Weichenstellung

Kingsley und Hagrid wanderten stumm über das Gelände. Sirius folgte ihnen.

„Shaklebolt, wer ist bei Ihnen?" bellte eine Stimme durch die Schwärze der Nacht.

„Rubeus Hagrid, Lehrer und Wildhüter dieser Schule!"

Eine kleine, drahtige Gestalt näherte sich den beiden: „Wir haben alles abgesucht, aber wir konnten ihn nicht finden!"

Kingsley macht ein milde beeindrucktes Gesicht: „Ich habe meine Bedenken schon geäußert, Ruphus! Bei dem Durcheinander im Ministerium ist garantiert eine Verwechslung zustande gekommen und ..."

„Wir erklären Sie sich dann, dass der Junge eindeutig bedroht wurde? Und zum Kamin geschwebt ist er ja auch nicht! Das war dieses Monster, Shaklebolt, das sage ich Ihnen! Und wenn Sie nicht so einfach verschwunden wären, ohne Bescheid zu geben, wohin es Sie diesmal zieht, dann hätten wir ihn schnappen können!"

„Wie auch immer, Kollege! Ich habe jetzt noch zu tun! Suchen Sie Ihre Einheit und nerven Sie mich nicht!" sagte Kingsley unwirsch und der Auror stapfte davon. Sie kamen bei der Hütte an, betraten sie und verriegelten sie sorgfältig.

„Sirius, wo bist du?"

„Hier." kam eine leise Stimme aus der Ecke. Kingsley steuerte vorsichtig auf den Sessel zu, ging davor in die Knie und starrte angestrengt in die Luft vor ihm: „Sirius?"

„Ja?"

„Wie zum Teufel hast du das angestellt?"

„Ich habe gar nichts angestellt. Das war Harry!"

„Liebe Güte!" Kingsley schüttelte den Kopf und streckte dann eine Hand aus. Er spürte, wie sie von einer anderen, die er nicht sehen konnte, ergriffen wurde.

„Es wirklich schön, dich wieder bei uns zu haben!" sagte er und Sirius´ Stimme erwiderte: „Es ist wirklich schön, wieder hier zu sein!"

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Meta saß an Harrys Bett und betrachtete ihn besorgt. Er war kreideweiß im Gesicht und total schlapp und leblos.

„Das kommt nur von dem Blutverlust! Er hat keine Verletzungen oder Gifte im Körper! Nur ein bisschen Blutverlust!" redete Madam Pomfrey unaufhörlich, womit sie, da war sich Meta sicher, vor allem sich selbst beruhigen wollte. Denn es war nicht ein bisschen Blutverlust, sondern eine ganze Menge und Harrys Körper war dementsprechend geschwächt.

„Wir sollten ihn in ein Extrazimmer legen, Poppy!" ertönte Dumbledores Stimme von dem Gemälde an der Wand.

„Meinen Sie, Professor Dumbledore?" fragte Meta und wiegte den Kopf, „Er wird froh sein, neben Hermine zu liegen! Da können sie sich unterhalten!"

„Ich habe meine Gründe, Meta! Glaub mir! Es ist besser, wenn Harry irgendwo liegt, wo er ganz allein und ungestört ist und vor allem ungestört Besuch empfangen kann!"

„Ja, natürlich!" rief Madam Pomfrey, die von McGonagall mittlerweile aufgeklärt worden war, und wedelte ungeduldig mit den Armen, „Besuch, ja , selbstverständlich!"

„Häh?" machte Meta und wurde von der Schulkrankenschwester beiseite geschoben.

„Ich richte die Rumpelkammer für ihn her!"

„Die Rumpelkammer? Professor, tun Sie etwas! Sie will Harry in einen Abstelltraum stecken!" sagte Meta empört und musste mit ansehen, wie Madam Pomfrey Harry aus seinem Bett hoch- und auf die Besenkammer zuschweben ließ. Diese wurde von ihr mit einem Wink geöffnet, leer geräumt, gesäubert und eingerichtet. Als Meta das große, weiche Bett, die Besucherstühle und die warme Farbe an den Wänden sah, murmelte sie: „O.K., O.K.! Ich sag ja nichts mehr!"

Harry wurde wieder ins Bett gesteckt, bekam einen fies riechenden Trank eingeflößt und dann wandte sich Madam Pomfrey Meta zu: „Was machen Sie eigentlich noch hier?"

Meta holte tief Luft und wollte gerade zu einer leidenschaftlichen Verteidigungsrede ansetzen, als Dumbledore laut lachte: „Sie pflegt die Leichtverletzten, scheint mir!"

Meta wurde rot und noch viel röter und bestürzter, als Dumbledore schadenfroh grinsend verkündete: „Du hast vergessen, meine Liebe, dass in Emmeline Vance´ Büro ein hübsches Bild der Zauberer-Universität von London hängt! Und nun häng doch bitte das lustige Bild mit dem Nilpferd in Harrys neues Zimmer, damit ich immer nach ihm sehen kann!"

Meta tat verschämt, wie ihr geheißen. Dumbledore schreckte das schlafende Nilpferd auf, lachte sich darüber halb tot und wurde dann wieder ernst: „Poppy, da Sie schon Bescheid wissen, möchte ich Sie bitten, sich einfach weiter um ihre Patienten zu kümmern. Ich werde Miss Rosenstein einmal die neue Lage erläutern!"

„Natürlich!" Madam Pomfrey ging hinaus und Meta nahm gähnend auf einem der Stühle vor Harrys Bett Platz: „Was gibt's denn noch? Verraten Sie mir nun endlich, wer Harry so verletzt hat?"

„Er selbst, Meta!"

„Was? Warum sollte er denn ...? Er hat nicht versucht ... NEIN, Schwachsinn!"

„Nein, hat er nicht und jetzt beruhige dich, denn es kommt viel schlimmer! Harry hat eine Möglichkeit gefunden, Sirius Black wieder ins Leben zurück zu holen!"

Dumbledores Worte standen einige lange Augenblicke im Raum. Als Meta sie endlich verstanden hatte, lachte sie: „Was? Das ist ja ... das ... ist ... Haben Sie ihn gesehen?"

„Nein, aber wo du es gerade erwähnst: Ich werde eben bei Hagrid vorbeischauen und nachgucken! Bis gleich!"

Dumbledore verschwand und Meta blieb nichts anderes übrig, als völlig entgeistert zu Harry zu starren.

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„Die Frage ist jetzt, wem wir wann davon berichten!" sagte Dumbledore wichtig und schritt auf der Brücke, die das Gemälde in Hagrids Hütte zeigte, auf und ab.

„Weiß Harry denn, dass es geklappt hat?" fragte Kingsley und Sirius schüttelte den Kopf.

„Sirius, denk bitte daran, dass wir dich nicht sehen können!"

„Oh, Entschuldigung! Ich glaube nicht. Er war bewusstlos, als ich ... dazukam!"

Dumbledore verschränkte die Arme hinter dem Rücken und runzelte die Stirn: „Also wird er der Erste sein, der es erfährt! Naja, jedenfalls der Nächste. Meta weiß jetzt auch Bescheid!"

„Meta?" Auf Sirius´ Frage antwortete erstmal niemand. Dann klopfte Dumbledore nachhaltig auf das Geländer der Brücke: „Später, Sirius, später! Wir haben Probleme zu lösen! Natürlich müssen Ron und Hermine Bescheid bekommen. Die beiden wussten von Harrys Plan, das Ritual durch zu führen. Ginny und George Weasley haben Sirius als erste gesehen. Minerva und Poppy wissen es ebenfalls."

„Nun, Remus muss das doch wissen, Professor Dumbledore, Sir!" polterte Hagrid, der vor Freude einige Schnäpschen gekippt hatte und dementsprechend laut war, „Der gute Remus ... er wird völlig ausflippen!"

„Und deswegen sollten wir ihm erst Bescheid geben, wenn er wieder vollkommen genesen ist!"

„Was hat er denn?" brauste Sirius auf und dem lauten Rumsen zu urteilen, war er aus seinem Sessel gesprungen.

„Es war Vollmond, Sirius. Gleich darauf hat jemand ihn gefoltert und er hat eine Silbervergiftung!"

Aus Sirius´ Ecke war ein unterdrücktes Schniefen gefolgt von einem Fluch zu hören.

„Die Schüler werden morgen größtenteils abreisen. Wer bleibt, weiß vom Orden. Da wären die ganzen Weasleys und natürlich Harry und Hermine. Wir haben einige Schüler im Krankenflügel, die erst in zwei Tagen nach Hause geschickt werden können. Ich denke, eine offizielle Versammlung im Hauptquartier wäre wohl das Beste, um Sirius´ Rückkehr zu erklären. Und zwar, bevor sich irgendwelche verqueren Gerüchte verbreiten können!"

„Hauptquartier?" fragte Sirius schwach und als Dumbledore nickte, fuhr er wütend auf: „Ich setze keine Fuß in dieses verfluchte Gebäude!"

„Sirius, du solltest es jetzt mal sehen! Es ist fast hübsch geworden!" warf Kingsley locker ein und hob sein Glas, das Hagrid breit grinsend vollgeschenkt hatte.

„Tatsächlich?" fauchte Sirius.

„Ja, tatsächlich!" sagte Dumbledore fest, „Und um dich zu beruhigen, Sirius: Du wirst dort nicht wohnen müssen!"

„Nein?" Sirius´ Stimme klang ehrlich erstaunt.

„Nein!" Dumbledore lächelte, „Das möchte ich weder dir noch uns anderen antun! Ich denke, wir werden einen Weg finden, dich hier an der Schule ..." Er wurde von einem heiseren Jubelschrei aus Sirius´ Ecke unterbrochen. Hagrid und Kingsley lachten.

„Darf ich fortfahren? Danke! Ich denke, es wird uns möglich sein, dich hier an der Schule zu verbergen. Die Tatsache, dass du dich in einen Hund verwandeln kannst, ist lediglich uns und den Todessern bekannt, also dürfte das keinen Grund mehr zur Besorgnis darstellen! Wie wäre es, wenn du Hagrids neues Haustier wirst?" Dumbledore fand die Idee wirklich witzig und Hagrid schlug sich auf die Schenkel vor Lachen: „Das wäre ne ganz tolle Idee, Professor Dumbledore, Sir! Ich würd mich gut um den Kleinen kümmern!"

„Hm. Kann ich nicht Harrys Hund sein?"

„Sirius, wie willst du erklären, dass Harry von heute auf morgen einen Hund hat? Nein, nein. Hagrid schleppt hier am laufenden Band irgendwelche Viecher an. Da fällst du gar nicht auf!"

„Also, erstmal bin ich kein Viech! Und außerdem falle ich wohl auf, weil Hagrids Viecher alle irgendwas Eigenartiges an sich haben." protestierte Sirius.

Kingsley gluckste: „Wir könnten dich ja verzaubern, so dass du fliegen kannst oder Seifenblasen pusten!"

„Kingsley, sind Sie etwa betrunken?"

„Angetrunken, Herr Direktor, ja! Ich habe heute meinen letzten Arbeitstag als Auror gehabt und auf den Schreck gönne ich mir jetzt mal was!"

Dumbledore machte ein verständnisvolles Gesicht: „Das tut mir leid, Kingsley!"

„Ist halb so wild! Da haben Tonks und ich und garantiert auch Arthur viel mehr Zeit für den Orden! Immerhin arbeitet Moody noch für sie. Er ist übrigens vorhin mit den anderen Auroren angekommen." Kingsley sah in der Tat nicht allzu unglücklich aus, „Und, hey: Wenn wir erstmal gegen Voldemort gewonnen und die Welt gerettet haben, werden sich alle um uns reißen, nicht?"

Aus Sirius´ Ecke ertönte ein zustimmendes Lachen. Dumbledore grinste: „Nun, wenn Sie das so sehen möchten! Zu schade, dass ich nicht mit Ihnen anstoßen kann!"

„Im dritten Stock bei den Klassenräumen für Verwandlung und Zauberkunst gibt es eine schicke Brauerei auf einem Holzstich!" ließ sich Sirius vernehmen.

„Danke!"

„Wann kann ich zu Harry? Und wann kann ich Remus sehen?"

„Geduld, Sirius, Geduld! Jetzt haben wir keinerlei Grund mehr zu hetzen! Schlaf dich heute Nacht hier bei Hagrid aus, frühstückt morgen ordentlich und dann kommt rüber ins Schloss!"

Dumbledore schwieg einen Moment, dann scholt er: „Und zieh nicht so ein Gesicht!"

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Am nächsten Morgen wurden die Schüler im Schloss wieder mit Musik geweckt. Aber diesmal ließ Meta eine sanfte, friedliche Melodie spielen. Als die Jungen in Rons Schlafsaal alle auf den Beinen standen, halfen sie sich gegenseitig beim Umziehen. Neville beispielsweise hatte einen eingegipsten Arm, damit auf der bevorstehenden Zugfahrt seine fast wieder zusammengewachsenen Knochen nicht wieder brachen und hatte ganz erhebliche Probleme mit seiner Hose. Dean und Seamus sahen etwas zerschrammt aus und sie taumelten, wenn sie auf einem Bein standen, um ihre Socken anzuziehen, ungeschickt hin und her. Beide hatten sich das Trommelfell verletzt, deswegen hörten sie schlecht und hatten keinen nennenswerten Gleichgewichtssinn.

Ron streifte sich gerade sein Hemd über, als eine Durchsage zu hören war: „Guten Morgen, liebe Schüler! Das Frühstück findet wie üblich in der großen Halle statt. Ich bitte euch, jetzt herunter zu kommen, damit später genug Zeit bleibt, um euer Gepäck zu packen und mit den Kutschen nach Hogsmeade zu fahren. Der Zug fährt zeitig um 10 Uhr. Ich bitte euch, dieselbe Ruhe und Sorgfalt an den Tag zu legen wie gestern und euch und eure Lehrkräfte nicht unnötig aufzuhalten. Wer zur Behandlung noch einmal in den Krankenflügel muss, begibt sich sofort nach dem Frühstück dorthin. Bitte helft und unterstützt euch gegenseitig!"

Ron sah seine Klassenkameraden an. Dean verzog das Gesicht und rubbelte sein rechtes Ohr, während Neville Seamus anschrie, um ihm zu erklären, was angesagt wurde. Schließlich zuckte er mit den Schultern und nahm seine beiden Freunde einfach an den Armen und führte sie zur Tür: „Kommst du mit deinen Brüdern nach, Ron?"

„Ja, bis gleich!"

Als die drei draußen waren, setzte sich George zu Ron aufs Bett: „Na, wie geht's dir?"

„Ganz O.K.! Ich hab ziemlichen Hunger! Aber am liebsten möchte ich gleich zu Harry und Hermine!"

George stützte sich seufzend mit den Händen auf seinen Knien ab: „Geh, wenn alle weg sind, ja? Sonst werden nur Dutzende dumme Fragen gestellt. Am besten verziehst du dich nach dem Frühstück zu Hagrid und nimmst Ginny gleich mit. Dann fällt den anderen nicht auf, dass ihr nicht packt!"

„Na, gut! Aber wenn die anderen in den Kutschen sitzen, gehe ich sofort zu ihnen!" George nickte.

„Wo sind Mum und Dad?"

„Mum schläft bei Ginny und Dad ist mit River und Flitwick noch ewig lange durch die Schule gelaufen, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Ich weiß nicht, ob er zum Schlafen gekommen ist!"

„Guckst du mal nach ihm?"

„Klar! Und jetzt ab zum Frühstück!" Sie machten sich auf den Weg in die große Halle. Schon auf den Treppen merkte man deutlich, dass die Stimmung gedrückt war. Die Schüler schlichen geradezu umher, fast an jeder Ecke stand ein weinender Erstklässler und alle sahen blass und mitgenommen aus.

„Oh, Mann, jetzt bräuchten wir Hermine!" meinte Ron leise.
„Oder mich!" meldete sich eine Stimme hinter ihnen und Ginny schritt energisch auf sie zu, „Ich habe alles im Griff!"

Schon war sie an ihnen vorbei, Colin und dessen Bruder Dennis im Schlepptau, und steuerte die erste Gruppe aufgelöster Schüler an. Sie beruhigte sie mit wenigen Worten und schickte sie zum Essen, damit sie sich gleich dem nächsten Schüler annehmen konnte, der weinend auf der Treppe saß. Ron und George nahmen ihrerseits ein paar verloren wirkende Schüler unter ihre Fittiche und geleiteten sie zum Essen.

In der großen Halle war es so still wie sonst nur bei einer Rede des Schuldirektors. Dessen Fehlen hatte die Schüler zusätzlich verunsichert und dass Professor McGonagall arg weiß im Gesicht aussah trug ebenfalls nicht zur allgemeinen Besänftigung bei.

Ron setzte sich und bemerkte, dass ihn so gut wie alle Schüler anstarrten.

„Alles O.K. hier?"

Ein paar schauten weg, andere schüttelten kaum merklich den Kopf. Rons seufzte und ging ein paar Schritte weiter zu einem Jungen aus der zweiten Klasse, der unheimlich zitterte.

„Kann ich dir etwas Gutes tun? Vielleicht erst einmal einen Tee für die Nerven?" Ron schenkte ihm Tee ein und klopfte ihm ein bisschen auf die Schulter. Gegenüber saßen drei Mädchen, die aussahen, als würden sie am liebsten ihr Frühstück wieder ausspucken.

„Wenn euch übel ist, dann geht raus auf die Toilette. Ihr bekommt im Zug immer noch genug Essen, wenn ihr dann wieder Hunger habt!"

Tatsächlich machten sich zwei auf den Weg und bedachten Ron mit dankbaren Blicken.

Zwei Stühle weiter begann ein Mädchen zu weinen, zu schreien und um sich zu treten. Ron half ihren zwei Freunde, sie erst einmal fest zu halten und kippte ihr schließlich Wasser ins Gesicht.

„Hey! HEY! Hörst du mir bitte einmal zu? Ruhe bewahren! Das hat in solchen Fällen schon immer geholfen!"

„Ich will nach Hause!"

„Du fährst nach Hause! Heute Abend bist du bei deiner Familie zu Hause in deinem Zimmer und in deinem Bett! Und dann schläfst du dich aus und erholst dich und dann wirst du staunen, wie gut es dir geht! Gleich nach dem Frühstück gehst du deine Sachen packen und mit deinen Freunden zum Zug und wenn du dann drin sitzt, sind es nur noch wenige Stunden!" Sie hörte Ron mit leicht geöffnetem Mund zu, was ihre Kumpels nutzten, um schnell etwas zu essen.

„Im Zug gibt es dann leckere Süßigkeiten, mit denen du dich voll stopfen kannst, bis dir schlecht wird! Und ich habe gehört, in London soll es geschneit haben! Wie hört sich das an?"

„G-gut!"

„Na, siehst du! Dann sei jetzt mal noch eine halbe Stunde ruhig, übersteh das Frühstück und dann wirst du beschäftigt sein!" Sie nickte und Ron ging weiter, da auf der gegenüberliegenden Seite ein Stück weiter wieder jemand in Tränen ausbrach: „Ich wollte sie so gerne noch mal sehen, bevor ich heimfahre, aber ich darf nicht in den Krankenflügel!"

„Entschuldigt mich bitte!" Ron umrundete den Tisch, an dessen Ende er mittlerweile angekommen war und setzte sich neben den Jungen, der so bitterlich weinte.

Er wurde schon länger vom Lehrertisch aus beobachtet. Dort steckten die Professoren Sprout, Sinistra und Madam Hooch die Köpfe zusammen.

„Schau sich einer das an! Daran erkennt man die besten Leute: Wenn es hart auf hart kommt, sind sie da!"

„Minerva sollte ihn im nächsten Jahr unbedingt zum Schulsprecher ernennen! Im letzten Jahr war seine Leistung als Vertrauensschüler nicht wirklich das, was man erwarten konnte, aber seht euch das an!"

„Der Junge macht sich! Ein bisschen heraus aus dem Schatten seiner beiden Freunde und schon läuft es!"
„Obwohl er ja sehr verloren aussieht! Wie ein halber Mensch!"

„Das ist wahr!"

Ron frühstückte wenig und betrachtete dabei unauffällig die Schüler und seine Lehrer. Ginny und die Creevey-Brüder waren noch immer notfallmäßig unterwegs und so schmierte Ron seiner Schwester ein Brötchen; das hatte er jetzt seit gut acht Jahren nicht mehr getan.

Parvati und Lavender kamen gerade zur Tür herein, winkten Ron über den ganzen Tisch hinweg zu und setzten sich zu Dean und Seamus welche noch keine vernünftige Unterhaltung führen konnten. Als sich seine Klassenkameraden etwas später zum Aufbruch bereit machten, stand Ron schnell auf und eilte zu ihnen. Er hatte das starke Bedürfnis, sich von ihnen zu verabschieden. So stark, dass es ihm ziemlich unnormal vorkam, aber was sollte es schon?

„Ich wünsch euch eine gute Fahrt und kommt bitte alle wieder!"

Parvati sah ihn an: „Du kommst nicht mit?"

„Haben wir eigentlich gewusst!" sagte Lavender und hakte Seamus unter, der gerade sehr ins Straucheln geriet, „Wir kommen wieder, Ron! Pass gut auf die Schule auf, während wir weg sind!"

Neville klopfte Ron auf die Schulter: „Machs gut! Erhol dich! Und grüß Harry und Herminevon uns allen! Hab die Ferien über ein Auge auf Harry!"

„Hab ich immer!" sagte Ron mit leicht krächzender Stimme und fühlte sich gerührt. Dann setzte er sich Fred und George, die ihn interessiert beäugten.

„Na, vertrittst du die gute Hermine?"

Ron runzelte die Stirn und nahm sich ein Stück von Georges geschnittenen Äpfeln.

„Geht schon in Ordnung, Ron! Wir sind ja alle heil davon gekommen! Und deine Leute kommen im Januar wieder und bis dahin steht die Welt wieder gerade!" Fred sah sehr optimistisch aus, was vielleicht oder eher höchstwahrscheinlich an der mit Angelina verbrachten Nacht lag. George war sehr still und betrachtete Ron nachdenklich.

„So, ich denke mal, ich geh jetzt und suche Ginny! Wir gehen zu Hagrid und nachher in den Krankenflügel. Da ich mich da auch nicht wieder rauswerfen lasse, bis Harry und Hermine wieder auf den Füßen stehen, werdet ihr mich dort den ganzen Tag antreffen!"

„O.K.!" Fred widmete sich wieder seinem Müsli.

„Ron, Tatze ist bei Hagrid!" sagte George leise und Ron zuckte zusammen. Dann nickte er mit zusammengebissenen Zähnen: „Gut!"

Er stiefelte durch die Eingangshalle, verabschiedete ein paar Ravenclaws, die er vom Quidditch her kannte und die seltsamerweise auch fest damit rechneten, dass er blieb, und fand schließlich Ginny, die bei einigen Klassenkameradinnen auf einer Treppe saß.

„Hey, hast du noch viel zu tun?"

Ginny sah auf: „Ich gehe gleich und helfe ein paar Erstklässlern beim Packen."

„Hilfst du uns auch, Ron?" Ein stupsnasiger Junge aus der ersten Klasse schielte zu ihm hoch und hinter ihm nickten vier seiner Freunde heftig.

„O.K.." Ron konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, „Treffen wir uns hier unten wieder, Ginny?"

„Ja!"

„Geh nicht ohne mich weg!" Ron ließ sich von dem Jungen am Arm nehmen und fortziehen.

Nachdem er mit den Kleinen gepackt und ihnen gut zugeredet hatte, schnallte er sich etliche Tornister um den Leib und geleitete sie zurück in die Halle. Er setzte sie fürsorglich in die Kutsche, verstaute ihre Gepäckstücke, wünschte eine gute Reise und machte sich dann auf den Weg zu Eingangshalle.

Er stob gegen den Strom und auf merkwürdige Blicke hin fragte er scheinheilig: „Hat jemand Ginny gesehen?" Er traf sie wie verabredet in der Halle und die beiden verschwanden unbemerkt Richtung Hagrids Hütte.

„Mach dich auf einiges gefasst!" murmelte Ron und als Ginny etwas zu schrill sagte „Ich bin vollkommen bereit!" schoss Ron zurück: „Ich meinte mich!" Sie schwiegen ein paar Schritte, dann reichte Ron seiner Schwester die Brote: „Hier! Ich hab dir was zu essen gemacht, weil dich die Kleinen ja vom Frühstücken abgehalten haben!"
„Danke!" Ginny lächelte ihn an und verschlang sofort die Käsesemmeln. Vor Hagrids Hütte, die in neuem Glanz erstrahlte; mit neuen, sauberen Dachziegeln und –rinnen ausgestattet; hielten sie. Ron klopfte zaghaft an und sofort war Hagrids polternde Stimme zu hören: „Komme!" Er öffnete ihnen und riss Ron augenblicklich in seine Arme: „Ron, ist das schön! Du siehst fit aus!"
„Tatsächlich?" keuchte Ron und rieb sich die schmerzenden Rippen.
„Im Gegensatz zu dir Hagrid!" sagte Ginny leicht tadelnd.

„Hab einen klitzekleinen Kater!" griente Hagrid und zog sie dann grob ins Innere der Hütte.

Ron und Ginny sahen sich unsicher um. Schließlich entdeckten sie in einer Ecke auf einer weichen, flauschigen Decke einen riesigen, schwarzen Hund, der gerade aufwachte und sie dann fragend beäugte. Ginny schluckte und machte ein paar Schritte auf den Hund zu und wieder weg. Ron verschränkte erst einmal die Arme vor der Brust.

„Na, komm schon, Schnuffel! Verwandel dich! Hier wollen dich zwei begrüßen!" schnarrte Hagrid und goss Tee auf. Der Hund streckte sich und stieß dabei einen leisen, jaulenden Ton aus. Er schüttelte sein struppiges Fell und dann beobachteten Ron und Ginny, wie dieses eine hellere Farbe annahm. Der Körper des Hundes wurde länger. Und nach etwa fünf Sekunden kniete Sirius auf der Decke am Boden und erhob sich ächzend: „Hallo, Ron! Hallo, Ginny!"

Ginny schluchzte trocken auf und streckte zitternd die Hand nach Sirius aus. Er ging ganz langsam auf sie zu, als würde er sich einem Einhorn nähern, dass er nicht verschrecken wollte. Endlich stand er vor ihr, so dass Ginny mit den Fingern gegen seine Brust stoßen konnte.
„Du bist wirklich!" flüsterte sie und Ron, der damit rechnete, dass sie jeden Augenblick nach hinten umfiel, trat etwas näher und hielt die Arme bereit. Doch Ginny blieb stehen und nachdem sie Sirius ein paar Sekunden nur angesehen hatte, machte sie nun den letzten Schritt auf ihn zu und schlang ihre Arme um ihn. Ron und Sirius waren beide gleichermaßen erstaunt, doch Sirius fasste sich und legte ungelenk seine Arme um Ginny. Sie weinte ein bisschen in sein Hemd und ließ ihn dann los, damit Ron ihn begrüßen konnte. Sirius legte ihm eine Hand auf die Schulter und Ron erwiderte seinen leicht unsicheren Blick mit einem festen Nicken.

„Na, seht ihr mal! Alles wieder in allerbester Ordnung, wie?" Hagrid reichte ihnen Tee, schubste Sirius, den er anscheinend meinte bemuttern zu müssen, auf einen Stuhl und nahm selbst auf einer riesigen Holzbank Platz.

„Neu, die Bank?" fragte Ron und probierte einen Schluck Tee, der ihm prompt die Zunge verbrannte.
„Ja, von Kingsley! Nett, nich?"

„Sieht schick aus, Hagrid!" sagte Ginny warm und setzte sich dicht neben Sirius, als wollte sie sich vergewissern, dass er mittlerweile kein Geist geworden war. Sirius seinerseits heftete seinen Blick an Ron und drehte seine Tasse in den Händen. Ron stand am Fenster und biss auf seine verbrannte Zunge.

„Nehmt ihr Schnuffel gleich mit ins Schloss? Er muss doch nach Harry und Lupin sehen!"

„Klar!"

„Falls wir noch jemanden treffen, bin ich Hagrids Hund, O.K.?" sagte Sirius leise und Ron nickte. Hagrid musste kichern: „Dumbledore sagt, ich soll sagen, nach dem Schrecken wegen dem Angriff hab ich mir schnellstens einen Hund gekauft! Er sagt, das fänden alle sicher witzig!" Ginny, Ron und Sirius mussten lachen: „Das tun sie bestimmt!"

Nach dem Tee machten sich die drei auf den Weg. Sirius verwandelte sich in den Hund zurück und ließ sich von Hagrid mit leicht säuerlichem Blick und nicht ohne einmal ungehalten zu knurren ein Halsband umlegen.

Es war mittlerweile beißend kalt und die schweren Wolken sahen aus, als wollten sie sich im nächsten Augenblick von ihrer Last befreien und die ganze Erde mit Schnee bedecken. Ein scharfer Wind wehte. Die Wipfel der Bäume waren eingefroren und das Gras steinhart.

Sirius streckte die Nase in die kühle Luft, schnappte ein bisschen und bellte.

„Nicht! Ich weiß nicht, ob schon alle Schüler weg sind! Und es wäre wohl besser, wenn dich niemand sieht!" wies ihn Ron angespannt zurecht.

„Ron, er genießt es nur, wieder an der frischen Luft zu sein!" verteidigte Ginny den Hund.

Ron brummte etwas Unverständliches und öffnete dann eine Seitentür zur Eingangshalle. Sie gingen durch die nun schülerleere Schule in den Krankenflügel, wo Madam Pomfrey sie in Empfang nahm: „Hallo, ihr Lieben! Ich habe mich schon gefragt, wann ihr wohl kommt! Eure Mum ist da und will euch sehen!" Sie schob die beiden ohne Widerspruch zu dulden in ihr Büro und raunte dem Hund zu: „Harry liegt in der alten Abstellkammer!" Sirius bellte einmal und tapste dann hastig davon.

„Hallo, Mum!"

„Ron! Ginny!" Sie drückte die beiden an sich, als hätten sie sich nicht erst gestern gesehen, „Habt ihr gut geschlafen?"

„Geht so!"

„Habt ihr gefrühstückt?"

„Ja. Mum, ich will mal nach Hermine sehen, ja?"

„Dann geh, mein Lieber!" Mrs. Weasley wedelte energisch mit den Händen. Ron verließ das Büro und bahnte sich den Weg durch die Krankenbetten durch zu Hermines Lager. Sie lag schlafend in den weißen, sterilen Kissen, doch sie sah wesentlich frischer und kräftiger aus als gestern. Ron strich ihr kurz über die Schulter.

Der Krankenflügel war voller als üblich. Etliche neue Betten waren dazugestellt worden und improvisatorische Blickschutzwände waren dazwischen gestellt. Es roch nach verschiedenen Tränken und Kräutern. Außerdem schien sich ständig ein leichter Dunst durch den Raum zu ziehen.

„Ah, Ron, da bist du ja!" Mr. Weasley stellte sich neben seinen Sohn.

„Hallo, Dad! Hast du mittlerweile etwas geschlafen?"

„Ein wenig! Aber ich lass mich jetzt nicht zu Bett schicken. Ich muss erstmal was essen. Und dann sagte Dumbledore, dass wir noch jemanden willkommen heißen müssen. Er wollte dafür eine Sitzung in London einberufen. Schließlich sind River, Moody, Jakob, Kingsley, Tonks und ein paar andere heute morgen zurück ins Hauptquartier. Du weißt, worum es geht, nehme ich mal an?"

Ron nickte und senkte den Blick: „Aber wenn Dumbledore dir nicht gesagt hat ..."

„Oh, ich wollte dich nicht fragen und in eine unangenehme Lage bringen! Also, du findest mich in der Küche, wenn etwas ist!"

„O.K., Dad!"

Mr. Weasley entfernte sich und Ron blieb auf seiner Liege sitzen. Er überlegte sich, dass er Sirius vielleicht etwas Zeit mit Harry allein lassen wollte und begann, nachdem er es sich gemütlich gemacht hatte, Hermine zu beobachten.

„Das wird wieder, Junge! Ich kann verstehen, dass du sehr erschrocken bist, aber das wird wirklich wieder!" Professor Flitwick war neben ihn getreten.

„Sind Sie sich da hundertprozentig sicher?" fragte Ron zweifelnd, „Sie konnte gestern nicht zaubern!"

„Es gibt einen Zauber, der die magischen Kräfte hemmt, aber der hält höchstens eine Woche!" sagte Flitwick zuversichtlich, während Ron die Augen aufriss: „Eine Woche? Oh, Hermine wird ausrasten!"

„So, jetzt machen Sie mal Platz, Filius! Lassen Sie den Profi ran!" Professor Vance schob den kleinen Mann resolut beiseite und flößte Hermine einen süßlich riechenden Trank ein.

„Mr. Weasley, Sie können helfen! Geben Sie ihrer Freundin diesen Trank, bis er leer ist! Hier ist der Kessel. Und hören Sie auf mich: Sie wird wieder gesund! Und munter und wie vorher, aber vergessen Sie den Trank nicht!"

Ron nickt müde und nahm ihr den Becher ab.

„Immer rein damit! Keine Gegenwehr dulden! Das wird sie schocken, aber danach müsste sie sofort wieder auf den Beinen sein!"

000

Harry schlief noch immer und rührte keinen Muskel. Sirius saß an seinem Bett, hielt die kalte, blasse Hand seines Patensohnes und sah ihn an. Er stöhnte, reckte den Hals und massierte sich mit der freien Hand den Nacken. Er fühlte sich zunehmend schlechter. Seine Brust war wie eingeschnürt und er konnte nicht ohne Schmerzen atmen. Ihm war übel und kalt und langsam glaubte er ihnen, dass er wirklich richtig tot gewesen war; sein Körper fühlte sich tatsächlich so an.

Sirius griff nach seinem Glas auf dem Nachttisch und trank einen Schluck. Das Wasser schmeckte nicht gut. Es kam ihm rauchig und trocken vor; und tot. Zitternd stellte er das Glas ab.

Harry bewegte sich kurz und Sirius sah hektisch zu ihm. Doch Harry wachte nicht auf. Er drehte sich nur schwerfällig und tief seufzend auf die Seite. Sirius strich ihm eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn und zog die Decke etwas höher.

Plötzlich flog die Tür auf und Sirius zuckte zusammen. Remus stand schwankend im Türrahmen und war kreideweiß im Gesicht. Die Ringe unter seinen Augen waren dunkler als sonst, er stand gekrümmt da und presste die rechte Hand auf den linken Unterarm. Er starrte den Mann an Harrys Bett an. Das Zimmer lag etwas im Düsteren und er verengte die Augen. Seine Hände zitterten und er atmete schwer. Sein Herz pumpte und dachte gar nicht daran, sich zu beruhigen.

Er machte einen Schritt, doch er konnte nicht weiter. Er erkannte Sirius an der Art, wie er da auf dem Stuhl kauerte; den Rücken gebeugt, die Ellenbogen auf den Knien und den Kopf etwas gesenkt. Seine langen Haare fielen an den Seiten seines schmalen Gesichts herab und seine schwarzen Augen waren auf Remus gerichtet. Langsam erhob er sich und bewegte sich ein wenig auf Remus zu. Dieser wich einen Schritt zurück und streckte abwehrend den rechten Arm aus: „Nein ... du bist nicht ... Du bist gestorben!"

„Ich weiß, Moony, aber ich bin wieder gekommen!"

Remus schluchzte und schlug die Hand auf den Mund. Sirius ging auf ihn zu und jetzt wich Remus nicht mehr zurück. Im nächsten Augenblick lagen sie sich in den Armen. Sirius drückte den zitternden Remus an sich und dessen Tränen flossen kühl über seinen verspannten Nacken. Remus presste sein Gesicht an Sirius´ Schulter und schlang die Arme um seinen Freund. Nach etlichen Minuten lösten sie sich voneinander.

„Komm, Remus, setz dich zu mir!" Sie nahmen jeder an einer Seite von Harrys Bett Platz und Sirius nahm wieder Harrys Hand.

„Wie lange schläft er jetzt schon?" fragte Remus und wischte sich die letzten Tränen vom Gesicht.

„Seit gestern. Er ist völlig fertig!"

„Verständlich!" Remus strich Harry kurz über die zugedeckte Schulter, „Er ist also tatsächlich in die Ministeriumsabteilung und hat dich ins Leben zurückgeholt!"

Sirius lachte leicht und nicht besonders freudvoll: „Ihm muss ganz schön was an mir liegen!"

„Er wäre beinahe durchgedreht, als du ... fort warst!" Remus sah zur Decke und fasste fest die Stuhllehnen an, als hätte er Angst, den Halt zu verlieren, „Ich auch! Es war schrecklich! Ich war ... wieder da, wo ich vor 15 Jahren war. Geschockt, fassungslos und mal wieder völlig allein! Ich wusste nicht ..." Wieder stiegen ihm Tränen in die Augen und er legte eine Hand übers Gesicht.

„Es tut mir Leid, Remus! Ich habe das Gefühl, dass ich euch ständig allein lasse!"

„Naja, " Remus lachte trocken, „Aber du kommst immer wieder! Da kann man sich auf dich verlassen. Du bist im wahrsten Sinne des Wortes nicht tot zu kriegen!"

„Nein, das bin ich nicht!" Über Sirius´ Augen legte sich ein Schatten, „Aber zeitweise war ich es. Und langsam fühle ich das auch. Mein Körper ist ... ich kann dir das gar nicht richtig beschreiben."

„Ich glaube, ich kann es trotzdem verstehen."

„Ja, natürlich! Die Hälfte der Last dieser Welt trägst du auf deinen Schultern und von der anderen Hälfte hast du gelesen." Sie lachten leicht.

Sirius sah ihn an: „Hast du nichts davon gewusst? Hat er dir nicht gesagt, was er vorhat?"

Remus schoss ihm einen Blick zu, als würde er angegriffen werden, doch dann wurden seine Augen traurig: „Nein, hat er nicht!"

„Wahrscheinlich wollte er dich nicht aufregen! So kurz nach Vollmond und ... so!" meinte Sirius. Remus nickte.

Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, ergriff Sirius wieder das Wort und sagte, indem er Remus´ Hand über Harrys Bett weg nahm: „Jetzt sind wir wieder zusammen, Moony! Zwei Rumtreiber, die zusammen gehören!"

Remus lächelte leicht und drückte Sirius´ Finger: „Ja, wir kommen irgendwie nicht voneinander los!"

Sie schwiegen wieder und Sirius ließ Remus´ Hand los, um sich wieder zurücklehnen zu können. Als Harry sich regte, sahen beide zu ihm. Er drehte sich, ohne die Augen zu öffnen auf seine linke Seite; Sirius zugewandt. Remus seufzte: „Hoffentlich geht es ihm bald besser!"

„Bestimmt! Er ist zäh!"

„Weißt du, er ist doch anders als James!"

Sirius sah ihn fragend an: „Meinst du, James hätte das nicht für mich getan?"

„Er hätte es tun wollen, doch ich bezweifle, dass er es geschafft hätte, verstehst du? Er war so unbesonnen und unvorsichtig wegen seines herausragenden Talentes. Harry hat, höchstwahrscheinlich mit Hermine und Ron, intensiv daran gearbeitet. Er hat alles über diesen Vorhang und das Ritual herausgefunden und alles sorgfältig vorbereitet. James wäre einfach losgezogen und hätte es versucht und weil er immer so einen Dusel hatte, wäre ihm wahrscheinlich auch nichts passiert."

„Aber Harry ist die Sache wesentlich klüger angegangen." Sirius wirkte nachdenklich, „Ich dachte manchmal wirklich, ich hätte James wieder. Und dann war ich enttäuscht, wenn Harry weniger leichtsinnig war. Ich dachte, er wäre nicht mutig. Ich hoffe, dass ihn das nicht getroffen hat! Ich war so ein Idiot! Ich hab gar nicht verdient, dass ... Ich hab Harry gar nicht verdient!"

„Er liebt dich trotz all deiner unzähligen Fehler, Tatze!" sagte Remus ironisch, um Sirius ein wenig aufzulockern. Und tatsächlich: „Schönen Dank, Moony!"

Remus wurde wieder ernst: „Wenn du jetzt aber weißt, was du falsch gemacht hast, kannst du es jetzt ändern."

„Das werde ich auch! Aber ich werd ihn dir nicht wegnehmen, keine Angst!"

„Wie meinst du ... Was?" Remus hatte eine leicht abwehrende Haltung eingenommen.

„Ach, ich mein nur. Ich kann mir denken, dass ihr viel zusammen wart. Und jetzt werdet ihr wohl kaum ohne einander können, hab ich nicht Recht?"

Remus´ Blick wurde dunkel: „Ohne dich irgendwie angreifen zu wollen, Sirius, aber er hätte dich wohl kaum SO nötig gebraucht, wenn es so wäre! Ich weiß, dass das ein ziemlich dämlicher Gedanke ist, aber ..."

„Wahnsinnig dämlich sogar! So dämlich, dass ich die Diskussion darum jetzt beende! Er hätte das ohne dich nie überstanden! Ich weiß das; du weißt das; Harry selbst weiß es! Dass er sich mit meinem Tod nicht abfinden konnte, hat nichts mit dir zu tun! Das wäre ja auch noch schöner; jetzt komm dir mal bloß nicht so wichtig vor, mein Freund!" Sirius grinste ihn an und langsam konnte auch Remus wieder lächeln: „Entschuldige!"

„Schon gut!" Sirius wandte seine Aufmerksamkeit wieder Harry zu, „Langsam könnte er mal aufwachen! Ich sitz hier schon verdammt lange! Ah, vergiss es, Remus! Du brauchst es mir gar nicht erst vorschlagen; ich leg mich nicht hin!"

Remus hob die Hände: „Gut, aber wie geht's dir denn? Du hast etwas Farbe im Gesicht, aber du siehst trotzdem noch aus wie ausgespuckt!"

„Danke für das Kompliment! Ein bisschen fühl ich mich auch so, aber es hält sich. Ich könnte was Anständiges zu trinken gebrauchen; das Wasser hier ist eklig!"

Mit einer kurzen Handbewegung und einem leisen Spruch hatte Remus zwei Gläser, gefüllt mit einem merkwürdigen Getränk, herbeigezaubert. Das an sich klare Getränk wurde durchzogen von wirbelnden, hellen, dünnen Schwaden und über ihm flimmerte die Luft. Es strahlte eine übermäßige Hitze aus und doch war das Glas ganz kühl.

„Feuerwhiskey!" sagte Sirius erfreut, „Mein Freund, ich muss mich über dich wundern!"

„Ich dachte eben an Hagrids Äußerung, als er uns damals in seiner Hütte einen Schluck hat probieren lassen. Er sagte, dass Zeug würde Tote wieder zum Leben erwecken!"

Sirius sah ihn keuchend an: „Moony, du bist makaber geworden! Was ist mit dir passiert?"

„Du bist gestorben, mein Freund!" sagte Remus tonlos und hielt ihm sein Glas hin, „Aber zum Glück habe ich dich wieder!"

„Wenigstens mich!" Sirius stieß mit ihm an und dann tranken beide das halbe Glas leer.

Sirius schüttelte sich: „Das tut wirklich gut!" Remus nickte und stellte sein Glas ab. Da bewegte Harry sich und seine Augenlider flatterten.

Harry fühlte zuerst, bevor er irgendetwas sah. Seine Beine waren taub, seine Arme waren schwer und ihm war schlecht. Sein Kopf dröhnte und ließ trotzdem einen übermächtigen Gedanken zu: Es hatte nicht geklappt! Es hatte nicht geklappt! Er würde jetzt die Augen öffnen, Remus säße vor ihm und würde ihm mit gebrochener Stimme sagen, dass es nicht geklappt hätte und dann würde er die Augen zumachen und auf den Tod warten, der natürlich nicht kommen wollte. Es war ja so verdammt unfair!

Langsam öffnete Harry seine Augen. Erst erkannte er gar nichts. Dann sah er neblig die Umrisse eines Mannes.

„Harry?" sprach ihn eine entfernte Stimme an und Harry hätte gerne ausgesprochen, was er dachte: Leute, immer mit der Ruhe! Hetzt mich nicht schon wieder!´

„Ich glaub, er wacht auf!"

Ja, das tut er! Obwohl er eigentlich gar nicht will!´ Es wurde allmählich heller und die Umrisse des Mannes wurden schärfer.

„Remus?"

„Nein, ich bin´s. Sirius!"

Harrys Herz begann heftig zu schlagen. Sein Atem geriet vollkommen außer Kontrolle und ohne sein Zutun fuhr seine linke Hand unruhig über das kühle Betttuch. Die andere wurde festgehalten.

„Hey ... Harry!" Die Stimme zitterte etwas und Harry riss ungeduldig die trüben Augen auf.

„Sirius?" Er wagte kaum zu fragen noch besonders zu hoffen, doch die Gestalt nickte.

„Ich bin hier, Harry! Ich bin bei dir!"

Harry setzte sich so schnell auf, wie es seinem schwachen Körper möglich war. Er schwankte, sein Kopf schien explodieren zu wollen und er keuchte, doch er saß. Und Sirius saß vor ihm. „Du ... endlich!" Harry warf sich mit letzter Kraft nach vorne in Sirius´ Arme und drückte sich, so fest er konnte, an ihn. Remus schluckte und beobachtete die beiden.

Sirius hatte Harry gerade noch aufgefangen und hielt ihn nun in beiden Armen wie ein Kind. Harry weinte etwas, doch er war zu kraftlos, um richtig zu schluchzen. Er zitterte und Sirius streichelte ihm beruhigend über den Rücken. Er zog die Decke über Harry und wiegte ihn leicht. Ganz einsam rollte eine Träne über seine Wange und er legte seinen Kopf auf Harrys wirren Haarschopf: „Ist gut, Harry! Ich bin jetzt hier und ich bleibe auch; das verspreche ich dir!"

Harry schniefte und drückte sich noch enger an Sirius, so dass dieser aufkeuchte: „Ich lass´ dich nicht wieder los!"

Sirius lachte kurz: „Das ist schmeichelhaft! Schmerzhaft, aber schmeichelhaft!" Er klopfte Harrys Rücken und wischte sich die Träne vom Gesicht. Harry presste sein Gesicht an Sirius´ Brust und spürte dessen Herz schlagen. Er schloss die Augen. Sirius lebte wieder und er war bei ihm! Er hatte es doch geschafft! Er konnte den Gedanken nicht fassen. Er raste durch seinen armen Kopf und breitete sich in Windeseile in seinem ganzen Körper aus. Er fühlte sich gleich ein bisschen weniger schlecht, wenn auch noch immer ziemlich ausgelaugt.

Harry schlang seine Arme um seinen Paten und drehte den Kopf etwas schief, als er jemanden verhalten weinen hörte.

„Hey, Remus, jetzt reiß dich aber mal zusammen! Jetzt ist doch alles gut! Jetzt brauchst du auch nicht mehr weinen!" sagte Sirius und in seiner freundlichen Stimme schwang Belustigung mit. Remus schnäuzte sich in ein Taschentuch und zuckte mit den Schultern: „Entschuldigung, Jungs!" Er hob wieder die Schultern und Harry grinste ihn an. Da ging die Tür auf und Ron steckte seinen Kopf hinein: „Hi! Ist er wach?"

Remus nickte: „Komm rein!"

„Harry, hatte ich Angst um dich! Was bin ich froh!" Ron ging auf Harry zu und nachdem sie sich ein wenig angesehen hatten, legte Ron seine Arme um ihn. Harry drückte ihn kurz und deutete dann mit einem strahlenden Gesicht auf Sirius.

„Ich weiß!" knurrte Ron und zog sich einen Stuhl neben Sirius, „Ich habe ihn hergebracht von Hagrid! Ich kann nicht sagen, wie platt ich bin, dass das geklappt hat!"

Harry grinste: „Ich auch!" Dann wurde sein Gesicht finster: „Es tut mir Leid, Ron, dass ich ohne dich abgehauen bin! Ich wollte dich nicht allein da lassen!"

Ron winkte ab: „Du hattest den Umhang und konntest schnell weg! Da musstest du gehen! Du hast so Dumbledore früh genug Bescheid geben können! Wer weiß, wann die sonst was gemerkt hätten!"

„Im Orden herrscht jetzt Krisensitzung, wie das passieren konnte!"

„Das ist allerdings heikel! Bei all den Schutzzaubern, die um Hogwarts liegen! Die Eltern werden Amok laufen!" Remus sah sie ernst an.

„Ob das irgendwas mit den Malfoys zu tun hat?" überlegte Harry, „Draco war Anfang des Schuljahres noch hier!"

„Interessante Idee, Harry! Wir werden auch in diese Richtung ermitteln!"

Sirius räusperte sich: „Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt, Harry! Oder besser bei euch! Du hast sicher tatkräftig geholfen, oder, Ron?" Ron nickte.

„Also, vielen Dank, dass ihr diese Arbeit und du diese Gefahr auf dich genommen hast!"

Harry lächelte Sirius an: „Ich verspreche dir, das war eine ganz eigennützige Aktion! Schließlich hab ich dich vermisst! Aber sag mal, hattest du das Gefühl, du wolltest nicht zurückkommen?"

Sirius runzelte die Stirn: „Ich hatte ja nicht mal das Gefühl, wirklich tot zu sein. Wie kommst du darauf?"

Harry sah verlegen zu Boden: „Ich hatte schlimme Träume."

„Na, die hören jetzt ja wohl auf!" Sirius klopfte ihm auf die Schulter und Harry nickte.

„Ich geh mal Ginny holen!" Ron stand auf und brauchte bloß die Tür zu öffnen, denn seine Schwester stand schon seit geraumer Zeit davor und überlegte fieberhaft, ob sie jetzt hineingehen und was sie sagen sollte.

„Oh ... ähm ... hi!" Ginny wurde rot und stapfte ins Zimmer. Harry genoss das wohltuende Gefühl, das sich bei ihrem Anblick einstellte, und lächelte sie an: „Hallo, Ginny!"

„Hi, Harry! Ich freu mich, dass es dir gut geht!" Ginny stand am Fußende seines Bettes und knetete unsicher ihre Finger.

„Setz dich doch!" Remus zog einen Stuhl heran und deutete darauf. Ginny nahm Platz, was sich als sehr schwierig gestaltete, da sie offensichtlich nicht wusste, wohin mit Armen und Beinen. Ron und Sirius grinsten schadenfroh, weswegen sich jeder von ihnen einen tadelnden Blick von Remus einfing.

Da wurde es draußen laut und verschiedene Stimmen waren zu hören.

„Gleich wird´s voll! Sirius, am besten, du verwandelst dich!" sagte Remus und Sirius befolgte seinen Rat sofort. Die Tür flog auf. Sirius hatte sich unter Harrys Bett verzogen und gab keinen Laut von sich, so dass keiner merkte, dass er da war. Die Weasleys hätten den Hund schließlich auch erkannt.

„Wir dachten, er müsste jetzt mittlerweile wach sein!" rief Madam Pomfrey über zahlreiche Köpfe hinweg in der Hoffnung, sie könnte so den Anschein wahren, dass sie diese Aktion erlaubt und völlig unter Kontrolle hatte. Vor ihr schoben sich Fred, George, Percy, Bill, Charlie und Professor McGonagall in Harrys winziges Krankenzimmer.

„Machen Sie bitte etwas Platz, meine Herren!" Professor McGonagall bahnte sich einen Weg durch die aufgeregten Weasleys und baute sich vor dem Bett auf: „Mr. Potter, Ihr Glück möchte ich einmal haben!"

„Das hat nichts mit Glück zu tun, Professor, sondern mit Können!" sagte Remus leise und McGonagall sah ihn an: „Wenn Sie meinen." Sie lächelte und nahm Harrys Hände: „Jedenfalls bin ich sehr froh und erleichtert, Sie wieder wohlauf zu sehen!"

„Danke!"

Es rumste und eine tiefe Stimme brummte: „Oh, hoppla! War das ´n wichtiges Gerät, Madam Pomfrey?"

„Lass liegen, Hagrid; ich feg es später auf!"

„Hi, Harry!" Hagrids Gesicht griente ihn über all den anderen Köpfen an, „Du hast uns mal wieder echt geschockt!"

„Harry, was war denn bei dir los? Der Schnarchkopf hier weiß was, aber glaub nicht, dass er seinem Zwillingsbruder was erzählt!" Fred gab George eine heftige Kopfnuss.

„Wir sind auf jeden Fall froh, dass es dir gut geht! Wir haben die wildesten Geschichten gehört!" rief Bill und winkte Harry zu, da er nicht nahe genug heran kam, um Harry, wie seine Brüder, die Hände zu schütteln.

„Platz machen! Platz machen!" erklang Mrs. Weasleys herrische Stimme und sie teilte mit gewaltigen Armbewegungen ihren Haufen Söhne zu beiden Seiten, „Harry, mein Lieber!"

Sie drückte Harry an ihre Brust und begann dann, ihn fachmännisch zu durchleuchten: „Ah, du brauchst viel mehr essen! Lassen Sie ihn denn hier verhungern, Poppy? Na, gut, dass ich jetzt da bin! Und viel frische Luft; du bist ja weiß wie die Wand! Zeig mir mal deine Zunge! Was hast du nur wieder angestellt!"

Harry ließ sich widerspruchslos untersuchen und grinste Mrs. Weasley an. Zu guter Letzt kam auch noch Mr. Weasley an und klopfte Harry fest auf die Schulter: „Was sag ich, Molly: Den Jungen haut nichts so schnell um! Was auch immer es diesmal war! Wir werden es im Übrigen wohl bald erfahren. Die Sondersitzung ist für übermorgen, acht Uhr angesetzt!"

„Acht Uhr morgens?" rief Charlie entsetzt und erntete einen strengen Blick seiner Mutter.

„Ja, acht Uhr morgens! Dumbledore sagt, wir hätten einiges zu klären!"

„Na, das will ich meinen!" murmelte Mrs. Weasley und spähte, bevor sie ging, noch einmal in Harrys Augen und Rachen, um ihm gleich darauf eine Menge Pfefferminz-Knäulwurzel-Tee zu ordern.

„So, jetzt müssen Sie den armen Jungen erst einmal etwas essen lassen!" befahl Madam Pomfrey in gewohnt unnachgiebiger Stimme und sogar Professor McGonagall zog den Kopf ein und verließ mit den Weasley-Jungen und Hagrid den Raum.

„Ich komme nachher wieder!" rief Ron Harry noch zu, bevor er und Ginny sichtlich gegen ihren Willen mit weggezogen wurden. Kaum war die Tür geschlossen, kroch Sirius in seiner menschlichen Gestalt unter dem Bett hervor.

„Meine Herren!" Madam Pomfrey sah Remus und Sirius an, doch beide lachten: „Ohne unhöflich sein zu wollen, aber das können Sie nicht von uns verlangen! Wir bleiben!"

„Aber Mr. Potter muss etwas essen!" protestierte sie.

„Dann füttere ich ihn eben!" meinte Sirius lachend und Harry knurrte: „Das lässt du schön bleiben!"

„Na ... na, gut! Remus?" Madam Pomfrey war etwas verunsichert wegen Sirius´ bestimmender Art und sah sich etwas Hilfe suchend nach Remus um.

„Ich kümmere mich um die Getränke. Haben Sie eine Schnabeltasse?"

Harry setzte sich entrüstet etwas gerader hin: „Das findet ihr echt witzig, oder?"

Remus und Sirius lachten schallend und Sirius japste: „Ja, ziemlich witzig!"

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„Was? Wir sollen echt mitkommen? Und vor dem Orden sprechen? Vor dem echten, geheimen Orden?" Ron war vollkommen fassungslos und Harry bekam gar keinen Ton heraus. Die beiden starrten das Bild an Harrys Wand an, auf dem Dumbledore gerade mit dem Nilpferd spielte, indem er ihm mit einem Stock vor der Nase herumfuchtelte.

„Natürlich, meine Herren! Wer außer euch könnte denn die Vorgänge so genau beschreiben?"

„Hermine!" sagte Harry leise und Ron klopfte aufmunternd seinen Arm: „Sie wacht bald auf!"

„Miss Granger braucht vor allem Ruhe! Du aber, Harry, siehst mir schon wieder ganz fit aus, also bitte ich dich, diese Aufgabe zu übernehmen! Ron wird dir zur Seite stehen!" Dumbledore winkte ihnen zu, „So, und jetzt muss ich weiter! Das Lehrerzimmer ist abgebrannt und wir möchten uns ein hübsches neues ausdenken. Außerdem habe ich noch meinen Vortrag für übermorgen vorzubereiten, ich muss nach dem guten Severus sehen und Professor Walter fragen, wann er mich endlich aus diesem Zustand befreit. Es ist zwar ganz witzig, aber langsam wird dieser Sir Cadogan doch nervig und es gibt hier keine wirklich zufrieden stellenden sanitären Anlagen! Ach, wie gern würde ich mal wieder schön lange duschen! Also, bis morgen, ihr zwei!"

Und schon war er verschwunden. Harry und Ron guckten beinahe so verdutzt wie das plötzlich allein gelassene Nilpferd.

„Na, gut!" sagte Harry und setzte sich ein bisschen gerader hin, „Dann machen wir uns mal an die Arbeit! Ich würde sagen, du sammelst mal alle Unterlagen zusammen und ich schreibe schon mal genau auf, wie ich das Ritual durchgeführt habe. Wir machen es, wie bei einem Referat, schreiben Notizen und lernen es nachher auswendig!"
Ron nickte, von Harrys Tatendrang angesteckt: „Wir machen es so, dass Hermine stolz auf uns wäre!"

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Hermine öffnete am späten Nachmittag zum ersten Mal die Augen. Ginny saß an ihrem Bett und las ihr einen Aufsatz aus ihrem Verwandlungsbuch vor.

„Ginny?"

„Oh, hallo!" Ginny klappte das Buch zu, legte es auf dem Nachttisch ab und beugte sich über Hermine, „Alles klar? Hast du Durst?"

„Ja, sehr!"

Ginny gab ihr die Tasse und Hermine trank gierig und mit leicht zitternden Händen.

„Und, wie geht's dir? Ist dir schlecht oder so was?"

Hermine überlegte: „Nein, aber mir ist noch ein bisschen schwindelig! Ginny, gib mir mal meinen Zauberstab! Ich muss ..."

Ginny schüttelte den Kopf: „Professor Flitwick hat gesagt, du brauchst jetzt Ruhe und darfst dich nicht anstrengen! Das geht schon noch weg!"

„Wann?"

„In einer Woche oder so."

Hermine schloss die Augen und sackte zurück in die Kissen. Ginny fühlte sich ein bisschen unbehaglich, weswegen sie ihrer Freundin gleich die gute Nachricht mitteilte: „Hey, dafür müssen wir nicht drei Wochen auf die Feien warten. Die fangen jetzt schon an! Alle sind nach Hause gefahren. Wer jetzt noch hier im Krankenflügel liegt, wird durchs Flohnetzwerk heimgeschickt. Und es geht auch allen wieder gut! Professor Lupin ist wieder fit und Harry ist gerade heute Morgen aufgewacht!"

Hermine öffnete die Augen und fuhr auf: „Hat er ... und hat es ... oder ...?"

Ginny druckste etwas herum, da sie nicht sicher war, ob sie Hermine davon erzählen sollte. Aber niemand hatte ihr etwas Gegenteiliges aufgetragen.

„Ja, er hat es geschafft, Hermine! Tatze ist wieder da!"

Hermine schlug beide Hände vor den Mund, verlor so ihren Halt und fiel rückwärts aufs Bett.

„Es geht ihm gut und Harry auch. Er und Ron arbeiten gerade an ihrem Vortrag vor dem Orden."

Hermine riss die Augen auf: „Vortrag vor dem Orden?"

„Ja, übermorgen. Sie sollen allen ... naja, die ganze Sache erklären!"

„Ich könnte helfen!" sagte Hermine sofort, doch Ginny winkte ab: „Du sollst dich doch ausruhen! Du sollst nicht mal aufstehen und schon mal gar nicht nach London reisen und vor einem Haufen Leute einen Vortrag halten."

Hermine schwieg.

„Soll ich Ron mal holen?" fragte Ginny und bevor Hermine etwas sagen konnte; wobei sie sich auch noch nicht wirklich sicher war, was sie sagen wollte; war Ginny davon gehüpft.

Ron kam schnell heran. Er fegte mehrere Besucherstühle zur Seite, stieß sich mindestens dreimal an einigen Betten und blieb schließlich keuchend vor Hermines Bett stehen: „Hallo, Hermine! Endlich bist du wach!" Hermine lächelte ihn an: „Hi!"

Ron machte plötzlich einen recht ungelenken Hopser auf Hermine zu und sie fing ihn halb auf, halb umarmte sie ihn. Ron hielt sie einen Augenblick fest, dann schoss er einen giftigen Blick über seine Schulter zu Ginny, die ihn geschubst hatte.

„Und, wie geht's dir? Tut dir noch was weh?"

„So ziemlich alles ein bisschen. Wie kommt ihr mit eurem Vortrag voran?"

„Hermine, du kannst doch nicht gleich wieder an die Arbeit denken!" schimpfte Ron, „Aber, danke, sehr gut!"

„Und, wie geht es Tatze?" Hermine senkte die Stimme und Ron beugte sich etwas näher: „Bestens! Er isst gerade mit Remus!"

„Mit Professor Lupin!" wies Hermine ihn zurecht und Ron winkte ab: „Er hat mir das Du angeboten, weil er es selbst irgendwie blöd fand! Ich bin mal gespannt, wann er es dir sagt und wie lange du brauchst, dir das ewige „Professor" abzugewöhnen." Hermine streckte ihm kurz die Zunge raus und Ron lacht gutmütig: „Übrigens kannst du, wenn du dich ganz weit vorbeugst und dort hinten durch die Tür siehst, einen Blick auf Harry erspähen! Ich glaube, er winkt dir zu!" Hermine krabbelte angestrengt keuchend ans Fußende und guckte in die Richtung, in die Ron zeigte.

„Sie haben ihn in die Rumpelkammer gesteckt?" rief sie empört und winkte Harry zu, der ebenfalls ungemütlich am Ende seines Bettes hing und mit den Armen wedelte.

„Wegen des Besuchs!" sagte Ron, „Ich muss dann auch wieder zu ihm. Wir müssen noch etwas arbeiten. Hey, wenn der erste von euch aufstehen darf; und wenn ich „darf" sage, meine ich auch „darf" und nicht etwa „meint zu können"; dann könnt ihr euch ja besuchen!"

„Ja, toll!" Hermine schlüpfte mit Ginnys Hilfe wieder unter die Decke und Ron ging zurück zu Harry. Er traf Meta, die gerade auf dem umgekehrten Weg von Harry zu Hermine war.

„Hallo, Hermine! Gut siehst du aus!"

„Danke!" Hermine strahlte.

„Ich dachte mir, du könnest bestimmt was zu essen vertragen!"

„Oh, ja, tolle Idee!" Hermine ließ Meta das Tablett auf ihrem Bett abstellen.

„Ginny, Mum will was!" brüllte eine Stimme, die sehr nach Fred oder George klang, durch den Raum. Ginny rollte mit den Augen: „Ich gehe dann mal!"

„Bis später, Ginny!" nuschelte Hermine durch ein Käsebrötchen hindurch.

„Und, schmeckt´s?" Meta setzte sich auf Ginnys Stuhl und Hermine nickte heftig. Als sie fertig gegessen hatte, sah Meta sie an: „Geht er dir gut? Das war ja ... naja, ganz schön schlimm!"

„Och, es geht mir ganz gut! Ich bin müde, aber nachdem mir alle versichern, dass meine Zauberkräfte wiederkommen, bin ich recht entspannt. Aber wie konnte das eigentlich alles passieren? Ich dachte, wir wären hier sicher! Ich ... ich hatte echt Angst!" Hermine schluckte schwer und Meta legte einen Arm um sie: „Aber es ist gut gegangen, Hermine! Denk bloß nicht daran, was alles hätte schief gehen können! Das tut doch nur weh!"

Hermine sah sie an: „Da hast du wohl Recht, aber es ist schwierig!"

„Ich weiß!"

Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, sah Hermine Meta an: „Weißt du schon, was Harry geschafft hat?"

„Ja!" sagte Meta, „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ihr alle nicht ganz dicht sein könnt! So etwas kann doch nicht wahr sein! Keiner kann Menschen aus dem Tod zurück ins Leben holen! Und dieser Sirius ist gestorben! Remus hat es mir gesagt!" Meta hatte die Stimme gesenkt, „Hast du ihn gesehen, Hermine? Ich würde es ja erst glauben, wenn er vor mir stünde."

„Gute Taktik!" sagte Hermine, „Aber ..." Sie brach ab, quietschte kurz auf und deutete in Richtung der Eingangstür. Gerade war Remus eingetreten. Er führte einen großen schwarzen Hund am Halsband und verschwand eilig in Harrys Zimmer, das direkt neben der Tür lag, damit niemand ihn bemerkte.

„Das ist Remus mit einem Hund." sagte Meta langsam und sah Hermine zweifelnd an.

„Der Hund!" flüsterte Hermine mit Tränen in den Augen.

„Ach, ja. Da war ja was!" fiel Meta ein, wofür sie einen strafenden Blick von Hermine erntete, „Ich mache mich mal auf den Weg zurück ins Lehrerzimmer. Wenn sie es nach Dumbledores Geschmack einrichten, haben wir bald wenig zu lachen."

„Willst du ihn nicht kennen lernen?"

„Später. Er hat ein bisschen Zeit mit Harry und Remus verdient, oder?" Meta tätschelte Hermines Arm und ging in Madam Pomfreys Büro, wo gerade die letzten Schüler dabei waren, abzureisen.