Vielen Dank für die Kommis! Weitermachen! Ich hoffe, der zweite Teil gefällt.

Draco sah sich abschätzend auf den Burschen unter sich an. Der Baseballschläger von Cassy passte sich gut seiner Hand an, während er ihn nur zur Sicherheit noch einmal hoch über den Kopf schwang, darauf wartend, dass der Eindringling sich wieder erheben würde. Er wartete vergebens. Der Mann lag ausgestreckt da und rührte sich nicht mehr.

„Antworte!" Sein Vater stand mühevoll auf, stütze sich dabei vornüber gebeugt auf die Lehnen seines Stuhls. Sein gesamter Körper zitterte vor Anstrengung.

„Es ist gut Vater."

„Draco?" Lucius ließ sich wieder in den Stuhl zurückfallen. Feine Schweißtröpfchen glitzerten auf seiner Stirn. „Wer war es?"

„Ich weiß nicht." Draco ging neben dem Eindringling in die Hocke und betrachtete seinen Hinterkopf, von dem widerspenstige rote Haare abstanden. „Sieht aus wie ein Weasley."

„Weasley!" Sofort war die Stimme des Alten erhoben, hatte diesen Unterton bekommen, den er immer zur Schau trug, wenn jemand außer seinen Kindern da war. Draco konnte dabei nur die Augen verdrehen. Es wurde Zeit, dass der alte Mann begriff, dass er kein Herr mehr war. „Was tut ein Weasley in meinem Haus?"

„Deinem Haus, Vater?", fragte Draco nachsichtig, ohne darauf zu achten, wie er erbleichte. Stattdessen drehte er den Fremden auf den Rücken und betrachtete sein Gesicht. Es kam ihm merkwürdig vertraut vor, aber vielleicht lag es daran, dass es sich möglicherweise tatsächlich um eines der Weasleybälger handelte. Dennoch…irgendetwas an diesem Gesicht war seltsam. Ohne zu wissen warum, fuhr er die Augenbrauen des Mannes nach, die schwarz waren, die Wangenknochen, die Lippen…

„Was tun wir mit ihm?", fragte Lucius und bemühte sich, seinen Sohn anzusehen. Es endete damit, dass er höchst konzentriert eine Lampe anstarrte. Wenn es nicht so traurig wäre, hätte man darüber lachen mögen.

„Ich werfe ihn raus.", sagte Draco schlicht und nahm den Mann auf die Arme. Sein Körper war immer noch schlaff, der Kopf rutschte gegen seine Halsbeuge und blieb dort liegen. Leichter Atem strich über Dracos Haut, ließ die kurzen Härchen sich aufstellen.

„Der kommt doch wieder! Der bricht wieder ein und diesmal wird er vorsichtiger sein. Wir sollten ihn töten. Du weißt, wie das geht, Junge. Ich hab es dir oft genug gezeigt. Weißt du noch?"

„Ja, Vater. Ich erinnere mich." Er erinnerte sich leider nur viel zu gut an die Zeit, in der Voldemort noch gelebt hatte, in der er selbst zum Todesser geweiht worden war. Die Tätowierung auf seinem linken Arm half ihm dabei, nicht zu vergessen. Und der Anblick seines dahin siechendes Vaters erinnerte ihn immer an die Gegenwart. Cassy an die Zukunft.

„Ich werde ihm seinen Zauberstab abnehmen. Und so windelweich schlagen, dass er es sich zweimal überlegen wird, ob er sich diesem Haus auch nur auf Sichtweite nähert.", sagte Draco und ging mit dem Fremden auf den Armen zur Treppe, trug ihn ins obere Stockwerk und dann noch eines höher, bis unters Dach. Hier gab es nur ein paar Zimmer. In einem davon stand ein großes Bett und auf diesem legte er den Jungen ab. Er blieb noch kurz bei ihm sitzen, strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Er seufzte leise, dann schmunzelte er kurz. „Ich werde dich zwar nicht schlagen, aber wir müssen dennoch einige Vorbereitungen treffen, mein Freund."

Harry erwachte mit einem solchen Hämmern im Schädel, dass er sich ganz instinktiv an den Kopf fassen wollte. Nur, dass das nicht möglich war. Etwas raues, scheuerndes wand sich um sein Handgelenk und surrte sich nur noch fester zu, als er versuchte, seinen Arm zu heben.

Probeweise versuchte er es mit einem Bein und kam zu demselben Ergebnis.

Er stöhnte und hielt die Augen erst einmal geschlossen, ließ die Bilder der vergangenen Nacht vor seinem geistigen Auge neu entstehen und vorbeiziehen. Warum nur hatte er seinen Angreifer nicht gehört? Er weigerte sich schlicht, von demjenigen, der ihn niedergeschlagen hatte, als Draco Malfoy zu denken. Es war schon schlimm genug, dessen Vater zu begegnen. Der ja vielleicht eine Hilfskraft beschäftigte. Oder einfach nur einen neuen Hauselfen. Warum sollte Draco hier sein? Bei einem blinden Vater? Mitten im Nirgendwo?

Gut, also war er von einem Hauselfen niedergeschlagen worden. Aber warum war er gefesselt? Der Untergrund fühlte sich wie ein Bett an. Also war er wohl nicht in Askaban gelandet. Es wäre auch zu peinlich, ein zweites Mal dort zu aufzutauchen. Das letzte Mal hatten die Dementoren ihn wieder hinausgeworfen, als ihnen klar geworden war, dass er sie aussaugte.

Wer hatte ein Interesse daran, ihn in einem Haus auf ein Bett zu fesseln?

Irgendwie hatte er wenig Lust, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.

Stattdessen öffnete er endlich die Augen und blinzelte ins Licht. Das erste was ihm auffiel war, dass er sich immer noch in dem Glashaus befinden musste. Das Dach befand sich genau über ihm, war geschliffen, sodass das Licht sich in zig verschiedenen Variationen brach, in Regenbogenfarben schillerte. Es musste verzaubert sein, ansonsten hätte die Sonne ihm längst eine hübsche neue Hautfarbe beschert.

In dem Raum stand außer dem Bett nichts weiter, dass ihn hätte ablenken können und so kehrte er wieder zu dem zurück, was ihn schon seit Jahren begleitete. Sein Hunger.

Er rumorte in seinem Körper und die Nähe des Flakons machte es noch schlimmer. Das Wissen, dass er hier irgendwo sein musste. Wenn er hier weg kam, konnte er ihn suche, konnte ihn finden, sich seine Macht einverleiben, fühlen, wie sie ihn durchdrang, wie sie ihn noch stärker machte. Es würde durch ihn hindurch fließen, dieses elementare, dieses ursprüngliche.

Harry hatte kein Interesse an neueren magischen Artefakten. Früher vielleicht, nachdem er es zum ersten Mal gekostet hatte, als er Voldemort tötete, seine Macht durch die Narbe in sich aufsog. Die Narbe. Vorsichtig befühlte er seine Stirn, überprüfte, ob das Hautstück, dass er sich jeden Tag neu mit einem Zauber über die Stirn klebte, es ihr anpasste, damit die Narbe nicht zu sehen war, damit ihn niemand daran erkannte. Das heißt, er wollte es befühlen, aber das gelang ihm natürlich nicht. Stattdessen zogen sich die Seile ein wenig fester zusammen.

„Sieh an, du bist wach."

Harry lag augenblicklich stocksteif, schloss die Augen. Das konnte doch gar nicht sein. Warum nur ging immer alles schief, was schief gehen konnte? Warum hasste das Schicksal ihn so? Hatte er vielleicht irgendetwas Schlechtes getan? Oder einfach nur zu viel? War der Bonus, den er wegen Voldemort und eigentlich auch seiner Kindheit gut hatte aufgebraucht?

Warum musste sich ausgerechnet in Draco Malfoys Haus ein Artefakt befinden? Warum?

Gut, die Malfoys gehörten zu den mächtigsten, reinblütigen Zauberern, konnten ihre Linie vermutlich bis auf Merlin, Nostradamus, John Dee oder sonst wen zurückverfolgen, aber was bedeutete das schon? Sie hatten auch mal den Ruf besessen, magische Artefakte geradezu anzuhäufen, aber das war in einem ganz anderen Haus gewesen…Wer konnte ahnen, dass sie nach der ganzen Voldemort-Todesser-Geschichte umziehen würden und auch noch was von ihren mächtigen, unersetzlichen Erbstücken mitschleiften? Das war doch nun wirklich vollkommen abwegig gewesen!

Um es nicht noch auffälliger zu machen, öffnete er widerstrebend die Augen und sah dem zweit schlimmsten Alptraum seiner Jugend entgegen. Er sah besser aus als früher. Lockerer irgendwie. Vielleicht lag es daran, dass er anstatt der Schulrobe nun dunkle Anzugshosen und ein Hemd mit offener Weste trug. Das blonde Haar fiel ihm locker und weich glänzend bis zu den Ohren, hinter die er nun einige Strähnen strich. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln, dass Harry verwirrte. Es war amüsiert. Auf eine…charmante Art beinahe. Auf eine ehrliche Art zumindest. Es war nicht eines von den Lächeln, die ihm früher auf die Lippen gekommen waren.

„Was ist los? Noch nie jemandem ins Gesicht gesehen, den du beklauen wolltest?"

Er kam nun näher und schien ein gewisses Interesse an Harrys Gesicht zu haben, seinen Haaren. Harry wäre gerne zurückgewichen, als er sich vorbeugte und ihm nun ebenfalls die roten Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. „Bist du ein Weasley? Du siehst aus wie einer."

Sein Gesicht war seinem nun ganz nahe, ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. Er musste ihn doch erkennen. Aber dem war nicht so…er hielt ihn für einen Weasley. Genau wie er es eigentlich gewollt hatte. Dass jemand, der ihn fliehen sah, ihn für ein übrig gebliebenes Mitglied des Weasley Clans hielt. Dass es aus nächster Nähe funktionieren könnte, bei jemandem, der ihm aus seiner Schulzeit so vertraut war…

„Ich bin nur nicht daran gewöhnt, von meinen Kerkermeistern angelächelt zu werden." Harry hoffte, dass Malfoy ihn jetzt nicht doch noch an seiner Stimme erkannte. Oder das Stück Haut an seiner Stirn berührte.

„Ah, wir haben Vergleichsmöglichkeiten." Malfoy grinste und lehnte sich wieder zurück. „Und wie heißen wir, Mann der von meinem blinden Vater erwischt wurde?"

„Richard." Harry schwieg einen Augenblick zu lang, ehe ihm einfiel, dass er Draco ja nicht kannte. „Und du?"

„Draco. Freut mich." Er lächelte bedauernd. „Ich würde dir ja gerne die Hand reichen, aber das dürfte sich als problematisch erweisen."

„Nicht, wenn du mich losbindest."

„Ich werde darüber nachdenken."

Damit hatten sich die Smalltalkthemen erst einmal erschöpft. Harry betrachtete das Gesicht von Draco nun noch ein bisschen genauer, das Lächeln vor allen Dingen. Seit wann sah er so freundlich aus? Da war immer noch diese Kälte irgendwo in seinen Augen, dieses Flackern von Vergangenheit, aber alles in allem schien es, als stände dort ein vollkommen anderer Mensch. Der Schalk in seinen Augen… Andererseits amüsierte er sich darüber, wie er hier angebunden auf seinem Bett lag. Vielleicht hatte sich doch nicht allzu viel verändert und seine Masken waren einfach nur raffinierter geworden.

„Was tue ich eigentlich hier?", fragte Harry schließlich, nachdem es ihm doch ein wenig peinlich vorkam, Draco die ganze Zeit einfach nur schweigend anzustarren, während dessen Lächeln, obwohl immer noch nur angedeutet, immer…nun…anzüglicher wurde.

„Du liegst gefesselt auf meinem Bett."

„Ich meinte warum."

„Du bist eingebrochen."

Dagegen war nichts zu sagen, auch wenn es nicht wirklich ein Grund war. Harry dachte weiter darüber nach, wie er hier am besten raus kommen sollte. Seinen Zauberstab hatte er natürlich nicht mehr, aber er konnte ihn wieder zu sich rufen, wenn Malfoy draußen war. Einer der ersten Kniffe die er beim Training für den Kampf gegen den dunklen Lord gelernt hatte. Dann brauchte er einfach nur die Seile durchzubrennen, sich durchs Haus schleichen, diesmal ein wenig vorsichtiger sein, sich den Flakon holen und dieses Haus verlassen, um dieses bizarre Treffen so schnell wie möglich zu vergessen.

„Du siehst gequält aus."

Harry verdrehte die Augen. „Wie mag das wohl kommen? Es hebt meine Stimmung nun mal nicht gerade, an ein Bett gefesselt zu sein."

„Tut mir Leid, aber daran wird sich in nächster Zeit erst einmal nichts ändern. Ich bin nicht daran interessiert, dass du mir mit den Phönixtränen davonläufst." Auf Harrys Blick grinste er nur breit. „Das einzige alte Artefakt in diesem Haus und ich habe mich erkundigt, was in der letzen Zeit so gestohlen wurde…"

Harry nickte und wurde durch diese Aussage ein weiteres Mal daran erinnert, dass er immer noch keine Ahnung hatte, warum ihn der Malfoyspross hier fest hielt anstatt ihn denjenigen zu übergeben, die er beklaut hatte oder ihn gleich eigenhändig zu töten. Und daran, dass er unbedingt diesen Flakon haben musste.

„Tja, ich würde ja sehr gerne noch ein wenig mit dir plaudern, aber ich muss arbeiten. Ich bring dir was zu essen, wenn ich fertig bin."

„Habt ihr keine Hauselfen für so etwas?"

„Wir hatten welche, aber seit mein Vater…nun ja, sagen wir einfach, das letzte magische Vermögen, das uns geblieben ist, ist dieses Haus meiner Mutter."

Nun war Harry verdutzt, doch dann begann er zu grinsen. „Hat man euch also enteignet, nachdem Voldemort gestürzt worden ist?"

Malfoy schien über diesen Seitenhieb nicht sonderlich erbost zu sein, zuckte lediglich gelangweilt mit den Achseln. „Ich hatte nichts anderes erwartet, schon in meiner Jugend nicht. Es ist immer noch selten jemanden zu treffen, der seinen Namen ausspricht."

„Er ist tot.", sagte Harry und hätte sich am liebsten selbst den Kopf abgerissen, wenn er die Hände nur frei gehabt hatte.

„Ja, wohl war. Der Goldjunge hat damals gute Arbeit geleistet…" Draco verstummte und sah einige Augenblicke sehr nachdenklich aus, die Augen unfixiert, als sähe er etwas, das weit, weit entfernt lag. Oder in der Vergangenheit. Harry versuchte so unpotterhaft wie nur möglich auszusehen. Draco durfte ihn nicht erkennen. Es lief doch grad so guuuut…zumindest den Umständen entsprechend. Irgendwie.

„Also, wir sehen uns dann später." Draco klopfte ihm auf die Schulter und verschwand durch die Tür. „Ich bin sicher, du amüsierst dich gut."

„Haha." Harry zog ein sauertöpfisches Gesicht. Als er sich sicher war, dass Draco längst im Erdgeschoss angekommen war, breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ganz bestimmt…auf wieder sehen, Draco."

Er konzentrierte sich, rief den Zauberstab zu sich…doch er kam nicht. Harry stockte, versuchte sich auf die magische Kraft zu konzentrieren, die von dem Holz ausgehen musste, doch sie war nicht vorhanden. Vielleicht hatte Draco ihn zerbrochen… Mit einem flauen Gefühl im Magen spürte er auf den Flakon, aber auch dessen Aura war verschwunden. Nein, nicht verschwunden. Lediglich nicht mehr sichtbar. Nicht für ihn.

Harry konzentrierte sich auf sich selbst, auf die Adern, durch die früher seine eigene magische Kraft geflossen war, später gemischt mit der Voldemorts, mit der unzähliger Artefakte, die er sich einverleibt hatte. Nun war nichts mehr davon zu spüren. Er war leer, ohne jegliche Magie, nur auf seiner Stirn pochte leise der Klebezauber vor sich hin, der nicht ein Leben lang anhalten würde. Harry konnte genauso einen Zauber wirken, wie es sein fetter Cousin gekonnt hätte.

„Draco…du mieser kleiner…." Am liebsten hätte er angefangen zu schreien. Stattdessen starrte er in den Himmel, in gleißendes Licht und unendliches Blau und verlor sich in dem Hunger. Es war kein Hunger mehr, ihm war jegliche Nahrung aus dem Körper gesaugt worden. Harry schloss die Augen und ergab sich in das Gefühl der gähnenden Leere.