Ein Ende

Fugdes Auge zuckte. Genauer gesagt zuckte das untere Lid seines linken Auges. Harry musste sich auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen. Es war halb zehn Uhr abends und Dumbledore stand mit vier seiner Schüler und einer aufgebrachten Lehrerin an seiner Seite und einem fetten Grinsen im Gesicht in der Tür zu Fudges Büro.

„Sie sind doch nicht ganz dicht! Alle miteinander!" schnaubte Fudge, während er in seinen Unterlagen nach Feder und Pergament kramte, um Memos an die Richter zu schreiben, die sich irgendwo im Haus, höchstwahrscheinlich in der Cafeteria, herumtrieben.

„Wo sind Sirius und Remus?" fragte Harry. Fudge grummelte irgendetwas Unfreundliches, woraufhin Harry die Schultern zuckte: „Ich kann sie auch selber suchen."

„Du bewegst dich nicht von der Stelle!" rief Fudge und läutete eine verrostete, schnarrende Glocke. Einen Augenblick später erschien der Mann, den sie gestern als Derony kennen gelernt hatten, in seinem Büro: „Ja, Minister?"

Harry musterte ihn eingehend, als er meinte, wieder so einen ironischen Unterton in der tiefen Stimme des Mannes fest zu stellen. Es schien, als würde Fudge nicht mehr so wirklich ernst genommen werden.

„Holen Sie die Gefangenen Black und Lupin und bringen Sie sie in Gerichtssaal fünf!"

„Jawohl!" Derony nickte mild mit dem Kopf und verschwand. Harry folgte ihm auf den Flur und sah ihm nach.

„Sie wollten uns Peter Pettigrew präsentieren, Dumbledore!" sagte Fudge da, „Wo ist er also?"

„Alles der Reihe nach, Cornelius!" antwortete Dumbledore in seinem gut gelaunten Ton. Er hielt die magische verschlossene und mit sechs dicken, schweren Schlössern verkettete Holzkiste in beiden Händen. Dort drinnen hockte die Ratte.

Harry drehte sich zu seinen Freunden um, um zu sehen, wie es ihnen ging. Ron wirkte wie erwartet etwas nervös. Hermine sah fest entschlossen aus; ein Gesichtsausdruck, den sie in letzter Zeit perfektioniert hatte. Am erstaunlichsten war Ginny. Sie hatte sich irgendwann einfach nicht mehr von ihnen abhängen lassen; nicht, dass das jemand gewollt hätte und Harry schon mal gar nicht; und legte einen geradezu grimmigen, aber stillen Eifer an den Tag. Ihre zusammen gebissenen Lippen, die verschränkten Arme und der kompromisslose Blick erinnerten Harry an Sirius.

„Dann kommen Sie!" Fudge schritt vor ihnen her und drückte allein durch seine Haltung äußerstes Missfallen über diese Situation aus. Das Ministerium war fast leer, was Harry verwunderte. Zahlreiche Flyer und Plakate an den Türen erklärten allerdings bald, dass diverse Versammlungen unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit in bestimmten Büros abgehalten wurden. Sie saßen also alle irgendwo hinter einer verschlossenen Tür und ahnten alle nicht, dass Harry auf dem Weg war, seinen Paten zu befreien und ihm zu einem Leben zu verhelfen, dass er seit 15 nicht mehr hatte führen können: einem glücklichen Leben.

Einige Richter warteten schon. Der Walrossbart stand neben der dicken Dame, der Pferdegesicht-Typ unterhielt sich mit Derony, der lässig zwei dünne Ketten in der rechten Hand hielt, die wiederum zu den Handgelenken von Sirius und Remus führten, die schweigend und blass an der Seite standen. Harry rannte los und kam nur kurz vor Sirius zum Stehen.

„Das ging aber mal schnell!" raunte Sirius ihm zu und lehnte sich bewegungsunfähig wie gestern in Harrys Umarmung.

Harry ließ seinen Paten los und wandte sich zu Remus, „Du hast eine Menge zu erklären, mein Freund!" Remus lächelte schwach, weswegen Harry ihn auch noch einmal in den Arm nahm.

„Ah, Direktor! Haben Sie es nicht länger ohne uns ausgehalten?" witzelte der Walrossbart und schlug Dumbledore auf die Schulter und Harry musste wieder einmal feststellen, dass Zauberern im Allgemeinen und Ministeriumsabgeordneten im Speziellen oft der nötige Ernst fehlte.

„Wo ist denn nun unser neuer Verdächtiger?" rief die alte Frau mit dem wirren Weißhaar und reckte den Kopf, um etwas sehen zu können.

Fudge, immer noch grummelnd, geleitete sie in den Gesichtsraum. Harry, Ginny, Ron und Hermine nahmen gesittet am linken Rand Platz, Sirius und Remus ein Stückchen von ihnen entfernt. Meta hatte sich sofort an Remus´ Seite gestellt und war auch nicht gewichen, als ihr Derony einen bitterbösen Blick zugeworfen und geraunzt hatte, sie solle ihn nicht bei seiner Arbeit behindern. Meta hatte die Augenbrauen einmal elegant gehoben und sich dann, Remus´ Hand haltend, neben ihn gesetzt. Flüsternd vergewisserte sie sich, dass es ihm den Umständen entsprechend gut ging.

Fudge und die Richter nahmen Platz. Dumbledore stand vor dem Pult, als gehörte er nirgendwo anders hin, die Kiste noch immer fest in den Händen haltend.

„So, Dumbledore, was wollen Sie, wenn Sie ihren mysteriösen Übeltäter gar nicht dabei haben?" Fudge ließ es sich deutlich anmerken, dass er komplett entnervt und desinteressiert war.

Harry ballte die Fäuste vor Wut darüber, öffnete sie allerdings ganz schnell wieder, als er Ginnys warme Finger spürte. Sie nahm seine Hand und hielt sie ganz fest, ohne den Blick von Dumbledore zu nehmen.

„Ich habe ihn dabei! Sie erinnern sich an, sagen wir mal, den Knackpunkt der Geschichte, die wir Ihnen gestern erzählten?" Dumbledore sah erwartungsvoll in die Runde, als hätte er einer Schulklasse eine rhetorische Frage gestellt.

„Nun, Sie meinten, Pettigrew, der, wie ich noch einmal erwähnen möchte, den Orden des Merlin erster Klasse posthum erhalten hat, der eigentliche Verräter und Mörder der armen Muggle ist." sagte die weißhaarige Frau.

„Und?" fragte Dumbledore offensichtlich vergnügt.

Harry konnte sich fast gar nicht auf ihn oder die Richter konzentrieren. Immer wieder wanderte sein Blick hinunter zu seinem linken Bein, auf dem seine Hand lag, dessen Finger mit denen Ginnys verschlungen waren. Ihm wurde heiß und kalt bei dem Anblick und er hoffte, dass seine Handflächen nicht schwitzten.

„Und Sie sagten … oho!" Der Walrossbart lachte kehlig und deutete auf die Kiste, „Sie sagten, Pettigrew könne sich in eine Ratte verwandeln. Und jetzt wollen Sie erzählen, dass er da drin ist, oder?"

„Korrekt! Ich habe hier alte Bilder von Peter Pettigrew, falls Sie vergessen haben, wie er ausgesehen hat. Gucken Sie sich die Fotos nur gut und lange an und dann versuchen Sie sich vorzustellen, wie dieser Mann 15 Jahre älter aussehen könnte. 15 Jahre älter und sehr mitgenommen. Er hat wenig gegessen und so ziemlich gar keine Sonne gesehen in den letzten Jahren. Er dürfte es gewohnt sein, sich gebückt zu halten und er hat mittlerweile ein Körperteil eingebüßt, nämlich seine rechte Hand. Sie werden feststellen, dass sie aus Silber besteht." Harry meinte von Remus ein tiefes Grollen zu hören.

„Er hat seine Hand Voldemort geopfert, um ihn ins Leben zurückzuholen." Dumbledore beobachtete zufrieden die nervösen Gesichter der Richter. Dann klappte er die Kiste unter Gemurmel seines Zauberstabes auf und griff hinein. Er holte etwas gut Verschnürtes heraus und setzte es vor Fugde auf den Tisch.

„Nehmen Sie das Vieh weg!" zischte Fudge angewidert, „Und überhaupt beweisen Sie gar nichts, wenn Sie mir eine Ratte auf den Tisch legen!"

„Verwandeln Sie sie! Sie wissen hoffentlich, wie das geht!" sagte Dumbledore ruhig und nahm seufzend auf dem Zeugenstuhl Platz.

„Lassen Sie nur, Herr Minister!" erklärte der Walrossbart eifrig und zückte den Zauberstab, „Das lasse ich mir nicht nehmen!" Er zielte mit dem Stab auf die gefesselte Ratte und schickte blau-weiße Blitze in ihre Richtung.

Neben Harry sog Ginny scharf die Luft ein. Harry fiel ein, dass sie das erste Mal nicht dabei gewesen war, was ihm ziemlich komisch vorkam. Er konnte sich kaum vorstellen, früher ständig ohne Ginny unterwegs gewesen zu sein.

Die dicke Dame schrie schrill auf, als vom Tisch ein menschliches Bein hervorwucherte. Diesem folgten ein Kopf, der Ansatz eines Halses, zwei magere Arme und ein ausgezehrter Rumpf.

Pettigrew wand sich und spuckte einmal in Fudges Richtung und Harry fand es schade, dass er ihn nicht erwischt hatte. Offensichtlich hatte der Verräter jede Hoffnung auf sinnvolle Verteidigung und einen Freispruch aufgegeben.

Ginny keuchte auf und Harry legte seine zweite Hand auf ihre zitternden Finger. Nur gut, dass Ron ebenfalls gebannt auf Pettigrews Verwandlung starrte und so keine Zeit hatte, Harry böse anzusehen. Hermine hatte den Mund leicht geöffnet und ihren Oberkörper zurück gelehnt. Ein paar Plätze weiter griff Sirius mit tauben Händen an seine Kette.

„Was wird das, Black?" zischte Derony.

„Halten Sie mich gut fest!" gab Sirius ebenso leise zurück und Deronys Augen weiteten sich, als er einen Blick in Sirius´ Augen wagte. Meta biss die Lippen zusammen und verkrampfte sich am ganzen Körper, obwohl sie eigentlich Ruhe ausstrahlen wollte, um Remus zu beruhigen. Dieser sah tatsächlich ebenso wie Sirius aus, als müsste er hart an sich halten. Sein Blick war ganz dunkel geworden und sein Atem ging stockend.

Harry erinnerte sich, dass Sirius Pettigrew das letzte Mal in der Heulenden Hütte gesehen hatte, wenn Moody sein Versprechen wahr gemacht und ihn wirklich nicht in den Kerker gelassen hatte. Remus war vor Weihnachten erneut auf den Verräter gestoßen und hatte jetzt wahrscheinlich noch mehr Grund ihn zu hassen, schließlich hatte er ihn in Aktion erlebt und Pettigrew hatte ihm eigenhändig Schmerzen zugefügt.

Derony zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf Remus und Sirius und auf ein leises Zeichen hin kamen aus einem Nebenraum vier Elbenkrieger.

„Ich hatte gehofft, Sie würden keine Probleme machen!" raunte er Sirius zu.

„Das hoffe ich immer noch!" stieß Sirius zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, „Halten Sie sich einfach bereit!"

Harry konzentrierte sich wieder auf den Aufruhr am Richterpult. Alle waren aufgesprungen und fixierten Pettigrew, der endlich in voller, unbeeindruckender Größe da lag, mit wilden Blicken und gezückten Zauberstäben.

„Peter Pettigrew?" schrie Fudge. Pettigrew antwortete nicht, sondern rollte sich ächzend von dem Tisch. Noch bevor er mit den Füßen die Erde berührte, war er wieder in dicke Seile gewickelt.

„Sie …" keuchte der Walrossbart, „Wenn Sie sich verwandeln, sind Sie vogelfrei! Jeder Zauberer, der sie dann trifft, kann Sie umlegen, also wagen Sie es nicht!"

Für einen Moment wünschte sich Harry so heftig, Pettigrew würde sich verwandeln, dass es ihm wehtat. Ginny quietschte einmal neben ihm auf, da Harry ihre Hand zu fest gedrückt hatte.

„Sind Sie Pettigrew? Los, reden Sie?"

„Glauben Sie diesen Gestalten?" fragte Pettigrew mit rauer, verächtlicher Stimme und wies nach hinten auf Dumbledore und auf die Seitenbank, „Diesem alten, irren Mann, der verzweifelt versucht einen Schuldigen zu finden, da es seine Lieblingsschüler ja nicht gewesen sein können? Oder diesen unreifen, beeinflussten Schülern? Diesem Sträfling? Diesem Werwolf und dem Ding an seiner Seite?" Derony packte gerade noch rechtzeitig Metas Arm, bevor sie sich wutentbrannt erheben konnte. Pettigrew räusperte sich und spuckte etwas Schleim aus. Dann zuckte er zusammen.

„Sie sind Peter Pettigrew!" dröhnte der Walrossbart, „Können Sie uns eine vernünftige Erklärung dafür geben, warum Sie noch leben? Und warum Sie als Ratte durch die Gegend laufen?" Pettigrew schnaubte, ohne auszusehen. Er hielt seinen Kopf schief und den trüben Blick gen Boden gerichtet.

Harry konnte es nicht fassen, dass dieses verkommene Subjekt dort vor ihm einmal ein sauberer, freundlicher Junge gewesen war. Ein Junge, der es wert gewesen war, dass Sirius, Remus und sein Dad mit ihm befreundet waren.

Wieder zuckte Pettigrew. Hinter Sirius sprach Derony leise und grollend mit jemandem.

„Hier!" würgte Pettigrew verächtlich, „Hier! Sehen Sie nur!" Er zerrte am Ärmel seines linken Armes. Gleichzeitig versuchte er seltsamerweise diesen bedeckt zu halten. Doch das Dunkle Mal wurde sichtbar und nicht wenige schrieen auf. Und niemandem fiel auf, dass seine Fesseln sich lockerten.

Pettigrew stöhnte und schlug mit der Silberhand auf das Zeichen.

„Er ist ein Todesser!" flüsterte der Mann mit dem Pferdegesicht.

„Wo waren Sie in der Nacht, als Voldemort verschwand? Wo waren Sie, als all diese armen, unschuldigen Muggle getötet wurden?" fragte die dicke Dame fassungslos. Pettigrew antwortete nicht.

„Pettigrew, wenn Sie das waren und wir finden es heraus, dann … DANN …!" Der Walrossbart drohte ihm mit den Fäusten, „Sie können sich nicht in Ihren schlimmsten Träumen vorstellen, was dann mit Ihnen passiert!" Pettigrew reagierte nicht, sondern zog ruckartig den Kopf ein.

„Veritaserum!" befahl die weißhaarige Frau, „Wenn Sie nicht reden, werden wir Sie zwingen! Und Sie halten die Klappe, Fugde! Machen Sie doch die Augen auf! Das hier ist Pettigrew! Und er ist ein Verräter!"

Einige der Richter verloren sich in hilflosem Gemurmel. Fudge reagierte gar nicht mehr. Alle neben Harry in der Bank waren still.

Und als Harry einen Blick auf Dumbledore warf, ahnte er, dass etwas geschehen würde, auch wenn er auf das Ausmaß nicht gefasst sein würde.

Dumbledore hatte die Augen halb geschlossen und bewegte die Lippen so leicht, dass es beinahe nicht erkennbar war. Harrys Blick schoss zu Pettigrew, der wieder zuckte. Er sah weiter zu Ginny, Ron und Hermine, die nichts zu bemerken schienen.

Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.

Pettigrew schrie heiser auf und seine Fesseln platzten von ihm ab.

Dumbledore sackte in seinem Stuhl in sich zusammen.

Fudge und der Walrossbart streckten die Zauberstäbe aus, waren aber zu langsam.

Pettigrew hatte sich in Bewegung gesetzt, immer in Richtung Tür.

Links von Harry knallte es und in zwei schnellen Bewegungen waren Sirius und Remus über die Brüstung gesprungen.

Derony und die Elben rührten keinen Muskel.

Und Harry stellte fest, dass er in der rechten Hand schon länger seinen Zauberstab hielt.

Er hob den Kopf und sah Pettigrew fliehen und da explodierte etwas in ihm. Er schoss hoch, stolperte aus der Bank und hetzte hinter Remus her. Sirius war schon aus der Tür verschwunden. Hinter sich hörte Harry Meta und Hermine aufschreien.

Irgendjemand rief Dumbledores Namen.

Fudge kreischte nach den Elben.

Harry rannte.

Er rannte, als wäre ein Drache hinter ihm her und ihm war fast, als stünde er bereits in Flammen.

„Vogelfrei!" brüllte Sirius irgendwo weit vor ihm. Harry kam an Remus´ Seite. Sie sahen sich nicht und sprachen sich nicht an. Sie hetzten weiter wie zwei Raubtiere auf der Jagd.

Treppen, Flure.

Harry verlor vollkommen die Orientierung.

Seine Lunge schmerzte so sehr, dass er meinte, sie müsste zerreißen, doch er hatte noch nie weniger stehen bleiben wollen als in diesem Moment. Seine Füße klatschten auf den Fliesenboden. Plötzlich stieß er durch eine Tür und merkte, dass er sich in der Eingangshalle befand.

Die Versammlungen waren zu Ende. Etliche Zauberer standen am Tresen der Überwachungsmannschaft und plauderten. Einige standen schon in den Kaminen. Alle verstummten, als Pettigrew verschwitzt und nach Atem ringend in ihrer Mitte erschien.

Das komplette Geschehen kam zum Stillstand. Eine unheimliche Stille senkte sich über alles. Das erste, was wieder zu hören war, war Sirius.

„So geht es also zu Ende, Wurmschwanz!" sagte er mit kalter Stimme.

Er, Harry und Remus standen Pettigrew in der Mitte des Raumes gegenüber und hatten die Zauberstäbe auf ihn gerichtet.

Pettigrew wimmerte, doch sein Blick war verschlagen. Er schien plötzlich zu schrumpfen und Harry sah entsetzt, dass langsam lange, dürre Haare aus seinen Wangen sprossen und sein Gesicht schmal und spitz wurde.

„Nein!" keuchte er.

„Petrificus partiellus!" befahl Remus und auf einen kurzen Wink seines Zauberstabes versteinerte Pettigrew vom Bauch abwärts. Seine Verwandlung wurde gestoppt und er blieb eine grauenerregende Karikatur; halb Mensch, halb Ratte und er stöhnte.

Harrys Finger umklammerten seinen Zauberstab so fest, dass sein ganzer Arm taub wurde und zitterte. Sirius stand links neben ihm. Er hatte einen ausdruckslosen, beinahe toten Blick, aus dem alles Leuchten verschwunden war.

Remus stand rechts neben Harry. Seine Lippen waren fest zusammengepresst und seine Augen aufgerissen.

Alle drei atmeten schwer und starrten den Mann an, der für den Tod von Lily und James, Jahrzehnte der Einsamkeit für Sirius und Remus und die Rückkehr Voldemorts verantwortlich war.

„Das willst du nicht tun, Sirius! Wir waren Freunde! FREUNDE!" winselte Pettigrew und wischte sich mit den verkrüppelten Händen über das schweißnasse, entstellte Gesicht. Er schien zu denken, dass allein Bitten und Flehen noch eine Wirkung erzielen könnten.

Sirius antwortete nicht, sondern legte den Kopf ein klein wenig schief und hob den Zauberstab etwas höher. Er zeigte genau auf Pettigrews haarige, lange Nase.

„Re ... Remus! Willst du so etwas tun? Du hattest immer Angst davor, zu einem Monster zu werden! Willst du wirklich einen Mord begehen? Für ihn?" Pettigrews Kopf zuckte krampfhaft zu Sirius, „Willst du dich schon wieder ... immer noch ... von ihm anstiften ... von ihm benutzen lassen?" Remus sah ihn für den Bruchteil einer Sekunde fassungslos an, dann wurde sein Blick wieder kalt und seine Gesichtszüge hart. Er packte den Zauberstab fester.

„Harry, du hast selbst einmal gesagt ..."

„Silencio!" donnerte Sirius und Pettigrew blieb jedes weitere Wort im Hals stecken.

„Du bist das widerwärtigste, verachtenswerteste Geschöpf, das ich je gesehen habe!" stieß Sirius hervor. Harry hörte die endlose Bitterkeit und den Hass in seiner Stimme; den Hass, der seinen Paten 12 Jahre in Askaban am Leben gehalten und der ihn angetrieben hatte; getrieben bis hierher.

Harrys Brust war wie zugeschnürt und in seinen Ohren rauschte es dumpf.

Rechst von ihm kämpfte Remus um jeden Atemzug, doch Sirius an seiner linken Seite war ganz ruhig. Sein Blick ruhte auf Pettigrew: „Ich habe diesen Moment herbeigesehnt! Ich habe von ihm geträumt! Ich war von ihm besessen! Und jetzt, Wurmschwanz, ist es endlich so weit!" Er hob den Stab: „Crucio!"

Pettigrews Oberkörper verkrampfte sich und er riss seinen verformten Mund in lautlosem Schreien auf. Seine Adern traten hervor, die langen Barthaare zitterten.

Während sich Harrys und Remus´ Augen vor Entsetzen weiteten, schlich sich in Sirius´ Blick eindeutig Triumph und bittere Genugtuung. Sein Mund verzog sich und er ließ den Zauberstab erst sinken, als Harry neben ihm aufkeuchte. Die Wirkung des Fluches ließ nach und Pettigrew sackte etwas in sich zusammen, doch die versteinerten Beine, die auf dem Boden festgefroren zu sein schienen, verhinderten, dass er einbrach und hinfiel. Tränen flossen aus seinen trüben Augen und er zitterte. Dann warf er Harry einen flehenden Blick zu.

„Lass das! Crucio!" stieß Sirius hervor und wieder wand sich Pettigrew und schrie tonlos.

Harry schossen Tränen in die Augen und ihm wurde schlecht. Nach scheinbar endlosen Minuten sagte Remus mit leiser, schwankender Stimme: „Das reicht, Sirius!"

Sirius ließ den Stab zwar sinken, doch er schüttelte den Kopf: „Das gleich noch lange nicht den Schmerz aus, den er uns zugefügt hat!"

„Wie sehr du ihn auch jetzt quälst, deinen Schmerz wird es nicht lindern! Lass ihn uns jetzt umbringen und das Ganze hat endlich ein Ende!" Remus´ Stimme klang wie die eines gebrochenen Mannes, doch es lag auch etwas Hoffnung darin. Die Hoffnung, nun tatsächlich Ruhe und Frieden finden zu können.

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, senkte sich ein kalter Nebel über Harrys Geist und er hörte nicht mehr, was Sirius darauf entgegnete. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Remus ihm selbst, der er in ihrer Mitte stand, einen kurzen, prüfenden Blick zuwarf. Und dann sah Harry, wie Sirius und Remus die Zauberstäbe hoben. Er tat es ihnen gleich.

Sirius´ Lippen bewegten sich.

Remus nickte leicht.

Harry schloss die Finger so fest um den Zauberstab, dass seine Hand blutleer wurde und seine Fingernägel sich hineinbohrten. Sein Blick verschwamm, doch im Fokus nahm er den Verräter Pettigrew schärfer wahr als alles andere.

In seinem Kopf dröhnte es, doch es brauchte weder hören noch sehen; er spürte, was jetzt passieren würde. Sein Herz raste und pumpte das Blut so schnell durch seinen Körper, dass er meinte, jeden Augenblick umfallen zu müssen.

Doch er fiel nicht.

Stattdessen öffnete er den Mund.

„AVADA KEDAVRA!"

Die Worte ertönten dreistimmig und hallten im Raum endlos wider. Pettigrew wurde von drei leuchtenden, grünen Strahlen getroffen und sein deformierter Körper wurde in Stücke gerissen.

Und am anderen Ende der Halle schrieen Ginny und Hermine gleichzeitig auf.

Ihre Schreie waren das Erste, was Harry wieder wahrnahm. Sein Blick blieb weiterhin auf die blutigen Fetzen gerichtet, die die Stelle zierten, an der Wurmschwanz eben noch gestanden hatte. Dann strauchelte Harry und spürte, wie Sirius und Remus nach seinen Schultern griffen und ihn stützten. Sirius stand etwas näher bei ihm und zog ihn in seine Arme.

Harry spürte seinen rasenden Herzschlag und hektischen Atem. Sie hielten einander fest, während Remus die Hand, die noch auf Harrys Schulter ruhte, wegziehen wollte. Sirius griff danach und drückte sie. Die Blicke der beiden Freunde trafen sich über Harrys Kopf und verschlungen sich ineinander.

Endlich!´ sagten sie, Endlich!´

„Black!" Eine laute, rufende Stimme ließ sie zusammenfahren, „Kommen Sie her!"

Sirius ließ Remus´ Hand los und löste sich von Harry. Mit einem grimmigen Gesicht drückte er ihm einen Kuss auf die Stirn und ohne ihn einmal angesehen zu haben wandte er sich um und ging auf Fudge, Dumbledore und dem Walrossbart zu, die neben Ginny und Hermine in der Tür standen.

Die beiden Mädchen sahen erschüttert in Harrys Richtung. Ron trat mit ausdruckslosem Gesicht neben sie. Meta stand hinter ihnen und klammerte sich an den Türrahmen.

Harry sah Sirius nach. Er streckte langsam und zitternd den rechten Arm nach hinten. Remus nahm sofort seine Hand und trat so dicht hinter ihn, dass Harry sich gegen seine Brust lehnen konnte.

„Es ist vorbei, Black! Sie sind frei und Pettigrew ist tot! Der Dummkopf wollte es nicht anders!" Der Walrossbart sah Sirius fest an, „Ich habe genug gesehen und genug Beweise erhalten!" Sirius nickte stumm.

Und Harry meinte in diesem Moment, der doch eigentlich der glücklichste in seinem Leben sein sollte, gar nichts zu fühlen. Gar nichts, außer Remus´ unregelmäßigem Atem in seinem Rücken.

„Rita, zeigen Sie sich!" rief die dicke Dame, die alle aus der Tür gescheucht hatte und nun die Eingangshalle betrat, die angefüllt war mit völlig perplexen und zum größten Teil verängstigten Zauberern. Sie nahm etwas von ihrer Schulter und einen leisen Plopp später stand Rita Kimmkorn neben ihr. Etwas zerzaust, doch mit Feder und Notizblock in der Hand und bereit zum Angriff.

„Was für eine ergreifende Geschichte! Nicht zu fassen: SIRIUS BLACK IST UNSCHULDIG!"

Alle fuhren zu ihr herum, während sie auf Sirius zustiefelte und ihm die freie Hand entgegen streckte: „Und ich werde die Erste sein, die ein Interview bekommt!"

Sirius wollte sie ganz offensichtlich abweisen, denn sie raunte ihm bestimmt zu: „Ich habe die ganze Geschichte mitgeschrieben, seit Sie gestern den Gerichtssaal betraten! Kooperieren Sie mit mir oder schlagen Sie sich mit denen herum!" Sie wies mit dem Kopf auf einige Zauberer, in die plötzlich Leben kam.

Harry bemerkte, dass sie alle irgendwelche Blöcke und Schnellschreibfedern bei sich trugen. Einer hatte einen Hut auf, auf dem dick und fett „Klitterer" stand. Ein anderer schwenkte ein Banner, das verkündete, dass er für den „!" arbeitete. Eine Hexe rief schrill „Zauberhaft! Zauberhaft!" und meinte damit anscheinend ihren Verlag.

„Oh, Mann!" sagte Remus hinter Harry leise und beide zuckten zusammen, als drei Reporter auf sie zuhasteten: „Harry Potter? Remus Lupin? Was haben Sie getan? War das nicht Pettigrew? Was hat er verbrochen? Gehen Sie jetzt alle drei nach Askaban?"

Harry packte Remus´ Hand und stürmte auf Dumbledore zu. Währenddessen klickten überall Fotoapparate und Sirius versuchte verzweifelt etwas Platz zwischen sich und die drängelnden Reporter zu bringen.

„Harry." sagte Hermine schwach.

„Ah, seine Freunde!" schrie jemand.

„Sirius Black rehabilitiert! Das wird die Auflage des Jahres!" kam es aus einer anderen Ecke.

„Harry, vergiss nicht, was ihr mir schuldet!" Harry sah sich um und direkt in Rita Kimmkorns rotes, aufgeregtes Gesicht.

„Ich schulde Ihnen nichts!" sagte Harry, der sich fürchterlich eingeschüchtert fühlte.

„Ich werde eure wahre Geschichte herausbringen! Das habe ich mit Dumbledore abgesprochen!" verkündete sie strahlend, „Du musst also mit mir reden!"

„Ich muss gar nichts! Mein Direktor kann mich schließlich nicht verkaufen!" erwiderte Harry und dachte, dass das wohl so ziemlich das Dümmste und auch das Letzte war, was er in dieser Situation sagen wollte.

„Wie fühlen Sie sich, Mr. Potter? Jetzt, wo Sie wissen, dass Sie den Falschen verdächtigt haben?"

„12 Jahre Askaban und unschuldig! Wie haben Sie das geschafft, Mr. Black?"

„Wo haben Sie Pettigrew gefunden?"

„Pettigrew war der Verräter, oder? Wo hat er all die Jahre gesteckt?"

„Wie fühlen Sie sich, nun, da Sie endlich Rache genommen haben?"

„Verdammt gut!" antwortete Sirius und alle begannen zu schreiben, als hätte er eine Rede gehalten.

„Wussten Sie davon, Mr. Lupin, oder haben Sie ihren ehemaligen Freund verdächtigt?"

„Was ist das für ein Gefühl einen unschuldigen Freund im Stich gelassen zu haben?"

„Harry, was fühlst du für die beiden Männer hier? Sie sind Freunde deines Vaters!"

Tatsächlich?´ dachte Harry fast amüsiert, Gut, dass mir das jemand sagt!´

„Was haben Sie jetzt vor, Mr. Black? Werden Sie das Ministerium verklagen?"

Fudge wimmerte einmal und Sirius grinste ein fieses Haifischgrinsen.

„Werden Sie entschädigt werden?"

„Werden alle Anklagepunkte gegen Sie fallen gelassen? Und was ist mit Mr. Lupin?"

„Wo waren Sie drei Jahre lang, Sirius? Wo haben Sie sich versteckt?"

„Wo werden Sie demnächst leben?"

„Werden Sie den jungen Harry Potter zu sich nehmen?"

„Wussten Sie die ganze Zeit, dass Pettigrew der Mörder war?"

Harry schob sich mühsam aus der Menge, die ihn, Sirius und Remus umzingelt hatte: „Professor Dumbledore? Können wir bitte gehen?"

„Nun, Harry. Eigentlich hatte ich vor, euch dass alles auslöffeln zu lassen, aber meinetwegen!" Dumbledore zwinkerte, obwohl er ziemlich bass um die Nase herum aussah. Dann hob er die Arme: „Meine Damen und Herren! Bitte schenken Sie mir einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit! Bitte verstehen Sie, dass wir alle müde und geschafft sind! Die Kinder müssen ins Bett und meine lieben Freunde möchten sich ebenfalls zur Ruhe legen; von mir einmal ganz abgesehen! Aber ich verspreche Ihnen, dass Sirius Black übermorgen eine Pressekonferenz geben wird, zu der Sie alle herzlich eingeladen sind! Finden Sie sich um drei Uhr nachmittags im großen Konferenzraum des Ministeriums ein und alle Ihre Fragen werden beantwortet werden. Bis dahin tun Sie, was Sie nicht lassen können und schreiben Sie, was Ihnen in die Finger fällt! Vielen Dank!"

Dumbledore bewegte sich nach vorne, nahm Sirius am Arm und dirigierte ihn sacht in Richtung Telefonzelle. Harry, Ginny, Hermine, Ron, Meta und Remus folgten ihnen eilig. Als sie in der Zelle standen und aufwärts fuhren, sagte keiner ein Wort. Oben angekommen, verwandelte Sirius sich und Harry biss sich auf die Zunge, da er meinte in Tränen ausbrechen zu müssen. Auch Remus gab ein komisches Geräusch von sich, aber Dumbledore sagte ruhig: „Noch ist es besser so. Noch nicht alle haben davon erfahren. Ab morgen kann er durch die Winkelgasse spazieren!"

Harry nickte und trottete hinter Dumbledore her. Hermine und Ron gingen zu seinen Seiten und leisteten stumme, moralische Unterstützung. Hinter ihnen weinte Meta leise vor Erleichterung. Ginny ging neben Ron und schwieg. Am Grimauldplatz trafen sie Mr. und Mrs. Weasley.

„Es ist vorbei!" sagte Remus und Mrs. Weasley begann zu weinen, was Harry noch immer nicht konnte, obwohl er es sich so sehr wünschte. Sie flohten nach Hogwarts und beim Abendessen zwang Dumbledore Sirius sich vor der versammelten Schülerschaft zu verwandeln. Er löste eine klitzekleine Panik damit aus, die sich allerdings schnell wieder legte. Harry hörte ihm gar nicht zu, als er in einer verdammt langen Rede erklärte, warum Sirius hier war und warum sie alle aufhören konnten, vor ihm Angst zu haben. Sirius saß während des Essens zwischen Remus und Meta am Lehrertisch und starrte auf seinen Teller.

Harry aß keinen Bissen, da er gegen eine ansteigende Übelkeit kämpfte und kaum waren sie endlich, endlich im Turm, schloss er sich auf der Toilette ein. Ron leistete ihm durch die geschlossene Tür durch Gesellschaft, während er sich übergab und reichte Harry ein Handtuch, als er blass und zittrig aus der Kabine tat.

Im Gemeinschaftsraum kauerte Sirius auf einer Couch und hatte die Augen geschlossen. Remus breitete gerade eine Decke über ihm aus. Er legte die Finger auf die Lippen, als Harry und Ron hereinkamen. Dann setzte er sich in einen freien Sessel und atmete tief durch. Meta hockte auf seiner Lehne und strich ihm beruhigend über die Wange.

Harry ließ sich auf die Couch fallen. Hermine und Ron taten es ihm nach. Ginny war verschwunden. Plötzlich flackerte das Feuer im Kamin auf und Dumbledores Stimme rief nach Meta. Er bat sie in sein Büro zu kommen, da Rita Kimmkorn ihre Interview-Serie mit ihr beginnen wollte. Mit Sirius und Remus wollte sie erst am folgenden Tag sprechen. Meta seufzte und stand auf: „Ich gehe dann mal. Kommt ihr hier klar?"

Remus nickte und verabschiedete sich von ihr mit einem leichten Kuss.

Nachdem Meta gegangen war, kamen Dean, Seamus und Lavender herein. Sie verdrückten sich allerdings ganz schnell in ihre Schlafsäle. Dumbledores Rede hin oder her, an Sirius Blacks Anwesenheit in ihrem Gemeinschaftsraum, auch wenn er friedlich schlief, konnten sie sich noch nicht wirklich gewöhnen.

Harry war immer noch schlecht, doch er fühlte sich völlig leer. Es würde also nichts bringen, noch einmal spucken zu gehen. Sirius war wieder wach und starrte ins Feuer. Er sah furchtbar geschafft aus. Sein Gesicht war grau und alt und seine Hände zitterten in seinem Schoß. Aber er sah noch recht gefasst aus im Gegensatz zu Remus, der tatsächlich mit den Tränen kämpfen musste. Mit lebloser, bitterer Stimme flüsterte er: „Ich bin so froh, dass seine arme Mutter schon tot ist!" Harry und Sirius sahen ihn an.

Ron räusperte sich und verkündete, sie sollten besser schlafen gehen. Hermine stand auch auf, aber da Sirius und Remus keine Anstalten machten, sich zu erheben, blieb auch Harry, wo er war und sagte: „Schon gut, Ron. Wir bleiben noch ein bisschen sitzen." Ron zögerte kurz, stiefelte dann aber ergeben nach oben. Hermine sagte gute Nacht und verschwand.

Eine Weile sprachen die drei Zurückgebliebenen kein Wort. Manchmal war von Remus ein Schniefen zu hören. Harry sah zu ihm. Remus hatte die Hände vors Gesicht gelegt und seine Schultern zuckten leicht. Irgendwann stand Sirius auf, ging zu ihm und vor ihm in die Knie, um seine Arme um Remus zu legen. Remus zuckte zusammen und klammerte sich mit beiden Händen an den Lehnen seines Sessels fest.

„Es tut mir Leid!" stieß er hervor, „Entschuldige … bitte … ich weiß, ich sollte nicht um ihn weinen. Aber … ich glaube, das ist alles etwas zuviel für meine Nerven." Sirius schüttelte nur in stummem Verständnis den Kopf und umarmte Remus fest. Harry beobachtete die beiden und fühlte sich einsam. Es dauerte aber nicht lange, bis sie sich ihm zuwandten.

„Harry." sagte Remus unbestimmt. Sirius erhob sich ächzend und ging auf seinen Patensohn zu: „Wie geht es dir?"

„Sehr schlecht!" antwortete Harry wahrheitsgemäß. Seufzend ließ sich Sirius neben ihm auf die Couch fallen, legte einen Arm um Harry und drückte dessen Kopf auf seine Schulter: „Schlaf, Harry! Das ist das Einzige, was wir tun können!"

Gehorsam schloss Harry die Augen und stellte erleichtert fest, dass es gut tat. Auf seinem Sessel rollte sich Remus zusammen und auch Sirius legte den Kopf erschöpft auf der Lehne ab. Bald waren sie eingeschlafen.

Und Harry träumte. Er träumte zur Abwechslung mal keine Bilder, sondern Farben, Gerüche und Geräusche.

Blutrot, Schweiß und Schreie.

Harry hatte das Gefühl, dass seine Hände klitschnass und ekelhaft warm wären. Das Atmen fiel ihm schwer. Er hörte die Stimme des jungen Peter und die des alten. Den er getötet hatte.

Er erinnerte die Schrift auf der Karte des Rumtreibers.

Moony, Wurmschwanz, Tatze und Krone.

Krone war nicht mehr.

Wurmschwanz nun auch nicht mehr. Weil Harry ihn getötet hatte.

Irgendeine Mutter war zum Glück schon tot, sonst hätte sie heute Nacht erfahren, dass ihr Sohn ein feiger Verräter und Mörder gewesen war, den drei Menschen, die ihn abgrundtief hassten, in Stücke gerissen hatten.

In Stücke gerissen von Harry.

Seine Eltern erschienen vor seinem geistigen Auge. Das kurz Aufflackern ihres Bildes und nie waren ihre Gesichter gütiger und liebevoller gewesen. Harry schrie und wachte schwer atmend und schweißgebadet auf. Sein hektischer Blick zuckte zu seinen Fingern, die warm und nass waren.

„Blut!" würgte er hervor.

„Was?" Neben ihm erwachte Sirius und sah sich verwirrt um. Harry sprang auf und ignorierte den stechenden Schmerz in seinen müden Beinen. Auch Remus öffnete nun die Augen und versuchte, zu sich zu kommen. Harry stand schwankend vor der Couch und hielt seine zitternden Hände von sich weg.

Er starrte darauf. Und er konnte es spüren. Es riechen. Das Blut. Aber er sah es nicht.

„Wo ist das Blut?" wisperte er und Sirius und Remus tauschten fragende, beunruhigte Blicke. Schließlich stand Remus auf und näherte sich Harry vorsichtig: „Harry, bist du wach?"

Harry sah ihn an. Er war vollkommen durcheinander.

War es da? Das Blut?

Konnte Remus es sehen?

Er hielt ihm seine Hände entgegen.

„Das Blut." sagte er, „Siehst du es?" Remus schluckte: „Harry, da ist kein Blut!"

„Wessen Blut?" fragte Sirius dagegen.

„Wurmschwanz´ Blut." Harrys Stimme war kaum zu hören. Remus zog scharf die Luft ein und packte Harry hart an den Schultern. Er drückte ihn zurück neben Sirius auf die Couch. Langsam klärte sich Harrys Blick. Er sah an Remus vorbei in den erkalteten Kamin.

„Mum und Dad!" flüsterte Harry und Sirius zuckte zusammen.

„Was würden sie dazu sagen? Jetzt habe ich einen Menschen getötet." sagte Harry tonlos. Heftig fuhr Sirius herum: „Aber nicht irgendeinen Menschen, verdammt!"

„Schrei ihn nicht an, Tatze!" sagte Remus, „Harry, deine Eltern sind nicht hier und das ist Wurmschwanz´ Schuld. Wir sind hier; Sirius und ich. Und wir verstehen dich. Wir wissen, dass wir, wir alle drei, das Richtige getan haben!"

Harry sah ihn zweifelnd an.

„Er war vogelfrei!" erklärte Sirius, „Es war nichts Ungesetzliches und auch nicht unmoralisch. Nicht unmoralischer als gerechte Rache immer ist!"

„Irgendetwas stimmte nicht." sagte Harry und sah Remus durchdringend an, da er wusste, dass er ihm eher die Wahrheit sagen würde als Sirius; besonders, wenn dieser sich in die Enge getrieben fühlte. Remus schwankte.

„Das Gesamtbild ist wichtig!" sagte Sirius laut. Harry sah ihn an und Sirius konnte diesem Blick nicht standhalten.

„Ich weiß … ich spüre, dass etwas nicht stimmte. Ich kann noch keine Fakten erinnern und überprüfen, aber irgendetwas stimmte nicht!"

Remus ließ sich mit einem schweren Seufzen in seinen Sessel fallen: „Wurmschwanz sollte das Ministerium nie mehr lebend verlassen."

„Wer war eingeweiht?" fragte Harry und staunte selbst über seine Sachlichkeit.

„Keiner der Richter." sagte Sirius leise, „Derony. Die Elben."

„Dumbledore?"

„Ja. Er hat Pettigrew beeinflusst."

„So hat er seine Flucht ermöglicht!" fragte Harry nun doch mit wachsendem Schrecken in der zaghaften Stimme, „Er hat ihn gehetzt? Pettigrew wäre nie von allein geflohen?"

„Das weiß ich nicht!" meinte Sirius, „Vielleicht doch. Auf jeden Fall ist er geflohen und wir konnten ihn töten."

Harry schluckte und versuchte nicht allzu entsetzt zu sein von dem Ausmaß dieser Begebenheit.

„Was war mit mir?" schaffte er zu fragen, „Wie war ich in den Plan eingearbeitet?"

„Es gab keinen richtigen Plan." sagte Remus müde, „Es gab nur Wunschdenken und glückliche Zufälle. Alles passte zusammen. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen." Harry schwieg.

„Wir haben dich auf niemanden gehetzt, Harry!" sagte Remus nachdrücklich.

Und Sirius an Harrys Seite sagte leise: „Sieh es einfach als Übung an, Harry!"

Harry und Remus zuckten zusammen, sagten darauf jedoch nichts.

„Lasst uns weiterschlafen! Bitte!" Sirius rutschte tiefer in die Polster und schloss die Augen. Harry lehnte sich an ihn und beobachtete Remus, wie er langsam einschlief. Dann schloss auch er die Augen.