Als
Harry am Montagmorgen die Wendeltreppe herunter kam, fand er Ron in
übelster Laune im Gemeinschaftsraum sitzen. Er lies sich in
einen der Sessel plumpsen, in der Hoffnung Ron würde ihm endlich
erzählen was los war.
„Mies geschlafen?", begann er das
Gespräch.
„Mmh", machte Ron und eine Weile starrten sie
beide nur stumm auf die Asche im Kamin. „Es geht um Hermine. So,
jetzt hast du was du wissen willst!"
„Du bist wegen Hermine
schon die ganze Zeit schlecht drauf? Oder: Du hast wegen Hermine
schlecht geschlafen?"
„Beides, Mann.", sagte Ron als wäre
es offensichtlich
„Du hast wegen Hermine schlecht geschlafen!"
wiederholte Harry entzückt, er war schon lange der Ansicht, dass
seine besten Freunde anders zusammen gehörten, als sie bisher
waren. Ron machte ein empörtes Gesicht. „Das ist nicht
witzig!"
„Ich lach doch gar nicht."
„Aber du hast
diesen Unterton!"
Harry grinste. Es tat gut Ron wieder Emotionen
anzusehen, die ganze letzte Woche hatte er kaum gesprochen. „Okay,
du hast Recht. Aber du musst zugeben, dass es schon merkwürdig
klingt. Was hat Hermine bitte getan, damit du kein Auge zukriegst?"
„Sie ist gestorben.", sagte Ron knapp
„Was!"
„Ich
hab geträumt, ich…Scheiße, warum ist das so schwer!
Ich…ich hab ihr gesagt, dass ich sie liebe-", er warf Harry bei
diesen Worten einen schnellen Seitenblick zu. Dieser grinste erneut
und Ron fragte sich nun wie lange er es schon wusste „sie hat mich
geküsst", fuhr er mit roten Ohren fort „sie ist einfach
zusammengebrochen…ich-"
„Wahrscheinlich hat's sie
umgehauen.", überlegte Harry mit gespielter
Ernsthaftigkeit.
Ron warf ihm einen verzweifelten Blick zu „Du
hast das nicht gesehen…es war so echt. Es ist immer wieder
passiert, immer dasselbe, ich wollte es nicht noch mal sehen!"
„Aber
wieso träumst du jetzt plötzlich so was?", fragte Harry
nun ernster
„Willst du die ganze Geschichte?"
Keine
Reaktion, die Antwort war sowieso klar. Ron seufzte „Wo soll ich
anfangen? Ich denke das Hauptproblem hast du schon selbst
erkannt…"
„Du bist in Hermine verknallt.", stellte Harry
erneut fest
„Seit wann weißt du's?"
„Seit Krum
auf der Bildfläche ist- jetzt lenk nicht vom Thema ab."
Ron
seufzte wieder, er sah echt fertig aus „Schau uns doch an…sie ist
klug und hübsch und sie macht sich nichts draus wenn andere ihr
doof kommen. Sie kann sich durchsetzten und wenn sie lacht…-
Verstehst du Mann, sie ist alles und ich nichts, sie wird's mal
weit bringen und ich…sieh mich doch an…", er machte eine
bedeutend lange Pause „sie wird nach Hogwarts irgendwohin ins
Ausland gehen, um noch mehr zu lernen. Ich kann's ihr ja nicht mal
verübeln, sie wird andere Freunde finden. Die sind dann so wie
sie, und ich…" er brach ganz ab.
„Hey, jetzt komm mal wieder
runter.", Harry sah seinen besten Freund vorwurfsvoll an „Du
weißt genauso gut wie ich, dass Hermine niemals ins Ausland
gehen würde."
„Und was ist mit dem Rest?", fragte Ron
niedergeschlagen „Was kann ich schon? Ich bin ja nicht mal gut im
Quidditch!", Harry wusste auf wen er anspielte „außerdem
sind wir arm.", fügte er trotzig hinzu
„Ach komm schon
Ron, hör bitte auf dich ständig mit Krum zu messen."
Scheinbar hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Ron guckte
ertappt. „Du bist hier", fuhr Harry fort „Krum ist in
Bulgarien, oder sonst wo! Wenn sie mit ihm zusammen sein wollte, wär
sie's schon längst!"
„Mag ja sein", sagte Ron kein
bisschen glücklicher „um Krum geht's mir ja auch
nicht"
Harry wollte protestieren. „nicht wirklich.", hängte
er schnell an „Du wolltest wissen warum ich so mies gelaunt bin,
das hat nichts mit Krum zu tun. Ich denk da doch heute nicht zum
ersten Mal drüber nach. Im vierten Jahr hab ich mir geschworen
ihr alles zu sagen…ihr alles zu sagen während wir noch auf der
Schule sind. Harry, dieses Schuljahr ist meine letzte Gelegenheit!
Gestern Nacht; ich lag bis Eins wach und hab mir alles überlegt.
Dieser Traum macht alles kaputt. Verstehst du, ich will nicht, dass
es passiert. Ich weiß es war nur ein Traum, und es mag total
lächerlich klingen, aber…", Ron schluckte „als es zum
dritten Mal passiert ist, konnte ich's beeinflussen. Ich wollte sie
nicht noch mal sterben sehen. Ich hab nichts gesagt, ich hab nicht
gesagt, dass ich sie liebe...", wieder bekam er rote Ohren „und
es ist nichts passiert! Sie lebte weiter! Ich bin schuld, kapierst
du!", Ron war zwischen schreien und weinen.
Harry starrte ihn
ungläubig an. Er konnte gut verstehen, dass Ron nicht mehr hatte
schlafen wollen. Seine Geschichte mochte für einen
Außenstehenden lächerlich klingen, doch Harry kannte es
zur genüge, wenn ihn selbst Albträume quälten. „Bist
du sicher, dass du es ihr deswegen nicht sagen willst. Was wenn es
nur ein Traum war…"
„Was wenn es eben nicht nur ein Traum
war…würdest du's darauf ankommen lassen?"
„Nein,
sicher nicht.", sagte Harry bestimmt. Dieser Tag fing ja wirklich
gut an.
Es war zwar eine Erleichterung nun zu wissen was Ron
bedrückte, aber er konnte ihm nicht helfen und er hatte ein
ziemlich ungutes Gefühl, was diese Sache betraf.
Der Tag
verging schleppend, nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal alle
beide mangelnde Künste im Unterricht aufwiesen. Auch heute ging
Ron früh zu Bett, kurz danach Harry. Beide wollten Hermines
Fragerei entgehen. Harry schlief sofort ein, doch auch in dieser
Hinsicht verhielt sich Ron wie am vorherigen Tag. Er lag noch
stundenlang wach und erinnerte sich plötzlich an jede Einzelheit
seines Traumes. Eine unerklärliche Angst gab ihm das Gefühl
er hätte nichts zu Abend gegessen und er wälzte sich lange
hin und her, bevor seine Müdigkeit überwog. Und er
träumte…wieder und wieder. Er konnte nicht die Augen öffnen
und die Bilder spulten sich wie ein Film hin und her. Erst ein Krampf
im Fuß weckte ihn und obwohl es furchtbar wehtat, war es wie
eine Erlösung. Es war erst vier Uhr, er zog sich an und setzte
sich bis zum Frühstück in den eiskalten Gemeinschaftsraum,
schmierte etwas als Hausaufgabe für Zauberkunst und Wahrsagen
hin und lief um Punkt sieben als erster zum Frühstück.
In
den nächsten Tagen wurde es immer schlimmer, er hatte dunkle
Augenringe und war stark übermüdet. Die anfängliche
Angst einzuschlafen und wieder zu träumen war nun blanke Panik.
Sobald ihm die Augen zu fielen riss er sie entsetzt wieder auf, denn
sofort kamen die Bilder zurück. Innerhalb der nächsten
Woche nickte er mehrmals im Unterricht ein und musste danach jedes
Mal wenn er hochschreckte den besorgten Blicken und Fragen seiner
Freunde ausweichen. Er blockte Hermines Nachforschungen ab und hielt
auch Harry auf Distanz. Inzwischen war ihm alles egal, er wollte nur
dass es aufhörte. Er hatte jeglichen Gedanken verworfen Hermine
auch nur ein Wort zu sagen, seit Tagen hatte er keine Hausaufgaben
mehr gemacht, er schien kurz vor einem Zusammenbruch.
Natürlich
entging das auch Hermine nicht, mit Ron selbst zu reden schien
unmöglich, aber Harry verhielt sich in letzter Zeit genauso
merkwürdig. Er hatte ihr versichert, dass mit Ron alles in
Ordnung sei und sie sich keine Sorgen machen solle, doch sie hatte
das Gefühl, dass er entweder mit der Sprache nicht rausrücken
wollte oder auch keine Ahnung hatte was Ron fehlte. Im Großen
und Ganzen verbrachten sie alle drei viel weniger Zeit miteinander
als sonst. Sicher, es war ihr Abschlussjahr und Hermine musste sich
eingestehen, dass sie noch länger als gewöhnlich in der
Bibliothek war, dennoch machte sie sich ernsthaft Sorgen um Ron.
Harry konnte doch nicht wirklich glauben, dass das alles nur
Prüfungsdruck war, zumal das Jahr erst angefangen hatte.
Auch
Ginny war mit ihrem Latein am Ende, sie hatte ihren Bruder noch nie
so erlebt, er hatte zwar manchmal seine Phasen, in denen er ständig
an die Decke ging, aber lieber hätte sie den aufbrausenden und
gereizten Ron gesehen, als das Häufchen Elend, das er zur Zeit
verkörperte. Allerdings hatte sie einen Verdacht, denn ihr
Gespräch mit Hermine hatte sie dazu verleitet Ron intensiv zu
beobachten, beim Frühstück, im Gemeinschaftsraum oder in
der Bibliothek. Dean protestierte zwar schon, wenn sie wieder mal
keine Zeit hatte, aber Ginny wusste, dass sie kurz davor stand Rons
Geheimnis zu knacken und dafür musste sie eben Opfer
bringen.
Dichter Nebel hing in diesen Septemberwochen über dem Gelände und machte ihren Spätsommer dadurch alles andere als gemütlich, Rons Traum hatte sich mittlerweile in sein Gedächtnis gebrannt. Er kannte jede Bewegung, jedes Blinzeln, jeden Sonnenstrahl, der auf ihr Haar fiel und es raubte ihm jedes Glück wieder und wieder mit ansehen zu müssen wie sie starb. Er war gemeinsam mit Harry zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste sei Abstand zu halten. Um jede noch so kleine Chance zu verhindern, dass der Traum wahr wurde mied er den See und vergewisserte sich jedes Mal bevor er ein Klassenzimmer verließ, ob er sein Tintenfass eingesteckt hatte. Mit hängenden Schultern schleppte er sich von Tag zu Tag und auch das erste Hogsmeade Wochenende Anfang Oktober konnte ihn nicht aufheitern.
