So, nachdem der Prolog wahrscheinlich etwas verwirrend war (er wird auch nicht sofort erklärt, sondern lüftet sich erst nach und nach), hier das erste Kapitel, wo die Geschichte eigentlich beginnt. Das heißt, solltet ihr den Prolog noch nicht gelesen haben: Keine Sorge, den Rest hier versteht ihr auch so! Ich hoffe die Story gefällt euch, viel Spaß!
Kapitel 1: Gäste
Kija schlug die Augen auf. Müde streckte sie sich. Ihr Rücken
schmerzte noch vom Vortag, da hatte sie für ihren Adoptivvater
Pegasus, die gesamte Burg auf Vordermann bringen müssen. Er
erwartete diesen Abend Gäste. Sie, Kija, sollte ebenfalls
anwesend sein, warum Pegasus sie diesmal um ihre Anwesenheit bat, war
ihr schleierhaft. Sonst befahl er ihr immer, sich am besten aus allem
raus zuhalten und ja niemandem seiner Gäste über den Weg zu
laufen.
Kija seufzte.
Sie hasste diesen Ort. Allein schon deshalb weil sie sich hier
gefangen fühlte. Seit fünf Jahren, seit sie Pegasus aus dem
Waisenhaus geholt hatte, war sie nicht mehr von dieser Insel, auf der
die Burg ihres Adoptivvaters stand, herunter gekommen. Fünf
Jahre! Sie war nun gerade mal fünfzehn, würde in drei
Monaten sechzehn werden und hatte noch gar nichts von der Welt
gesehen. Sie ging nicht zur Schule und so kam sich Kija dumm und
ungebildet vor. Im Waisenhaus hatte ihre Erzieherin immer gemeint,
wer später zu etwas werden sollte, der müsse sich
anstrengen und solle viel lernen. Kija war fleißig gewesen. Sie
hatte ihre Erzieherin nie enttäuscht. Nie - Aber Kija fühlte
sich schuldig. Sie glaubte damals ihre Eltern schwer enttäuscht
zu haben. Diese waren bei einem Schiffunglück ums Leben
gekommen. Ihr einziger Verwandter, ein Onkel dessen Namen sie nicht
einmal kannte, hatte sie nicht zu sich nehmen wollen und so war sie
ins Waisenhaus gekommen.
Nur spärlich erinnerte sie sich an die letzten Worte, die sie
mit ihren Eltern gewechselt hatte, bevor sie auf ein Rettungsboot
gebracht wurde.
"Kija, beeil dich Kind, hier ist noch ein Platz frei." Ihr
Vater hatte sie hochgenommen und auf den Schoss einer älteren
Dame gesetzt.
Ihre Mutter hatte geweint. "Egal was passiert, sei stark mein
Schatz."
"Was ist? Was hast du?", das hatte sie damals gefragt.
Kijas Mutter hatte nur geweint und ihr einen Kuss auf die Stirn
gedrückt. Dann hatte sie noch etwas in ihre Tasche gesteckt. Es
war ein Ring gewesen. Damals hatte sie es nicht gemerkt, erst im
Nachhinein. "Sei stark ...", die beiden letzten Worte ihrer
Mutter waren das einzige, das Kija am Leben hielten. Sonst hätte
sie schon längst aufgegeben.
Nachdenklich öffnete sie eine Bodendiele, ein Versteck, das sie
sich selbst gemacht hatte. Dort, unter dieser Diele befand sich der
Ring. Ein Erbstück und das einzige Andenken an ihre Familie. Man
hatte Kija alles weggenommen, nicht einmal Fotos hatte sie mit ins
Waisenhaus nehmen dürfen.
Vorsichtig nahm sie den Ring an sich. Plötzlich erinnerte sie
sich an den Traum, den diese Nacht über gehabt hatte. Es war ein
schöner Traum gewesen. Sie war in einer Gruppe von Jugendlichen
gestanden, alle nicht viel älter, wenn nicht so gar gleich alt
wie sie. Alle waren gekleidet gewesen wie Pharaonen aus dem alten
Ägypten. Kija kannte solche Kleidungen aus einem Geschichtsbuch,
das sie im Waisenhaus zu ihrem neunten Geburtstag geschenkt bekommen
hatte. Sie hatten gelacht und Kija selbst, hatte diesen Ring
getragen. Den Ring ihrer Mutter. Sie trug ihn nur selten, fürchtete
sich beinahe vor ihm. Er schien etwas starkes, machtvolles an sich zu
haben und Kija hatte das Gefühl, das sie nicht sie selbst war,
wenn sie ihn trug.
Ihr Adoptivvater wusste nichts von diesem Ring, sie hatte ihn sorgsam
vor ihm geheim gehalten. Sie war sich sicher, wenn sie ihn ihm
gezeigt hätte, dann hätte er ihn ihr weggenommen und Kija
wollte diesen Ring behalten, um alles in der Welt.
Vor vier Jahren war ihr Adoptivvater sehr komisch geworden. Ein Jahr
lang hatte er sie wie ein normaler Vater behandelt, so stellte sich
Kija das zumindest vor. Er war nett zu ihr gewesen, hatte ihr nie
schwere Aufgaben zugeteilt, sondern ihre Bildung gefördert und
ihr geholfen. Doch dann war er auf eine Urlaubsreise nach Ägypten
gegangen und mit einem seltsamen Auge zurückgekehrt. Kija kannte
dieses Auge irgendwoher, aber sie konnte sich nicht mehr daran
erinnern, woher.
Nach diesem Ereignis jedenfalls war Pegasus anders geworden. Er hatte
ein Kartenspiel entwickelt, das sich Duel Monsters nannte. Kija
konnte dieses Spiel nicht leiden. Ihr kam es krank vor, sich
gegenseitig mit irgendwelchen blöden Monstern zu besiegen und
sie hatte nie wirklich viel darüber lernen wollen.
"Kija!", die Stimme Pegasus' hallte durch die große
Burg.
Schnell und erschrocken versteckte Kija den Ring wieder und stand
auf, als Pegasus auch schon eintrat.
"Es ist schon sehr spät und du stehst immer noch in deinem
Nachthemd hier herum?"
"Ich, ... ich, ... Es ist doch erst neun Uhr!"
"Mach dich fertig. Du weißt doch, dass ich Gäste
erwarte."
"Aber ich dachte die kommen erst heute Abend."
"Sie kommen so gegen vier, zum Kaffee, aber du brauchst davor
noch dringend einige Schönheitsmassagen und das ganze Pipapo."
Kija stutzte. Was legte der den plötzlich auf ihr äußerliches
Erscheinungsbild? Das waren doch alles sowieso nur ältere'
Leute. Aber Kija widersetzte sich nicht, sondern ließ sich von
einer Zofe, die auf einen Wink Pegasus' hin eintrat, in ein Bad
bugsieren.
Was dann kam war wirklich völlig unverständlich für Kija, aber sie genoss es. Beautypflege, Fingermaniküre, eine wunderschöne Turmfrisur, eine Massage und tausend andere Dinge, ...
Was es alles für Möglichkeiten gibt, sich hübsch zu machen ...
Kija hatte bisher wirklich keine davon gekannt und dies störte sie auch nicht wirklich. Ein, zwei taten wirklich weh. So z.B. das Wachsen.
Am Ende wurde sie in ein sehr knappes, schnittiges Klein gesteckt. Eine Strähne fiel keck in ihr Gesicht und gab ihr das Jugendliche zurück, ansonsten sah sie eher aus, wie eine richtige Dame. Goldener Liedschatten, der auch noch glitzerte, eine feine Umrandung der Augen mit einem Kajal, schimmernde, saftige rote Lippen und ihr sowieso schon gebräuntes Antlitz, ließen sie wesentlich älter erscheinen, als sie eigentlich war.
"Über zwanzig, ...", das hatte die Zoffe gesagt.
Das Kleid glitzerte bläulich, passend zu ihren Augen. Es war sehr knapp nach unten hin bemessen und hatte oben überhaupt keine Träger und auch noch einen kleinen V-Ausschnitt bei ihren Brüsten. Das wirkte ihrer Meinung nach schon fast zu aufreizend und sie verstand immer noch nicht, was das ganze sollte. Ihre Füße steckten in zierlichen Sandalen, mit einem Megaabsatz, in denen sie kaum laufen konnte. Zwei Ohrringe, die herunterhingen und beide einen blauen Stein beinhalteten, baumelten herab. Kija hatte noch am Morgen ihre Ohren durchstochen bekommen, extra für diesen Abend. Sie saß nun vor einer Kommode und einem Schminktisch, hinter ihr die Zofe und Pegasus, die sie eingehend musterten.
"Perfekt!", meinte die Zofe vergnügt.
"Noch nicht ganz!", widersprach hingegen Pegasus.
Aus einer Jackentasche zog er ein Collier hervor, Silber mit echten Saphiren. Kija starte es nur erstaunt an. Vorsichtig legte Pegasus es ihr um. Sie fasste sich an ihren Hals und berührte die wertvollen Steine.
"Könnt ihr mir sagen, womit ich das alles verdient habe."
Pegasus meinte lediglich: "Ein Vater darf seiner Tochter doch
wohl noch etwas Gutes tun, auch wenn er nur ihr Adoptivvater ist,
oder?"
Trotz dieses freundlichen Satzes, war Kija beunruhigt. Sie hatte
gesehen wie sein linkes Auge, das falsche Goldene, kurz aufgeblitzt
war und auch ein beunruhigendes Grinsen breitete sich auf seinem
Gesicht aus.
"Lass uns allein!", befahl er dann der verwirrten Zofe.
"Das ist nicht alles, nicht wahr?", vorsichtig drehte Kija
sich zu Pegasus um und erhob sich.
Er schüttelte nur den Kopf: "Dumm warst du noch nie, aber
du bist zu naiv, meine Liebe!"
"Wie meint ihr das?"
Langsam zog Pegasus etwas aus seiner Tasche und präsentierte es
ihr dann auf seiner flachen Hand.
Kija schluckte. "Woher habt ihr das?"
"Na von dort, wo du es vor mir versteckt hast." Erneut
blitzte sein goldenes Auge auf. "Dieses Auge ist stark, stärker
als du weist. Mit ihm kann ich in die Köpfe anderer
hineinsehen."
"Das ist krank und wahnsinnig!", Kija sprach ruhig. Ihre
Vernunft hatte das Sagen in ihrem Innern übernommen.
"Glaubst du das? Oder weißt du das?"
Kija schluckte. "Davon bin ich überzeugt."
"Noch, meine Kleine."
"Was wollen sie eigentlich von mir? Dieses Schmuckstück ist
nicht viel wert, warum haben sie es mir weggenommen?""Ich will, dass du heute Abend etwas für mich tust, du
wirst es verstehen, sobald du den Saal betrittst, das schwöre
ich dir und was diesen Ring hier anbetrifft. Du hast Recht, viel Wert
ist er wirklich nicht im Vergleich zu meinen Gegenständen, aber
ich weiß, dass er dir viel bedeutet. Eine Erinnerung, ein
Erbstück, dir wichtiger als alles Gold dieser Welt. Du wirst ihn
wieder bekommen, wenn du deine Aufgabe erledigt hast.""Also benutzen sie ihn als eine Art Druckmittel?", Kija
sprach kühl und unbeeindruckt. Doch ihr Herz raste vor Angst und
ihre Gedanken kreisten sich nur noch um ihre Eltern und diesen Ring.
Sie hatte das ungute Gefühl, das Pegasus dies spürte oder
vielleicht sogar wirklich in ihrem Kopf lesen konnte. Sie
durchschüttelte es bei dieser Vorstellung. Pegasus lachte nur
und drehte sich schon wieder zum gehen um."Sagt mir wenigstens, wen ihr erwartet."
Er lächelte nur. "Die Manager und den Geschäftsführer
der Kaiba Kooperation." Nach diesen Worten ließ er das
verdutzte Mädchen zurück in dem großen Zimmer.
Kija ließ sich auf den Stuhl zurück sinken. Sie dacht nur
noch an diesen einen Namen: Kaiba Cooperation.
Wo hatte sie das schon einmal gehört. Sicher im Waisenhaus, denn
seit sie hier war, hatte sie nie viel ... oder doch. Kija erinnerte
sich nur schwach an ein Zeitungsbild. Ihr Adoptivvater hatte sie
einst in einem Raum liegen gelassen, den Kija hatte putzen sollen.
Das war erst vor einem halben Jahr oder so gewesen. Damals war ihr
ein Bild in die Augen gestochen, das zu dem Artikel, Kaiba
Cooperation geht an die jüngere Generation über' gehört
hatte. Den Jungen auf dem Bild hatte sie gekannt, er war früher
auch in diesem Waisenhaus gewesen, wurde allerdings früher
adoptiert wie sie. Trotzdem war ihr immer noch schleierhaft, was
Pegasus nun von ihr wollte.Plötzlich klopfte es und die Zofe trat ein. "Miss, sie
sollen nun kommen."
Kija warf einen Blick auf die Uhr. Vier. Ach ja, die kamen ja
nicht nur zum Abendessen, sondern bereits zum Kaffee.
Die Zofe führte Kija eine große Treppe hinunter, vor ein
großes Eichenportal, vor dem Pegasus bereits auf sie wartete.
Während dem Laufen flüsterte die Zofe Kija einige Tipps zu:
"Immer schön aufrecht sitzen und laufen, Kinn nach oben,
habt am besten einen hochnäsigen Blick drauf, immer mit dem
Absatz und den Ballen gleichzeitig aufkommen, Absatz höchstens
ein bisschen früher. Esst langsam und schlingt ja nicht, benehmt
euch wie eine grazile Dame."
Kija rauchte davon der Kopf. Wo sollte das nur hinführen? Ihr
Onkel bot ihr einen Arm an, Kija sah ihn verwirrt an, was wollte er
denn?
"Einhaken", hustete die Zofe leise.
Kija tat, was sie gesagt hatte. Die großen Portale öffneten
sich und Kija trat an der Seite von Pegasus in den Raum ein. Ihr Herz
klopfte laut und Angst stieg in ihr empor. Da saßen sie, an der
langen Tafel, zu sechst. Zwei Stühle am anderen Ende des Tisches
waren noch frei. Pegasus drückte sie auf einen Stuhl nieder,
gegenüber dem jungen Geschäftsführer. Er selbst setzte
sich an das Ende der langen Tafel und hielt erst einmal eine Rede,
bei der Kija nur mit halbem Ohr zu hörte. Sie war viel zu
beschäftigt, damit herauszufinden, was sie hier tun sollte. Sie
wollte schließlich ihren Ring wieder haben. Ihr Blick war sehr
glasig und sie starrte die ganze Zeit über durch ihre Gegenüber
hindurch. Erst als ihr Name ertönte horchte sie auf.
"Das ist meine Tochter Kija, falls ihr euch schon gefragt habt,
wer diese Schönheit sei."
Kija lächelte in die Runde, sie wollte nicht unhöfflich
erscheinen.
"So und nun hoffen wir mal, das unsere Verhandlungen glimpflich
ablaufen."
Verhandlungen? Welche Verhandlungen?
"Ach ja, Kija, ich sollte dir diesen jungen Mann hier vielleicht
auch einmal vorstellen", meinte ihr Adoptivvater plötzlich
mit übertrieben freundlichen Ton. "Das ist Seto Kaiba, der
Geschäftsführer der Kaiba Cooperation."
Er verzog keine Miene, sah sie nur mit einem sturen, eiskaltem Blick
an, nickte aber. Kija erwiderte den Gruß, lächelte aber
noch dazu.
Kurz darauf entstand eine fröhliche Diskussion, bei der Kija leider nur die Hälfte verstand. Es ging anscheinend um dieses ach so tolle Kartenspiel. Sie schwieg die meiste Zeit über, ebenso wie Kaiba, der nur dann und wann eine karge Antwort von sich gab. Er musterte sie, sah sie nun schon die ganze Zeit über an. Kija war nicht wohl in ihrem Innern. Sie verstand immer noch nicht, was Pegasus von ihr wollte.
