Der einzige Ausweg – mein Leben ist ein Alptraum
Die anderen sagen, es ist schön,
Dass du jede Nacht in meinen Träumen weiterlebst.
Sie glauben, es hilft mir,
Dass du jede Nacht mit mir sprichst.
Sie denken, ich freue mich,
Dass du jede Nacht sagst, es tut dir leid, mich verlassen zu haben.
Sie sagen, ein Mensch stirbt erst, wenn man nicht mehr an ihn denkt.
Sie sagen, es ist schön, dass ich noch träumen kann.
Ich möchte nicht mehr an dich denken.
Ich möchte, dass du deinen Frieden findest.
Sie wissen nicht, dass du mir jede Nacht die Schuld gibst.
Sie wissen nicht, dass es Alpträume sind.
„Ich konnte nicht ahnen, dass diese Dursleys dich so behandeln. Aber du musst bei ihnen bleiben. Der Blutschutz…"
Natürlich musste er es gewusst haben. Schließlich wohnte neben ihm Arabella Figg. Und das nicht zufällig. Die musste regelmäßig Bericht abstatten.
Oder Sirius Tod. Harry war sich sicher, dass an der Sache etwas faul war. Seine Freunde trösteten ihn, erklärten ihm, er solle nicht darüber nachdenken, er wäre nicht schuld, es wäre einfach Pech. Aber irgendwas stimmte da nicht. Wieso sollte er nicht darüber nachdenken? Sie waren im Ministerium gewesen, hatte gekämpft. Sirius hatte sich mit Lestrange duelliert, sie hatte ihn mit einem roten Blitz getroffen, und er war rücklings in ein Tor gefallen. Und dann – dann hatte Harry ihn nicht mehr gesehen. Eigentlich, wenn er es genauer betrachtete, hatten sie ihn nicht zu ihm gelassen. Er wusste nicht einmal, wo Sirius Grab lag. Harry stockte. Er wusste nicht einmal, ob Sirius in einem Grab lag. Das war der Haken. Warum hatte er sich nicht von Sirius verabschieden dürfen? Warum? Weil er vielleicht gar nicht tot war? Warum sollten sie das tun?
Nicht nachdenken, ermahnte er sich. Nur keine falsche Hoffnung machen. Er fiel in einen unruhigen Schlaf. Petunia Dursley sah noch einmal nach ihrem Neffen. Er hatte die letzten Tage reichlich verwirrt gewirkt, und sich total zurückgezogen. Es war nicht so, dass Petunia Harry, den Menschen, hasste. Sie hasste Harry, den Zauberer. Der im Moment ziemlich hilflos wirkte, und total abgemagert war. Kein Wunder, nach dem sein Pate gestorben war. Dieser Dumbledore hatte ihr wieder einen Brief geschickt, es täte ihm leid, dass sie sich wieder die Mühe machen müssten, und Harry bei sich wohnen lassen müssten. Sie mochte diesen Zauberer nicht. Aber das war nichts Besonderes. Sie hatte keine Zauberer gemocht, außer vielleicht den kleinen Jungen mit den schwarzen Augen, den Lilys Mann so gehasst hatte. Irgendwie war der anders gewesen. „Deine Welt ist wohl auch nicht so grün, wie sie sein soll, mhhm?", murmelte sie eher zu sich selbst, als sie das Zimmer verlies.
„Das war ein Fehler, Nott. Du bist ein Versager. Crucio", schrie die Gestalt. Der Lichtstrahl traf ihn und er ging zu Boden. Nur nicht schreien, nur nicht schreien. Er biss sich auf die Lippen, bis sie bluteten, aber er spürte es nicht. Alles, was er spürte, waren diese unsäglichen Schmerzen. Der Lord nahm den Fluch von ihm. „Danke, Meister, " keuchte er. „Ich werde deinen Schatz begnadigen, Bella. Avada Kedavra!" Der grüne Strahl raste auf ihn zu.
Schreiend wachte Harry auf. Seine Narbe brannte und sein Körper fühlte sich an, als wäre er gerade in tausende Stücke gerissen worden. Zuerst hatte er geträumt, seine Tante wäre bei ihm gewesen. „Deine Welt ist wohl auch nicht so grün, wie sie sein soll." Und dann diese Vision. Nott war tot. Getötet durch das grausame grüne Licht. „Grün", murmelte er. Das war die Lösung! Der Fluch, der Sirius getroffen hatte, war kein Todesfluch gewesen. Rot! Ein einfacher Stupor!
Entsetzt schrak er hoch. Sirius war noch am Leben. Warum tat ihm das Dumbledore an? Vermutlich aus dem gleichen Grund, warum er Snape auf ihn hetzte. Und warum er ihn zu den Dursleys geschickt hatte. Harry war eine Waffe. Und diese Waffe sollte gefügig werden. Was hatte er noch nicht erfahren? Er wusste nur, dass er hier nicht bleiben konnte.
Wie kam er hier weg? Die Frage war einfach zu beantworten. Gar nicht. Er konnte nicht unbemerkt aus der Tür. Dort patrouillierten sicher dutzende Mitglieder des Ordens. Flohpulver gab es hier nicht, Portschlüssel funktionierten nicht. Und apparieren wäre auch nicht möglich gewesen, falls er es gekonnt hätte. Hermine? Ron? Nein, er konnte ihnen nicht trauen, nach diesen Briefen: Denk nicht darüber nach, Harry. Mach dir keine Vorwürfe.
Er konnte hier nicht weggehen. Was wäre, wenn sie ihn wegbrachten? Harry grinste. Jeder andere Ort wäre einfacher zu verlassen, als dieser hier. In seinem Kopf reifte ein wahnwitziger Plan.
Severus Snape war gerade auf Patrouille um das Haus. Er war sauer, er sollte einen ganzen Tag opfern, nur um aufzupassen, dass Potter nichts passierte. Ein markerschütternder Schrei gellte um 6 Uhr morgens durch den Ligusterweg. Petunia wollte gerade Harry wecken, er solle Duddyschätzchens Geburtstagsfrühstück vorbereiten. Severus stürmte das Haus. Vermutlich war es Fehlalarm und diese dumme Muggel hatte sich an einer Spinne erschreckt. Aber er hatte klare Anweisung von Dumbledore, er solle bei jeder Kleinigkeit nachschauen. Er war da anderer Meinung. Potter würde es besser gehen, wenn nicht jede Eule, nein, jedes Staubflinserl, das in sein Leben trat, kontrolliert werden würde. Aber Dumbledore wäre nicht Dumbledore, wenn er seine Ideen nicht durchsetzen würde.
Diese Dursley stand in der Tür zu Potters Zimmer. Er beschleunigte seine Schritte, einer düsteren Vorahnung folgend. Blut. Überall. Shit, murmelte er. Dann löste er den Notfallalarm des Ordens aus. Harry, nein Potter, hatte eine Nachricht auf die Tapete geschmiert, seine vielleicht letzten Worte mit seinem Blut auf die Wand verewigt.
Ich wurde geboren, ohne dass mich jemand gefragt hätte.
Ich überlebte, ohne dass mich jemand gefragt hätte.
Ich wurde euer Held, ohne dass mich jemand gefragt hätte.
Aber wie ich sterbe, könnt ihr nicht bestimmen!
Am Boden standen noch ein paar Worte, kaum lesbar. Er musste zusammengebrochen sein.
Harry Potter, der Junge der lebt, ist tot. Schade, dass ihr Harry, den Jugendlichen, nicht kanntet. Er hat er…
Das letzte Wort endete an Harrys Handgelenk. Er hörte Schritte. „Hier oben", rief er, und kniete sich über den Jungen. Gott sei Dank, der Puls war noch zu spüren. Fragte sich nur, wie lange noch.
In diesem Moment brachte eine weiße Schneeeule Virginia Weasley einen Brief.
An meine Freundin Virginia:
Wenn du diese Zeile liest, dann glaubst du, du liest sie zu spät. Es ist nicht zu spät, doch es war nie früh genug, um mich aufzuhalten, das zu tun, was ich tun werde. Noch bevor jenem Tag war es beschlossene Sache, darum mach dir keine Vorwürfe. Erinnere dich nicht an Harry Potter, der diese Zeilen geschrieben hat, sondern erinnere dich an mich, den, der geweint hat, als er erkannt hat, dass er diesen Entschluss treffen musste.
Warum jetzt, fragst du dich? Jetzt, wo schon Wochen vergangen sind? Du hast gespürt, dass meine Gelassenheit nur eine Maske war und du hast sie akzeptiert. Du hast gewusst, dass ich noch Zeit brauche. Du hast mich oft angeschaut in letzter Zeit, dein Blick war besorgt und traurig. Ich wollte dich nicht in Erinnerung behalten, wie du damals mit eingefallenem Gesicht und dunklen Augenringen an meinem Bett gesessen bist. Nein, ich behalte dich in Erinnerung, wie du jetzt vermutlich warst. Fröhliche Augen, leuchtende Diamanten, die endlich wieder Hoffnung zeigen. Wir waren so verschieden, niemand hätte verstanden, warum wir uns mochten.
Es waren nur unsere Masken, die verschieden waren, du warst süß und schüchtern, ich war fröhlich und undurchdringlich. Nach innen aber teilten wir dasselbe Schicksal. Wir spielten eine Rolle, die wir hassten, du die kleine Schwester von Ron, das unscheinbare süße Ding. Ich der strahlende Held, der ich nie sein wollte. Zwei Schicksale, so unterschiedlich und doch so gleich. Ich weiß, dass diese Tat egoistisch von mir ist. Du bist die Einzige, die einen Brief erhält, denn du bist auch die einzige, die Harry kannte und nicht nur Harry Potter.
Sag den Lehrern und Ron und Mine, dass ich nicht mehr konnte. Sie werden nicht verstehen. Sag ihnen, sie hatten es nicht sehen können. Sie sollen sich keine Vorwürfe machen.
Ich möchte dir noch ein paar Worte mit auf den Weg geben, in der Hoffnung, dass du sie irgendwann verstehst: Eine Waffe braucht ein Ziel, Virginia. Wenn man ihr einen Krieger als Ziel gibt, wird sie ihn töten. Aber vielleicht versteht sie irgendwann, dass auch der Führer der Waffe ein Krieger ist.
Bewahre diese Worte in deinem Gedächtnis, bis der Zeitpunkt, an dem du sie verstehst, gekommen ist. Ich weiß, dass das bald sein wird.
Ich werde mir jetzt die Pulsadern aufschneiden. Es ist der einzige Ausweg, den ich gefunden habe. Weißt du, ich möchte meine Mum und meinen Dad sehen. Ich möchte Ihnen erzählen, dass du ein besonderer Mensch bist. Heute Nacht stirbt Harry Potter. Und Harry kehrt zu den Menschen zurück, die ihn mögen.
Vergiss mich nicht, Große, in Liebe
Harry
Eines Tages wirst du dich fragen,
was mir wichtiger war.
Meine Freunde, oder mein Leben.
Ich hätte gesagt, mein Leben,
Und ich werde gegangen sein,
ohne dich wissen zu lassen,
dass Du mein Leben warst
Er hörte eine Stimme, die zu ihm sprach. Sie war weich, aber er konnte kein Wort verstehen. Er lauschte ihrem melodiösen Klang, bis er wieder einschlief.
Als er das nächste Mal aufwachte, war alles weiß. Hatten sie ihn etwa doch nicht gefunden? Es war warm hier. Und so weich. Alles war so schön weiß. Im Himmel. Mein Gott, vielleicht war es doch nicht so schlecht, dass sie ihn nicht gefunden hatten. Im Himmel.
Dann trat eine verschwommene Person in seinen Blickwinkel. Ein Engel?
„20 Punkte für Gryffindor, weil du überlebt hast." Definitiv kein Engel. McGonnagal.
„Shit."
„20 Punkte Abzug von Gryffindor, wegen unangemessener Sprache." Snape.
„Severus!"
„Ja, Minerva?"
Harry musste ein Grinsen unterdrücken. Fast wäre sein Plan gescheitert, aber wenn sich McGonnagal und Snape an seinem Krankenbett stritten, hatte alles geklappt. Er blickte auf, sah in enttäuschte, sorgenvolle Gesichter. Dumbledore, Lupin, Weasley,.. der gesamte Orden schien da zu sein. In manchen Gesichtern sah er auch unterdrückte Wut.
Dumbledore blickte seine beiden Hauslehrer strafend an. Harry dachte an Sirius und versuchte, ein paar Tränen zu zerdrücken. Es sollte realistisch wirken. „Nicht mal das schaffe ich." Dann schloss er die Augen und wurde glücklicherweise gleich ohnmächtig. Traumlos – Trank in hohen Dosen war einfach genial. Er war froh, diesen Hinweis in seinem Buch gelesen zu haben.
„Wie habt ihr mich gefunden?"
Es war Kingsley, der ihm antwortete.
„Petunia hat gekreischt. Frage mich, was sie um 6 Uhr in deinem Zimmer wollte."
„6 Uhr? Normalerweise muss ich erst um 7... Duddyschätzchens Geburtstag! Verdammt."
Arthur Weasley blickte fragend drein.
„Duddyschätzchen?"
Harry zog es vor, nicht zu antworten. Der halbe Orden wusste von der Sache, also hatte sich Wiesel gefälligst nicht so blöd zu stellen. Erstaunlicherweise antwortete Snape.
„Sein Cousin. Er hätte wahrscheinlich Frühstück machen müssen. Obwohl, bei Potters Talent für Zaubertränke würde ich ihn das nicht machen lassen."
„Severus!"
„Ja, Minerva?"
„Warum, Harry?", sie hatten Dumbledore diese Frage überlassen. Gut so.
„Weil … ich möchte nicht darüber reden." Harry setzte seine eiskalte Maske auf und widerstand Dumbledores mitleidigem Blick.
„Nun gut, fürs erste werden wir es dabei belassen. Ich vermute, du willst nicht zu deinen Verwandten zurück, darum darfst du hier in Hogwarts bleiben. Du wirst dir einen Raum in den Kerkern aussuchen, die Türme sind in den Ferien nicht sicher genug. Und ich werde einen Zauber über dich aussprechen, der verhindert, dass du dich selbst verletzen kannst."
Harry grinste innerlich. Bei den Kerkern, wo der Geheimgang nach Hogsmeade war. Das war wahrscheinlich eher als Strafe gedacht – Snapes Gegenwart.
„Kerker – aber ich will –"
„Keine Widerworte, Harry. Wir hatten schon genug Ärger."
Ich auch. fügte Harry in Gedanken hinzu.
Sie wissen nicht, dass du mir jede Nacht die Schuld gibst.
Sie wissen nicht, dass es Alpträume waren.
Aus denen ich aufgewacht bin.
In die reale Welt,
die mein schlimmster Alptraum ist,
und niemand kann mich aufwecken.
Sie sagen, es ist schön, dass ich noch träumen kann.
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A/N: Das ist also mein zweites größeres Projekt und das erste große, das ich veröffentlich.. Es wäre nett, wenn ihr mir ein paar rewiews schreiben würdet. Ich brauche nämlich ein paar gute Tipps für Harrys neuen Style. Er verändert sich in den nächsten Kapiteln ziemlich (so ab Kapitel 6, in etwa), menschlich, und auch äußerlich. (Let's go shopping g). Snape wird sowieso ziemlich OOC, darum, wer gute sarkastische Kommentare weiß, bitte schreiben.
(ach ja: Das Gedicht mit den „Eines Tages wirst du mich fragen…" stammt nicht von mir, und lautet im Original vermutlich auch anders – ich habe es aus dem Gedächtnis herausgekramt, und ein bisschen verändert. Ich möchte den Dichter damit nicht beleidigen, oder seine Rechte wegnehmen, oder was auch immer, aber wenn er es will, kann ich es auch löschen. Ich finde nur, das die Worte so schön passen..)
Ach ja, er hat was mit Ginny und ihr nie so richtig gesagt, wie sehr er sie liebt. (ich hatte eigentlich was mit Slash vor, aber dann eine Idee für ein richtiges fluffiges Ende, und na ja, da passen Sirius oder Sevvie nicht so rein seufz Obwohl, wenn jemand eine gute Idee hat, kann man ja noch was machen.
Geplant sind momentan etwa zwanzig Kapitel, davon sind sieben schon sehr weit fortgeschritten (dummerweise hatte ich beim dritten eine neue Idee, und musste ziemlich viel überarbeiten). Ich update in einem Rhythmus von maximal zwei Wochen, und habe mir vorgenommen, bis Ende des Schuljahres die Geschichte abgeschlossen zu haben. Wie man merkt, ignoriere ich Band 6, da er meine Lieblingscharaktere nicht so gut darstellt. Gut, wenn noch Fragen, Fehler, oder Ideen da sind, reviewt bitte. Ich warte auf eure (konstruktive) Kritik.
Liebe Grüße
Jolly
