Hier ein kleines Ficlet, das ich direkt nach Midiels Fluch geschrieben und wieder vergessen hatte. Gerade eben habe ich es mir durchgelesen und finde es gar nicht mehr so schlecht wie damals. Wird aus zwei Kapiteln bestehen und beschäftigt sich nur mit Faramirs ersten Gehversuchen in Sachen Magie. Vielleicht findet ja noch jemand Gefallen daran?

Grüße

May

Zauberstunde1

„So und jetzt konzentriere dich," brummte die tiefe ruhende Stimme. „Du darfst es nicht erzwingen, musst du wissen. Die Magie kommt zu dir, nicht du zu ihr."

Sanfte Erheiterung war in der wohlklingenden Stimme zu hören und sie erfüllte den dunklen Raum. Sie waren in pechschwarzen Schatten gehüllt und saßen sich an einem Tisch gegenüber, den sie nun nicht mehr sehen konnten.

Doch der alte Zauberer konnte mehr, als ihn nur nicht sehen… er konnte ihn fühlen. Den Tisch, nichts weiter als totes Holz, aber dennoch Bestandteil dieser Welt. Er war deutlich vor ihm. Und darauf…

„Findest du die Kerze?" fragte er und versuchte, nicht zu drängen.

Ein Seufzen zog sich durch die Dunkelheit.

„Ich weiß, wo sie steht," antwortete der Zauberschüler etwas mutlos. „Ich habe es ja vorhin gesehen, als wir die Fenster offen hatten. Denkst du nicht, wir sollten sie wieder öffnen?"

Der Zauberer lachte gemütlich.

„Nein, Faramir. Das denke ich nicht. Du wirst es auch so schaffen. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen vielleicht. Eventuell auch erst in einer Woche. Aber ich bin sicher, dass du bald dahinter kommst."

Der Schüler wusste, dass sein Lehrer alle Geduld mit ihm aufbringen würde. Dennoch fühlte er sich unter Druck gesetzt und fürchtete, den Erwartungen des Zauberers nicht zu genügen. Und zusätzlich vernachlässigte er für diese nicht enden wollende Suche nach der Gabe auch noch seine Pflichten dem König gegenüber… Das nagte an ihm und ohne es zu bemerken, drängte er sich selbst am meisten.

„Faramir! Wo bist du mit deinen Gedanken? Von Tag zu Tag wirst du unkonzentrierter," mahnte der Zauberer.

Der Truchsess schreckte hoch.

„Was! Entschuldige, bitte. Eigentlich… ah… nichts. Entschuldige."

Gandalf stöhnte. Er sah Faramirs Gesicht nicht, aber dennoch wusste er genau über dessen momentanen Gesichtsausdruck bescheid. Er hatte die Stirn auf die Hand gestützt, während sein Ellenbogen auf dem Tisch lag. Er resignierte.

„Ich weiß, was dir durch den Kopf geht," sagte Gandalf verständnisvoll. „Aber glaube mir, Aragorn kommt allein zurecht. Er wird den Papierkram schon meistern. Das hat er ohne dich schon hinbekommen und jetzt, da Boromir hier ist, ihm zu helfen, wird er seine Geschäfte in den Griff bekommen."

„Ja, ich weiß. Dennoch bin noch immer ich der Stadthalter. Zurzeit ist es nicht Boromirs Aufgabe, meine Arbeit zu tun."

Gandalf lächelte im Dunkeln. Das sah Faramir nur allzu ähnlich.

„Du bist zu geschäftig, Faramir. Dein Geist findet ja niemals Ruhe! Jetzt mach doch deinen Kopf frei, für Dinge, die deiner mehr liegen."

„Du meinst, für Dinge, die du für wichtiger erachtest?"

Gandalf war darauf gefasst gewesen. Er hatte Faramirs Zweifel schon seit Anbeginn ihrer Unterrichtsstunden gespürt und leider wusste er auch nur zu gut, woher sie stammten.

„Haltest du die Entwicklung deiner Fähigkeiten nicht für wichtig?"

Es kam keine Antwort. Gandalf lehnte sich in seinem Stuhl zurück, wodurch seine Robe leicht raschelte. Dieses Gespräch musste nun endlich geführt werden. Er hatte nur gewartet, bis Faramir bereit war, darüber zu reden, was ihn bekümmerte.

„Ich weiß es nicht," kam die lange erwartete Antwort. „Irgendwie kann ich mir das alles nicht vorstellen, Mithrandir."

Gandalf nickte und graulte seinen weißen langen Bart.

„Ich verstehe, was in dir vorgeht und zu meinem Bedauern, bin ich vielleicht nicht ganz unschuldig daran… Ich weiß, dass dein Vater deine geistigen Fähigkeiten nie unterstützt und dich deswegen nieder gemacht hat…"

„Er hat mich bestraft…" stöhnte Faramir.

Ja, Gandalf hatte es geahnt und in den Tagebüchern Denethors, die Boromir ihm übergeben hatte, gelesen. Er war bestürzt gewesen… Warum hatte er sich nicht mehr um den jungen Faramir gekümmert, zumal er um seine Fähigkeiten, die Magie zu beherrschen, gewusst hatte? Der Zauberer hatte sich lange Zeit Vorwürfe gemacht und nun, da sie von ihrem letzten Abenteuer zurückgekehrt waren, hatte sich das noch verschlimmert.

Klar, er selbst hatte sich dem Hobbit-Studium gewidmet, was ihn schon immer fasziniert hatte… und damit hatte er den Wunsch einer alten und geschätzten Freundin nicht entsprochen. Dass er damit die Welt vor dem Dunkel gerettet hatte, schien ihm plötzlich ironisch und etwas unfair.

Aber es war geschehen, nicht wieder gut zu machen. Schicksal. Eine Notwendigkeit. Alles was er tun konnte war, sich Faramir nun zu widmen, da die Zeiten friedlich und die Lande sicher waren. Er war sich sicher, dass der kluge junge Mann einiges an magischer Kraft entwickeln konnte.

„Ich weiß… und es betrübt mich, zu sehen, dass er es so weit geschafft hat. Die Herrin hat so viel Vertrauen und Hoffnung in dich gesetzt."

„Eldeborough…" flüsterte Faramir.

Das wenige, an das er sich erinnerte, war wie ein Traum und schien ihm wenig real, auch wenn alle es bestätigten. Wenn er des Nachts von diesem sagenhaften Ort träumte, dann endete das immer in Horror. Er befand sich in einem Regen aus Herbstlaub und sah grazile Gestalten tanzen. Wunder offenbarten sich ihm und zu seinen Füßen blühten lila Herbstzeitlosen.

Und dann, wenn er versuchte, eines der Wesen anzusprechen, wurde er abgelenkt. Von einem Licht, wie vom Glitzern eines klaren Baches. Nicht mehr aber als ein Schatten, der sich flüchtig an ihm vorbei schob. Er hatte versucht, ihn zu fassen, ihn zu fangen! Und der Lichtschatten, von dem Faramir diese wundervolle Ahnung hatte, entwischte ihm immer wieder.

Mutter, rief er und gerade, als er nach dem Lichte hoch in der Höhe griff, trat sein Vater von hinten aus dem Schatten und stieß ihn über das Geländer der hohen Plattform.

Aber Faramir erwachte an diesem Punkte nie aus dem Traum, sondern musste im Dunkeln verharren und spürte eine Eiseskälte um sein Herz. Er hörte seine Freunde, seinen König rufen. Auch Gandalfs Stimme war gegenwärtig, wie auch Eowyns und Boromirs. Aber nie vermochten sie ihn aus der Kälte zu befreien.

„Ich weiß nicht… ich fühle mich diesem Ort verbunden. Doch irgendwie wollte ich nicht dort bleiben. Denn ich kenne ihn nicht."

„Du hast dort Schutz gesucht," erinnerte Gandalf Faramir. „Es war der einzige Ort, wo du Midiel entrinnen konntest."

Das war wahr. Und nur Faramirs Intuition hatte ihn dort hin geleitet. Da fing es an, gegen ihr Fenster zu prasseln, laut und heftig.

Es war ein warmer Sommer, aber sie hatten ungewöhnlich viel Regen. Sonne und Unwetter wechselten beständig und verwunderte das ganze Land. Es war nämlich eher Frühjahrswetter, so unbeständig. Aber alles gedieh und das Korn wurde nicht von den Wassermassen hernieder gedrückt.

„Sie weint, sie weint immerzu," sagte Faramir und rieb sich die Augen, obwohl es doch dunkel im Raum war.

„Sie trauert. Aber es wird sich legen. Sie hat uns einen fruchtbaren Herbst versprochen."

Ja, endlich wurde es Herbst! Faramir mochte diese Jahreszeit. Aber er verlor sich zu dieser Jahreszeit immer in Gedanken und Melancholie bemächtigte sich seiner öfter als es gut war.

Gandalf lehnte sich nun vor, um eindringlicher auf seinen Schüler zu wirken.

„Du lässt es zu, dass er gewinnt."

Faramir sog die Luft scharf ein und Gandalf wusste nicht, ob er zu direkt gewesen war. Aber nach einer Minute war sein Schüler noch immer nicht gegangen und versuchte sich zu lockern.

Auch wenn Faramir sehr emotional und sensibel war, hatte er einen wachen Verstand und besann sich immer auf das Richtige. Er konnte seinen Problemen nicht davon laufen. Gandalf konnte ihn auf Schattenfell ja sowieso wieder einholen.

Dann schlug er beide Hände über die Augen und seine Stimme klang gepresst.

„Was soll ich tun. Du erzählst mir von Magie und Zauber. Ich lausche dir gerne, Gandalf, ich sauge dein Wissen in mich auf. Aber selbst kann ich es nicht anwenden. Ich bin kein Zauberer oder Hexer. Vater selbst machte sich doch nur über meine Studien lustig, als er mich herablassend Zauberlehrling nannte. Aber ich kann doch keine Wunder, wie du vollbringen!"

„Das hast du doch aber schon, Faramir!" sagte der Zauberer langsam und war sich gewiss, dass er die Aufmerksamkeit des anderen hatte. „Als Kind haben deine Mutter und ich dich unterwiesen und dein Vater sah wohlwollend zu. Du konntest schon einiges: einen Lufthauch führtest du herbei, Wasser konntest du erhitzen und sogar eine Kerze anzünden…"

Gandalf spielte damit auf ihre jetzige Übung an.

„Ich weiß genau, dass du es kannst. Du musst es nur wieder finden."

Faramir seufzte erneut.

„Es ist ziemlich schwer."

„Aber nicht unmöglich," sagte der Zauberer standhaft. „Es wäre nur einfacher, wenn du dir nicht immer Sorgen um den König und die Welt machen würdest."

Bei dem verdrehten Sprichwort musste Faramir lachen. Tatsächlich schien der König für ihn oberste Priorität zu sein. Aber Boromir war hier und würde sich der Geschäfte annehmen. Sein Bruder war zwar nie so gut darin gewesen, aber dennoch gut darin unterrichtet worden. Beide hatten sich die Brüder nie um das Amt gestritten, denn langweiliges Herumsitzen und Papierewälzen war beiden nicht die liebste Beschäftigung.

„Gandalf… wie siehst du die Welt nur? Für dich muss sich doch alles sehr wohl gliedern und klar erscheinen."

Der Zauberer konnte nicht leugnen, dass sein Blick klarer war und er die Dinge anders sah, als die meisten.

„Oh, wie ich mich nach dem Herbst sehne," lamentierte Gandalf scherzhaft. „Ich muss sagen, auch wenn du dich dann deiner Melancholie hingibst, scheinst du mir alles besser aufnehmen zu können. Du denkst über die Dinge nach, drehst und wendest sie nur allzu sehr, dass manche etwas Seltsames daran finden. Aber dein Verstand ist scharf und gibt sich nicht damit zufrieden, dass alles so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht."

„Eowyn sieht es nicht gerne, wenn ich meine Gedanken auf Nichtigkeiten zu sehr verschwende. Sie meint, es schadet mir…"

Gandalf lachte laut aus.

„Ja, die Frauen! Ich bin mir sogar sicher, dass sie es nicht gerne sieht, wenn du dich in Gedanken verlierst. Immerhin möchte sie der Mittelpunkt deines Lebens sein und nun, da alle Chancen auf heldenhafte Kämpfe und große Taten rar werden, langweilt sie sich vielleicht und konzentriert sich ganz auf dich. Aber lass dich doch nicht von ihr unterbuttern! Du bist doch der Mann im Hause und nicht sie!"

Auch Faramir lächelte, weil er sich selbst schon so gesehen hatte. Seine Frau war wirklich voller Tatendrang und wenn sie nichts zu tun hatte, kam sie nur umso öfter zu ihm.

„Nun ja. Dessen bin ich mir noch nicht so sicher. Sie braucht mindestens acht Kinder, um wenigstens mal die hälfte ihrer Energie los zu werden! Leider sind wir ja noch nicht einmal verheiratet!"

Der Zauberer schmunzelte.

„Ich denke, Eowyn wird es verzeihen, wenn du dich jetzt noch eine Stunde auf die Sache konzentrierst. Dann geh nur und sei deiner zukünftigen Gattin zu Diensten."

Faramir nickte. Er straffte sich und machte seinen Rücken gerade. Dann konzentrierte er sich auf seine Atmung und ließ seine Sinne schweifen. Er hörte nunmehr nur noch Gandalfs Stimme, die ihm Anweisungen gab.

„Die Welt um dich herum lebt und alles darin ist verbunden mit dir. Aber versuche nicht, alles zu erfassen. Konzentriere dich auf dich selbst und deine Atmung. Ruhig und kontrolliert. Beruhige deinen Geist und finde deine eigene Mitte. Durchforsche dich selbst und bringe dich zur Ruhe. Richte deine Gedanken in die Dunkelheit, dass sie nichts fassen mögen…"

Faramir versuchte den seltsamen Anweisungen Gandalfs so gut, wie möglich zu folgen, auch wenn er nicht genau wusste, was er meinte.

„Und wenn du so weit bist, öffne dein inneres Auge und sieh! Lass dir Zeit zu sehen, denn es ist, wie mit deinen wahrhaftigen Augen: du musst dich erst an die Dunkelheit gewöhnen."

Faramirs Gedanken standen still. Er dachte wirklich an gar nichts. Doch seine Sinne waren hellwach und er konnte das kühle Kribbeln in seinen Fingern spüren und hörte ein leises Rauschen in seinen Ohren. Und als er völlig zur Ruhe gekommen war und im Rhythmus seines Herzens atmete, befand er sich als bereit. Er öffnete seine Augen und ihm war, als dringe von irgendwo her ein klein wenig Licht herein. Vor sich erkannte er den Umriss der Kerze und er wanderte an dem Wachs empor, bis er den Docht fest erfasst hatte.

„Ich sehe die Kerze," setzte er Gandalf in Kenntnis.

Tatsächlich ging der Puls des Zauberers sprungartig in die Höhe, aber er gemahnte sich zur Ruhe, da er Faramir nicht stören wollte.

„Wie würdest du Feuer machen, Faramir?"

Der junge Mann dachte einen Augenblick nach.

„Mit einem Feuerstein," diese einfache Erklärung war alles was ihm in seiner Konzentration einfiel.

Er wusste selbst, dass es nicht die richtige Antwort war, aber er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.

„Das ist wahr," sagte Gandalf. „Aber warum sprüht er Funken?"

„Die Reibung."

Gandalf nickte. Er würde seinen Schüler ganz langsam an die Lösung heran führen.

„Aber hier ist kein Feuerstein… mit was willst du also Reibung erzeugen?"

„Ich weiß es nicht…"

„Das einzige hier, das im direkten Kontakt mit der Kerze ist, ist die Luft."

„Die Luft?"

Gandalf lächelte.

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du nicht weißt, woraus Luft ist? Boromir wäre das verzeihlich, aber dir nicht."

Faramir dachte an den Nebel, der sich schier aus der Luft bildete, an die Pollen, die man manchmal im Sonnenschein fliegen sah… und er verstand.

„Viele kleine Teilchen," murmelte er.

Und als er es sagte, da konnte er sie auch spüren. Die vielen kleinen Teilchen in der Luft, sei es Wasser, sei es Staub oder Pollen. Er spürte die Dichte dieser Dinge und da war ihm klar, dass sie ausreichen mochten, um eine Reibung zu erzeugen. Aber es waren so viele! Sie schwirrten alle durcheinander! Wie konnte er sie greifen!

„Gandalf…" stammelte er.

„Nicht überhastig," sprach der Zauberer, obwohl er selbst aufgeregt war, wie ein Kind! „Lass dich nicht aus der Ruhe bringen."

„Aber es sind so viele!"

Gandalf lächelte. Es würde klappen!

„Du brauchst doch aber nur eines, Faramir. Mach es nicht so kompliziert. Eines wird ausreichen, wenn es mit genügend Geschwindigkeit an ein anderes prallt."

„Das reicht aus?" fragte Faramir, aber er war in Gedanken und hatte nur gesprochen, um sich Gandalf Worte selbst klar zu machen.

Er sah, wie die Teilchen einer unsichtbaren Strömung folgten, die den Schlitzen in der Tür, den Fenstern und den Vorhängen zuzuschreiben war. Sie bewegten sich alle fast berechnend und der junge Mann konnte ihre Bewegungen fast vorherahnen.

Da richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf nur eines der Teilchen, welches sich langsam näherte. Es würde direkt an dem Docht vorbei fliegen. Er müsste es nur wenige Zentimeter wegschleudern!

Er griff mit seinem Geiste hinaus, seine grauen Augen klebten an dem einen Teilchen und seine Atmung wurde langsam und tief. Er spürte, wie die anderen Teilchen ihn zu berühren schienen, aber an ihm vorbei schweiften. Er wollte nur dieses eine Teilchen.

Faramir spürte dessen Energie und er war verblüfft, wie viel Ladung es innehatte! Er konnte sie fühlen, das Teilchen war plötzlich nicht mehr nur klein und unscheinbar… es schien ihm plötzlich riesig und voller Macht zu sein! Er musste diese Macht nur freisetzen!

Es flog heran… über den Tisch… nahe der Kerze.

Faramir griff danach und bekam es zu fassen!

Die Tür sprang auf und plötzlich durchflutete Licht das Zimmer! Beide Insassen schreckten hoch und Faramirs Herz raste! Das Licht fiel brennend heiß in seine Augen und blendete ihn, so dass er sie sich mit der Hand abschirmte.

„Oh, entschuldigt! Ich dachte, ihr wäret schon lange fertig!" rief Pippin und stand wie ein begossener Pudel in der Tür.

Gandalf stöhnte und Faramir warf den Kopf in den Nacken.

„Peregrin Tuk! Selbst, wenn wir es wären, so gehörte es sich dennoch, anzuklopfen!" rief der Zauberer erbost.

Faramir lehnte sich nach vorn und stützte sich die Stirn in beide Hände, schüttelte den Kopf.

„Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen," schnaufte er.

Auch Gandalf hatte sich erschreckt, denn er war so gespannt gewesen, ob Faramir es schaffen würde, dass er seine gesamte Aufmerksamkeit auf seinen Schüler gerichtet hatte.

Pippin senkte den Kopf und sah schuldbewusst drein. Mit einem seiner Füße schürfte er verlegen auf dem Boden.

„Es tut mir so leid, Gandalf," piepste er.

Gandalf brummte erzürnt und verrollte die Augen.

„Was ist also? Was ist?"

Pippin schien sich nun gar nicht mehr richtig zu trauen, etwas zu sagen und er musste zuerst mal den harten Klos in seinem Hals herunter schlucken.

„Gandalf… die… Aragorn schickt mich… die Pferde sind wieder da."

„Die Pferde?" rief Faramir. „Wo?"

Der junge Truchsess war überrascht aufgesprungen und war sehr unruhig. Das konnte Gandalf fühlen.

„Unten, im siebenten Ring. Schattenfell ist schwer beladen!" stammelte Pippin.

Der alte Zauberer erhob sich langsam. Er ging zu Pippin und stich ihm durch seinem Wuschelkopf.

„Na denn, es tut mir leid. Du bringst tatsächlich wichtige Kunde, junger Hobbit und dein Übermut sei dir verziehen. Nun geh mit Faramir hinunter, ich komme sofort nach."

Faramir sah Gandalf an, als wolle er ihn fragen: Ist das dein Ernst? Wir sind fertig für heute?

Gandalf nickte ihm zu und beobachtete, wie beide aus dem dunklen Zimmer rannten. Ein Schmunzeln erschien auf seinen Lippen.

„Ihr hattet Erfolg?" fragte eine bekannte Stimme.

Gandalf wand sich zu Aragorn um, der im Gang stand und nun den Kopf in den Raum streckte.

„Nun ja. Ich schätze schon."

„Bitte, Gandalf? Du schätzt? Wie kann ich das verstehen?"

Gandalf sah den beiden nach, die schon längst verschwunden waren.

„Die Kerze hat Faramir nicht entzündet. Aber einen Funken… hat er geschlagen."

„Einen Funken?" lächelte Aragorn.

Gandalf nickte.

„Einen Funken… Hoffnung," grinste er. „Ich fürchte nur, er hat es selbst nicht gesehen. Das plötzlich einfallende Licht hat ihn geblendet. Aber ich weiß, dass er es geschafft hat."

Aragorn kratzte sich verlegen am Kopf.

„Ich hätte wohl doch besser selbst kommen sollen, was?"

Gandalf lachte.

„Der Hobbit kam ohne Ankündigung herein gestürzt. Faramir wäre beinahe vor Schreck tot umgefallen."

Aragorn grinste verschmitzt.

„Das tut mir leid, aber ich konnte ihm seine Bitte einfach nicht abschlagen. Er hat etwas an sich, das mich nur allzu weich macht."

„Oh, König Elessar! Ich fürchte, Ihr werdet ein weicher Vater! Und nicht dass ich Eure Kinder jetzt schon Bälger nennen möchte, aber sie werden wissen, wie sie ihrem Vater die Daumenschrauben ansetzen müssen!"

„Oh, ja. Ich fürchte auch fast. Hoffentlich kommen sie nach ihrer Mutter," stöhnte Aragorn. „Wenn es denn einmal so weit ist."

Beide lachten herzlich und gingen hinunter zum siebenten Ring. Dort warteten alle, dass sie endlich eintrafen. Boromir hatte Schattenfell bereits um seine Last erleichtert und zwei schwere Taschen auf den Boden gestellt. Sie hatten sie noch nicht geöffnet, aber alle standen sie gespannt und rätselnd darum herum.

Faramir graulte sein Kinn vor Nachdenklichkeit, während Eomer und Boromir Scherze über den Inhalt trieben.

„Was mag wohl da drinnen sein?" grinste Boromir. „Ich hoffe doch ein Brautgeschenk!"

„Oder gar schon Umstandskleider und Kinderschuhe," lachte Eomer laut auf, fing sich aber sofort einen mahnenden Blick von Eowyn ein.

„Ich hoffe, es ist Melen, und dass sie dir für diese Unverschämtheit den Hintern nach vorne tritt, Bruderherz!" schnappte sie.

Eomer wusste nicht, wer diese Melen war, aber Boromir zog die Augenbrauen nach oben und schüttelte den Kopf.

„Eine Frau Rohans!" rief der ihr zukünftiger Schwager.

„Nicht mehr lange," gab sie zurück.

„Solch ein Glück," schnaufte Eomer und tat gespielt erleichtert.

Doch er fing sich einen Ellenbogen ein direkt in die Rippen, der wohl morgen seine Spuren offenbaren würde. Eomer stutzte anhand des Schmerzes, erlaubte sich aber nicht mehr als ein „uff".

„Also Eomer!" schrie sie ihn an und verschränkte die Arme.

„Oh, nein. So war das doch nicht gemeint, Eowyn. Ich liebe dich über alles, aber wenn ich nun sagte, bleibe in Rohan, so schimpftest du mich wiederum auch! Was kann ich also tun, dich zu beschwichtigen?"

„Schweig!"

Eomer verdrehte die Augen und seufzte.

„Da verstehe einer die Frauen. Vielleicht hab ich deswegen noch kein Weib gefunden?"

„Das würde mich nicht wundern, du Schuft," schalt ihn Eowyn.

„So? Ein Schuft? Ein Schuft bin ich?" rief Eomer und wollte gerade seine Schwester zwicken, als er sich gewahr wurde, dass Faramir anwesend war.

Aber dieser war tief versunken in Gedanken und starrte auf die Basttaschen.

Also zwickte er Eowyn doch und sie schrak schriekend hoch.

„Was tut ihr da?" fragte Aragorn und Eomer schrak herum.

Er fühlte sich ertappt, wie ein kleiner Junge. Er brauchte eine Schrecksekunde, aber dann grinste er.

„Geschwisterliche Zuwendung," erklärte er.

„Ach, so nennst du das?" meinte Eowyn, die sich noch immer die Hüfte rieb.

Aber Eomer ging nicht darauf ein und räusperte sich.

„Hier ist der Grund, weshalb wir euch rufen ließen," er wies auf die beiden Taschen.

Aragorn sah hin und dann zu Faramir, der nachdenklich da stand.

„Warum hast du sie noch nicht geöffnet, Faramir?" fragte der König.

Faramir schrak etwas auf.

„Was? Geöffnet?"

Aragorn nickte ihm zu.

„Die Sendung ist für dich, nehme ich an."