor Walter hat mich gleich gesucht und ... ach ..." Hermine brach ab und schluckte schwer. Sie schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht: „Es war nicht schön, wieder da zu sein! Es sah alles noch genau so aus und ... ich musste ständig daran danken, wie wir ... und welche Angst ich hatte! Und dann musste ich denken, dass ... ganz vielleicht ... Sirius sich in meiner Nähe aufhält. Oder zumindest sein Geist und ich ...da konnte ich nicht mehr!"
Jetzt liefen Hermine Tränen über die blassen Wangen und Ron legte zögernd einen Arm um sie. Hermine schniefte und zupfte aus ihrer Tasche ein Taschentuch. Harry starrte dumpf vor sich hin. Er hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie er sich fühlen würde, wenn er plötzlich wieder da stehen würde, wo vor ungefähr sechs Monaten Sirius gefallen war. Gefallen und nicht mehr zurückgekommen. Er hatte diesen Gedanken bisher erfolgreich verdrängt.
Hermine räusperte sich und redete tapfer weiter: „Auf jeden Fall hat Professor Walter mich gefunden. Ich hab ... ein bisschen weinen müssen und da hat er sich erstmal zu mir gesetzt und mich getröstet. Ich musste nicht sofort zurück zu den anderen. Ohne, dass ich ihn fragen musste, hat er gesagt, dass er etwas nachgeforscht hat und dass er mir jetzt hundertprozentig sagen kann, dass der Vorhang Flamel gehört hat und dass dieser ihn noch vor seinem Tod dem Ministerium überlassen hat. Die haben ... irgendwelche Experimente damit gemacht. Mit ... Leuten, die von Dementoren geküsst wurden und so. Nichts Schönes. Und fragt mich nicht, zu welchem Zweck. Ich hab so getan, als würde ich mich damit ablenken wollen und hab ganz eifrig gefragt, was man denn mit dem Vorhang machen kann. Professor Walter hat nichts gemerkt und mir ganz bereitwillig erzählt, dass Flamel den Vorhang entwickelt hat, um die Geister der Toten aufzuheben. Er sagte wortwörtlich: Wer stirbt und im Augenblick seines Todes durch diesen Vorhang gebracht wird, dessen Geist kann so aufbewahrt werden, dass er nicht verloren geht."
„HA!" Harry sprang auf und schleuderte dabei seine Tasse zu Boden. Sie zersprang trotz des Teppichbodens ob der Wucht und der Kakao ergoss sich zu ihren Füßen. Harry stand inmitten der Scherben und zitterte. Er hatte die gesamte Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen.
„Wir haben es geschafft!" flüsterte er Ron und Hermine aus den Mundwinkeln zu, „Wir werden es schaffen und ihn zurückholen!"
„Harry, hast du dir sorgfältig das Kapitel in Flamels Buch, wo es um die Beschaffenheit der Zurückkehrenden geht, durchgelesen?" fragte Hermine zischend.
„Ja!" Harry winkte ab, doch Hermine erhob sich nun ebenfalls: „Tu es noch mal! Lies es dir fünfmal durch, bis du alles ausschließen kannst! Und dann geh zu Professor Lupin!"
„WIE BITTE?" schrie Harry und wieder sahen alle zu ihm und Hermine, die leicht den Kopf einzog, doch jetzt von Ron moralische Unterstützung erhielt: „Jetzt kannst du´s ihm sagen, Harry! Jetzt hast du alles herausgefunden! Er wird dir helfen!"
„Schwachsinn!" brüllte Harry und ballte die Fäuste. „Schwachsinn!" sagte er noch mal leiser und trat näher an seine Freunde heran, „Ich werde ihm nichts sagen! Kein einziges Wort! Er könnte damit nicht umgehen!"
„Was glaubst du, Harry?" fragte Hermine, „Was denkst du über den Vorhang? Glaubst du, er bewahrt seinen Geist und wird ihn bei dem Ritual wieder freigeben?"
„Ja!" sagte Harry fest.
„Dann sehe ich keinen Grund, warum du Professor Lupin nicht einweihen solltest! Was sollte ihn denn fertig machen, wenn es keine Zweifel gibt!" Hermine brauchte all ihre Kraft, um nicht laut zu werden. Ron nickte: „Harry, er ist dein Freund und er war ... oder ist Sirius´ Freund! Er hat ein Recht darauf!"
„Nein!" Harry schüttelte wild den Kopf, „Nein! Ihr kennt ihn nicht so, wie ich ihn kenne! Er würde es mir ausreden und verbieten wollen! Er hätte zuviel Angst!"
„Wie kannst du dir da so sicher sein! Du hast sie gesehen! Du hast gesehen, wie sie waren. Früher, als Freunde! Sie hätten alles füreinander getan! Und Professor Lupin ist noch immer bereit, alles für seinen Freund zu tun!" sagte Hermine eindringlich.
„Er würde sich einlesen wollen und er würde garantiert einen Fehler finden!" widersprach Harry, „Ich muss es allein versuchen!"
„Allein machst du schon mal gar nichts, mein Freund!" brauste Ron auf und senkte mühsam die Stimme, „Du wirst es nicht im Alleingang versuchen, sondern mich und Hermine mitnehmen! Hast du mich verstanden?"
Harry sah Ron aufgebracht an: „Nur, wenn ihr mir versprecht ...!"
„Ich verspreche dir gar nichts! Denk doch nach, Harry! Was ist das letzte Mal passiert, als du ..?"
„Komm mir nicht damit, Hermine! Verdammt noch mal!" schrie Harry und ging ein paar Schritte von seinen Freunden weg, „Komm mir nicht damit! Und haltet euch zurück! Wenn ihr irgendjemandem etwas sagt, dann schwöre ich euch: Ich geh mit dem Umhang alleine!"
Er wandte sich um und stürzte die Treppe hoch.
„Ron!" Hermine sah verzweifelt zu ihm, „Rede mit ihm! Sag ihm ...!"
„Ja, natürlich! Reg dich wieder ab! Ich mach das schon ... irgendwie!" Mit grimmigem Gesicht räumte Ron die Scherben vor den Sesseln weg und stupste Hermine dann kurz an: „Mach dir nicht so viele Sorgen!" Hermine sah zu Ron hoch und obwohl der ganze Gemeinschaftsraum zu ihnen hinstarrte, hatten beide im Moment nur Augen für den jeweils anderen.
„Gut, mach ich!" flüsterte Hermine und Ron nickte wie hypnotisiert. Dann machte er sich eiligen Schrittes auf den Weg in seinen Schlafsaal.
„Alles klar, Hermine?" rief Katie aus einer Ecke herüber.
„Was?" Hermine drehte sich um, „Äh, ja. Alles in Ordnung! Danke!" Noch leicht verwirrt ging auch sie.
„Harry?" Ron stand unsicher vor dem Bett seines Freundes. Die Vorhänge waren zugezogen. Zögernd nahm er einen Zipfel in die Hand, doch dann ließ er ihn wieder los.
„Harry?" fragte er noch einmal, doch wieder kam keine Antwort. Resigniert wanderte Ron zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen. Keine Minute später sprang er auf, als hätte ihn etwas gebissen. Er hechtete zu Harrys Bett und riss den Vorhang auf.
„Hey!"
Erleichtert atmete Ron auf, als Harry ihn wütend aus seine Kissen heraus anstarrte.
„Ich ... ich dachte, du wärst weg!" sagte Ron und Harry setzte sich auf: „Ehrlich?"
Ron glitt neben ihm aufs Bett und nickte: „Ja! Du warst so sauer!"
„Ich war nicht sauer!" Harry wiegte etwas den Kopf, „O.K., war ich, aber ich ... ich will doch nur, dass es funktioniert! Überleg dir mal, Ron: Bald habe ich ihn wieder!"
„Ja, wenn das Ritual klappt!" wagte Ron einzuwerfen, doch Harry wurde nicht böse: „Es muss einfach klappen!"
Ron schlug ihm auf die Schulter und stand auf: „Ich schlaf jetzt! Du auch?"
„Ja!"
„Harry? Überlegst du es dir wenigstens mal; das mit Remus Lupin? Ich glaube schon, dass er dir helfen würde!"
Harry runzelte die Stirn: „Ich weiß nicht so recht! Er hat andere Sorgen. In zwei Tagen ist Vollmond. Und, Ron, wenn es nicht funktioniert ... Ich will nicht sehen, wie traurig er wäre!"
Ron seufzte: „Das verstehe ich ja, aber ich dachte, es wäre einfacher für dich und für uns alle, wenn er uns hilft!"
„Ich werde darüber nachdenken!"
