Weihnachten
„Also!" sagte Sirius laut und machte ein Gesicht, als hätte er etwas wirklich Wichtiges zu sagen.
Alle sahen hoch. Sie saßen gerade im Gemeinschaftsraum der Gryffindors und taten, womit sie sich nun schon seit Beginn der Ferien beschäftigten: Harry, Hermine, Ron und Ginny brüteten fleißig über ihren Hausaufgaben, Tonks half Bill bei der Planung seines Crashkurses, Charlie verfasste einen unglaublich langen Brief an seine Mutter und Meta und Remus saßen an ihrer Unterrichtsplanung.
„Also!" sagte er noch einmal und schob die paar Formblätter zur Seite, die er gelesen hatte. Es handelte sich dabei unter anderem um die offizielle Meldung als Animagus, um die Beatragung einer Arbeits- und Wohnerlaubnis in England, die Eröffnungsformulare eines neuen Bankkontos und all der kleinen Dinge, die laut Dumbledore unumgänglich wären, sollte Sirius wieder eingebürgert werden. Natürlich, nachdem man ihn lebend und unschuldig der Öffentlichkeit präsentierte.
„Also was?" fragte Harry und tippte sich mit seinem Federkiel gegen die Stirn.
„Was soll ich machen?"
„Du meinst jetzt?" Ron sah verwirrt aus. Sirius wedelte mit der Hand: „Ich meine beruflich. Das fragen sie hier andauernd und langsam kann ich diese Frage nicht mehr ignorieren."
Remus räusperte sich: „Du hast deine Ausbildung zum Auror abgeschlossen."
Sirius musste lachen: „Sie nehmen mir ja vielleicht noch ab, dass ich ein armes, unschuldiges, zu Unrecht eingesperrtes und verfolgtes Kerlchen bin, aber Auror ist dann wohl doch etwas zu heftig, oder? Außerdem wird Moody nicht müde, mir immer wieder zu erzählen, wie viel sich seit meiner Ausbildung verändert hat und wie wenig ich über den heutigen Stand der Aurorentätigkeit weiß."
„Du könntest dich weiterbilden lassen." schlug Meta vor, „Die machen Kurse dafür im Ministerium zur Auffrischung. Außerdem meinst du nicht, dass sie in diesen Zeiten über jeden Auror froh sind?"
„Hey, da nehmen die sogar dich!" witzelte Tonks aus der Ecke und fing sich von Sirius einen bösen Blick ein.
„Du hattest sehr gute Noten und nachdem du ihnen deine ganze Geschichte erzählt hast, werden sie sich darum reißen, alles wieder gut zu machen." sagte Remus. Harry nickte: „Das denke ich auch. Die haben massig Schuldgefühle."
„Die Frage ist doch, ob der gute Sirius noch Lust hat, für ein Ministerium den Monsterjäger zu spielen, das ihn so dermaßen beschissen hat!" stellte Bill fest.
„Sie mögen es übrigens nicht „Monsterjäger" genannt zu werden, du Affenkopf!" schimpfte Tonks und verpasste ihm einen Tritt, „Davon abgesehen, Sirius: Ich hänge auch gerade in der Luft. Du kannst dich ja Kingsley und mir anschließen. Wir wollen eine private ... Dingsbums aufmachen. Wie hat er das doch gleich genannt?"
„Geisterjäger-Zentrale?" fragte Bill scheinheilig. Tonks zog eine Schnute.
„Ehrlich? Klingt gut!" sagte Harry.
„Das wird gut! Wir brauchen Büros, sagt Kingsley, und eine Menge technische Ausrüstung und einen Sekretär und eine Küche."
„Klingt, als bräuchtet ihr erst einmal eine Menge Geld!" lachte Remus.
„Das kriegen wir schon." Tonks war ganz zuversichtlich, „Aber ..."
„Hallo?" Sirius wedelte mit den Armen, „Hallo, Aufmerksamkeit! Mein Problem ist größer!"
„Ist es nicht!"
„Ist es wohl!"
„Herrje, wie habe ich das vermisst!" Remus verdrehte die Augen, während sich Sirius und Tonks anfunkelten. Harry und Ron lachten und packten ihre Sachen zusammen.
„Ihr zwei seid noch nicht fertig!" mahnte Hermine, ohne von ihrem Buch aufzusehen.
„Oh, doch! Wir müssen noch mal raus in den Schnee und mit den Besen abstürzen üben!" verkündete Ron, woraufhin Hermine doch hochsehen und lachen musste: „Was?"
„Ja, abstürzen! Das übt sich nicht so gut auf hartem Boden!" sagte Harry ganz selbstverständlich und lief in den Schlafsaal, um seinen und Rons Besen zu holen, während dieser ihre Handschuhe, Schals und Mützen zusammensammelte. Die Tatsache, dass ihnen der ganze Turm gehörte, veranlasste die Jungen so ziemlich alles herumliegen zu lassen, was wiederum dazu führte, dass Hermine und Ginny jeden Tag mindestens dreimal über das Chaos meckerten.
„Ihr kommt aber rein, wenn es dunkel wird. Und vor dem Abendessen wird geduscht!" sagte Remus.
„Jawohl, Sir! Bis später!" Die beiden stürmten aus dem Gemeinschaftsraum und Remus registrierte die Blicke der anderen: „Ist ja schon gut!" Sirius lachte: „Ich find dich süß!"
„Vielen Dank!"
„Wollen wir nicht auch mit? Ich bin diesen Kram hier leid und ich brauche frische Luft!"
„Du musst als Hund raus. Diese Typen vom Ministerium sind noch da!"
„Warum, zum Teufel?" brauste Sirius auf, „Welchen Winkel haben die denn noch nicht kontrolliert?"
Charlie lachte: „Naja, sie können nicht sehr gut sein, wenn ihnen nach gut zwei Wochen immer noch nicht der geflohene Sträfling aufgefallen ist, den wir hier verstecken!"
Sirius schnaubte: „Irgendwann müsst ihr aufhören, darüber Witze zu machen, das wisst ihr, oder?" Sie lachten und in ihr Gelächter mischte sich ein heller, jaulender Ton, der vom Portrait her kam.
„Alarm!" sagte Bill und Sirius verwandelte sich sofort. Er war gerade unter dem Tisch verschwunden und Meta hatte mit einem Schlenker ihres Zauberstabes seine Papiere verschwinden lassen, da schwang die Tür auf und Professor Flitwick trat ein. Er wurde begleitet von zwei erschöpft aussehenden Herren in grauen Anzügen.
„Guten Tag, die Herrschaften!" quiekte Flitwick und nickte in die Runde, „Wir müssen uns einmal die Treppenhäuser zu den Schlafsälen ansehen. Die Herren vermuten einen Geheimgang." Er klang fröhlich und leicht ironisch und zwinkerte ihnen zu, als die zwei Männer zu den Türen schlurften.
„Warten Sie!" rief Remus noch, „Sie können ..."
Doch da hatte die von Professor McGonagall neu eingerichtete und verbesserte Sperre den Mann schon von der Treppe zu den Mädchenschlafsälen geschleudert. Er knallte mit einem dumpfen Ton auf den Rücken und sprang sofort wieder auf; den Zauberstab in der Hand, als wollte er einen Angreifer abwehren.
„Was bei Merlin ist das?" keuchte er und sah sich gehetzt um. Sein Kollege schnaubte wütend: „Also, für wie dumm halten Sie uns denn? Was haben Sie dort oben versteckt?"
Hermine, die einzige, die sich ein schadenfrohes Grinsen verkneifen konnte, stand auf: „Dort oben sind die Schlafsäle von den Mädchen. Die Sperre besteht schon ewig, damit die Jungen sich nicht nachts hinüberschleichen können!"
Die beiden Männer vom Ministerium runzelten die Stirn, als glaubten sie ihr nicht wirklich.
„Ich werde Minerva bitten, den Zauber für Sie zu entfernen!" seufzend erhob sich Remus und steuerte auf die Tür zu. Da nieste einer der Männer, schlug erschrocken die Hand vor den Mund und rief gepresst: „Ist hier etwa ein Hund drin?"
Sofort wurde es totenstill.
„Ähm, ja!" sagte Ginny schließlich, „Der Hund von unserem Wildhüter!" Sie klopfte an ihren Unterschenkel und rief lockend: „Komm her, Tatze!" Sirius reagierte nicht.
„Komm schon!" rief Ginny, „Wir gehen raus, weil der arme Mann allergisch ist!"
Langsam schob der schwarze Hund seinen Kopf unter dem Tisch hervor und beäugte die Fremden misstrauisch. Ginny griff zu und packte ihn am Halsband, ehe er sich wieder zurückziehen konnte.
„Kommt, ihr beiden!" Remus streckte die Arme aus, um Ginny am Ellenbogen und Sirius ebenfalls am Halsband zu nehmen. Ungeschickt schoben sie sich durchs Portraitloch und liefen der Kollegin der beiden Ministeriumsleute in die Arme.
„Oh, wie praktisch! Ich bin zu spät. Wären Sie wohl so freundlich, mich rein zu lassen. Mein Klopfen hat man drinnen nicht gehört und ich kenne doch das Passwort nicht." Sie lächelte sie höflich, wenn auch etwas kühl an.
„Aber natürlich!" sagte Remus liebenswürdig und öffnete das Portraitloch für sie.
„Oh, was für ein hübscher Hund!" rief die Frau aus und ging neben Sirius auf die Knie. Ginny zuckte zusammen und Sirius tat es ihr nach. Er drückte sich an Remus´ Bein und jaulte leise.
„Keine Angst, liebes Kerlchen! Wie heißt er denn?" Sie streichelte den Kopf des Hundes.
„Ähm ... Tatze." brachte Ginny hervor.
„Tatze, wie passend!" Ihr Lächeln wurde immer breiter, „Nun zeig dich ruhig mal, Hübscher! Ich tu dir ja nichts! Wie nett, dass Sie ihn rausbringen. Kollege Stubbins hat so eine schreckliche Allergie. Dann einen schönen Tag noch!" Als sie durch das Portrait verschwunden war, atmeten Ginny und Remus auf und sogar der schwarze Hund schien erleichtert zu sein und hechelte befreiter.
„Nichts wie weg hier!" raunte Remus Ginny zu und die drei machten, dass sie hinaus zu Harry und Ron kamen.
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Am Weihnachtsmorgen.
Ein Glöckchen klingelte. Harry öffnete irritiert die Augen, lauschte und runzelte die Stirn. Von Rons Bett drang ein brummender Laut an sein Ohr. Wieder klingelte es und dann sprang etwas Schweres auf Harrys Brust, so dass er erschrocken aufkeuchte. Krummbein fauchte und hüpfte von ihm herunter.
„Blödes Vieh!" schimpfte Harry und setzte sich auf. Krummbein verharrte auf dem Boden und schüttelte den Kopf. Eine kleine, goldene Glocke an einem roten Halsband klimperte.
„Mach das aus!" knurrte Ron und zog sich die Decke über den Kopf.
„Geht nicht!" gab Harry zurück und schälte sich aus seinem Bettzeug. Krummbein beobachtete ihn und wackelte dann zur Tür; seinen Flaschenbürstenschwanz hoch aufgerichtet. Harry folgte ihm die Treppe hinunter in den Gemeinschaftsraum, wo Ginny und Hermine bereits saßen; ebenfalls in Morgenmäntel gekleidet.
„Guten Morgen, Harry! Hier sind die Geschenke für dich von Mum und Dad und den Jungs!" rief Ginny. Harry nahm neben den Mädchen Platz: „Morgen! Von den Jungs?"
„Fred und George und so." Hermine reichte Harry lächelnd ein paar unförmige, weiche Päckchen, die er gespannt auswickelte. Nebenbei fragte er: „Wo sind denn alle?"
„Wichtige Versammlung." sagte Hermine unbestimmt und Harry sah auf: „Am Weihnachtsmorgen? Sind Sirius und Remus auch weg?" Ginny nickte und blickte in ihre Tasse.
„Was ist los?" Harry legte die hübsche, hölzerne Schatulle weg, die ihm die Zwillinge für seinen Zauberstab geschenkt hatten, und sah die Mädchen auffordernd und alarmiert an.
Da polterte Ron die Treppe hinunter: „Guten Morgen und ein fröhliches Weihnachtsfest! Hagrid hat eine Eule geschickt, Harry. Wir sollen nach dem Frühstück zu ihm und ihm mit den Enten helfen, damit wir, ich zitiere wörtlich, „wat Jutes zu essen kriegn"!" Als Harry nicht reagierte, sah Ron ihn fragend an: „Ist was?"
„Der Orden hält eine Versammlung ab."
„Was jetzt? Warum?"
Harry deutete auf Hermine und Ginny: „Ich habe den Verdacht, dass die beiden etwas wissen, dass sie uns verschweigen."
Hermine sah auf: „Wir sollten zum Frühstück. Meta ist dageblieben, um auf uns aufzupassen." Sie und Ginny standen auf und gingen in ihren Schlafsaal, um sich umzuziehen. Harry schnaubte wütend: „Gleich gehe ich durch den Kamin!"
„Spinnst du?" rief Ron, während er ein Päckchen von seiner Mutter prüfend schüttelte, „Die nehmen dich auseinander, wenn du da einfach reinplatzt!"
„Aber ... wann hören sie denn endlich auf, alles zu verschweigen! Haben wir denn immer noch nicht gelernt, dass dann immer alles schief geht!" Harry schlug wütend die Fäuste auf den Tisch. Die Mädchen kamen wieder herunter und gingen schweigend an ihnen vorbei in die große Halle.
„Da hilft nur eins!" meinte Ron und stand auf, „Meta aushorchen!"
Allerdings ließ Meta sich bei Weitem nicht so gut aushorchen, wie die Jungen gehofft hatten. Sie sah blass und mürrisch aus und schickte immer wieder nervöse Blicke zu den Ministeriumsabgeordneten, die ihr nicht wirklich geglaubt hatten, als sie ihnen vorlog, die halbe Lehrerschaft wäre unterwegs, um mit den Eltern der Schüler zu sprechen. Glücklicherweise verkündete Stubbins, dass er und seine Kollegen beabsichtigten, am Nachmittag abzureisen, um auch noch ein bisschen Weihnachten feiern zu können.
Harry löffelte etwas betrübt seinen Haferbrei. Ein toller Weihnachtsmorgen; wirklich! Er hatte sich gewünscht, dieses Fest mit Sirius feiern zu können. Nach dem Frühstück stapften er und Ron, von einer in Gedanken versunkenen Meta geleitet, zu Hagrids Hütte.
„Da seid ihr ja! Fröhliche Weihnachten! Dann woll´n wir ma´ loslegen, damit das Essen auf dem Tisch steht, wenn alle heut Abend wiederkommen!"
Na, immerhin etwas!´ dachte Harry und beguckte leicht belustigt die eingefrorenen Enten, während Hagrid einen großen Topf Wasser auf dem Feuer erwärmte.
„Geschenke!" brummte er und händigte Harry und Ron große Pakete aus, die verwirrend süßlich rochen. Es stellte sich heraus, dass die Pappschachteln voll mit Tee, Keksen, Duftblättern, Süßigkeiten und Federn waren, was die Jungen einigermaßen irritierte.
„Französische Päckchen!" griente Hagrid und Ron sah Harry vieldeutig an.
„Wann hast du denn Zeit, nach Frankreich zu reisen, Hagrid?" wollte Harry grinsend wissen und sein großer Freund wurde tatsächlich rot: „Naja, Olympe hat mir wohl ´n büschen geholfen!"
„Tatsächlich?" machte Ron ahnungslos und Harry musste sich ein Lachen verkneifen.
„Unsere Kamine sind verknüpft." sagte Hagrid selig, „Und heut Abend zum Essen kommt sie her."
„Das ist ja nett!" brachte Harry hervor.
„So, ich hol jetzt von draußen noch ´n paar Kräuter. Für die Soße. Filius Flitwick hat mir ein beheizbares Gewächshäuschen gezaubert." Hagrid stampfte durch die Tür, welche mit einem lauten Krachen zuflog. Harry überlegte. Er starrte den Kamin an.
„Harry, lass es!" kam es warnend von Ron, der genau wusste, was Harry plante.
„Aber ich möchte Weihnachten mit Sirius feiern. Und mich interessiert, was da schon wieder los ist. Du kannst ja hier bleiben, wenn du willst!" Harry trat in den Kamin und hangelte mit der linken Hand nach dem Flohpulver, das in einer kleinen Schale an der Wand angebracht war. Er lächelte Ron noch einmal entschuldigend an, warf dann das Pulver auf den aschigen Boden und sagte laut und deutlich: „Küche, Grimauldplatz!" Mit einem lauten Knall und einer Menge aufgewirbeltem Staub war er verschwunden.
„Ach, Mann!" stöhnte Ron und hüpfte zum Fenster. Er riss es auf, brüllte so laut er konnte: „Tut uns Leid, Hagrid! Wir sind bald wieder da!" und hüpfte dann ebenfalls in den Kamin.
Kurz nachdem er verschwunden war, betrat Hagrid die Hütte, sein Gesicht schaute zwischen den verschiedenen grünen Blättern hervor und er machte: „Häh?"
Harry landete in der Küche des Grimauldplatzes und rollte sich hustend zur Seite. Er stand auf, klopfte hastig etwas Staub von seinen Klamotten und machte dann, dass er in den großen Vorratsschrank kam, damit ihn nicht irgendjemand entdeckte. Es rumpelte und Ron knallte in die Küche.
„Ron, hier! Schnell!" zischte Harry, als auch schon Schritte aus dem Flur zu hören waren.
„Fletcher, was wird das! Nimmst du die Küche auseinander oder was?" Kingsley betrat die Küche und schoss einen wütenden Blick zu Mundungus, der, was Harry und Ron gar nicht bemerkt hatten, am Tisch saß. Viel mehr hing er wie eine Art Lumpenlappen auf einem Stuhl und hatte den Kopf in den Armen auf dem Tisch vergraben.
„Wasss isss losss?" Langsam kam sein zerknautschtes Gesicht zum Vorschein. Kingsley schnaubte und sah sich in der Küche um: „War hier irgendetwas los?"
Mundungus schaute ebenfalls umher und murmelte dann: „Negativ, Sirrr!"
„Fletcher, geh ins Bett!" Mit diesem kurz angebundenen Befehl verschwand Kingsley aus der Küche.
„Wird ... gemacht!" nuschelte Mundungus und legte seinen Kopf wieder auf den Armen ab. Als er anfing zu schnarchen, schlichen Harry und Ron aus der Vorratskammer. Harry zog den Tarnumhang unter seinem Hemd hervor. Ron sah überrascht auf: „Schleppst du den jetzt immer mit dir rum?"
„Meistens!" meinte Harry, „Wer weiß ...!"
Ron nickte und schlüpfte zu seinem Freund unter den Umhang. So leise wie möglich taperten die beiden durch den Flur und in Richtung Versammlungsraum, den sie ja schon kannten.
Laute, aufgebrachte Stimmen waren zu hören. Harry erkannte Kingsleys tiefen Bass und Jakob, der ungewohnt heftig lamentierte. Mr. Weasley war ab und an zu vernehmen und immer wieder zwischendurch Sirius´ durchdringende, sehr genervte Stimme, meist begleitet von sanften, beschwichtigenden Töne, die von Remus stammten.
„Da geht es ja heiß her!" flüsterte Ron, während er und Harry sich die Ohren an der Tür plattdrückten.
„Können wir da nicht irgendwie rein?" fragte Harry und sah suchend an der Wand entlang, „Wir verstehen doch gar nichts!"
Ron zuckte mit den Schultern: „Eigentlich müsste es in so alten Häusern doch superviele Geheimgänge geben, die sich auftun, wenn man an die Wand klopft!"
Harry schnaubte: „Wir haben hier mittlerweile zwei Sommer verbracht. Meinst du nicht, wir hätten bei dem ganzen Geputze alle Geheimgänge gefunden?"
„Haben wir danach gesucht?" fragte Ron wichtig und tippte mit dem Nagel seines Zeigefingers an den kalten, sorgfältig verputzten Stein. Augenblicklich hörten sie ein Kratzen und Knirschen und ungefähr auf Kniehöhe wichen die Ziegel zurück.
„Yeah!" machte Ron und Harry stieß ein „Oh, verdammt!" hervor.
„Was ist das denn jetzt? Black!" rief jemand von drinnen.
„Reg dich ab! Ich guck ja schon!" Wieder waren Schritte zu hören und dann öffnete sich die Tür. Sirius´ Kopf schob sich hinaus und er sah sich um. Gerade machte er den Mund auf; wie Harry vermutete, um zu sagen, dass hier nichts wäre; da fiel sein Blick auf die Einbuchtung in der Mauer.
Sirius gab einen erstaunten Laut von sich und trat ganz aus der Tür. Er war keine drei Schritte auf den Flur hinaus auf Harry und Ron, welche sich mit krampfhaft angehaltener Luft an die Wand pressten, zugegangen, als Remus ebenfalls herauskam: „Das klang doch fast wie ... oh!"
„Schau mal! Mein altes Versteck!" Sirius sah gerührt aus, während Remus die Stirn runzelte: „Und wieso tut es sich so ganz von alleine auf?"
„Das ist ein altes Haus, Remus! Dung erzählte mir, dass sich letztens in seinem Schlafzimmer die Rutsche in die Küche ohne sein Zutun geöffnet hat!" meinte Sirius leichthin und ging neben der winzigen Kammer in die Knie. Remus sah sich weiterhin misstrauisch um: „Wahrscheinlich war er wieder besoffen und hat nicht mehr gemerkt, was er tut!"
Sirius schoss einen ungehaltenen Blick zu seine Freund und sagte kalt: „Er hat es auch nicht einfach! Es heißt, dass Trinken dagegen hilft!"
„Wogegen? Einsamkeit? Hilflosigkeit? Glaub mir, das tut es nicht!" Remus klang nicht weniger erzürnt als Sirius und nur mühsam beherrscht. Sirius lachte kurz auf, woraufhin Remus die Lippen zusammenbiss und wieder über den leeren Flur starrte. Sirius erhob sich und trat einmal mit dem Fuß gegen die Mauer. Die Nische verschwand ebenso ächzend wie sie erschienen war.
„Lass uns wieder rein gehen! Hier ist niemand!" Obwohl Sirius wieder ganz versöhnlich klang, ließ Remus die Arme vor der Brust verschränkt.
Sirius seufzte: „Eine kurze Pause?"
„Nein, wir haben noch einiges ..."
„Und wenn schon!" Sirius ging zur Tür, öffnete sie und rief hinein: „Hier ist nichts! Und wir sind für die nächste Viertelstunde in der Küche!" Bevor irgendjemand protestieren konnte, hatte er die Tür geschlossen und ging zielstrebig vor Remus her in die Küche.
Ron sahen Harry an: „Küche oder ...?"
Harry sah seinem Paten nach und warf dann einen besorgten Blick auf Remus; seinen, wie Professor Flitwick ihn vor einiger Zeit einmal nannte, väterlichen Freund, was den guten Remus etwas geschockt hatte. Es passte ihm gar nicht, dass auch nur im Ansatz die Möglichkeit bestand, die beiden könnten sich streiten, und so entschied er resolut: „Küche!"
Sie huschten durch die langsam zuschwingende Tür und verharrten vor der Anrichte. Sirius hatte am Tisch vor einer großen Obstplatte Platz genommen. Remus stand.
„Moony, sei nicht sauer! Erstens wissen wir beide, dass das nicht lange hält und zweitens muss ich mit dir reden! Und zwar über etwas sehr Wichtiges!"
Remus schwieg, doch er machte ein nicht mehr ganz so finsteres Gesicht.
„Also, " Sirius nahm sich eine Birne, „Möchtest du auch was?"
„O.K." Ergeben setzte sich Remus ihm gegenüber. Sie aßen jeder ein Stück und Sirius spielte mit dem kleinen, spitzen Messer, das griffbereit in der Schale lag, herum. Remus wartete geduldig.
„Ich habe alle Formulare, die Albus mir gegeben hat, ausgefüllt." sagte Sirius schließlich. Mit einem Grinsen fügte er hinzu: „Ich habe mir erlaubt, dich als Referenz anzugeben!"
Nun musste auch Remus lächeln: „Du bist ein Trottel! Kein Mensch wird einen Werwolf als Empfehlung überzeugend finden!"
„Wir werden sehen! Wenn das alles hier vorbei ist und wir alle Helden sind, dann bist du der beliebteste Werwolf überhaupt und alle werden sich um mich, deinen besten Freund, reißen!"
„Na!" meinte Remus unbestimmt und nahm sich ein weiteres Stück Birne, „Weißt du, wir haben schon einmal so gesprochen! Wenn das alles vorbei ist ... Du sagtest damals, du würdest losziehen und das nächstbeste, hübsche Mädel heiraten, dass dir über den Weg läuft. James wollte die Ausbildung schmeißen und Quidditchnationalspieler für England werden. Lily wollte unbedingt einen Rosengarten anlegen, wie ihre Mutter einen hatte."
„Und du wolltest ein Buch schreiben, du Langweiler!" sagte Sirius mit leicht spöttischer, doch zugleich fast liebevoller Stimme.
Harry schluckte. Er stellte sich vor, wie Sirius, Remus und seine Eltern hier saßen und sich ihre verrückten oder gar nicht mal so unrealistischen Träume ausmalten, die sie verwirklichen wollten, wenn der Krieg gegen Voldemort überstanden und vor allem gewonnen worden war.
Obwohl damals das Hauptquartier des Ordens nicht der Grimauldplatz gewesen war, sondern, wie Harry und Ron für ihre Hausarbeit bereits herausgefunden hatten, ein kleines Cottage auf den Orkneyinseln, glich das Bild in Harrys Kopf ungefähr dieser Küche. Vielleicht etwas kleiner und düsterer. Das Wetter ungemütlicher und stürmischer und die Luft rau und feucht. Dort gab es sicher auch eine Küche mit einem großen, alten Holztisch und verwitterten Stühlen und einer Obstschale.
„Ich habe Bücher geschrieben, nur wollte sie keiner lesen." sagte Remus leise.
„Hey, ich lese sie! Jedes einzelne!" sagte Sirius schnell und Remus lachte: „Klar! Tatze, die Leseratte! Früher musste ich dich praktisch hinter deinen Schulbüchern festbinden!"
„Deine werden wohl interessanter sein!"
„Versprich dir nicht zu viel! Aber sag mir lieber, worüber du mit mir sprechen wolltest! Irgendwann müssen wir schließlich wieder in die Versammlung. Nur weil du noch etwas Schonfrist hast, steht Molly hier noch nicht auf der Matte!"
Sirius brummte etwas und konzentrierte sich wieder auffällig auf das Messer in seinen Händen. Schließlich brachte er hervor: „Wie müssen ihn finden, Remus!"
„Wen?" Remus schien im ersten Augenblick wirklich verwirrt und auch Harry und Ron wussten nicht, wen Sirius meinte.
„Den Verräter!" schnappte Sirius und Remus zog scharf die Luft ein. Auch Harry und Ron keuchten auf.
„Die Abteilung der Auroren ... Mad-Eye sagte, dass ..." fing Remus leicht stotternd an, doch Sirius schnitt ihm das Wort ab: „Vergiss die Auroren, Remus! Kingsley und Tonks haben sie schon hinaus geworfen und Moody ist mittlerweile der Einzige, der weiß, dass ich verdammt noch mal nichts verbrochen habe! Wie und vor allem wann wird er anfangen, einen Weg zu bereiten? Albus sagte, er wolle das Ministerium allmählich darauf stoßen und Wurmschwanz als Verdächtigen ins Spiel bringen, aber das war auch schon wieder vor drei Wochen!"
„Drei Wochen! Sirius! Was sind drei Wochen ...?"
„ ... im Gegensatz zu 12 Jahren? Himmel, ich möchte, dass das endlich vorbei ist! Ist das denn so schwer zu verstehen! Er hat es mir versprochen, aber wieder einmal gibt es wichtigere Dinge: diese dämlichen Gefangenen, die Frage, wie die Todesser in die Schule gekommen sind ..."
„Du kannst nicht bestreiten, dass das wirklich wichtige Angelegenheiten sind!" warf Remus sacht ein, „Wir konnten unsere Pflicht, die Schüler zu schützen, nicht erfüllen und jetzt müssen wir herausfinden, wieso!"
„Gefangene?" wisperte Ron in Harrys Ohr. Harry zuckte zusammen: „Was?"
„Was für Gefangene?" Harry zuckte mit den Schultern und bedeutete Ron, dass er Sirius´ Antwort hören wollte.
„Aber du hast schon so gut vorgearbeitet und mit Verlaub gesagt, haben Kingsley und Tonks nichts zu tun! Die könnten doch im Ministerium ..." sagte Sirius unwillig.
„Keiner würde ihnen glauben!" meinte Remus.
„Albus könnte seinen Einfluss auf Fudge mal endlich zu etwas Sinnvollem nutzen und ihn überzeugen, dass ich ..."
„Fudges Stuhl wackelt. Genauer gesagt, wackelt er, seit der alte Cornelius darauf Platz genommen hat. Er ist mittlerweile nur noch eine Spielfigur und keiner weiß, wie groß Lucius Malfoys Einfluss noch immer ist."
Sirius schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch: „Verflucht noch mal, Remus! Mach nur so weiter und ich suche ihn selber!"
„DAS TUST DU NICHT!" Remus sprang auf und seine Augen funkelten Sirius so wild an, dass dieser erschrocken zurückwich.
„Was ist denn mit dem los?" flüsterte Ron.
„Vollmond!" gab Harry leise zurück, „Sylvester ist Vollmond. Da hat er sich nicht so gut unter Kontrolle. Außerdem ist das ja auch echt ..." Da wurde ihm plötzlich die volle Bedeutung von Sirius´ Worten bewusst und er verstummte. Natürlich! Wurmschwanz! Wie hatten sie ihn vergessen können? Harrys Gedanken drifteten ab und er sah sich und Sirius schon auf völlig abstrusen Verfolgungsjagden, wie sie in Dudleys Filmen häufig dargestellt wurden. Sie würden ihn suchen, finden und stellen. Endlich würde er für alles, was er getan hatte, büßen!
Harry wurde von einer Welle Wut überschwemmt und er gewahrte Rons Fingernägel, die sich in seinen Arm gruben, nur am Rande.
„Sei still!" zischte Ron, doch die beiden Männer am Tisch machten nicht den Eindruck, als könnten sie etwas anderes wahrnehmen als einander.
„Remus, ich muss ..."
„Vor allem musst du dich zusammenreißen! Ein einziges Mal in deinem Leben!" brüllte Remus völlig außer sich, „Wie oft hat es schon nicht funktioniert, wenn du auf eigene Faust losgezogen bist! Was ist alles schief gegangen! Ich sage dir, überlass es anderen, die ... oder lass die Sache ruhen! Müssen wir denn unser Leben lang ... immer wieder und wieder ...!" Der aufgebrachte Ton seiner Stimme glitt ab in kaum unterdrückte Verzweiflung und ein kaum verstecktes Flehen. Sirius schüttelte den Kopf und versuchte, ruhig auf seinem Stuhl zu sitzen: „Es auf sich beruhen lassen?"
„Vergessen! Endlich vergessen! Ist das denn zu viel verlangt?" Remus klang, als stünde er am Rand eines Zusammenbruchs. Sirius sah auf. Er sah seinem Freund direkt in die Augen. Dann fragte er leise: „Wachst du manchmal noch nachts auf, Moony? Träumst du noch? Weinst du noch?"
Einige Sekunden bewegte sich Remus nicht, dann wirbelte er herum und wollte Richtung Tür stürmen, doch Sirius war aufgesprungen, kam um den Tisch gehetzt und versperrte ihm den Weg.
Harry und Ron waren noch ein Stück weiter weg gewichen und beobachteten die beiden mit blassen Gesichtern und aufgerissenen Augen. In Harry brodelte es. Er konnte Remus´ Wunsch nach Ruhe und Frieden ebenso verstehen wie er Sirius´ leidenschaftlichen Hass und Wunsch nach Rache empfand.
Schwer atmend stand Remus vor Sirius und durchbohrte ihn mit Blicken: „Wie kannst du ...?"
„Remus, hör mir zu! Es ist nicht vorbei! Und wenn er nicht bezahlt, wird es nie vorbei sein! Ich habe bis jetzt kein Leben gehabt! Keines, seit ich die Ausbildung beendet habe und ich würde verdammt noch mal gern endlich anfangen zu leben! Und erzähl du mir nicht, dass bisher für dich alles wunderbar und Sonnenschein war!"
„Ich habe dummerweise nur nie ein angenehmes Leben oder auch nur ansatzweise die Möglichkeiten, die ich mir wünsche und das ändert sich auch nicht, wenn hundert Todesser sterben!" rief Remus, doch Sirius schüttelte den Kopf und packte ihn an den Schultern: „Daran hast du dich aber gewöhnt und auch das kann sich mit der Zeit ändern! Vor allem, wenn man Freunde hat! Aber wir müssen es endlich zu einem Ende kommen lassen! Harry ..."
„Du wirst Harry nie ansehen können, ohne an James denken zu müssen!" Remus´ Worte klangen wie ein Fluch und Sirius wurde weiß im Gesicht.
Harry holte tief Luft und kämpfte gegen die Tränen, die der Wut, Anspannung und Ergriffenheit Platz in seinem Körper schaffen wollten. Wohin würde das führen?
„Das habe ich auch nie behauptet! Aber selbst damit könnte ich irgendwann leben, wenn ich wüsste, dass James´ Mörder seine Strafe erhalten hat!"
„Es ist so lange her! Ich möchte doch nur ...!"
„Ich weiß, was du möchtest, aber es ist noch nicht lange genug her! Es holt uns ein! Und mich hat es nie losgelassen! Ich kann mich auf kein jetziges Leben konzentrieren, weder auf Harry noch auf dich und auf die allseits beliebte Frage nach meinem zukünftigen Berufsleben, wenn das immer in meinem Kopf herum spukt! Ich hatte 12 Jahre Zeit, darüber nachzudenken und ich kann es jetzt nicht loswerden! Selbst Harry hängt da drin, obwohl es für ihn wahrlich genug andere Probleme gibt! Wenn du dich nicht deinetwegen oder meinetwegen überwinden kannst, dann vielleicht Harry zuliebe?"
Remus machte sich mit einer heftigen Bewegung von Sirius los: „Harry zuliebe? Dass gerade du das sagst! Wenn ich mir vorstelle, dass du ihn am liebsten noch mit anstacheln möchtest, dann wird mir schlecht! Du stellst deine Rache in den Vordergrund, deine verlorene Zeit, dein Recht auf Leben! Aber was ist mit ihm? Ich wette, du hast nicht einmal mit ihm darüber gesprochen, was du vorhast. Losziehen und einen Verräter suchen! Dass ich nicht lache!"
„Nicht irgendeinen Verräter! Den Verräter, der damals dafür gesorgt hat, dass der Mensch, der über die Jahre mein Bruder geworden ist, auf die schlimmste Art und Weise gestorben ist!" schrie Sirius und hatte sichtlich Mühe, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
Ron war mittlerweile ganz starr geworden und Harry meinte förmlich fühlen zu können, wie er sich weit weg wünschte. Er selbst allerdings wollte das hier hören; so weh es auch tat.
„Vielleicht hättest du ihn sehen sollen, Remus! In den Trümmern seines Hauses! Ihn und Lily!" Sirius stieß die Worte mühsam hervor.
„Ich kann verstehen, warum es dich nicht loslässt! Weil du daran festhältst! Ich weiß, dass es schlimm war, verdammt noch mal! Dafür muss ich mir keine ... toten Freunde angucken!"
„Was heißt, ich lasse es nicht los? Es ist eines der wenigen Dinge, die mich halten!" Wieder wurde Sirius laut, doch zumindest Mundungus kümmerte das nicht. Inwieweit die Versammlungsmitglieder nebenan diesen Streit mithören konnten, war nicht zu erkennen.
„Wenn die anderen Dinge vielleicht Harry und, ich bin mal so arrogant, ich sind, dann konzentrier dich auf uns und lass es gut sein! Wenn du nämlich noch einmal losgehst, Tatze, und nicht wiederkommst ..." Remus´ Stimme brach und er ließ den Kopf hängen. „Einmal noch ... und dann war es das für mich! Ich kann mich auch nicht ewig aufrecht halten und ich kann mich vor allem nicht immer wieder selbst retten! Lerne wenigstens das aus der Vergangenheit: Immer, wenn du etwas selbst in die Hand nehmen wolltest, ist es schief gegangen! Immer, wenn du nicht auf andere gehört hast!"
„Nicht immer!" sagte Sirius kaum hörbar und mit nicht wirklich nennenswertem Protest ihn der Stimme.
„Meistens!" gab Remus zu und schaffte es, seinem Freund wieder in die Augen zu sehen, „Halt dich zurück! Ich kann dich nicht noch einmal verlieren! Und vor allem unterschätze niemanden! Du tust manchmal so, als seien nicht Voldemort und etliche Todesser unsere Gegner, sondern ... ein paar dümmliche Slytherins aus der Schule, inklusive dein kleiner Bruder! Du hast öfter den Fehler gemacht, andere zu unterschätzen. Ich glaube, du hast Pete- … Pettigrew nie richtig ernst genommen und vielleicht haben ihn solche Dinge zu unserem Feind werden lassen!"
Es waren gewagte Worte, wie Harry fand und er war begierig, Sirius´ Reaktion darauf zu sehen. Lediglich Remus konnte es sich erlauben, Sirius so etwas sagen. Jedem anderen hätte er schon lange den Kopf abgerissen.
„Einmal habe ich ihn ernst genommen! Einmal in meinem Leben und wozu hat das geführt?" Sirius´ Stimme war dunkel und anklagend.
„Schluss mit den Vorwürfen und Schluss mit dieser ungesunden Sehnsucht nach Rache oder wie auch immer du es nennen willst! Wir hatten nie die Möglichkeit, richtig zu trauern und wenn wir noch etwas abwarten und uns vorsichtig verhalten, dann, davon bin ich überzeugt, wird sich alles so wenden, dass wir Ruhe finden können. Dann können wir noch einmal um James und Lily weinen und dann hat sich das Thema endlich erledigt! Wir klammern schon viel zu lange daran und so schrecklich es war und ist und immer bleiben wird, es sollte nicht unser Leben bestimmen!"
„Wie gesagt habe ich zurzeit noch kein richtiges Leben, aber ich verspreche dir, dass ich versuche, mir eines aufzubauen, dass nicht von Rachegefühlen oder Ähnlichem beherrscht wird! Das wäre wirklich mal etwas anderer!" Sirius musste leicht lächeln, doch es war kein fröhliches Lächeln. Remus atmete tief durch: „Keine Alleingänge; versprich es mir!"
„Ich schwöre es dir!"
„Dann lass uns jetzt wieder zurückgehen und die Leute ein bisschen aufmischen. Es ist Weihnachten und ich würde gerne zumindest den Rest des Festes mit Harry und seinen Freunden verbringen."
Remus machte Anstalten, die Küche zu verlassen, doch als er die Hand auf die Klinke legte, hielt Sirius ihn zurück und zog ihn an sich. Die beiden umarmten sich lange und fest.
Harry atmete erleichtert aus und sah Ron neben sich ebenfalls beruhigt nicken.
Dann verließen Sirius und Remus die Küche und Harry und Ron bleiben unter dem Umhang zurück in der Küche. Mundungus schnarchte noch immer friedlich.
Schließlich sagte Ron unbestimmt: „Krass!"
Harry nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. Es war ja schön, dass sich Sirius und Remus am Ende so gut verstanden, aber was wurde nun aus Pettigrew? Früher hätte es Harry gereicht, wenn Dumbledore und Moody sich darum kümmern wollten, doch mittlerweile war er nicht mehr davon überzeugt, dass das genug war. Sie hatten schlichtweg zu viel zu tun. Und es war ein ziemliches Stück Arbeit, einen Todesser zu fangen. Oder?
Harry durchzuckte plötzlich und ohne jeden Zusammenhang ein Gedanke. Pettigrew stand in seiner Schuld! Harry hatte ihm einst das Leben gerettet; er hatte verhindert, dass Sirius und Remus ihn töteten. Und Dumbledore hatte gesagt, Voldemort wäre nicht sehr begeistert, einen Diener zu haben, der in seiner, Harrys, Schuld stand.
Zwischen Zauberern, die einander das Leben retten, entsteht ein Band.
Harry keuchte. Was, wenn er der Einzige war, der Pettigrew tatsächlich erreichen konnte und in der Lage war, zu veranlassen, irgendwo hinzukommen? Zu einer Art Treffpunkt. Er könnte es versuchen. Und er könnte Jakob aushorchen, ob er nicht selbst auch jemanden per Legilimentik erreichen könnte. Wenn Voldemort, Snape und Jakob das bei ihm schafften, müsste es doch auch andersherum funktionieren. O.K., es könnte richtig schief gehen und ihm wehtun. Aber er machte wirklich Fortschritte in letzter Zeit.
Harry schauderte. Er dachte hier an Köpfe. Gehirne. An das Seelenleben, die Gedanken und Wünsche, die Kräfte und Intelligenz von Menschen. Das war nichts, womit man spielen konnte. Aber Harry wollte auch nicht spielen.
„Kommst du?"
Er sah erschrocken auf. Ron stand erwartungsvoll vor ihm: „Und, gehen wir noch ein bisschen horchen oder gehen wir wieder zurück?"
„Naja, wenn Hagrid uns jetzt noch nicht vermisst, dann können wir auch noch ein bisschen bleiben. Gehen wir und gucken nach diesem Geheimversteck!" Sie gingen unter dem Tarnumhang zurück in den Flur und Ron tastete die Wand ab, bis er den Raum gefunden hatte.
„Warte!" wisperte Harry und richtete seinen Zauberstab auf die Steine, „Silencio!"
Ron nickte anerkennend und tippte dann gegen die Wand. Langsam und diesmal ohne einen Ton von sich zu geben entstand ein kleines Loch, durch das sie mühsam hindurch in einen Raum krochen, in dem sie gerade beide Platz hatten, wenn sie sich nebeneinander kauerten. Ron stieß sich mehrmals den Kopf und fluchte. Harry zückte noch einmal den Zauberstab: „Lumos!"
Er leuchtete um sie herum. Die Wände der kleinen Kammer bestanden aus rohem, unfreundlichem Stein, der angekratzt und brüchig war. Der Boden war mit Krümeln und Staub bedeckt und dann entdeckte Harry eine kleine Inschrift direkt neben Rons Ohr. Er fuhr mit dem Finger entlang und entzifferte mühsam Buchstaben, die von einem Kind geschrieben worden sein mussten.
„ „Ein weiterer schwarzer Tag im Black-Haus: Regulus hat diesen dämlichen Flügel gesprengt und Mutter hat mich dafür gehauen! Ich hasse sie beide!" "
„Was redest du da?" fragt Ron völlig verwirrt.
„Ich lese. Hier stehen kleinen Nachrichten. Ich denke mal, die sind von Sirius!"
„Ach!" Ron versuchte, sich umzudrehen, stieß dabei sein Knie in Harrys Magen und bekam einen fiesen, kleinen Krampf in der linken Wade, „Ah, Mann, es ist viel zu eng hier!" Harry keuchte auf: „Aua, mein Bauch!"
„Tschuldigung! Leuchte mal hier hin! Hier steht auch was! Hat der eine Sauklaue! Also: „Endlich Schule! Morgen bin ich hier raus!" Der süße Kleine!"
Harry grinste: „Wir haben hier sein Tagebuch gefunden!"
„Das hier ist cool! „Heute ist mein Freund James gekommen. Auf Besuch. Meine Mutter hasst ihn und dafür hab ich ihn umso lieber! Morgen zeige ich ihm mein Versteck!" "
„Oh!" Harry machte ein Gesicht wie Ginny, wenn sie etwas süß fand.
„Und hier: „James findet das Versteck stark! - Ja, finde ich!" Oh, dein Dad war hier!"
Harry entglitten alle Gesichtszüge: „Echt?" Ron nickte eifrig: „Ja! Genau hier! Er hat bestimmt da gesessen, wo du sitzt und Sirius hier. Und dann haben Streiche ausgeheckt und über Sirius´ Bruder geschimpft!"
Harry lächelte: „Das ist toll, oder?"
„Allerdings!"
Sie schwiegen ein bisschen und dann gewahrten sie die Stimmen, die aus dem Nebenraum zu ihnen drangen. Es war Rons Vater, der da so aufgebracht argumentierte. Ron zog eine Grimasse und er und Harry drückten die Ohren an die Wand, um noch ein bisschen besser zu hören.
„Das ist wirklich inakzeptabel, Jakob! Inakzeptabel!"
„Wieso? Da frage ich mich ernsthaft!" Jakob besaß die Nerven, dagegen zu halten.
„Ich mich auch!"
„Halt die Klappe, Sirius! Eure Methoden stehen hier nicht zur Diskussion!" An dem hingespuckten, ironisch betonten Wort „Methoden" konnten Harry und Ron hören, wie wütend Mr. Weasley war. Sirius seufzte laut und übertrieben: „Dann wären wir sie los! Ein für allemal!"
„Genau!"
„Nett, dass die beiden sich so gut verstehen, nicht?" machte Ron mit hochgezogenen Augenbrauen und meinte Sirius und Jakob. Harry zog ein Gesicht: „Aber worum geht's eigentlich?" Ron zuckte mit den Schultern, so gut es ihm in diesem Winzraum möglich war.
„Noch dazu ist es illegal!" Die Stimme klang sehr nach Madam Pomfrey.
„Ein offizieller Befehl von einem Auroren und ..."
„Es gibt aber keinen offiziellen Befehl, Schuhmann! Es gibt auch keinen Auroren mehr! Nur noch mich und ich werde dir was husten ... Befehl ausstellen zur Hinrichtung von FÜNF Todessern!" brüllte Moody.
Harry und Ron zuckten zusammen.
„Todesser?"
Harry schlug sich an die Stirn: „Die Gefangenen von denen Sirius und Remus gesprochen haben!"
„Aber wo sind die?"
Drinnen im Versammlungsraum wurde es wieder laut. Schließlich hob sich eine Stimme von den anderen ab. Professor McGonagall verkündete: „Egal, was wir mit ihnen machen: Als erstes müssen sie aus der Schule raus!"
Harry und Ron erstarrten. Dann wisperte Ron total fassungslos: „In der Schule?"
„Dem stimme ich zu. Ich würde gerne wieder meine Räumlichkeiten in Besitz nehmen!" sagte jemand mit schnarrender, unangenehmer Stimme, die sehr nach Snape klang. Von drinnen hörten sie Sirius´ Stimme, die irgendeine spitze Bemerkung von sich gab, die sie leider nicht verstanden. Sie hatte Snape gegolten, denn dieser schoss wiederum eine nicht jugendfreie Beleidigung zu Sirius zurück, woraufhin Mrs. Weasley anfing zu schimpfen und Remus einen Seufzer von sich gab, der eindeutig hieß, dass er es nicht wirklich als fair empfand hier sitzen und sich so etwas anhören zu müssen.
„Warum nicht, Moody?" Jakob war tatsächlich so dreist und so absolut lebensmüde, Moody weiter zu behelligen.
„Das will ich dir sagen, Jungchen! Die sind unser Trumpf ..."
„Ich dachte, Sirius wäre der Trumpf!" meinte Harry scherzhaft und drinnen brummte Sirius eben dasselbe. Harry schmunzelte, Ron schüttelte lachend den Kopf und Remus schnaubte einmal.
„ Wir wissen vielleicht jetzt noch nicht, wofür wir sie verwenden können, aber ..."
„Niemand kann Todesser für irgendetwas verwenden! Die sind uns ebenso unwichtig wie Voldemort! Er kümmert sich doch nicht darum, fünf Leute verloren zu haben! Das sind für ihn Peanuts! Völlig unwichtige Einzelstücke, auf die er verzichten kann!" Wieder Jakob.
„Es ist viel zu gefährlich die Todesser so lange in der Schule zu behalten! Wir wissen, wozu sie fähig sind. Können wir es denn wirklich riskieren, dass sie uns überrumpeln!" fragte Remus mit seiner ruhigen Stimme.
„Bis jetzt ..."
„Ach, bis jetzt! Bis vor wenigen Wochen war Hogwarts auch noch total sicher und uneinnehmbar!" Remus hatte Professor Flitwick nicht ausreden lassen, was ihm ordentlich schwer gefallen sein musste, denn Harry wusste, wie sehr er seinen alten Lehrer schätzte.
„Was ist mit Askaban?" rief eine Stimme, die sich nach Tonks anhörte.
„Was soll mit Askaban sein!" fuhr Sirius auf, „Ein nettes Plätzchen ist das jetzt! Besonders für Todesser. Die Dementoren sind weg und keiner weiß, wo sie sich aufhalten. Auf der Insel feiern die jetzt eine wilde Party nach der anderen; das kann ich dir versichern!"
„Kein Grund laut zu werden, Sirius!" Na, endlich. Dumbledore. Harry hatte sich schon gefragt, ob er gar nicht anwesend war.
„Ich habe eine Lösung gefunden. Wir werden sie dem Ministerium übergeben!"
Augenblicklich herrschte Stille, das unterschwellige Gemurmel erstarb. Harry und Ron sahen sich fassungslos an und sprachen denselben Gedanken aus: „Spinnt der?"
Dann lachte Sirius: „Guter Vorschlag, Albus! Ich habe einen noch besseren: Wir bringen sie gleich zu sich nach Hause. Nach Malfoy Manor vielleicht. Mit Handkuss und Entschuldigung. Dann geben wir ihnen noch einen Lageplan von Hogwarts und dem Ministerium mit und lassen sie den nächsten Schritt machen. Wenn ab jetzt nur noch solche hirnverbrannten Vorschläge kommen, dann kann ich ja schon einmal gehen. Ich habe ein Leben, das ich gerne etwas ausnutzen würde, bevor es mal wieder zu Ende geht!" Er klang sehr ungeduldig und ein plötzliches Stuhlrücken sagte Harry und Ron, dass er aufgestanden war.
„Setz dich, Sirius, und nenne mich nicht hirnverbrannt!" sagte Dumbledore streng, „Wir werden sie einem ganz bestimmten Mann im Ministerium ausliefern: Hektor Vaughn."
Einige murmelten aufgeregt. Sie schienen den Mann zu kennen oder zumindest von ihm gehört zu haben. Harry und Ron allerdings zuckten ratlos mit den Schultern.
„Ich habe gestern erfahren, dass er aus den Staaten zurückgekehrt ist, um die Aurorenabteilung zu übernehmen." erzählte Dumbledore weiter.
Moody knurrte: „Mit seiner Rückkehr hat er sich aber ganz schön Zeit gelassen!"
„Nichtsdestoweniger ist er nun hier!" sagte Dumbledore, „Er wird uns helfen. Ich kann sagen, dass ich mich mit ihm immer noch so gut verstehe wie früher und er hat weder seine Energie noch seinen gesunden Menschenverstand verloren."
„Er ist ein Bastard!" rief Moody, „Ein unfreundlicher, misstrauischer Bastard ohne Manieren!"
„Und du bist die Höflichkeit und Zutraulichkeit in Person, Mad-Eye!" war Remus´ leicht ironische Stimme zu vernehmen.
„Ich hab nicht gesagt, dass er mir nicht ungeheuer sympathisch ist!" brummte Moody.
„Er wird der nächste Zaubereiminister!" sagte Dumbledore bestimmt.
Harry machte überrascht „Oh!" und Ron sagte „Na, siehste mal!" in einem Tonfall, den er sich garantiert von den Zwillingen abgeguckt hatte.
„Weiß Fudge das schon?" fragte Sirius eindeutig amüsiert und Dumbledore antwortete; und Harry konnte förmlich das breite Lächeln in seinem Gesicht sehen: „Natürlich nicht! Aber sobald das alles ein Ende hat, wird Fudge noch gerade genug Zeit haben, um seine Sachen zu packen und sein Büro frei zu machen. Ich werde Vaughn auf seinen Stuhl setzen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue! Dieser Mann wird unsere Verbindung ins Ministerium sein und später wird er uns beim Aufräumen helfen."
„Guter Plan!" sagte Mr. Weasley zufrieden, „Ich werde mich heute Abend mit ihm beraten und ihm die Todesser übergeben. Er wird sie für uns verwahren und sobald wir in der Lage sind, ihnen den Prozess zu machen, werden wir es tun. Fudge wird von alledem nichts erfahren."
„Prima! Dann können wir ja zurück ins Schloss!"
„Noch nicht, Sirius!" widersprach Dumbledore und Sirius stöhnte genervt. Remus allerdings ließ sich nicht so leicht abwimmeln: „Ich will aber jetzt zurück zur Schule! Verflucht noch mal, es ist Weihnachten! Gönn uns eine Pause!"
Wieder sagte einen Augenblick niemand etwas und Harry stellte sich vor, wie Remus Dumbledores Blick standhielt. Schließlich: „Gut, machen wir Schluss für heute."
„Bestens!" Sirius sprang von seinem Stuhl und kurz darauf waren viele Schritte zu hören und die Tür öffnete sich.
„Oh, oh!" machte Ron und Harry biss sich auf die Unterlippe: „Was machen wir denn jetzt? Wir kommen nie schnell genug hier raus, um wieder bei Hagrid zu sein, bevor alle anderen in der Küche sind. Und dann belagern sie den Kamin!"
„Vielleicht flohen sie direkt zur Schule und dann erfahren sie erst einmal, dass wir bei Hagrid sind!"
„Das gibt uns wohl kaum genug Zeit. Mundungus und deine Mum bleiben doch mindestens in Küche."
„Mist!" Ron schlug einmal mit der Faust auf den Boden, dann zuckten beide zusammen, als es knirschte. Die Wand gab nach, ohne, dass sie etwas getan hatten.
„Nur kurz, Remus! Ich würde zu gern wissen, ob ich da noch reinpasse!" war Sirius´ Stimme zu hören und Harry und Ron machten entsetzte Gesichter: „Wir müssen hier raus!"
„Aber wie?"
Harry zuckte mit den Schultern und drückte dann sein ganzes Gewicht gegen die sich langsam bewegende Öffnung.
„Was machst du denn da?" fragte Ron völlig entgeistert.
„Keine Ahnung! Erst mal zuhalten!" zischte Harry und Ron schob sich neben ihn. Gegen ihr gemeinsames Gewicht konnte Sirius anscheinend nichts ausrichten. Er hörte auf zu schieben und murrte: „Jetzt klemmt es!"
„Ach, so plötzlich?" Remus klang nicht wirklich überzeugt, „Naja, komm und lass uns zurück. Wenn wir direkt zu Hagrid flohen, können wir ihm helfen, das Festessen zur Schule zu transportieren."
„Ist es schon so spät? Kein Wunder, dass mein Magen knurrt!" Es waren sich entfernende Schritte zu hören und Harry und Ron machten ganz verzweifelte Gesichter.
„Na, ganz toll! Sie gehen gleich zu Hagrid. Das heißt dann ja wohl ..." Weiter kam Ron nicht, denn aus der Küche war eine sehr tiefe, dröhnende Stimme zu hören.
„Hagrid!" fiepte Harry und Ron stöhnte: „Das wird ja immer besser!"
„Wollt ma´ nach den Jungens gucken! Die sind mir doch tatsächlich aus der Hütte entwischt! Weiß ja aber, dass die nur hier sein können, gell? Was sollten sie denn in Frankreich bei Madame Maxim?"
In der Küche sahen sich Remus und Sirius für ungefähr eine Sekunde an, dann stürmten sie hinaus auf den Flur und platzierten sich vor dem Geheimversteck.
„O.K., ihr zwei! Sofort raus da oder ich hole Molly und dann könnt ihr was erleben!"
„Du meinst, Mum weiß noch nichts?" fragte Ron zaghaft und schob sich durch die Öffnung, so unschuldig wie möglich in Remus´ Gesicht blinkend.
„Noch nicht, nein!" Remus schüttelte tadelnd den Kopf, während Sirius Ron beim Aufstehen half und Harry aus der Luke zog.
„Warte, der Tarnumhang!" Harry schnappte schnell einen Zipfel, bevor er ihm abhanden kam und stand dann auf. Er sah recht schuldbewusst aus. Besonders, weil er Remus´ strafenden Blick auf sich ruhen fühlte. Sirius schien noch zwischen freudigem Lachen und erzieherischer Entrüstung zu schwanken, entschied sich aber dann dafür, den Vermittler zu spielen: „So, dann lasst uns jetzt mal schnell zurück zu Hagrids Hütte, damit hier nicht noch ein Krach losgeht. Deine Familie, Ron, kommt nach und wir bereiten das Festessen vor."
„O.K." Ron folgte Sirius mit gesenktem Kopf und Harry schloss sich ihnen an.
„Glaubt ja nicht, dass ihr mir so einfach davonkommt! Wenn wir wieder an der Schule sind und diese dusseligen Festtage vorbei sind, bekommt ihr eine Strafarbeit, die sich gewaschen hat! Ihr spinnt wohl!" schimpfte Remus vor sich hin; immer laut genug, dass Harry es hören konnte.
Hagrid wartete in seiner Hütte bereits wieder auf sie und Harry und Ron bekamen jeder zwei fiese Kopfnüsse, weil sie einfach abgehauen waren.
„Das nächste Mal musst du gleich Alarm schlagen, Hagrid!" ermahnte Remus, während er die ganzen Schüsseln und Platten mit den Enten möglichst Platz sparend auf mehreren Schlitten unterbrachte.
„Aber wo sollten sie denn hin? Konnten doch nur zum Grimauldplatz und da passiert ihnen doch nichts!" brummelte Hagrid und verkleckerte beim Umfüllen etwas braune Soße auf seinen Bart.
„Hagrid, wir müssen nicht wirklich schon wieder über den Sinn der Vorsichtsmaßnahmen diskutieren!" erwiderte Remus scharf und Hagrid zog den zotteligen Kopf ein: „O.K.!"
Harry sah Remus überrascht an. Sirius zuckte unbeeindruckt die Schultern und machte sich einen Spaß daraus, Ron vor einen der Schlitten zu spannen.
Schweigend machten sie sich auf den Weg zur Schule. Hagrid verzog sich gleich in die Küche und die anderen wurden in der Einganghalle von einem Szenario begrüßt, das seinsgleichen suchte.
Harry hob die Augenbrauen und versuchte, sein Entsetzen zu verbergen. Neben ihm ließ Ron ein fassungsloses Schnauben hören. Ginny, die sich sofort neben die beiden gestellt hatte, biss sich angestrengt auf die Lippen, während sie schon ganz rot im Gesicht war. Nur Hermine schien ehrlich hingerissen von den schmuddeligen Hauselfen, die vor dem riesigen Weihnachtsbaum, den Hagrid aufgestellt und Professor Flitwick geschmückt hatte, Aufstellung genommen hatten und nun ein ganz furchtbares Weihnachtslied zum Besten gaben. Sie quietschten und schnarrten in den unmöglichsten Tönen. Harry schüttelte sich und versuchte irgendwie nicht hinzuhören, was schier unmöglich war.
„Oh, mein ..." machte Sirius und klang sehr angeekelt. Nicht einmal Remus schaffte es, ihn zurecht zu weisen. Auch er guckte recht entsetzt und schien zu denken, dass das doch jetzt nicht wirklich nötig war.
Harry überlegte gerade fieberhaft, wie sie die Hauselfen zum Schweigen bringen konnten, da schoss etwas Schwarzes, Bellendes an ihm vorbei. Hermine quietschte auf und sah sich dann das erste Mal auf: „Oh, hey, Jungs! Hallo, Professor Lupin! Fröhliche Weihnachten!"
„Dir auch, Hermine!" erwiderte er liebenswürdig, während Ginny die Augen verdrehte: „Sag nicht immer „Professor"! Das nervt!"
„Es zeigt meinen Respekt!" gab Hermine schmollend zurück und widmete sich dann wieder den Hauselfen. Diese waren jetzt allerdings in großer Not, denn Sirius jagte sie gnadenlos und wild knurrend um den Baum herum. Sie hüpften ungeschickt und ängstlich und beförderten sich einer nach dem anderen begleitet von lautem Knallen in die Küche.
„Das hast du ganz fein gemacht! Ein ganz feiner Hund!" rief Ginny und tätschelte Sirius´ Kopf. Als dieser sich neben sie stellte.
„Die Ministeriumsleute sind übrigens weg." sagte Ginny und der Hund schien zu nicken, bevor er einen unerwarteten Angriff auf Harry startete und ihn zu Boden riss.
„Oh, warte! Das kriegst du wieder!" Harry kämpfte ihn nieder und lachte zufrieden, als sich Sirius verwandelte und keuchend zugab, dass Harry stärker war. Zumindest dieses eine Mal.
„Leute, ich habe Hunger!" verkündete Hermine, die krampfhaft ignoriert hatte, wie Sirius mit den armen Elfen umgesprungen war, da sie an Weihnachten nicht streiten wollte.
„Gute Idee!" sagte Ron, „Lasst uns essen gehen!"
Sie schlugen den Weg zur großen Halle ein, als Meta ihnen aufgeregt entgegen kam: „Habt ihr irgendetwas Merkwürdiges auf dem Gelände bemerkt?"
„Äh, nein!"
„Irgendwo ist Alarm ausgelöst worden! Ich muss sofort Kingsley Bescheid sagen!" Und schon war sie um die nächste Ecke verschwunden. Harry sah Remus an.
„Kein Grund zur Beunruhigung" meinte dieser schulterzuckend, „Der Alarm ist, seit er gestern eingerichtet wurde, schon 14 Mal ohne Grund losgegangen!"
„Aber Meta sah besorgt aus!" warf Hermine ein.
„Sie liebt die Aufregung!" sagte Sirius grinsend.
„Wenn die Herrschaften jetzt die Güte hätten, mit zum Festessen zu kommen. Es ist angerichtet." Snape trat auf sie zu und wandte sich an Ginny, „Miss Weasley, Sie werden morgen früh mit mir in die Winkelgasse flohen, damit wir unsere neuen Zauberstäbe holen können."
„Oh, prima!" sagte Ginny tonlos und Harry war voller Mitleid.
Das Festessen war gigantisch!
Sie rissen erst einmal fünf Minuten die Augen auf und sogar Ron brauchte etwas, bis er schließlich zugriff. So viele verschiedene Köstlichkeiten türmten sich auf den Tischen, die zu einem großen Buffet hingestellt worden waren. An der linken Seite war ein Esstisch aufgebaut, von dem bereits Dumbledore winkte und fröhlich rief: „Frohes Fest! Holt euch reichlich und setzt euch!"
Bevor sie allerdings ans Buffet kamen, wurden sie alle mehrmals von Mrs. Weasley umarmt, die, gut gelaunt wie sie war, wohl wirklich nichts von Harrys und Rons Ausflug ins Hauptquartier erfahren hatte. Sie lachte und plauderte ausgelassen mit Tonks, die, Arm in Arm mit River, am Buffet entlang flanierte; tatsächlich ohne etwas umzustoßen. Lee und die Zwillinge verlängerten in einem günstigen Augenblick den Weihnachtspunsch mit Feuerwhiskey und zwinkerten Harry zu, während sie die Zeigefinger auf die Lippen legten.
Auch Bill und Charlie waren da und verkündeten, Kingsley und Moody seien eben ins Dorf geflogen, um nach dem Rechten zu sehen. Nachdem die Alarmsysteme losgegangen waren, hatten sie draußen erst einmal nichts gefunden. Percy begrüßte alle recht würdevoll und widmete seine Aufmerksamkeit denn dem Essen. Amber winkte Harry von der gegenüberliegenden Seite des Tisches zu. Alle Lehrer aus dem Orden schwirrten herum und mitten unter ihnen auch Mr. Weasley und Jakob, der Harry um eine Okklumentik-Sitzung zwischen den Festtagen bat. Harry war zu gut gelaunt, um sich davon jetzt großartig ablenken zu lassen und sagte zu.
„Wo sind eigentlich die anderen Lehrer?" fragte Ron neben Harry und Remus, der hinter ihnen stand, sagte kurz: „Zuhause."
„Wo Zuhause?" hakte Harry nach.
„Wir haben uns von einigen trennen müssen. Beispielsweise von Professor Sinistra, Professor Smythe und Professor Green."
„Autsch! Trennen?" machte Ron.
„Warum denn?" fragte Harry mit schwacher Stimme, „Todesser?"
„Nein! Du kannst nicht alle Leute in Todesser und Nicht-Todesser teilen! Sie haben sich nicht in der Weise engagieren wollen beziehungsweise können, die Dumbledore ihnen vorschlug, was durchaus verständlich ist. Lydia Sinistra hat zwei kleine Töchter zu Hause, das heißt, in Hogsmeade, und Marinus Green hatte schon länger vor, das Land zu verlassen. Dumbledore hat ihnen einen guten Weg gewünscht und ihnen jede Hilfe versprochen, die wir ihnen geben können."
Harry biss sich auf die Unterlippe. Er mochte einerseits einfach nicht verstehen, wie sich jemand so feige aus der Affäre ziehen konnte, doch wenn er sich andererseits daran erinnerte, wie oft er nur allzu gern den Kopf in den Sand gesteckt hätte, konnte er seine Lehrer verstehen.
„Und was wird mit dem Lehrkörper, nach ... wenn ... verdammt!" Hermine sah betreten zu Boden, nachdem sie ihre Frage nicht zu Ende bringen konnte.
„Wir stellen Neue ein!" verkündete Sirius mit lauter, betont fröhlicher Stimme, „Der Werwolf und die Schlaflose bleiben in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, aber wie wäre es mit einem Vampir in Astronomie, einem Guhl in Alte Runen und einem neuen Lehrer in Zaubertränke? Wer macht die besten Vorschläge?"
„Ein Troll!" rief Ginny.
„Eine Veela!" kam es gleichzeitig von Fred und George.
„Wir werden darüber nachdenken!" sagte Sirius wichtig.
„Was heißt eigentlich „wir"?" fragte Remus amüsiert, „Gehörst du seit Neuestem zur Schulleitung, oder was?"
„So ist es! Und damit ist diese Schule ihrem sicheren Untergang geweiht! Wer hätte das gedacht; wer hätte das kommen sehen? Der berüchtigste Rumtreiber an der Spitze von Hogwarts, sozusagen ganz oben auf der ..."
„Nahrungskette? Du redest zu viel, Black! Wie immer!" Sirius wandte sich entrüstet um und sah in Metas grinsendes Gesicht, „Und du hältst den Verkehr auf. Am Buffet; das ist lebensgefährlich! Also sieh zu, dass du Land gewinnst!"
„Bist du so umwerfend freundlich erst seit du mit Remus zusammen bist oder war das der auslösende Faktor?" stichelte Sirius und Harry zog ihn weiter: „Nicht streiten an Weihnachten!"
„Ich streite nicht!" verteidigte sich Sirius und zog Meta noch ein Gesicht, bevor er sich dem Teller zuwandte, dem Harry ihm reichte.
Sirius durfte in seiner menschlichen Gestalt bleiben, da sich nur eingeweihte Personen im Raum befanden, was ihn und Remus gleichermaßen erfreute. Letzteren vor allem, da er sich nun nicht mit einem verfressenen Hund zu seinen Füßen herumschlagen musste, welcher ihm jedes Fleischstückchen auf seinem Teller neidete und unablässig bettelte.
Harry saß neben seinem Paten und schmauste und amüsierte sich ab und an zusammen mit Sirius über Snapes grimmiges Gesicht. Er war anscheinend noch nicht wieder hundertprozentig hergestellt. Jedenfalls hielt er sich an ein paar gedünsteten Erbsen und Möhrchen fest und schoss wütende Blicke zu Sirius.
Ron hatte vor einiger Zeit jegliches Gespräch aufgegeben und schlemmte nur noch. Sogar Hermine war still und bewunderte ihr Kunstwerk aus vegetarischen Tofu-Medaillons, Broccoli, weißem Brot und Paprika-Gurken-Salat. Ginny prostete den Zwillingen zu und versuchte zu verstecken, dass sie vom Weihnachtspunsch naschte, was Harry trotzdem auffiel. Sie lachte ihm mit verschwörerisch blitzenden Augen zu und er konnte nicht anders, als zurück zu lachen. Sirius grinste, bekam aber, bevor er etwas sagen konnte, einen warnenden Tritt von Remus, der an seiner anderen Seite saß.
„Wer hätte gedacht, dass du noch etwas von deiner Umwelt wahrnimmst, Moony!" stichelte Sirius nun in seine Richtung und Meta, die neben Remus saß und sich ungeniert von seinem Teller bediente, streckte ihm die Zunge raus.
„Der pure Neid, Tatze!" gab Remus unbeeindruckt zurück und Sirius hob erstaunt die Augenbrauen, als Remus nur zum Beweis Meta vor seinen Augen einmal übertrieben leidenschaftlich küsste.
Sirius drehte sich wieder zu Harry: „Remus ärgert!" Harry lachte: „Lass ihn! Du kannst dich mit mir beschäftigen. Ich will noch mal zum Buffet!"
„Dann komm ich mal mit!"
Als sie sich durch die Entenflügel, die Soßentöpfe und die Gemüselasagne gearbeitet hatten und gerade vor dem Reis-Ragout-Topf standen, hielt Sirius mit dem Schöpfen inne: „Harry, ich bin echt glücklich, so ein schönes Weihnachtsfest mit dir zu erleben!"
Harry sah schief lächelnd zu ihm hoch: „Ich auch; das kannst du mir glauben!"
„Ich habe natürlich kein Geschenk, aber es gibt noch etwas, das ich mal für dich gemacht habe ... und dir geben wollte!"
„Oh! Ich denke, das hat Remus schon getan!" sagte Harry etwas zerknirscht.
„Wirklich!" Sirius klang überrascht, aber nicht enttäuscht, „Hm, er hat echt gut auf dich aufgepasst, während ich weg war, oder?" Harry nickte.
„Wahrscheinlich besser als ich!"
„So ein Schmu! Du hast vielleicht ein paar Fehler gemacht, aber jetzt weißt du´s ja besser!"
„Danke! Ich wollte zwar jetzt hören „Nein, nein, lieber Sirius! Du hast noch nie etwas falsch gemacht!", aber das wäre wohl etwas zu übertrieben!"
„Etwas!"
„Also, was würdest du davon halten, wenn wir nach dem Essen einmal gemeinsam ins Denkarium gehen und uns eine Erinnerung anschauen?"
Harry strahlte: „Eine ganze Menge!"
Der Nachtisch musste extra eingefahren werden und bestand aus mehreren Früchtecremes, den verschiedensten Eissorten, dampfenden Küchlein, Unmengen von Keksen und einem Vanillepudding, in dem eine Mandel stecken sollte. Als diese nach dreiviertelstündigem Suchen und Essen keiner gefunden hatte, wurden es allen über, nach der Mandel zu wühlen und Meta meinte, sie müssten unbedingt an die Luft.
„Sirius, als Hund, bitte!" rief Dumbledore ihnen noch hinterher, „Nur zur Sicherheit! Der gute Stubbins hat angekündigt, vor seinem Weggang noch die Ländereien inspizieren zu wollen und er und seine Kollegen sind nicht wirklich von der schnellen Sorte. Merlin weiß, ob sie schon weg sind."
Draußen herrschte sachtes Schneetreiben unter einem schön schummerigen Nachthimmel. Die Flocken schwebten gemütlich zur Erde und ließen sich von ihrem Besuch nicht stören. Remus sorgte für etwas mehr Licht, indem er einige Laternen, die am Weg standen, entfachte. Jetzt hatte er alle Mühe, Sirius abzuwehren, der sich wie toll gebärdete und endlich Remus´ Hand an seinem Halsband loswerden wollte.
„Gut, geh! Sonst beißt er mich noch!" Er ließ Sirius laufen.
„Würde er nie tun!" sagte Harry empört und Remus lachte: „Hat er schon mal getan! Lass dir da mal nichts vormachen!"
Prompt bekam er einen heftigen Stupser von Sirius´ Schnauze.
Harry und Ron tauschten einen Blick und die Sache war klar. Jeder griff sich die Hände voll Schnee und begann, Ginny und Hermine und, da sie neben ihnen stand, zwangsweise auch Meta zu bewerfen.
„Hey! HEY!"
Den Protest geflissentlich ignorierend bombardierten die Jungs sie weiter und verschanzten sich hinter einer kleinen Schneemauer, die Hagrid aufgetürmt hatte in dem irrigen Glauben, jemand bräuchte vielleicht einen Pfad durch den Schnee zur Schule. Natürlich hatte sich Hagrid nicht davon abhalten lassen, dass der Schnee mittlerweile nur noch wenige Zentimeter hoch war. Das Mäuerchen war kniehoch und genügte Harry und Ron als Schutz.
Ginny rollte wütend schimpfend ein paar feste Schneebälle, während Hermine noch damit beschäftigt war, sich den nassen, weil schon schmelzenden Schnee aus Haaren und Nacken zu streichen.
„Na, wartet, ihr fiesen, hinterhältigen ...!" Ginny schleuderte mit aller Kraft Schnee auf die Jungen, welche nur müde lachten. Die gute Laune verging allerdings, als sie gewissermaßen von beiden Seiten in die Zange genommen wurden. Remus, der sich offenbar spontan dazu entschieden hatte, seinen armen, überraschten Schülerinnen und seiner Freundin beizustehen, nahm sie unerwarteterweise aus der entgegengesetzten Richtung unter Beschuss und Harry musste verärgert feststellen, dass Remus ziemlich gut zielte. Ron versuchte ihn mit den Schneebällen zu treffen, die er selbst gerade gegen den Kopf bekommen hatte und fluchte ungehalten.
Da stürzte sich Sirius wütend bellend auf Remus und warf ihn zu Boden.
„HA!" brüllte Harry triumphierend.
„Da hinten kommt Kingsley ... glaube ich!" rief Hermine und deutete auf eine Gestalt, die vom Wald aus herstakste.
„Und wer ist da bei ihm?" wollte Ron wissen. Sie beobachteten noch eine Weile angestrengt, dann kreischte Ginny auf: „Neville!" Sie sprang hoch, da sie bis eben im Schnee gekniet hatte, und lief den beiden entgegen.
„Da sind wir also wieder! Fröhliche Weihnachten alle miteinander!" begrüßte Kingsley sie, als er sie erreicht hatte. Und tatsächlich entpuppte sich die dick eingemummelte Gestalt neben ihm als Neville, der von Ginny stürmisch begrüßt wurde.
„Schock mich!" stieß Ron hervor, „Neville, was machst du denn hier?"
Neville schubste die Kapuze vom seinem Kopf und lächelte sie verlegen an: „Tja, also, wo sollte ich denn sonst hin?"
„Erst einmal gehen wir jetzt rein, Neville, und sorgen dafür, dass du warm wirst. Du bist jetzt seit drei Tagen unterwegs!"
„Was?" Harry starrte ihn fassungslos an, „Bist du zu Fuß hier?"
„Mehr oder weniger!" meinte Neville und hielt einen ziemlich ramponierten Besen, dessen Borsten total zerbrochen und wirr waren, „Hi, Harry, Ron! Hallo, Hermine! Oh, und Professor Lupin und Professor Rosenstein!" Mit einem Blick auf Sirius runzelte er die Stirn: „Wem gehört der Hund?"
„Hagrid." sagte Ginny und hakte Neville unter, „Und jetzt komm rein und wärm dich auf!"
Widerspruchslos ließ sich Neville mitziehen und in die Große Halle führen und die anderen folgten ihnen. Bei heißem Tee und Resten vom Abendessen erzählte Neville schließlich, wie und vor allem wieso er sich an Weihnachten durch Schnee und Kälte schlug, um nach Hogwarts zu gelangen.
„Also, um es kurz zu machen: Meine Grandma hat das Land verlassen! Und sie wollte mich mitnehmen. Ich weiß nicht mal, wohin. Aber sie wollte um jeden Preis verhindern, dass ich zurück nach Hogwarts gehe!"
Sie starrten ihn erschrocken an. Neville kaute auf seiner Unterlippe herum und wärmte seine klammen Hände an der Tasse. Ginny saß mit ernstem Gesicht neben ihm und tätschelte beruhigend seinen Arm, was Harry nicht so wirklich in den Kram passte.
„Aber ... Leute ... hier bin ich doch auch zu Hause! Nie wieder Hogwarts ... das wäre doch ..."
Harry konnte genau verstehen, was er meinte. Er hatte selbst schon oft genug; zu oft für seinen Geschmack; das Gefühl haben müssen, nicht wieder an seine geliebte Schule zurückkehren zu können beziehungsweise zu dürfen. Es war ein schreckliches Gefühl.
„Ich bin ihr abgehauen, bevor sie aufs Schiff ist und dann eine ziemlich weite Strecke geflogen. Ich bin nur den Schienen gefolgt."
„Dafür hättest du einen Ortungszauber aussprechen müssen, der vom Ministerium selbst erwachsenen Zauberern nur in Ausnahmefällen genehmigt wird." warf Remus ein und Neville zog die Schultern hoch: „Das wird dann wohl der Grund sein, warum das Ministerium mich sucht."
„Wow, Neville!" sagte Ron anerkennend, „Nicht schlecht! Dann haben wir ja noch einen, der auf der Liste steht!" Hermine trat ihm auf den Fuß und schüttelte den Kopf.
„Naja, ich musste doch irgendwie herkommen."
„Gut, dass du es so geschafft hast. Dann kann ich Dumbledore gleich Bescheid sagen, dass der Ortungszauber für den Weg noch funktioniert. Eigentlich hatten wir ihn letzte Woche ausgeschaltet. Aber hier geht dummerweise einiges schief." Remus stand auf, „Entschuldigt mich! Wir sehen uns dann später! Wenn ich recht sehe, habt ihr noch nicht alle Geschenke ausgepackt und das möchte ich mir ansehen!"
„Was meint er?" fragte Harry misstrauisch an Meta gewandt, welche sehr breit grinste: „Och, er meint die Geschenke von Molly Weasley!"
„Oh, nein!" stöhnten Ron und Ginny gleichzeitig. Neville schlürfte weiter seinen Tee und machte ein ziemlich müdes Gesicht.
„Bist du also den ganzen Weg geflogen?" fragte Ginny.
„Nein, mein Besen ist nicht der allerbeste und hat irgendwann schlapp gemacht. Dann bin ich den Rest gelaufen. Flohpulver hatte ich schließlich keines dabei und der Fahrende Ritter hat an Weihnachten Betriebsferien."
„Oh, Mann!" Ron wiegte schwer den Kopf hin und her.
„Naja, jetzt bin ich ja da!"
„Willst du ein bisschen schlafen?" fragte Ginny fürsorglich.
„Gute Idee!" Neville erhob sich ächzend und ging mit den anderen zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum.
„Oh, warte! Wir müssen sein Bett frei räumen!" fiel Ron ein und er und Harry folgten Neville in den Schlafraum, während die Mädchen und Meta die Geschenke vor dem Kamin aufbauten. Eine Viertelstunde später begutachte Harry noch einmal die Schatulle von den Zwillingen und stellte fest, dass Ron eine ähnliche bekommen hatte. Ginny und Hermine hatten hübsche Umhängetaschen von ihnen bekommen.
„Für Bücher!" freute sich Hermine und probierte sofort aus, wie viele Lexika sie hinein bekam. Ginny schüttelte milde lächelnd den Kopf. Ihr war etwas schwindelig vom Punsch, was Harry, der ihn mittlerweile auch gekostet hatte, gut verstehen konnte. Ron piekte gerade auf dem weichen Paket von seiner Mutter herum: „Ein furchtbar hässlicher, haariger Pulli wie jedes Jahr! Oh, bitte, lass es ein Pulli sein; das kenn ich wenigstens!"
Harry lachte und betastete dann ebenfalls prüfend sein Geschenk von den Weasley-Eltern: lso, mutig ans Werk!" Er wickelte zeitgleich mit Ton aus, wobei beide die ungeteilte Aufmerksamkeit aller hatten.
„Hey, ich dachte, ihr wartet auf mich!" Remus kam herein und machte ein vorwurfsvolles Gesicht.
„War zu spannend!" meinte Harry lachend. Ron riss die letzten Papierfetzen ab: „Oh, Mann!"
„Was ist es?" fiepte Ginny und nun riss auch Harry heftig das Papier ab. Das Lachen verging ihm, als er etwas Unförmiges, Braunfarbiges zutage förderte.Remus strahlte über das ganze Gesicht und Meta schaute recht mitleidig.
„Was ist das?" fragte Ron vorsichtig. Sein „Etwas" war von schmutzigem Blau und ein wenig größer als Harrys.
„Ein Hut!" rief Hermine und lachte los.
„Das soll ein Hut sein?" fragte Harry zweifelnd und versuchte, das Ding so weit wie möglich von seinem Kopf fernzuhalten.
„Das ist sogar ein sehr guter Hut. Es gibt ihn bei „Konvac´s" und er ist ... nun, der letzte Schrei. Junge Zauberer, die sich bewerben wollen, tragen jetzt wieder Hüte!" erklärte Remus lachend. Harry machte ein angewidertes Gesicht und Ron schüttelte den Kopf: „Wenn ich mich für was bewerbe? Vielleicht im Zoo beim Vettel-Gehege. Nee, das zieh ich nicht an! Echt nicht! Nie!"
Harry kam ein Gedanke: „Was hast du gekriegt, Ginny?"
„Äh, nichts!" Sie versuchte, etwas hinter ihrem Rücken zu verstecken.
„Vergiss es, Schwester! Sofort herzeigen!" Ron stürzte sich auf die arme, wegen der Wirkung des Punsches leicht schwankende Ginny und entwendete ihr ihr Geschenk, was er kurz darauf mit einem lauten Lachen wieder fallen ließ.
„Soll das ein Kopftuch sein?" fragte Harry.
„Wahrscheinlich!" machte Ginny kleinlaut und schämte sich ein bisschen.
„Auch der letzte Schrei!" verkündete Remus und Meta stieß ihn an: „Ärgere sie nicht!"
„Was ist mit Hermine?" fragte Harry diabolisch.
„Oh, ich wurde wohl vergessen!" Die Tatsache, dass Hermine in keinster Weise traurig darüber klang, ließ Harry stark an ihrer Aussage zweifeln und mit einem kurzen Spruch hatte er Hermines Kopftuch; im Gegensatz zu Ginnys grünem war es leuchtend gelb; aus dem Kamin herausgezaubert.
„Hübsch, Hermine!" lachte Ron.
Nachdem wieder Frieden eingekehrt war, packten sie weiter aus. Trotz der derzeitigen Notsituation waren sie reich beschenkt worden. Tonks, River und Lee hatten zusammen gelegt und allen einen großen Topf Naschen gekauft. Von Moody bekamen sie tatsächlich jeder einen tadellos funktionierendes Spickoskop. Bill, Charlie und Percy hatten eine Menge verschiedenes Feuerwerk für Sylvester besorgt und schließlich bekamen sie von Remus und Meta Fotoalben.
„Ich kam auf die Idee, als ich mal in dein eines Album gesehen hab, Harry. Du brauchst dringend eins mit neuen Bildern!" erklärte Remus und schlug die erste Seite in Harrys Buch auf. Ein Foto klebte dort, umrahmt von dunkelroten Linien. Es zeigte ihn, Ron, Hermine und Ginny am Grimauldplatz. Sie waren im Kaminzimmer, im Hintergrund war ein Buffet zu sehen, und sie steckten verschwörerisch die Köpfe zusammen.
„Das ist echt schön!" sagte Harry, „Danke!"
Sirius bellte einmal. Er hatte bis jetzt erschreckend geduldig und ruhig am Kaminfeuer gelegen, was sehr malerisch ausgesehen hatte.
„Ah, ja! Ähm, wir gehen mal kurz ... ich weiß gar nicht, wo wir hinkönnen." Harry machte ein ratloses Gesicht. Da reichte ihm Remus, die Schachtel mit dem Denkarium und sagte: „Am besten sucht ihr den Raum der Wünsche. Da habt ihr eure Ruhe!"
Harry sah ihn erstaunt an: „O.K."
Remus lächelte: „Es passiert selten, dass ein Rumtreiber etwas vorhat, was ein anderer Rumtreiber nicht weiß! Ich wünsche euch viel Spaß und seid vorsichtig!"
„Klar!" Harry nahm das Denkarium und drückte einmal Remus´ Hand, „Du bist auch nicht böse, wenn du nicht mitkommst?"
„Nein." Er schien es ehrlich zu meinen.
„Er hat Besseres zu tun!" ließ sich Meta von ihrem Sessel vernehmen, „Zum Beispiel mein Geschenk auspacken, das ich unter tödlichsten Gefahren für ihn besorgt habe!"
Remus zog die Augenbrauen hoch: „Das wage ich zu bezweifeln!"
„Bis später dann!" rief Harry und verschwand mit Sirius an seiner Seite durch das Portraitloch nach draußen.
