Faint
Das Stechen von spitzen Steinen im Genick führte Delu zurück in die grausame Wirklichkeit und brachte ihr die Erinnerung all der anderen Schmerzen zurück. Blinzelnd sah sie in das grausam helle Licht der Sonne, das, so schien es, sie blenden wollte, auch noch das Augenlicht berauben wollte, sodass sie ihren Kopf sofort abwendete, wobei sie erst bemerkte, dass ihr Körper völlig steif und bewegungslos war. Delu lag flach auf der ausgetrockneten Erde, die genauso nach Wasser schrie wie sie selbst. Immer noch mit benebelten Sinnen sah sie auf und wich sofort zurück. Eine grinsende Fratze beobachtete sie von oben – einer der Wachmänner. Erschrocken setzte sie sich auf und kroch rückwärts als sie gegen etwas prallte. Ein furchtbarer Schauer durchzog ihren Körper und unwillkürlich sah sie hinter sich, wo noch ein Mann stand. Sie war gefangen, in der Falle.
„Bleib nur ruhig, Mädchen, unser Prinz ist jeden Moment hier und er wird dann über dich richten." Delu würdigte den Mann mit der hasserfüllten Stimme keines Blickes, sah sich nur um und hoffte zu erkennen, wo sich der besagte Prinz befand, nur um zu wissen, wie viel Zeit ihr noch bleib. Durch die Gunst ihrer scharfen Elbenaugen konnte sie schon sehen, wie die restlichen Elben stolz auf sie zuschritten und sie angafften wie ein exotischen Tier. Delu wollte sich sofort aufrichten, doch der Mann neben ihr war schneller und legte ihr die blanke Klinge seines langen Schwertes an die Kehle. Delu schloss demütig die Augen und schluckte schwer, wobei das kalte Metall an ihrer Haut rieb. Als er sich wieder entfernte, fasste sie auf die Umstehenden achtend nach hinten und wollte ihren Bogen ergreifen. „Versuch es erst gar nicht, Mädchen." grinste der Elb sie an und deutete dabei auf ihr Messer und ihren Reiterbogen, den er in der Hand hielt. Der andere Mann begann darauf laut zu lachen und Delu sah sich um wie ein verschrecktes Tier. Der Elb, der ihre Waffen trug, beugte sich herunter zu ihr. „Sieh mal einer an, das Mädchen kann wehrlose Elben töten, aber sobald sie gejagt wird, ist sie nur noch ein kleiner verängstigter Hase." Delu schloss wehleidig die Augen um diesen Mann nicht länger in die schadenfrohen Augen zu schauen. „Oh, ist sie hungrig? Durstig? Erschöpft? Braucht das arme verlassene Mädchen Hilfe?" Zu gerne hätte Delu diesem Elben eine Antwort gegeben, die sie danach nicht bereut hätte. „Tut das eigentlich nicht weh?", fragte der Elb fürsorglich und deutete auf ihr verletztes Bein, doch selbst das war nur ein Versuch ihr deutlich zu machen, wie jämmerlich alleine und ausgeliefert sie war.
Der Stiefel war mit geronnenem Blut beschmutzt, das an der Stelle, an welcher der Dolch das Leder durchstochen hatte, und an der Sohle, die der Stein zerrissen hatte, hing. „Und was trägt das Mädchen nur für außergewöhnliche Kleidung?" Wieder lachte auch der andere Elb und Delu fühlte sich immer mehr zur Schau gestellt. Wie ein kleines neues Spielzeug eines verwöhnten Bengels. Belustigt streckte der Elb, der sich zu Delu gekniet hatte, den Arm nach ihr aus um ihr eine der wirren Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Noch bevor er sein Opfer erreichte, warf Delu einen kurzen Blick auf die ankommenden Elben, sie hatte noch Zeit.
Blitzschnell
ließ sie ihre Hand an seinen Gürtel wandern und riss ihr
eigenes Messer, welches er ihr entwendet hatte, an sich. Bevor er
ihre schnelle Bewegung auch nur bemerken konnte, presste sie ohne
Feingefühl das eisige Metall an seine Kehle. Vorsichtig stand
sie auf und ihre Augen blitzten vor Genugtuung. Ein kurzes Lächeln
umspielte ihre Lippen. Der Elb musste wohl oder übel ihrer
Bewegung folgen, sonst hätte es schmerzhafte Folgen für ihn
gehabt. „Ich werde dir noch lehren, was wahre Angst bedeutet."
sagte Delu mit einer unglaublich milden Stimme, die einem feinen
Gesang glich. Erstaunt sah der kniende Elb sie an und der andere
stand ratlos hinter ihr. „Mein Bogen!" forderte sie und streckte
ihm ihre Hand entgegen, worauf er ihr langsam, damit sie jede
Bewegung beobachten konnte, ihren Bogen und den Köcher
überreichte. „Und der Dolch." ergänzte sie forsch.
„Er
gehört euch nicht." zischte der Elb, der die Wache war, die
Delu vor zwei Tagen die Wunde am Bein zugefügt hatte. „Dieser
Dolch durchtrennte mein Fleisch, glaube mir, nun ist er mein Besitz."
Ihre Stimme war klar und rein, kein Zittern, keine Unsicherheit war
aus ihren Worten zu hören, obwohl sie sich in einer äußerst
gefährlichen Lage befand. Man hätte sie sofort durch einen
Schuss töten können, ohne das dem Elben etwas zugestoßen
wäre, weshalb ihr auch nicht viel Zeit blieb.
Noch immer bedrohte sie ihr Opfer mit der Waffe, während sie sich Bogen und Köcher anlegte. Prüfend sah sie sich um nach einem Ausweg aus dieser Situation. „Macht Platz!" befahl sie dem anderen Elb, der noch immer hinter ihr stand, doch er rührte sich nicht. Angst spiegelte sich darauf in den Augen des bedrohten Mannes, weshalb er dem Elben leicht zunickte, worauf er sich einige Schritte von den beiden entfernte. „Sehr klug." lobte Delu ihn lächelnd, doch sofort wandte sie sich an den Mann vor sich mit einem eisigen Blick, von dem es schien, dass er ihn sofort in Eis hätte verwandeln können. Sie hatte keine Zeit zu verlieren und musste somit schnell weiter, doch würde sie jetzt rennen, könne er ihr folgen. Sie musste ihn unschädlich machen, sonst würde sie es später noch bereuen und nun konnte sie sich keinen einzigen Fehler leisten. Zu viele wurden schon begangen. Die Elbin führte ihre lange Klinge direkt neben seinen Hals und presste sie näher an sein Fleisch, sodass erste Bluttropfen über seine Haut flossen. Diesen Schnitt verlängerte sie bis zur anderen Seite und ein gellender Schrei entwich seiner Kehle. Delu ließ von ihm ab und der Elb stürzte zu Boden, die Hände an seinen Hals gepresst. Der Schnitt war flach genug um ihn am Leben zu lassen, doch tief genug um ihn unschädlich gemacht zu haben.
Sofort drehte sie sich um zu dem Wald, der jetzt nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, doch plötzlich stürzte sie zu Boden. Mit enorme Kraft stemmte jemand ihr den Fuß ins Genick, doch ihr Adrenalin brachte sie dazu, trotz aller Schmerzen und Strapazen sich umzudrehen. Über ihr stand der andere Elb, der noch vor kurzer Zeit einige Meter von ihr entfernt gestanden hatte. Er grinste sie an und zog sein Schwert, doch Delu war schneller. Sie trug ihr Messer noch in der Hand und wehrte den bevorstehenden Hieb gekonnt ab. Ihr Bein schnellte senkrecht nach oben und verpasste ihm einen schmerzhaften Tritt in die Rippen, wodurch sie ihn zu Fall brachte. Ohne dass sie auf den gefallenen Elb achtete, lief sie weiter in Richtung des Waldes.
Legolas sah gerade seine Beute davonlaufen und das konnte er nicht akzeptieren. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft seine beiden Männer zu überwältigen. Er rannte mit seinen Männern schneller auf das Geschehnis zu und voller Wut sah er mit an, wie Delu langsam den Wald erreichte. Während sie alle auf dem selben Ort zuliefen, blieb Legolas stehen und riss sich blitzschnell den Bogen vom Rücken. Mit seinen scharfen Augen und der Präzision eines Meisters legte er den Pfeil an und zielte auf den Rücken der flüchtigen Frau, doch kurz bevor er abschoss, veränderte er sein Ziel. Er wanderte mit seinen Augen etwas tiefer und ließ den Pfeil fliegen. Das letzte, was alle Elben sahen, war, wie die Elbe- im Wald angekommen- stürzte.
