In The End

Die Sonne platzte auf das Blätterdach des dichten Waldes und auf dem Waldboden zeigte sich ein wirres Spiel aus Licht und Schatten. Hier und da war das Zwitschern eines Waldvogels zu vernehmen und an den Gräsern und Farnen am Boden war der Morgentau verschwunden. Trotz des Schattens, der für eine kühle Temperatur unter den Wipfeln der hohen Bäume sorgte, wurde es wärmer und Delu bemerkte, dass sich die Mittagszeit näherte. Noch immer rannte sie – auf der Flucht vor ihren Verfolgern, die sie immer noch nicht ausmachen konnte. Ihre Beine waren vollkommen taub – und kalt – doch sie spürte nur Hitze in sich und realisierte ihre Schmerzen nicht mehr, denn nur ihr Ziel, die Freiheit, zählte. Noch wusste sie nicht, wo sie sich befand, nur am Stand der Sonne konnte sie ausmachen, in in welche Richtung sie zu gehen hatte, doch selbst das fiel ihr schwer aufgrund der Schmerzen und der zunehmenden Benommenheit, die sie umfing. Tage hatte sie nichts gegessen, bekam nur selten einen Schluck Wasser und nun sollte sie die Kräfte aufbringen um vor ihren Verfolgern zu fliehen. Doch der Wille zum Überleben konnte diese Schwäche überwinden und so kam sie stetig vorwärts, auch wenn sie oft stolperte und mit Schwindel zu kämpfen hatte.

Immer wieder warf sie einen Blick zurück, doch nichts war zu sehen oder gar zu hören. Mit vorangeschrittener Zeit beunruhigte sie dies immer mehr und es schien zu einfach, schon in Sicherheit zu sein. Womöglich hatte Legolas Recht und er wollte spielen und das Spiel war grausamer als zuvor angenommen. Delu rannte immer weiter und wollte ihren Glück auf die Sprünge helfen. Sie stieß auf einen kleinen Bach und sah darin eine Möglichkeit ihre Spuren zu verwischen. Sie sprang sofort in das kalte Wasser und lief den Bach entlang, was sich als schwerer erwies, als angenommen, da sich auf den steinigen Untergrund Algen gebildet hatten, die sie öfter zum Ausrutschen brachten. Sie hoffte inständig so entkommen zu können und sah immer wieder unruhig um sich, ob sie nicht schon entdeckt war, doch es war immer noch nichts zu sehen. Sie hatte keine Waffen und keine Kraft mehr, sollte es doch noch zu Auseinandersetzungen kommen, musste sie sich überlegen, wie sie sich wehren sollte und als sie sich umsah, erkannte sie nur die Möglichkeit mit einem Stein oder einen größeren Zweig um sich zu schlagen, auch wenn sie bezweifelte, dass ihr ausgelaugerter Kröper dazu noch im Stande wäre.

Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, wie sie im kühlen Wasser lief. Sie hielt plötzlich inne, als sie an einer Stelle angelangte, die ihr bekannt vorkam. Sie war sich ganz sicher, dass sie in der näheren Umgebung ihrer Heimat sein müsste und deshalb machte sie einen großen Satz aus dem Wasser, drehte sich jedoch noch einmal um, um eilig Wasser mit ihren gehöhlten Handflächen zu schöpfen, welches sie eilig trank. Es fühlte sich wundervoll für ihre ausgedorrte Kehle an, das kühle Nass zu spüren und sie konnte nicht genug davon bekommen. Es war, als würde das klare Wasser sie wie neu beleben und das Glück nahe an ihrer Heimat zu sein, versetzte sie mit neuen Mut. Sie stand hastig auf und sah sich noch einmal um, ob auch niemand ihr gefolgt sei. Immer noch war von niemanden eine Spur, genauso wenig hörte man Schritte oder ähnliches, weshalb sie sich umdrehte und in die Richtung ging, von der sie sicher war die Richtige zu sein. Sie spürte schon die Erleichterung, endlich in ihrem Heim anzukommen. Sie sah in ihren Gedanken schon die kleine schiefe Holzhütte vor sich, die an einen großen Baum gelehnt, an einem ähnlichen Bach wie diesen stand. Ihre Hütte hatte nur zwei kleine Fenster, durch die man jedoch nichts erkennen konnte, da Delu zwei schmutzige Lappen davor gehangen hatte um sich vor dem Blick Fremder zu schützen. Auch die Tür hing nur schief in den Angeln, doch hatte Delu eine Möglichkeit gefunden um diese für Notfälle zu versperren. Am hinteren Ende der Hütte hatte ihr jemand mit wenigen Mitteln einen kleinen Kamin gemauert, der vor allem zum Kochen dienen sollte. Oftmals sah man, wie dünne Rauchschwaden über der kleinen Hütte hingen und meistens roch es dann auch nach frischem Essen. Das Dach bestand lediglich aus Stroh und anderen Gräsern. Mehr hatte Delu nicht zum Leben, doch ihr genügte es vollkommen und es entlastete ihr Herz von allen Kummer, wenn sie daran zurückdachte, wie sie nach Hause kam und diese Pein endlich hinter sich lassen würde.

Noch ehe der Bach außer Reichweite war, vernahmen ihre Ohren ein alarmierendes Geräusch. Hinter sich konnte sie ein Rascheln im Unterholz erkennen und Delu drehte sich abrupt in die Richtung um, doch noch bevor sie erkennen konnte, was diese Geräusche verursachte, surrte ein Pfeil direkt auf sie zu. Von der Wucht getroffen und noch nicht begreifend, was geschehen war, fiel Delu zu Boden und erst da sah sie hinab und erkannte einen Elbenpfeil in ihren Bauch. Sie starrte ihn an, als wüsste sie nicht, was sie vor sich hätte und langsam färbte sich um den Schaft herum alles rot und Delu verließen die Kräfte. Sie lag reglos am Boden und wurde immer blässer und die Schritte, die sich nun näherten, nahm sie nur noch wie ein weites Hallen wahr, konnte aber nicht mehr realisieren, dass diese auf sie zukamen. Schatten legte sich über sie, aber Delu begriff nicht, dass dieser von dem Schützen ausging. Etwas kniete sich neben sie und langsam drehte sie ihren Kopf in Richtung des Elben. Sie sah direkt in sein Gesicht und ihr wurde nur langsam klar, dass es Legolas war. Dass er völlig alleine war, überstieg aber ihre Wahrnehmungskraft. Legolas sah ihr direkt in das blasse Gesicht und selbst die Farbe ihrer Lippen verschwand. Sie rang nach Atem und gab keuchende Geräusche von sich, doch er konnte nicht anders – er lächelte. Er lächelte aus der puren Genugtuung Delu sterben zu sehen. Eine Weile lang sah er sie an, dachte an die letzten Tage und entleerte seine Wut, indem er sein Messer nahm und mit einem Ruck in ihren Brustkorb stieß.

Auf der Lichtung war nur ein kurzes Röcheln zu hören. Alles war still, kein Tier, kein Rascheln der Blätte, einfach gar nichts. Die Stille war betäubend und so kniete der Elbenprinz neben dem Leichnam der Frau. Ihr Kopf kippte mit den geöffneten Augen zur Seite und etwas Blut floss aus ihrem Mundwinkel. Gar keine Regung war in ihrem Gesicht und Delus Augen waren leer und leblos. Man konnte nicht mehr erahnen, welch schöne Bild Delu in den letzten Minuten ihres Lebens vor ihren inneren Auge gehabt hatte. Der Elbenprinz sah auf und erkannte, wie sich der Himmel verdunkelte, und erwartete jeden Moment Regen auf der kleinen Lichtung, auf der er sich mit dem Leichnam befand. Kurzerhand stand er auf und verschwand ins Unterholz.

Ende