Nachbeben

„Sie haben ihn! Moody, Bill und Kingsley haben ihn fest genommen!" Jakobs Stimme war völlig tonlos. Remus sah ihn an: „Wo ist Sirius?"

„Bei Dumbledore. Sie warten ... auf Pettigrew."

Remus nickte. Er war unruhig und völlig ohne jede Fassung.

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Sirius saß in Dumbledores Büro und starrte auf seine Hände. Sie waren eiskalt und zitterten. Er schüttelte sie grob und schloss sie mit möglichst festem Griff um die Kanten der Sitzfläche. Dumbledore stand am gegenüberliegendem Bücherregal und schwieg.

„Was soll ich tun, Albus? Wo soll ich hin?" fragte Sirius plötzlich und er klang so verzweifelt und ratlos und gebrochen, dass der Direktor aufsah.

„Es ist gut, Sirius! Jetzt brauchst du nicht mehr zittern und hoffen und warten. Jetzt wird es gut werden!" sagte er ruhig.

Sirius schüttelte den Kopf: „Harry ... wenn ich ihn ... ich hatte nie die Absicht, ihn zu opfern!"

„Das weiß ich! Und diese Absicht hatte keiner! Jakob, Poppy und Emmeline kümmern sich um ihn; seine Freunde sind bei ihm! Er wird das überstehen!"

„Es war schlimmer, als wir gedacht hatten, oder?" Sirius konnte nicht weiter sprechen und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Dumbledore ging die paar Schritte zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter: „Ruhe, Sirius! Ruhe! Du wartest jetzt noch einen kurzen Augenblick auf Moody und dann kannst du schlafen gehen! Du warst die ganze Nacht auf. Remus wird sich um Harry kümmern."

Sirius nickte und weinte tonlos.

Moody trat in Dumbledores Büro. Er ließ eine bewusstlose, versteinerte Gestalt vor sich schweben. Bill ging neben ihm und war schneeweiß im Gesicht. Kingsley, Snape, River, Charlie und drei unbekannte Männer und eine Frau, die wohl Moodys Aurorenkollegen waren, hielten sich im Hintergrund. Dumbledore selbst war den Anwesenden ein ruhendes Zentrum und Sirius schien sich mittlerweile nur noch durch grenzenlosen Hass aufrecht halten zu können.

Er starrte Pettigrew an.

„Peter Pettigrew." sagte Dumbledore, „Verwahren Sie ihn, Moody. Weder Sirius noch Remus werden ihn zu Gesicht bekommen, ohne, dass ich zugegen bin. Überhaupt wird ihn niemand befragen, verhexen oder auch nur länger angucken, wenn ich nicht dabei bin!" Moody nickte und verließ mit Pettigrew das Zimmer.

„Severus," Dumbledore wandte sich an Snape, „Gehen Sie mit Jakob zu Harry in den Krankenflügel. Ich muss auf Ihre und Jakobs Fähigkeiten in die Legilimentik vertrauen. Ich glaube, niemand sonst wird Harry zurückholen können."

Snape schnaubte leise und Sirius ging nur deswegen nicht auf ihn los, weil ihn Bill und Charlie geistesgegenwärtig an den Armen packten.

„Severus, das ist Ihre letzte Chance! Denken Sie daran, dass ich ihr einziger Freund bin! Gehen Sie und tun Sie für den Jungen, was Sie können. Mir braucht nur zu Ohren zu kommen, dass Sie eine abfällige Bemerkung machen oder auch nur den Bruchteil einer Sekunde zögern und ich werde Sie nicht erst Lord Voldemort ausliefern; ich werde Sie gleich selbst aus dem Weg räumen!"
Snape war kreideblass geworden und schien Probleme zu haben, genug Luft zu bekommen.

„Jakob, Sie wissen, welche Bedeutung Harry zukommt und wie viele Menschen an dieser Schule an ihm hängen!"

Jakob nickte.

„Tun Sie, was Sie können! Und du, Sirius, wirst dich den beiden keine Sekunde in den Weg stellen! Geh schlafen!"

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Remus hätte kein finsteres Gesicht machen können, wenn Pettigrew persönlich durch die Tür des Krankenflügels gekommen wäre. Statt seiner war es nur Snape, allerdings war Remus nicht gut auf ihn zu sprechen. Seine Sticheleien, besonders seit Sirius wieder da war, zehrten langsam an den Nerven. So funkelte er den Mann aus wütenden Augen an und zischte: „Was willst du hier? Deiner Schadenfreude freien Lauf lassen?"

Snape bedacht ihn mit einem geringschätzigen Blick, schüttelte den Kopf und platzierte sich dann an Harrys Bett.

„Musst du das machen? Hat Jakob keine Zeit?" fragte Remus unwillig, als Snape seine langen, blassen Finger an Harrys Schläfe legte.

„Er kommt gleich!"

Remus zog die Augenbrauen hoch. Er hatte noch nie eine so freundliche Antwort von Snape bekommen. Bevor er sich lange darüber wundern konnte, kam Jakob herein.

„Ah, Remus. Sehr gut! Du kannst uns helfen!"

„Wie schlimm ist es?"

„Schlimm, aber nicht hoffnungslos!" Jakob schob Snape sacht zur Seite und öffnete Harrys schlaffe Lieder, um ihm in die Augen zu sehen. Dann schüttelte er Harrys Arme, kontrollierte Puls und Atmung und richtete sich dann seufzend auf. Er mühte sich ab, um Harrys Körper zu einer sitzenden Position zu verhelfen und wandte sich dann Remus und Snape zu: „Severus, Sie gehen bitte an Harrys rechte Seite. Ich bleibe hier. Wir müssen versuchen in seinen Kopf hinein zu kommen und seine Ventile zu öffnen. Remus, geh bitte zu Dumbledore und hol sein Denkarium. Harry hat dort ein paar Erinnerungen abgelegt, die wir ihm schleunigst wiedergeben sollten, damit er nicht völlig wegdämmert. Alles, worauf wir uns jetzt konzentrieren müssen, ist, seinen Geist wieder in Schwung zu bekommen. Er hat sich vollkommen ausgeschaltet."

Remus nickte und lief los, um das Denkarium zu holen, während Jakob und Snape gleichzeitig die Augen schlossen und sich auf den Weg in Harrys Gehirn machten.

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Harry fühlte sie kommen. Um ihn her war schwärzeste Dunkelheit, aber wider Erwarten war sie warm und angenehm und er hatte das Gefühl, sie beschützte ihn. Er wollte nicht weg. Noch nicht. Und deswegen sperrte er sich gegen diese grellen Gestalten, die so still waren, dass sie schrieen und die sich wie Fremdkörper in seinen Kopf fressen wollten.

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„Es hat keinen Sinn!" Entnervt ließ Jakob sich auf seinen Stuhl fallen. Snape startete noch einen Versuch. Dumbledore hatte ihn anscheinend ordentlich eingeschüchtert. Doch auch er hatte keinen Erfolg. Harry stieß seinen Geist mit einer Leichtigkeit zurück, die er nach Snapes Meinung nicht einmal im gesunden Zustand an den Tag legen dürfte. Er schüttelte den Kopf: „Machen wir eine Pause."

Snape ging in seine Räume, um etwas zu schlafen und Jakob legte sich ins Bett neben Harry. „Ich gehe mal nach Sirius sehen!" sagte Remus und verließ den Krankenflügel.

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Sirius lag mit offenen Augen und hinter dem Kopf verschränkten Armen auf Remus´ Bett. Das Zimmer war dunkel und die Türen zum Büro und zum Flur abgeschlossen. Schon als Remus den Schlüssel nur aus der Tasche zog, reagierte Sirius blitzschnell und verwandelte sich. Remus trat in sein Büro und schloss die Tür: „Ist in Ordnung, Tatze, ich bin´s!"

Er öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und sah Sirius, wieder in menschlicher Gestalt, auf dem Bett sitzen. Er war kreideweiß im Gesicht und seine Augen hatten einen unbeschreiblichen Ausdruck.

„Geht es dir gut?" fragte Remus vorsichtig und setzte sich neben seinen Freund. Sirius schnaubte: „Ich weiß es nicht! Ich weiß es wirklich nicht! Ich bin vollkommen leer. Und vollkommen ratlos. Nicht, dass Letzteres völlig neu für mich wäre, aber ... weißt du, das ist nicht fair!" Allmählich begann seine Stimme zu schwanken, „Es sollte jetzt vorbei sein! Ich sollte hier jetzt nicht so sitzen ... so allein und hilflos! Ich versteh das nicht!"

Remus rückte ein Stück näher an ihn heran und legte den linken Arm um Sirius´ Schulter. Leise sagte er: „Ich verstehe es auch nicht, aber das ist in Ordnung so. Wir müssen nicht in allem einen Sinn sehen. Was wichtig ist; hier und jetzt und für uns; dass wir es auf den Weg gebracht haben. Du hattest dir ein Ende vorgestellt, aber es war wieder nur ein Anfang. Doch diesmal ein Anfang, mit dem wir arbeiten können. Eine zugegeben schwierige Ausgangssituation, aber wir haben schon Schlimmeres überstanden, oder?"

Sirius nickte und grinste Remus schief von der Seite an: „Irgendwann musst du mir mal verraten, wie du es schaffst, immer die richtigen Worte zu finden!"

Remus lachte, stand auf und zog Sirius ebenfalls vom Bett hoch: „Das kann man nicht lernen, mein Freund, das hat man im Blut! Und jetzt komm mit. Wir werden warten, bis Harry aufwacht."

Sirius schüttelte den Kopf: „Ich muss zu Albus. Wir wollen damit anfangen, mein Leben wieder herzustellen."

„Gute Idee!" Remus gähnte verhalten.

„Und du legst dich besser ein bisschen schlafen! Ich wecke dich morgen ganz früh und dann sehen wir nach ihm, in Ordnung?"

„In Ordnung!"

Sirius ging zu Dumbledore, welcher erschöpft, doch wach in seinem Büro saß.

„Und er ist jetzt da unten?" fragte Sirius ohne Einleitung und Dumbledore nickte: „Moody sitzt vor ihm auf einem Stuhl und lässt ihn nicht aus den Augen. Anti-Transformier-Fluch, Ganzkörperklammer, Silencium-Zauber. Pettigrew kann nicht mal die Nase rümpfen, das versichere ich dir."

„Wann sehe ich ihn?"

„Noch lange nicht! Wir haben einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht und alles, was wir jetzt brauchen, ist Zeit! Viel Zeit und Geduld!"

Sirius schnaubte, unterbrach Dumbledore jedoch nicht.

„Du wirst dich darauf konzentrieren, mit dem Ministerium zusammen zu arbeiten und zwar nur unter meiner Kontrolle und mit meiner Hilfe. Wir müssen uns jetzt erst einmal um die Todesser kümmern und sie wegschaffen, bevor wir die nächste große Aktion beginnen. Wir können nur froh sein, dass sich die Gegenseite seit dem Angriff so ruhig verhält. Wir haben noch einiges an Recherchearbeit zu erledigen und die Schule muss für die zurückkehrenden Schüler vorbereitet werden. Der Orden muss demnächst beraten, wie wir Hogwarts schützen wollen." Dumbledore schritt vor seinem Schreibtisch auf und ab und fühlte mit jeder Bewegung die Kraft zurückkehren. Sirius hatte Platz genommen und beobachtete ihn.

„Ich habe vor, mit dir demnächst ins Ministerium zu gehen und zwar so offiziell wie möglich: keine Verwandlung, keine Verkleidung. Fudge wird uns eine faire Jury zusammenstellen und dein Bericht, unterstützt von Harry, Hermine, Ron und Remus wird den Weg ebnen. Sie müssen dir glauben, bevor wir Pettigrew ins Spiel bringen."

„Wozu? Mit dem Schuldigen gleich im Schlepptau wird es sehr viel einfacher gehen."

„Wir wollen es aber nicht einfach! Sie müssen das Ausmaß verstehen. Sie müssen erschrocken und betroffen sein, um dich so rehabilitieren zu können, wie ich es mir vorstelle. Außerdem müssen wir Pettigrew, wie mir scheint, noch gründlich bearbeiten, bevor er überhaupt irgendwie in der Lage ist, uns zu Nutzen zu sein und so lange willst du nicht warten, oder?"

„Nein, so lange KANN ich nicht warten!"

„Dann lass uns anfangen! Hier hast du Feder, Tinte, Pergament ... Schreib!"

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„Willst du schlafen?" fragte Meta und Remus hielt lachend inne: „Nein, ich ziehe mir zum Spaß mein Nachtzeug an!"

Meta grinste: „Ich meine, weil Sirius und Dumbledore doch gerade an diesem Rehabilitierungsdings arbeiten."

Remus schüttelte seelenruhig sein Kopfkissen aus: „Ich glaube, sie können durchaus ohne mich einen Brief formulieren. Außerdem brauche ich viel Schlaf! Ich nehme den Trank jetzt seit zwei Tagen und ich könnte im Stehen umfallen. Das ist der neue Knackpunkt: Weniger Halluzinationen, mehr Müdigkeit."

„Na, macht ja nichts! Ich find´s schön, ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen!" sagte Meta und krabbelte über das Bett, um das kleine Fenster zu öffnen.

„Es ist Dezember!" protestierte Remus, während er seine Kleidung für den morgigen Tag zurecht legte.

„Aber sonst müffelt es!" Meta wickelte sich grinsend in die Decke und Remus beobachtete sie lächelnd.

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Harry ruhte noch immer. Er hatte sich in die letzte Ecke seines Kopfes zurückgezogen, um sich erholen zu können, doch er spürte etwas auf ihn zukommen. Es würde nicht angenehm werden, doch Harry hatte das sichere Gefühl, dass es sein musste.

Er wappnete sich so gut es ging gegen diese Träume.

Peter starrte fassungslos auf den Brief in seiner Hand. Er zitterte und schaffte es kaum, seine Wut im Zaun zu halten. Wir können nicht zu deinem Besuchstag kommen, Liebes. Ich kann es nicht!" stand dort in der sorgfältigen Schrift seiner Mutter, „Du weiß, wie schwer es für mich ist. Das letzte Mal habe ich Hogwarts besucht, als Carol eingeschult wurde. Es würde mich zu sehr verletzten." Hier war die Schrift verschmiert und Peter hasste sie dafür, dass sie doch tatsächlich geweint hatte. Dass sie noch immer weinte.

Was gibt´s Peter? Du guckst etwas komisch." fragte Remus von der Couch her und erst jetzt bemerkte Peter, dass er nicht allein war, sondern mitten im Gemeinschaftsraum stand und wahrscheinlich wirklich so aussah, als würde er gleich platzen.

Mühsam beherrscht nahm er neben Remus Platz: „Meine Eltern kommen nicht zum Besuchstag!"

Oh, das tut mir Leid! Du hattest dich doch so gefreut! Haben sie denn keine Zeit?" Remus legte ihm einen Arm um die Schulter.

Peter schüttelte den Kopf: „Zeit haben sie bestimmt, aber meine Mum ist zu feige. Sie ... sie sagt doch tatsächlich, es würde sie verletzen. Wegen Carol! Verdammt noch mal immer noch wegen Carol! Weißt du, es interessiert sie herzlich wenig, dass sie einen Sohn hat, der drei Jahre hier zur Schule geht und um den sie sich eigentlich kümmern sollte! Nein, sie hält sich immer noch an meiner Schwester fest! Ihrer Ausrede für alles!"

Peter brach kurz ab, fuhr dann aber fort: „Das Blöde ist, dass ich auch immer an sie denken muss. Weil Mum nicht aufhört von ihr zu reden, Naja, kein Wunder. Carol war so gut in der Schule und sie war so fleißig und alle Nachbarn mochten sie. Sie war so ein liebes, hilfsbereites Mädchen, freundlich und fröhlich und was hat sie an mir? Nichts Dolles. Meine Arbeiten sind nicht so gut und ich habe keinen Spaß dran, mich stundenlang mit der alten Frau von nebenan zu unterhalten. Ich gehe nicht für sie einkaufen, ich putze nicht samstags nachts das ganze Haus, damit Mum sich am Sonntag morgen freut. Ich bin eine Niete!"

So ein Quatsch, Peter!" sagte Remus streng, „Jeder muss das machen, was er kann und was er für richtig hält. Ich wette mit dir, deine Schwester war auch nicht perfekt. Sie hat garantiert nur ein einziges Mal das Haus geputzt und das hat sich deine Mum gemerkt. Und sie war bestimmt auch mal zickig und nervig. Alle Mädchen sind zickig!"

Peter sah Remus grinsend an und dieser lachte: „Naja, denk ich doch mal. Hey, guck nur mal Lily und Kyra an!" Peter nickte.

Meine Eltern kommen auch nicht." sagte Remus und klang dabei nicht wirklich traurig, „Ist auch besser so. Und Sirius´ Eltern kommen auch nicht."

Und das ist auch verdammt gut!" sagte Peter überzeugt, „Stell dir das Drama vor!"

Na, siehst du mal!" meinte Remus und gähnte einmal. Eine Weile schwiegen sie. Dann fasste sich Peter ein Herz und drehte sich noch einmal zu Remus um, der sich mittlerweile ein Buch geschnappt hatte.

Remus?"

Ja?"

Weißt du, ich denke auch oft an Carol und wenn ich an sie denke ... also, ich rede dann manchmal mit ihr und sie ist ganz lieb zu mir. Ganz anders als Mum. Sie fragt mich nie nach meinen Noten, sondern ob ich Freunde gefunden habe und ob ich glücklich bin. Sie ist lieb und klug und versteht mich. Für sie muss ich keine Heldentaten vollbringen, damit sie mich mag. Ich glaube, für meine Eltern muss ich das. Mum erwartet so viel und Richard sagt nichts dagegen." Er seufzte einmal schwer, „Weißt du, es ist so komisch, zu wissen, dass da noch jemand sein könnte! Und irgendwie vermisse ich sie, obwohl ich sie ja gar nicht kennen gelernt habe."

Remus hatte still zugehört und Peter dabei aufmerksam angesehen. Das mochte Peter so an ihm. Nach einigen Minuten sagte Remus: „Es ist ganz praktisch, dass du sie dir so zurecht legen kannst, wie du sie gerade brauchst und ich glaub, das hätte ihr nichts ausgemacht."

Peter lächelte. Da kamen James und Sirius hereingetürmt:„Hey! Gibt´s was Neues?"

Sie schmissen sich zu Peter und Remus auf´s Sofa. Diese tauschten einen Blick: „Nein!"

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Der Klassenraum war geradezu voll gestopft mit lärmenden Schülern, die etwa 13 Jahre alt waren. Sie riefen einander Scherze und nicht böse gemeinte Sticheleien zu und mittendrin saßen James und Sirius an einem Pult. Sie lachten über einen Witz, den der Junge in der Bank vor ihnen gemacht hatte und rückten bereitwillig zusammen, als Remus und Peter an die Bank traten.

Wir haben nur noch einen Platz besetzen können!" erklärte Sirius nebenbei, während er sich die Lachtränen vom Gesicht wischte, „Setz dich nach vorn zu Steve, Peter!"

Ohne auch nur eine Miene zu verziehen nahm Peter den ihm zugewiesenen Platz ein. Sogar Remus schien zu beschäftigt, um etwas dazu zu sagen. Er packte seine Pergamentblätter und Federhalter aus und unterhielt sich über mehrere Köpfe hinweg mit einem schwarzen, schlaksigen Jungen.

Federn zur Seite. Praxisstunde!" fiepte es aus Richtung Tür und Professor Flitwick stolperte herein, während fast alle Schüler in Jubelschreie ausbrachen. Nur Peters Laune sank.

Zauberstäbe raus." quiekte Flitwick und kletterte mit Hilfe zweier Mädchen aus der ersten Reihe auf das Lehrerpult.

Peter umklammerte seinen Stab mit mühsam tapferem Gesicht. Hinter ihm pfiffen James und Sirius auf den Fingern, um ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen.

Ruhe, die jungen Herren, bitte!" Flitwick ruderte mit den Armen und zwinkerte den beiden zu, „Hier sind die Schokofrösche! Bitte nicht sofort essen! Wir werden heute einmal ein paar simple Zauber auf sie anwenden, damit ich die Prüfung dieses Jahr so umfangreich wie möglich gestalten kann. Welche Zauber haben wir erlernt, die sich hier erst einmal anbieten ... ja, Mr. Lupin?"

Wir können den Versteinerungszauber, Lähmzauber, Schwebezauber, Wachstums- und Schrumpfzauber nehmen!"

Gut! Wie sind die Sprüche dazu ... Miss Evans?"

Petrificus Totalus, Impedimenta, Wingardium Leviosa, Engorgio und Reducio!"

Sehr gut! Dann fangen sie an, meine Herrschaften!" Flitwick warf eine Menge Schokofrösche in die Klasse und jeder schnappte sich so viele er greifen konnte. Peter hielt einen Frosch mühsam am linken Hinterbein fest und hörte um sich herum bereits laute, fröhliche Stimmen, die die unterschiedlichsten Zauber riefen. Er schluckte.

Hinter ihm übten James und Sirius zusammen; der eine zauberte und der andere hob die Wirkung auf. Was nicht Teil der Aufgabe gewesen war, fand Peter, aber natürlich überschlug sich Flitwick vor Begeisterung.

Peter sah auf seinen Frosch, wie er kopfüber von seiner Hand baumelte. Er richtete den Zauberstab auf ihn und versuchte möglichst ohne Zittern in der Stimme ihn zu verhexen.

Petrificus Totalus!" bat er und der Frosch quakte laut.

Pettigrew, ich krieg echt Angst!" grölte der Junge, den Sirius Steve genannt hatte, von der Seite und Peter wurde rot. Da hüpfte der vergrößerte Frosch von Remus auf seine Schulter und Peter schüttelte ihn erschrocken ab.

Schrumpf ihn, Peter!" rief Remus, der nicht schnell genug hinter seinem Frosch herkam.

Reducio!" rief Peter, doch er zielte schlecht und der Frosch sprang weiter um seine Füße herum.

Pass auf, dass du nicht deine Zehen verhext!" dröhnte Sirius und alle im Umkreis von fünf Metern brachen in schallenden Gelächter aus. Auch Remus lachte, während er seinen Frosch per Schwebezauber zu sich zurückholte und mit einem lockeren Zauberstabschwung wieder verkleinerte.

Ich war nur unkonzentriert!" murmelte Peter und drehte sich mit seinem Frosch von den anderen weg. Er hatte es endlich geschafft, seinen Frosch zu lähmen und wollte sein Werk schnellstens Professor Flitwick präsentieren.

Schön, Mr. Pettibell!" fiepte dieser und wurde dann von zwei hellroten Strahlen getroffen, die ihn recht unsanft an die Decke schweben ließen.

Peter drehte den Kopf. Natürlich waren es James und Sirius, die ihren Lehrer in die Luft befördert hatten. Sie lachten aus vollem Hals und Remus, der neben ihnen saß, entschied sich, die entsetzte Miene gegen ein Grinsen zu tauschen.

Professor Flitwick zappelte angestrengt herum, verlor dann seinen Zauberstab aus der Hosentasche und rief schließlich kichernd: „Wunderbar! Wunderbar, Mr. Black, Mr. Potter! Ich sehe schon, Sie haben die Nase voll von diesen einfachen Dingen! Aber lassen Sie mich doch bitte jetzt wieder runter! Ich brauche dringend einen Schokofrosch für meine Nerven!"

Als James und Sirius arge Probleme damit hatten, ihn wieder herunter zu holen, da sie sich vor Lachen kaum aufrecht halten konnten, halfen ihnen Remus, Steve und der schwarze Junge aus der Ecke.

Peter sah auf seinen Frosch, der eigentlich noch gelähmt sein sollte. Dieser blinzelte einmal und hüpfte davon.

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Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors standen sich Peter und Sirius gegenüber. Sie mussten nugefähr sechzehn Jahre alt sein. Peter war außer sich, um nicht zu sagen fuchsteufelswild. Sein Gesicht war hochrot, seine Fäuste zusammengeballt. In seinen Augen standen Tränen. Sirius hatte die Arme vor der Brust verschränkt und fixierte Peter mit bemüht geringschätzigem Blick.

Wieso hast du das gemacht?" schrie Peter und konnte nicht verhindern, dass ihm eine Träne über die erhitzte Wange lief. Sirius zuckte desinteressiert mit den Schultern.

Du ... du hast überhaupt nicht ... warum machst du so was?" Peters Schreie gingen in Schluchzen über, weswegen er sich verschämt abwandte.

Weil er es kann, Peter." kam es in bitterem, vorwurfsvollem Ton von Remus, der bis jetzt still auf der Couch gesessen hatte.

Ja, toll!" brüllte Peter, „Und jetzt? Was hattest du jetzt davon? Sie liebt dich nicht mal!"

Dich auch nicht, Wurmschwanz, wenn sie sich von mir küssen lässt!" entgegnete Sirius kalt und nur Remus´ schneller Reaktion war es zu verdanken, dass Peter nicht auf Sirius los ging.

ICH HASSE DICH! HAST DU MICH VERSTANDEN? DAFÜR HASSE ICH DICH!"

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Peter? Peter! Jetzt hör auf, so sinnlos in der Gegend herum zu starren und hör mir zu!" Ein dünnes Mädchen mit strengen Gesichtszügen und sorgsam geflochtenem Zopf wippte ungeduldig mit den Füßen. Peter sah auf.

Du könntest es dir zumindest anhören!"

Peter zuckte mit den Schultern: „Ich kann ja mal die anderen fragen, ob sie Lust haben! Remus ..."

Vergiss die anderen, Peter! Hier geht es um dich und mich! Um uns! Um unser zukünftiges Leben!"

Peter seufzte und machte Anstalten aufzustehen.

Du gehst jetzt nicht! Du bleibst und hörst mir zu!" Sie hatte ihm untergehakt und ihn wieder zu sich auf das Sofa gezogen. Ihre Stimme wurde etwas weicher: „Überleg doch mal, mein Schatz! Wie sieht dein Abschlusszeugnis nächstes Jahr aus? Ist es so gut, dass du dir eine solche Arroganz erlauben kannst? Ich will dich doch nicht schlecht machen, aber du weißt doch auch, dass du nur ein mittelmäßiges Zeugnis bekommen wirst. Aber deine Chancen könnten so viel besser stehen! Ich habe mich letztens mit Narzissa unterhalten und sie sagte ..."

Was hast du mit der zu schaffen?"

Sie ist ein freundliches Mädchen! Sie hat vor, demnächst zu heiraten!"

Peter zog die Augenbrauen hoch. Diese Neuigkeit begeisterte ihn nicht wirklich. „Weiß Sirius das schon?"

Das ist doch egal!" Langsam wurde das Mädchen ungeduldig, „Du musst dich langsam mal von ihnen lösen, Peter! Um Sirius oder Remus oder James musst du dir keine Gedanken machen. Die beißen sich durch. Die haben Kapital. Um deine Zukunft musst du dich kümmern! Und wenn du einmal mitkommen würdest und dir anhören würdest, was er zu sagen hat ... Narzissa hat angeboten, uns das nächste Mal mit zum Treffen zu nehmen. Ihr Verlobter ist auch da und ..."

Malfoy und Rosier und garantiert auch Bellatrix!" schnaubte Peter und verschränkte die Arme vor der Brust, „Vergiss es, Shelley! Ich treffe mich nicht mit diesen Idioten!"

Weißt du, dass du nur so ein schlechtes Bild von ihnen hast, weil dein heiliger Sirius sie hasst?" zischte Shelley.

Nenn ihn nicht „meinen heiligen Sirius"!" rief Peter zornig, „Du hast dich von ihm ... rumkriegen lassen!"

Das war nur ein Kuss! Und das ist lange her und du sagtest ... wie lange willst du mir das denn noch vorhalten! Das ist nicht fair, Peter! Ich hab´ mich tausendmal entschuldigt! Was soll ich denn noch tun?"

Peters Blick wurde weich, als sie die Hände vors Gesicht presste, um die Tränen zurückzuhalten: „Du hast Recht! Das war gemein von mir! Ich ... es ist nur schwer."

Aber du wolltest mir verzeihen!" sagte Shelley dumpf hinter ihren Fingern.

Das habe ich!" sagte Peter langsam und streichelte über ihren Arm. Shelley schniefte und wischte sich über die Wangen: „Wir wollten nicht mehr darüber reden."

Ja. Reden wir über etwas anderes!" Peter schien erleichtert und setzte sich aufrechter hin, „Ein Bekannter meiner Mutter hat mir letztens die Stellenangebote vom Ministerium gezeigt. Er sagt, er könnte mir bei den Bewerbungen helfen. Es sind gute Sachen dabei: im Büro für Missbrauch von Muggleartefakten, in der Abteilung für die Umkehrung verunglückter Zauberei ..."

Ach, das ist doch nicht dein Ernst!" Der weinerliche Ausdruck war aus Shelleys Gesicht gewichen und sie machte eine abwehrende Handbewegung, „Im Büro! Peter, willst du denn gar nichts aus dir machen!"

Entschuldige bitte! Mein Vater arbeitet auch in einem Büro!"

Dein Stiefvater ..." betonte Shelley, „... sitzt in einem Verschlag und stempelt Papiere! ICH werde mich nicht mit so etwas zufrieden geben! Jeder Trottel kann im Ministerium in einem winzigen Büro arbeiten! Ich möchte später unabhängig und erfolgreich sein und nicht irgendwelchen Möchtegern-Chefs die Füße küssen müssen! Womöglich noch Leuten, die viel weniger wert sind als ich!"

Was meinst du denn mit „weniger wert"?" fragte Peter vorsichtig.

Schlammblüter, Muggelgeborene! Eben Leute, die sich im Vergleich zu meiner alten Familie gerade mal eine Generation in der Zaubererwelt bewegen." Shelley hatte eine trotzige Miene aufgesetzt.

Peters Augen weiteten sich ungläubig: „Sag mal, wo hast du denn diesen Schwachsinn her? Warte mal ... ich glaube, jetzt weiß ich, von welchem Treffen du überhaupt redest! Du willst zu den Veranstaltungen von diesem Riddle-Typ gehen!"

Hast du das auch endlich erfasst?" spottete Shelley, „Du bist tatsächlich manchmal so langsam, wie Steven behauptet. Aber du erkennst hoffentlich die Chance, die sich uns beiden dort bietet!"

Ich gehöre da nicht hin! Meine Mum ist muggelgeboren, das weißt du!"

Es kommt nicht nur darauf an! Es kommt auf die richtige Einstellung an! Du musst stolz sein!"

Ich habe nicht viel, auf das ich stolz sein kann!" sagte Peter leise.

Und genau das kannst du ändern! Überleg doch mal, Peter! Bei diesen Leuten ... da bist du unter Gleichen! Das sind keine übertalentierten Super-Zauberer! Das sind Leute wie du und ich! Da greift dich keiner an und keiner würde dich bloß stellen!" Als Shelley bemerkte, wie ihre Worte auf Peter zu wirken begannen, redete sie eifriger auf ihn ein, „Stell dir das vor: nur du und ich! Kein Remus Lupin, der immer die Antworten kennt und dir nicht mal die Chance lässt, zu überlegen! Kein James Potter, der dir mit seiner überheblichen Art das Gefühl gibt, ein Trottel zu sein und das auch noch genießt! Und vor allem kein Sirius Black, der uns immer wieder Anlass zum Streiten gibt, der uns entzweit!" Sie schmiegte sich an Peter und dieser legte automatisch einen Arm um ihre Schultern.

Du kannst mir glauben, dass auch ich weg möchte ... vom größten Fehler meines Lebens! Ich weiß doch, dass ich dich fast verloren hätte, aber darin liegt deine Größe, Peter! Du kannst verzeihen!" Sie küsste ihn leicht auf den Mund und Peter machte keine Anstalten, sich von ihr zurück zu ziehen.

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Peter fröstelte und zog den Umhang am Hals enger zusammen. Um ihn herum standen Fremde, die für ihn Freunde sein sollten, doch er sah ihre Gesichter nicht, ebenso wenig, wie sie sein Gesicht sahen. Die Kapuze verbarg ihn und Peter wusste, dass es nicht das Schlechteste war, sich zu verbergen.

Er hörte die Worte, ohne ihre Bedeutung zu verstehen. Es war zu kalt und das Feuer in ihrer Mitte flackerte zu aufgeregt, als dass er sich hätte konzentrieren können.

Er würde heute noch nicht an der Reihe sein, doch auch sein Tag würde kommen.

Jemand trat vor. Ein Junge. Er konnte nicht älter sein als Peter selbst. Er zitterte am ganzen Leib, doch er gab keinen Ton von sich, als zwei große, starke Kerle ihn festhielten und den rechten Ärmel seines nachtschwarzen Umhanges hochzogen. Ein dritter trat hinzu, sprach leise mit dem Jungen und griff dann mit fester Hand nach einem glühenden Eisen, das im Feuer lag.

Peter hielt die Luft an und betrachtete mit brennenden Augen das Schauspiel.

Der Junge zuckte zusammen, doch er schrie nicht. Das Eisen fraß sich in seine helle Haut und hinterließ eine Wunde, die niemals heilen sollte. Ein anderer Zauberer ließ über ihnen im Nachthimmel das Dunkle Mal erscheinen; das Zeichen, das der Junge in ihrer Mitte, der einer Ohnmacht nahe schien, für immer am Leib tragen sollte. Peter hob den Blick.

Von dem Jungen war mittlerweile ein leises Wimmern zu hören und sie brachten ihn weg. Dann löste sich die Menge der Zauberer. Sie gingen auseinander und Peter wunderte sich nicht, als jemand an seine Seite trat.

Pettigrew, schönen Tag auch!"

Es ist mitten in der Nacht, Regulus. Und es gab auch schon schönere!" gab Peter leise zurück und folgte den Todessern in das nahe gelegene Landhaus mit Regulus Black im Schlepptau. Sie schwiegen.

Drinnen nahmen sie die Kapuzen ab, damit der Türsteher sie erkannte, und gingen dann hinein in den Festsaal, dessen Dekoration in schwarz gehalten war. Das einzige Licht kam von den Kerzen an den Wänden. Einige Tische und Stühle standen herum.

Warum der Dunkle Lord wohl noch nicht das ist? Er wollte doch kommen!" flüsterte jemand neben Peter. Bevor nicht der Vorsitzende der Versammlung ein paar offizielle Worte sagte, traute sich niemand laut zu sprechen.

Peter schenkte sich ein Glas Rotwein ein und sah sich um.

Evan Rosier war wieder da. Er hatte bei den letzten Treffen gefehlt und das hatte für einigen Gesprächsstoff gesorgt. Heute stand er bei Adrian Wilkes und Brett Avery und hielt sich ebenfalls an einem Glas Wein fest.

Rodolphus und Rabastan Lestrange waren da und sahen richtiggehend harmlos aus. Peter wusste, dass der Lord sie letztens zu sich gerufen und gelobt hatte, da sie, einer spontanen Eingebung folgend, einen Muggel-Supermarkt in die Luft gejagt und die anrückenden Zauberer ein wenig gequält hatten. Gequält wohlgemerkt, nicht getötet. Quälen war immer gut. Damit stand man hier auf der sicheren Seite.

Bellatrix Black gesellte sich zu ihnen. Peter musste sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht mehr Black hieß, sondern ebenfalls Lestrange. Sie warf ihrem Mann Rodolphus einen glühenden Blick zu. Allerdings fand Peter, dass sie dessen Bruder Rabastan nicht weniger glühend ansah, wenn Rodolphus nicht anwesend war. Vielleicht war sein Urteil hier aber auch getrübt. Bellatrix war ihm einfach zuwider.

Anders Narzissa, die gerade herein kam und automatisch die Blick sämtlicher männlicher Anwesender auf sich zog. Es sollte allerdings nur einer wagen, ihr näher als fünf Meter zu kommen. Malfoy würde ihn bei lebendigem Leibe auseinander nehmen. Kein Wunder, dass Peter leicht unruhig wurde, als sie mit ihrem typischen kühlen Lächeln neben ihn trat. Überhaupt alles an ihr war kühl: ihr Blick, ihre Haut, ihr Auftreten. Sie strahlte Kälte aus, doch es war keine beunruhigende Kälte, sondern eine Kälte, mit der zumindest Peter gut leben konnte.

Würdest du mir Wein einschenken, Peter?" fragte sie in ihrer ruhigen, natürlich kühlen Stimme und Peter nickte. Er empfand es als unangenehm, hier mit seinem Vornamen angesprochen zu werden und er war sich ziemlich sicher, dass Narzissa es genau deswegen tat.

Vielen Dank!" hauchte sie, als sie ihr Glas entgegen nahm. Dann wandte sie sich ab und trat auf ihre Schwester zu. Die beiden begrüßten sich mit einem Kuss und Narzissa bedachte ihren Schwager und dessen Bruder mit einem gnädigen Blick.

Mir bitte auch ein Glas Wein, Pettigrew!" schnarrte eine Stimme an Peters Ohr und augenblicklich stellten sich seine Nackenhaare auf. Er sah über seine Schulter und blickte direkt in Snapes grinsendes Gesicht.

Bedien dich!" sagte Peter und trat vom Tisch zurück. Snape verzog die Lippen und nahm sich ein Glas, das er schwungvoll mit blutrotem Wein füllte. Er blieb neben Peter stehen.

Wo bleibt Malfoy? Ich wäre heute gerne vor drei Uhr nachts zu Hause!" murmelte Regulus und nippte an seinem Glas.

Zu Hause?" fragte Peter wenig interessiert.

Bei meinen Eltern am Grimauldplatz." antwortete Regulus, „Die beiden werden entzückt sein, mich mal wieder zu sehen. Besonders, seit ich dieses Zeichen hier trage!" Er hob leicht den Ärmel und Peter zuckte zusammen, als er das frische Mal auf Regulus´ Haut sah. Er war beim letzten Treffen gebrannt worden.

Peter ärgerte sich, dass er zusammenzuckte und noch mehr ärgerte er sich; er hasste sich regelrecht dafür; weil er sich sofort fragte, was Sirius wohl dazu sagen würde. Wahrscheinlich hätte er dazu sowieso wenig zu sagen.

Wann bist du an der Reihe, Pettigrew?" fragte Snape leise, „Willst du nicht mal was zu Ende bringen?"

Peter sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Er wusste, dass Snape das Mal schon seit Jahren trug.

Nur mit der Ruhe, Severus!" entgegnete er.

Anwesende!" erklang da die Stimme von Lucius Malfoy und Peter drehte sich sofort zu ihm um. Er hatte sein Eintreten nicht bemerkt. Auch Lucius´ Schwester Celia Malfoy stand mittlerweile neben Narzissa und Bellatrix und lächelte geradezu selig.

Anwesende! Mitstreiter! Todesser!" Malfoy breitete grinsend die Arme aus und die meisten fanden diesen Scherz witzig, doch Peter hatte immer noch leichte Magenschmerzen, wenn er dieses Wort hörte und doch gleichzeitig wusste, dass er dazu gehörte.

Ich bitte euch greift zu und greift vor allem unseren jüngsten Kameraden Quentin unter die Arme!" Sein Grinsen wurde diabolisch und die Menge johlte. Peter beobachtete den Jungen mitleidig. Dieser wurde, geschwächt wie er war, in den Raum getragen und sofort von seinen neuen „Brüdern" in Empfang genommen. Die so genannte Hilfestellung bestand nun darin, den Armen ordentlich abzufüllen und ihn auf irgendeine Art und Weise bloß zu stellen. Schon allein wegen dieses Rituals zögerte Peter noch immer.

Yeah!" sagte Regulus neben ihm und schritt mit einer Flasche Feuerwhiskey in der Hand auf Quentin zu. Wie ähnlich er und Sirius sich sein konnten, dachte Peter.

Na, Pettigrew! Wie geht´s deinen Freunden? Wie geht´s dem Werwolf?" fragte Snape in Peters Rücken.

Bestens! Danke!" erwiderte Peter und unterdrückte mühsam den aufsteigenden Ekel.

Was willst du eigentlich noch von denen? Wird es nicht Zeit für eine neue Familie?" bohrte Snape weiter, doch bevor Peter antworten konnte, sprach jemand anderes neben ihnen. Wohlklingend und gleichzeitig angsteinflößend. Leise, doch so durchdringend, dass man sich der Stimme nicht entziehen konnte.

Pettigrew macht es schon ganz richtig, dass er den Kontakt zur Außenwelt wahrt! Wir brauchen Tarnung, wir brauchen Normalität, wir brauchen die falschen Gesichter, um unsere Wahrheit in uns tragen und sie bewahren zu können, damit sie reifen kann!"

Peter und Snape erstarrten.

Mein Lord!" brachte Snape heraus und alle im Umkreis von fünf Metern fuhren herum.

Lord Voldemort war gekommen.

Peter hielt die Luft an und senkte den Blick. Voldemort legte eine Hand auf seine Schulter und diese war zugleich brennend heiß und kalt.

Schön, Pettigrew! Wir werden dich beim nächsten Treffen in unsere Familie aufnehmen und du wirst ein wertvolles Mitglied werden. Wertvoller, als du es jetzt schon bist!"

Peter konnte die Worte, die zu ihm gesprochen wurden, kaum fassen.

Ja, mein Lord!" würgte er hervor und dann ging Voldemort weiter. Während Snape neben ihm irgendeine gehässige Bemerkung zischte, konnte Peter nur daran denken, dass ihn noch nie jemand als „wertvoll" bezeichnet hatte.

000

Kommst du übermorgen mit?" fragte Remus und Peter konnte den Ton seiner Stimme kaum ertragen. Sirius anzulügen war kein Ding für ihn. Bei James war es meistens gar nicht nötig. Aber Remus ...

Ich weiß nicht." meinte er unbestimmt und Remus zuckte zusammen, als hätte Peter ihm ins Gesicht geschlagen.

In Ordnung." sagte Remus leise und in seiner Stimme schwang so viel Schmerz mit, dass nicht einmal Peter es wegleugnen konnte. So war er nicht in der Lage, darüber hinweg zu gehen.

Ich hab letztens mit Dumbledore gesprochen. Vielleicht muss ich weg. Ist noch nicht raus." Er müsste nicht fürchten, dass diese Lüge herauskam, denn sie fragten sich gegenseitig nicht nach ihren Aktivitäten. Dumbledore und der Orden waren das perfekte Alibi.

Natürlich, Peter! Ich mache dir keine Vorwürfe!" sagte Remus, doch Peter könnte wetten, dass er mit den Tränen kämpfte. Warum eigentlich? Sirius und James würden da sein. Warum sollte ihm in einer Vollmondnacht eine Ratte fehlen?

Peter schwieg und blätterte weiter in seiner Zeitschrift. Remus schlug sein Buch auf und tat, als würde er lesen. Einmal schniefte er, woraufhin Peter seufzte und aufstand.

Ich muss ..."

Hallo, miteinander!" Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss und man konnte hören, wie schwere Stiefel in die Ecke geschleudert wurden, was bedeutete, dass Sirius gleich ins Zimmer platzen würde.

Peter verdrehte die Augen, doch Remus legte erfreut das Buch zur Seite und erhob sich. Er schwankte leicht. Peter wusste, dass er letzte Nacht gefallen war und sich am rechten Bein verletzt hatte. Das würde Vollmond schwerer machen. Sirius machte sich am laufenden Band Vorwürfe, dass er Remus nicht festgehalten hatte, als dieser losgewandert war. Sie hatten sich noch nicht an Remus als Schlafwandler gewöhnt, aber anscheinend musste man vor Vollmond jetzt mit allem rechnen.

Vielleicht lag das auch an diesem Trank, den Remus seit kurzem einnahm und von dessen Existenz lediglich Peter wusste und das noch nicht einmal offiziell. Remus hatte seinen Freunden nichts davon erzählt, doch Peter hatte ihn gesehen, als er das letzte Mal mit Regulus in der Nockturngasse gewesen war. Remus hatte irgendwelche Kräuter erstanden und die beiden glücklicherweise nicht bemerkt.

Peter hatte so lange nachgeforscht, bis er von diesem Trank erfahren hatte. Er wunderte sich nicht, dass Sirius Remus langsam, aber sicher verdächtigte. Allerdings konnte man Sirius mittlerweile als paranoid bezeichnen. Seit seine Kusine Andromeda und ihr Mann Ted vor vier Monaten umgekommen waren und Sirius deren kleine Tochter an die Muggelschwester von Ted hatte weggeben müssen, sah er überall Gespenster.

Nur da nicht, wo welche waren. Er sah Peter nicht. Aber das hatte er ja noch nie.

Hey, Wurmschwanz? Was ist los?" Sirius´ grundsätzlich laute Stimme holte ihn in die Wirklichkeit zurück und er sah seine Freunde an. Sirius hatte beide Arme um Remus geschlungen und sein Kinn auf dessen Schulter abgelegt.

Peter dachte verächtlich, dass Snape vielleicht manchmal gar nicht so Unrecht hatte, wollte aber nichts in der Richtung sagen. Erstens gäbe das sinnlosen Streit, bei dem er den Kürzeren ziehen würde, und zweitens war es nicht willens, sich auf Snapes Niveas herab zu lassen. Er war wichtiger.

Alles in Ordnung!" sagte er mit gezwungenem Lächeln, „Ich muss los. Shelley erwartet mich zum Abendessen!"

Ja, wir sollten auch rüber!" meinte Sirius, ohne Remus los zu lassen. Dieser schien sich tatsächlich nicht an Sirius´ Nähe zu stören, was Peter nicht verstehen konnte. Gerade erst letzte Woche hatte Sirius ihm vorgeworfen, sich von ihnen zu entfernen und hatte Remus ins Gesicht gesagt, er würde sich für die werwolffreundlichen Ansichten der Todesser interessieren.

Peter wusste, dass an einem Todesser kein Millimeter werwolffreundlich war. Er hatte Werwölfe gesehen, die sich ihnen angeschlossen hatten und die gehalten wurden wie Tiere, bis man sie an Vollmond auf irgendjemanden loslassen konnte.

Wieso also nahm Remus es Sirius nicht übel? Wahrscheinlich blieb ihm nichts anderes übrig.

Was gibt´s bei euch Leckeres?" wollte Sirius wissen und löste sich gezwungenermaßen von Remus, um in seiner Tasche zu kramen. Peter konnte eigentlich nicht fassen, dass er hier in Sirius´ Wohnung stand und sich mit ihm und Remus über das Abendessen unterhielt, doch er antwortete brav: „So weit ich weiß etwas Chinesisches."

Oh, das klingt gut!" sagte Remus lächelnd und Peter verachtete ihn ein bisschen, da Remus immer lächelte. Er lächelte, wenn man ihn anschrie, er lächelte, wenn man ihn beleidigte und er lächelte, wenn ihm sein bester Freund vorwarf, er würde zu den Todessern überlaufen.

Peter selbst hatte endlich das Gefühl, nicht mehr nur zu lächeln, sondern sich auch zu wehren.

Lil lässt James heute kochen, was so viel heißt, wie: Er setzt die Küche in Brand, Lily gerät in Panik, ich muss löschen und letzten Endes kocht Remus uns etwas Superleckeres aus den noch genießbaren Resten." erzählte Sirius und Peter nickte höflich.

Also, sehen wir uns übermorgen?" Sirius richtete sich auf und sah Peter an.

Dieser ignorierte Remus´ Blick und meinte: „Mal sehen!"

000

Pettigrew, komm zu mir!"

Peter war so erschrocken, dass er die nächsten Sekunden überhaupt nicht reagierte. Dann stand er auf, zog seine Kutte zurecht und folgte Lord Voldemort in einen separaten Raum. Weg von den anderen Todessern. Weg von Regulus, der ein ungläubiges Keuchen ausstieß und weg von Snape, der, wie Peter spüren konnte, gerade kochte vor Wut.

Setz dich, Pettigrew!" sagte Voldemort und Peter nahm wie in Trance auf dem ihm dargebotenen Stuhl Platz. Der Dunkle Lord saß ihm gegenüber, fast auf gleicher Höhe. Er sah ihn an und Peter tat sein Möglichstes, um ruhig zurückzublicken.

Lord Voldemort sah nicht schön aus, doch wenn jemand wusste, dass Schönheit unwichtig war, dann Peter. Was zählte, war innere Stärke, sicheres Auftreten, das Innehaben von Macht und das Demonstrieren derselben. Das musste Peter denken, als er in Voldemorts schlangenartiges, ohne Zweifel grausames, aber so starkes Gesicht blickte.

Jetzt hatte er wie üblich den Faden verloren und musste nachfragen, da der Lord etwas gesagt hatte, das er nicht verstanden hatte.

Voldemort lächelte und legte die Fingerspitzen zusammen: „Warum hörst du mir nicht zu, Pettigrew?"

Verzeiht, ich war in Gedanken!"

Das ist nichts Schlechtes in Zeiten wie dieser." antwortete Voldemort weise und erinnerte Peter ein wenig an Dumbledore, „Ich sehe dich, Pettigrew, wie du in unserer Gemeinschaft aufblühst!" sagte Voldemort und er hatte Recht damit.

Peter fühlte sich wohl. Weniger, wenn Snape um ihn herumschlich wie ein Geier um etwas, das demnächst verrecken würde, aber umso mehr, wenn er mit Regulus oder den Warton-Jungen unterwegs war. Er erledigte wichtige Aufgaben. Er hatte die Mission geleitet, bei der sie mehrere Kameraden aus dem Gewahrsam eines Auroren befreit hatten. Peter hatte selbst den Zauberstab auf den Mann richten und den Todesfluch sprechen können und endlich hatte er sich stark gefühlt, da er sich gegen jemanden hatte wehren können, der ihn früher nur müde belächelt, wenn überhaupt bemerkt hätte.

Er war dem Dunklen Lord Augen und Ohren, da er noch immer im Orden des Phönix ein und aus ging. Peter war es zu verdanken, dass sie die Pläne ihrer Gegner kannten. Die Prewetts konnten nur ausfindig gemacht werden, da Peter ihren Aufenthaltsort herausfinden und preisgeben konnte und so hatten sie sich zwei ihrer gefährlichsten Gegner entledigen können.

Du machst dich ganz ausgezeichnet und ich brenne förmlich darauf, dich mit deiner neuen Aufgabe zu betreuen!" sagte Voldemort und Peter registrierte, dass der Mann tatsächlich aufgeregt war.

Erzählt mir von dieser Aufgabe, mein Herr!" bat Peter, der die Erregung auf sich übergehen spürte.

Es ist eine Aufgabe von unaussprechlicher Wichtigkeit, denn ich bin in Gefahr und nur du kannst mir helfen!"

Peter wurde heiß und kalt bei dieser Formulierung und er beugte sich unbewusst etwas nach vorn. ENDLICH! Endlich bekam er seine Chance! Seine Chance, sich als einer der Wichtigsten an der Seite des Lords zu beweisen. Wichtiger als Snape, vielleicht sogar wichtiger als Malfoy, mit denen er hier ständig konkurrieren musste. Er war Sirius und James nicht wirklich losgeworden; er hatte sie lediglich gegen Snape und Malfoy eingetauscht. Doch jetzt würde seine große Stunde kommen.

Es wurde eine Prophezeiung gemacht, die mich betrifft. Mich und einen Gegner, der mich vernichten soll."

Peter sog erschrocken die Luft ein, doch Voldemort machte eine Handbewegung, die die Zweifel seines Jüngers weg wischen sollte: „Ich werde mich zu behaupten wissen, Pettigrew, wie ich es immer wusste, aber die Gefahr ist groß. Wir kennen nur einen Bruchteil der Prophezeiung und während einige unterwegs sind, mir den Rest zu beschaffen, sollst du mir diesen Gegner bringen."

Habt Ihr denn herausfinden können, wer gemeint ist?" fragte Peter atemlos.

Die Prophezeiung trifft auf genau zwei Menschen zu." antwortete Voldemort, „Zwei Jungen, die vor kurzer Zeit erst geboren wurden."

Jungen?"

Ja, zwei kleine Jungen. Und mein Vorteil ist nun, dass ich sie eliminieren kann, bevor sie mir tatsächlich gefährlich werden können. Ich werde sie töten. Und einen von beiden kannst nur du mir bringen!"

Nennt mir ihre Namen!" bat Peter.

Harry Potter und Neville Longbottom!"

000

Peter saß bei Lily und James am Küchentisch und beobachtete Harry, wie er mit verkrampften Fäustchen und zwischen die Lippen geschobener Zunge sein Fruchtmus zu essen versuchte. Er war bereits vollkommen verschmiert, doch er grinste breit.

Peter tat es weh, ihn zu sehen. Dieser kleine Junge sollte seinen Herrn zerstören? Den Menschen, der Peter aufgenommen und gefördert hatte? Der dafür gesorgt hatte, dass Peter, der sich nie akzeptiert, sondern höchstens geduldet gefühlt hatte, erlebte, was Familie und Zusammenhalt, Stärke und Macht bedeuteten? Seit Peter wusste, dass die Freundschaft, an der James, Sirius und Remus so klammerten, ihm selbst nichts gab und sie eigentlich doch hohl war, da sich die drei schon lange nicht mehr vertrauten, war er glücklich bei den Todessern. Er mochte sich jetzt gern so nennen.

Er hatte vor einiger Zeit festgestellt, dass diese Freundschaft, die James, Sirius und Remus so hartnäckig auf einen Sockel stellten und ohne die sie, wie sie nicht müde wurden zu behaupten, nicht imstande wären, weiter zu leben, eine große Lüge war. Sie redeten nicht mehr miteinander. Sie misstrauten sich. Der Einzige, dem jeder der drei noch vertrauten, war er; Peter. Es war fast schon witzig, dass er den dreien nie ein besserer Freund gewesen war als jetzt, wo er ungefähr einen Meter davon entfernt war, sie alle zu verraten. Sie waren tatsächlich der Meinung, er würde ihnen helfen und dafür verachtete er sie alle.

Sirius sprach mit ihm über sein Misstrauen, was Remus anging, wenn James davon nichts mehr hören konnte und James wiederum beschwerte sich bei Peter über Sirius, der allmählich unter Verfolgungswahn litt. Remus redete nie viel, doch Peter wusste, warum sich Remus von seinen Freunden zurückzog. Er saß schließlich direkt an der Quelle. Er wusste, dass einige Delegationen, vorzugsweise bestehend aus Bellatrix Lestrange und Regulus Black, Remus regelmäßig aufsuchten und ihn auf die Seite der Todesser zu ziehen versuchten. Immer nach dem Motto: Die Welt misstraut dir sowieso. Warum dann nicht Kapital daraus schlagen?

Peter wusste auch, dass Remus sie jedes Mal vor die Tür gesetzt hatte. Und Peter wusste, dass Remus lieber gestorben wäre, als James und Sirius davon zu erzählen.

Jetzt kamen sie herein. Remus wie immer blass und angeschlagen mit noch frischen, feinen Schnittwunden im Gesicht, da sie in der letzten Vollmondnacht durch die Wälder gelaufen waren. Sirius mit dem üblichen Grinsen, welches er wie eine Maske trug, und ebenfalls recht demoliert. James mit seinem Wuschelkopf und einem Strauß Wildblumen für Lily im Arm. Diese stand am Herd und erschrak, als James sie überraschend in seine Arme nahm und küsste.

Sirius und Remus nahmen am Tisch Platz und schenkten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit Harry. Sogar Remus wagte, ihm den heruntergefallenen Löffel wieder in die Hand zu drücken, denn er hatte die panische Angst überwunden, Harry könnte auf seinen inneren Wolf reagieren und weinen. Er hatte eine Zeit lang darauf beharrt, dass Kleinkinder feinfühliger waren als die abgestumpften Erwachsenen, doch Sirius hatte ihm das recht schnell ausgeredet. Peter allerdings hätte er gern einmal gesehen, wenn sich Harry schreiend aus Remus´ unsicheren Armen winden würde. Das wäre mal was gewesen.

Wie sie da saßen und mit Harry spielten, war es, als wäre Peter gar nicht anwesend.

Er beobachtete sie ruhig, doch dann loderte Hass in ihm auf. Hass, der sich zuallererst einmal auf James konzentrierte, der es doch tatsächlich geschafft hatte, neben allem, was er zur „Rettung der Welt", wie er es nannte, beitrug, einen Sohn zu bekommen, der Peters Herrn und Freund und Meister vernichten sollte. Wieder einmal Aufmerksamkeit und Ruhm für James, die er nicht verdient hatte.

Dann war da Sirius, der so unverletzlich tat und der sich garantiert nachts in Remus´ Armen ausheulte, wenn er an Andromeda denken musste. Sirius hatte schon immer ein Falschgesicht aufgesetzt, doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, eben dies anderen vorzuwerfen. Besonders gern warf er es Peter vor, allerdings nicht mehr, seit es stimmte.

Peter wusste manchmal nicht, warum er Sirius in seiner Nähe duldete und ertrug; nach allem, was er ihm angetan hatte. Es war nicht nur die Sache mit Shelley; es waren tausend Kleinigkeiten gewesen. Jedes Wort, das Peter herabsetzte, jede Geste, die ausdrücken sollte, dass Peter weniger wert war. Sirius´ ständiges Herummäkeln an seinen zauberischen Fähigkeiten, dass er ihn so oft bloß gestellt hatte und vor allem, dass er immer offen gezeigt hatte, wie viel er ihm nicht zutraute. Dieses Verhalten hatte freilich aufgehört, als die Welt draußen aus den Fugen geriet und sie alle erwachsener wurden und vor allem, seit James geheiratet hatte und sich Remus immer mehr zurückzog und Peter somit der einzige Ansprechpartner für ihn war, doch hier war Peter nie bereit gewesen, zu verzeihen.

Und dann war da Remus. Remus, für den er entweder Mitleid oder Bewunderung empfinden sollte; mehr ließen James und Sirius nicht zu. Auf Remus war man nicht wütend, Remus ärgerte man nicht allzu sehr. Schließlich hatte der arme Junge ja ein so hartes Schicksal zu ertragen. Er war ein Werwolf und dieses Dasein war geprägt von Schmerzen und Einsamkeit und blablabla. Seine Familie akzeptierte ihn nicht, sondern hatte Angst vor ihm.

Auch Sirius musste bemitleidet und getröstet werden, da seine Familie ihn unterdrückte und quälte.

Angesichts dieser Abgründe zählte Peters Schicksal nicht mehr. Irgendwann hörten sie einfach auf zu fragen. Andere wurden wichtig. Remus und Sirius wurden wichtig und da James immer das große Wort geführt hatte, waren die Angelegenheiten damit geklärt. Wo war Peters Platz?

Überflüssig zu sein ist eines der grässlichsten Gefühlt überhaupt.

000

Du weißt schon, dass er sich nur dir zuwendet, weil Remus nicht da ist?"

Peter sah von seiner Zeitung auf und starrte Shelley verständnislos an.

So ist es! Sobald dieser Werwolf wieder auftaucht, bist du abgemeldet bei Sirius!" Sie schnitt sich mit grimmiger Miene ein Brötchen auf.

Peter schüttelte den Kopf und griff nach seiner Tasse Kaffee: „Ich wundere mich immer wieder über dich! Es ist faszinierend, wie du es schaffst, von jetzt auf gleich einen gemütlichen Morgen in eine mittelgroße Katastrophe zu verwandeln!"

Danke!" schoss sie zurück, „Aber ich habe Recht!"

Es ist schon eine Kunst, Recht zu haben und trotzdem die Klappe zu halten!" meinte Peter trocken und nahm einen Schluck Kaffee.

Wieso triffst du dich noch mit ihnen? Du hast genug andere Freunde! Warum müssen es immer noch Sirius, James und Remus sein?"

Peter antwortete nicht, sondern konzentrierte sich wieder auf den Tagespropheten.

Verdammt, leg die Zeitung weg!" rief Shelley und schlug mit ihrem Messer gegen die Titelseite. Peter senkte die Zeitung und sah sie an.

Was geben sie dir? Ich habe in meinen Kalender geschaut und du warst die letzten zwei Vollmonde weg! Ich will nicht, dass du mit diesem Monster durch die Gegend läufst! Dir könnte was passieren!"

Als würde es dir darum gehen!"

Natürlich! Ich mache mir Sorgen um dich! Ich möchte nicht, dass du dich von mir entfernst! Ich habe doch nur noch dich!"

Peter bemerkte, dass ihre Stimme leiser wurde, was immer ein Zeichen dafür war, dass sie etwas ernst meinte. Er streckte eine Hand nach ihr aus, die sie dankbar ergriff.

Ich weiß, dass es schwer für dich ist, Schatz! Und ich weiß, dass du deine Eltern vermisst!"

Sie kommen nicht wieder!" sagte Shelley tonlos und vergrub ihr Gesicht in Peters Handfläche.

Nein, aber du kannst immer an die Zeit zurückdenken, die du mit ihnen verbringen konntest! Und jetzt bin ich ja deine Familie!"

Sie sah verwundert auf und auf ihrem blassen Gesicht breitete sich ein Lächeln aus: „Du bist mir nicht böse, weil ich manchmal so bin? Ich übertreibe und so ... das weiß ich auch! Aber ..."

Ich weiß doch, Schatz!" Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss. Shelley lächelte und widmete sich wieder ihrem Brötchen.

Du solltest es dir nur bitte nicht angewöhnen, auf mich zu schießen, wenn du dich unwohl fühlst!" sagte Peter und schlug wieder seine Zeitung auf. Shelley sah ihn an und biss sich auf die Zunge.

Ein paar Minuten später legte sie das angebissene Brötchen weg. Peter hielt den Zauberstab auf ein paar Orangen gerichtet, die sich selbst auspressten und den Saft gleichmäßig in zwei Gläser verteilten.

Schatz? Warum triffst du sie noch?"

Peter sah Shelley an.

Ich möchte nicht streiten!" Sie hob die Hände und sah aus, als meinte sie es ehrlich, „Aber ich frage mich, was du davon hast? Du weißt, dass Severus sie hasst und ..."

Shelley!" sagte Peter warnend, „Komm mir nicht mit dem! Snape und ich haben unsere ganz eigene Geschichte, welche dafür sorgt, dass wir uns nicht einmal dann mögen würden, wenn wir die letzten Menschen auf der Welt wären!"

Aber ... na, gut! Aber auch Lucius und Narzissa reden darüber. Es kommt ihnen komisch vor und mir auch. Celia Malfoy sagte letztens, dass du dich noch immer nicht entschieden hast."

ICH HABE MICH NICHT ENTSCHIEDEN!" Peter war aufgesprungen. Er riss sich mit der linken Hand den Ärmel des rechten Hemdes hoch, präsentierte der verschreckten Shelley das Zeichen der Todesser und brüllte: „Ich habe mich nicht entschieden? Wer von uns beiden hat verdammt noch mal dieses ... dieses Ding auf dem Arm! Und alles, was du zu wissen brauchst, ist, dass ich meine Gründe dafür habe, dass ich den Kontakt nicht abbreche!"

Ich möchte doch nur wissen ..."

Wärst du endlich zufrieden, wenn ich dir sage, dass der Lord höchstpersönlich mit mir wegen eines überaus wichtigen Auftrages gesprochen und mir aufgetragen hat, mit den Potters in Kontakt zu bleiben!"

Shelleys Augen wurden groß und Peters Gesicht drückte Genugtuung aus.

Der Lord persönlich?" wisperte Shelley.

Ja, verdammt!" sagte Peter und grinste, „Und endlich muss auch Snape mal zurückstehen. Ich habe meine Aufgabe bekommen, Shelley, und ich werde sie gut machen!"

Der Dunkle Lord hat gesagt, dass du bis jetzt alle Aufgaben zu seiner Zufriedenheit erfüllt hast!" flüsterte Shelley bewundernd.

Allerdings!" sagte Peter und setzte sich wieder.

Um wen geht es?" fragte Shelley, „James?"

Peter schüttelte den Kopf: „Besser! Um Harry!"

Um den Kleinen? Aber wieso?"

Das wirst du von mir nicht erfahren. Lass dir doch auch so ein nettes Zeichen auf den Arm brennen und zieh eine schwarze Kutte an, wenn du zu den wöchentlichen Treffen gehst und wenn du dann deine erste Mugglefamilie aus dem Weg geräumt hast, dann werden wir vielleicht noch mal darüber reden!"

000

Für Peter war wieder einmal babysitten angesagt. Wenn James und Lily weggingen, waren Sirius und seine Begleitung, verschieden Mädchen oder mindestens Meghan, meist dabei. Und Remus mochte nicht gern allein auf Harry aufpassen. Sirius sollte schon dabei sein.

Also saß Peter wieder in der Potter´schen Küche und betrachtete Harry beim Essen oder besser gesagt Zermanschen einer Banane. Harry lachte, doch Peters Laune war alles andere als entspannt. Er hatte beschlossen, es heute zu tun. Der Augenblick war perfekt. Keiner würde vor vier Uhr zurückkommen, das hieß, er hatte noch drei Stunden Zeit.

Er konnte mit Harry nicht apparieren und fliegen dürfte sich auch als zu schwierig gestalten, da Peter nicht mal allein sicher flog. James´ Kamin wollte er nicht benutzen für den Fall, dass Dumbledore es schaffen konnte, seinen Weg zurück zu verfolgen. Die Springmaus hatte vor einigen Wochen den Betrieb eingestellt und ihr Nachfolger, Der Fahrende Ritter, war nicht wirklich eine Möglichkeit ungesehen mit einem Baby zu reisen. Jeder würde ihn sehen und Harry würde wahrscheinlich die ganze Fahrt über schreien und spucken, da ihm schlecht werden würde.

So hatte sich Peter ein Muggelauto besorgt. Regulus hatte eines, seit er diese Muggelfamilie getötet hatte. Es stand eine Ecke weiter, voll getankt und startklar. Peter hatte extra Fahrstunden genommen. Er hatte einen Babysitz besorgt, da er vermeiden wollte, dass Harry während der Fahrt auf dem Rücksitz umkippte und sich dabei das Genick brach.

Er hatte vor, zuerst mit Harry zu Regulus´ Wohnung zu fahren. Dieser war zurzeit nicht da. Er trieb sich irgendwo im Norden herum. Dort hatte Peter seine Sachen deponiert. Er hatte sie nicht mit herbringen wollen. James und Lily hätten gefragt, was er denn noch vorhätte und wie Peter schon vor langer Zeit festgestellt hatte, war es sehr schwer, eine junge, misstrauische, übervorsichtige Mutter anzulügen.

Von Regulus´ Wohnung aus wollte er am frühen Abend mit seinen Sachen und Harry durch den Kamin nach Malfoy Manor, wo er sich mit Lucius und Narzissa verabredet hatte. Zu dritt wollten sie dem Dunklen Lord seinen Feind bringen und zusehen, wie er ihn vernichtete.

Harry hustete und Peter reichte ihm automatisch seinen Becher Wasser.

Eigentlich hatte er den Kleinen lieb gewonnen, aber hier hatte er keine Wahl. Er hatte sich entschieden und diese Entscheidung ließ keine Kompromisse zu. Abgesehen davon wusste Peter, was denjenigen bevorstand, die sich in letzter Sekunde feige vor ihrer Aufgabe drückten und den Lord enttäuschten. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Tyler Warton zerfetzt wurde. Sie hatten sein Blut und seine Überreste nicht entfernen dürfen. Jede Woche erinnerten sie nun an sein Schicksal und mahnten, dass jeder von ihnen das Gleiche erleiden könnte.

Besonders auf Peter lastete enormer Druck. Er handelte Voldemort nicht schnell genug. Das lag zum Teil daran, dass sich bisher keine Gelegenheit ergab, Harry zu entführen und zum Teil, dass Peter sich nicht überwinden konnte. Er hatte Angst, James und Sirius in die Arme zu laufen. Wenn die beiden ihn zu fassen kriegten, während er Harry kidnappen und Voldemort ausliefern wollte, wäre er ebenso tot wie Tyler. Außerdem hielten ihn noch immer einige Skrupel zurück. Skrupel, die daraus resultierten, dass dieser kleine Wurm ihm nie etwas getan hatte und dass er ihm vertraute.

Gerade sah Harry ihn wieder so an, als wäre er wirklich froh über Peters Gesellschaft. Doch Peter hatte keine Wahl. Er überprüfte Harrys Sitz in seinem Hochstuhl, stellte ihm noch einen Becher Saft hin und ging nach oben in Harrys Schlafzimmer. Er kannte sich hier gut aus, schließlich hatte er oft auf Harrys aufgepasst. Mit ruhigen Händen und ohne Hast packte er einige Sachen ein: Windeln, einen neuen Pulli und eine Hose, Socken und Harrys Hasen, ohne den er nie aus dem Haus ging. Er nahm Harrys Kuscheldecke und einen Schnuller mit, obwohl Harry von diesem selten etwas wissen wollte.

Wieder unten in der Küche machte er zwei Flaschen Milch und steckte sie in die Tasche mit den Klamotten. Er legte eine Packung Kekse dazu und widmete sich dann wieder Harry, welcher ihn aufmerksam beobachtete.

Peter hob ihn aus dem Stuhl, wobei er wie in den letzten Wochen darauf bedacht war, Harry nicht zu nahe an sich ran kommen zu lassen. Harry drückte sich manchmal an ihn und das könnte er jetzt nicht ertragen.

Na, Harry! Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug?"

Harry lachte. Er ließ sich von Peter seine Schuhe und die Windjacke anziehen. Es war für ihn nichts Ungewöhnliches, nachmittags mit Peter in den Garten oder vielleicht in den nahe gelegenen Park zu gehen. Er gluckste, als Peter ihm die Mütze aufsetzte.

Dann ging Peter zur Hintertür, die von der Küche in den kleinen Garten führte, und öffnete sie. Er nahm Harry auf den Arm, die Tasche in die Hand und schritt hinaus. Er konnte vom Garten durch die kleine Pforte direkt in die Nebenstraße gelangen, in der das Auto bereit stand. Sie hatten den halben Garten durchquert, als Peter jemanden rufen hörte und erschrocken zusammenzuckte.

Peter? Harry? Wo seid ihr denn?"

Remus!

Das konnte nicht wahr sein! Er hatte sich doch extra erkundigt und Remus hatte für heute einen Termin bei Dumbledore. Peter überlegte einen fieberhaft, ob er zurückgehen oder laufen sollte, da war Remus schon im Garten.

Hi! Wo wollt ihr denn hin?"

In den Park." sagte Peter schwach, während sich Harry über seine Schulter hängte und fröhlich „Muni" rief. Solange Remus einige Meter entfernt war, mochte Harry ihn recht gern. Vielleicht strahlte er über eine gewisse Entfernung eher Ruhe und schlichtweg Menschlichkeit aus als Grausamkeit und Brutalität.

Jetzt? Sieh dir mal den Himmel an!" rief Remus.

Peter drehte sich langsam um. Jetzt war es zu spät.

Es regnet gleich. Kommt lieber rein! Ich mach uns was zu essen, ja?"

Remus verschwand in der Küche und Harry zog es offensichtlich zu ihm. Peter ging schweren Schritts wieder ins Haus und als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, war ihm, als müsste er sich übergeben.

Was ist aus deinem Termin geworden?" schaffte er zu fragen, während Remus mit dem Zauberstab dafür sorgte, dass sich einige Kartoffeln schälten und das Wasser im Topf zu kochen begann. Peter setzte Harry ab, so dass dieser über den Boden zu Remus´ Füßen krabbeln konnte. Remus bedachte den Kleinen mit einem zärtlichen Blik und wandte sich dann zu Peter: „Abgesagt."

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Peter senkte den Kopf in einer demütigen Verbeugung. Lord Voldemort stand vor ihm und hatte die Hände zitternd zusammengepresst vor Erregung und Begeisterung. Er lachte.

Das ist wunderbar, Pettigrew! Das ist wunderbar! Geh zu den anderen und sag ihnen, was du mir gerade erzählt hast und dann feiert! Feiert meinen Sieg! Ich werde mich sofort auf den Weg machen und ich werde zu euch stoßen, wenn ich es erledigt habe!" Er drehte sich um sich selbst und verschwand in einer Wolke aus kaltem Feuer.

Peter schluckte und schwankte zwischen euphorischer, geradezu irrsinniger Freude und schmerzhafter, atemberaubender Angst.

Der Dunkle Lord war jetzt auf dem Weg. Er ging zu den Potters, die Peter vor einer Woche zu ihrem Geheimniswahrer gemacht hatten. Vor einer Minute hatte er es Voldemort gesagt, hatte ihm mitgeteilt, wo ihr Haus lag und wie er hineingelangen könnte, wie er es Sirius erzählt hatte. Remus wusste nichts davon. Sie hatten ihm nicht mehr vertraut, aber Peter hatten sie vertraut.

Auch Dumbledore wusste, wo er sie erreichen konnte. Gerade in dieser Minute saß er in Hogwarts und sprach mit einigen Mitgliedern des Ordens, was sie zum Schutz der Familien Potter und Longbottom noch unternehmen könnten. Das war jetzt alles hinfällig, denn Peter hatte zugeschlagen.

Wo war Sirius gerade? Es war mitten in der Nacht. Wahrscheinlich lag er im Bett und wartete, da er nicht schlafen konnte. Er schlief so gut wie gar nicht mehr, seit Meghan vor drei Wochen getötet worden waren. Remus war wieder zu ihm gezogen. Sirius fand es sehr praktisch, auf diese Weise ein Auge auf ihn zu haben. Das konnte aber nicht alles sein; das wusste Peter. Warum sollte Sirius einen mutmaßlichen Spion in seinem Bett schlafen lassen?

Remus schlief garantiert. Letzte Nacht war Vollmond gewesen und Peter hatte ernsthaft überlegt, ob er ihnen ein letztes Mal Gesellschaft leisten sollte, es dann aber verworfen.

Peter sah die beiden vor seinem geistigen Auge in Sirius´ kleinen, unaufgeräumten Zimmer auf seiner ausgeklappten Schlafcouch liegen.

Wo waren James und Lily? Waren sie noch wach? Vielleicht schliefen sie oder sie lagen gerade im Bett und küssten sich und sprachen darüber, wie glücklich sie miteinander waren. Wie sie es trotz der Gefahr und ihrer Angst schafften, zu leben und sich zu lieben.

Harry lag in einem Bett; das wusste Peter. Er wusste, dass Harry zwischen sieben und halb acht ins Bett ging, seinen Hasen im Arm und einem Lächeln auf den Lippen. Er hatte sich nach einigen anstrengenden Monaten zu einem zufriedenen, sonnigen Kind entwickelt.

Es war Halloween, doch niemand in der Zaubererwelt dachte daran, zu feiern. Viele hatten Angst vor einer erneuten Gräueltat der Todesser und die Todesser machten sich einen Spaß daraus, nichts zu tun.

Heute Nacht würde Harry sterben und höchstwahrscheinlich auch James, da er sich Voldemort in den Weg stellen würde. Er wusste nie, wann er lieber aufgeben sollte anstatt zu kämpfen.

Peter musste an den fröhlichen, vorlauten Jungen denken, den er vor etlichen Jahren in Hogwarts kennen gelernt hatte und den er eigentlich gemocht hatte. Jetzt konnte er fast nur noch Hass und Abscheu für James empfinden. Hass und Abscheu und eine Menge Neid.

Würde Lily gegen den Lord kämpfen? Sie war sehr talentiert, doch sie würde nie im Leben stark genug sein. Würde sie sterben?

Peter machte ein paar Schritte zur Tür, um zu den anderen zu gehen und stellte verwundert fest, dass er einige Tränen geweint hatte.

Jetzt war es so weit!

000

Peter stand Sirius vor James´ und Lilys Haus gegenüber. Beide atmeten schwer und starrten sich mit aufgerissenen Augen an.

In Peters Kopf existierten nur wenige Gedanken, die sich unaufhörlich im Kreis drehten:´ Du bist nirgendwo mehr sicher! Sie werden dich jagen! Du musst dich verstecken! Du musst jemand anderem die Schuld in die Schuhe schieben! Du kannst es ihm endlich heimzahlen!´

Allein wegen ihnen war Peter hier aufgetaucht, hatte sein Versteck hinter dem Baum verlassen, nachdem er Sirius beobachtet hatte; teilnahmslos beobachtet hatte, wie Sirius bei James´ Anblick den Verstand verloren hatte.

Hass und panische Angst drängten Peter. Die Zeit lief und wenn er jetzt nicht handelte, war er verloren.

Einmal nur musste er schneller sein als Sirius. Dann wäre er gerettet und Sirius endlich weg!

Peter hob den Zauberstab und dann brach Dunkelheit über alles herein.

Harry öffnete die Augen und holte einmal krampfhaft Luft, als wäre er gerade aus großer Tiefe aufgetaucht. Aber er hatte es überstanden.

„Hey, Harry! Na, das wurde aber echt Zeit!" Sirius grinste breit und schob einen Arm hinter Harrys Rücken, damit er bequem sitzen konnte. Harry blinzelte ihn schläfrig und verwirrt an. Auch Remus saß an seinem Bett, sah Harry erwartungsvoll an und lächelte ihm zu.

„Alles in Ordnung bei dir?" fragte er sanft, doch Harry antwortete erst einmal nicht, sondern sah Sirius an.

„Tja, also ..." Sirius strich sich seine etwas wirren Haare hinter die Ohren und stützte seine Ellenbogen auf die Knie, „Es hat funktioniert! Pettigrew hockt gerade unten im Verlies! Moody passt persönlich auf ihn auf!"

Harrys Augen wurden groß und leicht wässrig. Er starrte Sirius ungläubig an.

Dieser legte ihm eine Hand auf die Schulter und nickte anerkennend: „Du hast es geschafft! Und du bist sogar wieder wach geworden. Wir hatten schon unsere Zweifel! Jakob hat sich Sorgen gemacht. Die ganze Aktion ist wohl doch etwas krasser abgelaufen, als er erwartete. Es war auch nicht schön dich so zu sehen! Du bist irgendwie wild geworden und total unruhig, bist umhergelaufen und hast dich nicht anfassen lassen. Und dann bist du umgekippt. Aber jetzt bist du ja wieder da!"

Harry starrte ihn weiter an und schlang dann seine Arme um Sirius. Dieser war etwas erschrocken, doch er legte beide Arme fest um Harry. Remus stand zögernd auf und ging Madam Pomfrey holen, damit Harry einen Stärkungstrank bekam.

„Harry, was ist denn los?" fragte Sirius beunruhigt und strich ihm beruhigend über den zitternden Rücken.

„Ich wollte das nicht sehen! Ich wollte das wirklich nicht sehen! Und vor allem wollte ich ihn nicht fühlen oder verstehen!" presste Harry hervor.

„Wen?" Sirius war völlig verwirrt, doch da löste sich Harry schon wieder von ihm: „Ich muss ihn sehen! Nur einmal, Sirius!"

„Pettigrew? Vergiss es! Ich darf auch nicht runter und du bist noch viel zu schwach!"

„Einmal, Sirius! Ich muss!"

„NEIN!" Sirius schüttelte den Kopf und drückte Harry wieder in seine Kissen. Harry wandte den Kopf ab und ließ seinen Tränen freien Lauf. Er war zu müde, um zu schluchzen.

„Sei nicht böse auf mich, Harry, aber wir müssen uns noch etwas gedulden!" Er seufzte, „Ich bin ziemlich kaputt! Gut, dass bald Vollmond ist. Ich hab das Gefühl, ich könnte eine ordentliche Prügelei gebrauchen!"

„Das mit der Prügelei kannst du gleich wieder vergessen, Tatze! Ich habe jetzt diesen Super-Wolfsbanntrank. Der sorgt dafür, dass ich vollkommen harmlos herumliege. Wahrscheinlich verschlafe ich die ganze Nacht!" Remus trat ein, Madam Pomfrey im Schlepptau. Diese war völlig aufgelöst und unterzog Harry erst einmal einer eingehenden Untersuchung, bei der sie ihn komplett mit dem Zauberstab durchleuchtete.

„So, das trinken Sie jetzt, Mr. Potter, und vor Sylvester stehen Sie nicht wieder auf, haben Sie das verstanden?"

Harry nickte verschüchtert. Madam Pomfrey flößte ihm noch einen wirklich eklig schmeckenden Stärkungstrank ein und verließ sie dann, um Dumbledore zu melden, dass Harry wieder wach war. Remus sah Harry und Sirius aufmerksam an, doch keiner der beiden sagte etwas.

„Willst du noch etwas schlafen, Harry? Ich weiß ja nicht, ob du dich wirklich ausgeruht hast oder ob du wieder geträumt hast!" sagte Remus und Harry sah ihn erstaunt an.

„Ich habe geträumt!" würgte er hervor, „Von ihm!"

„Von Peter?"

„Nenn ihn nicht so, verdammt noch mal!" fuhr Sirius Remus an, „Gewöhn dir endlich an, von ihm als Verräter zu denken! Du siehst immer noch den kleinen Jungen in ihm, der es ja so schwer gehabt hat!"

„Er hat es schwer gehabt!" meinte Harry und fing sich einen bitterbösen Blick von Sirius ein.

„Die Umstände waren für Peter nicht die allerbesten." sagte Remus diplomatisch, „Aber wenn es nach den Umständen geht, dürfte Sirius schon seit Jahren nicht mehr ganz bei Trost sein."

„Vielen Dank!"

„Sirius, nur dass du so stark warst und deine Familie überstanden hast, ohne zu den Todessern überzulaufen, heißt nicht, dass jeder so stark sein kann!" mahnte Remus und Harry sah ihn an: „Sie hatten es auch auf dich abgesehen und du hast widerstanden!"

Remus zuckte leicht zusammen: „Das war wahnsinnig schwer für mich!"

„Das weiß ich!" sagte Harry.

„Willst du uns erzählen, was ..." begann Sirius, doch Harry schnitt ihm das Wort ab: „Nein! Bitte, zwing mich nicht! Du hast es eh alles erlebt ... naja, einiges und ... ich will das nicht in Worte fassen müssen! Ich verspreche dir, ich überstehe das auch ohne psychologische Sitzung, aber bitte lass es mich vergessen!"

„In Ordnung!" Sirius sah plötzlich verschlossen aus.

„So, Harry! Du brauchst Ruhe!" sagte Remus bestimmt und stand auf. Mit einem Blick bedeutete er Sirius, sich ebenfalls zu erheben. Dieser mühte sich, ein fröhliches Gesicht aufzusetzen und stand auf: „Wir sehen dann heute Abend noch mal nach dir!"

„O.K.!"

Die beiden verließen ihn und Harry konnte Remus noch an der Tür murmeln hören: „Die Welt geht nicht unter, nur weil er einmal nicht mit dir redet!", woraufhin Sirius unwirsch ein „Jaha!" brubbelte.

Harry zog sich die Decke ans Kinn und schloss die Augen. Es würden keine Träume mehr kommen. Er war dabei, mit diesem Kapitel abzuschließen.