Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Zehntes Kapitel
Der Brunnen der kleinen Gemeinheiten
Nach so einer anstrengenden Woche waren sich Sirius und James einig, am Wochenende nichts anzustellen.
Ganz im Gegenteil, kaum hatten sie die Theoriestunde in Astronomie am Nachmittag hinter sich gebracht, zogen sie sich vorbildlich, wie die meisten anderen Schüler, in ihren Gemeinschaftsraum zurück.
Aveimperatore hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Sirius zu anderen Lehrern – meistens Brewpot – loszuschicken, wenn er sich an eine Sage nicht mehr erinnern konnte und so war Sirius mindestens fünf mal losgeschickt worden, um unter anderem die Sagen der Sternbilder ›Lupus‹, ›Drakon‹ und ›Cygnis‹ zu erfragen, weshalb er nun ohnehin viel zu kaputt war, um irgendetwas anzustellen.
Der Gemeinschaftsraum war bei diesem Wetter, welches mal wieder zu regenpeitschenden Winden umgeschlagen hatte, natürlich rappelvoll.
Sirius ließ sich seufzend in einen der wenigen freien Sessel sinken, die Blicke der anderen, die ihn noch immer trafen missachtend, und wärmte sich die Füße am Kaminfeuer.
»Einfach mal ausspannen«, seufzte er, »keinen Stress…«
Doch noch in derselben Sekunde machte ihm der übereifrige Verstrauensschüler einen Strich durch die Rechnung, weil der mit einer großen Pergamentrolle unter dem Arm in den Gemeinschaftsraum stürmte.
»Kinder, hört mal alle her! Ich habe hier einen Kalender!« Er rollte das Pergament auf und heftete es an die Wand neben dem Kamin, wo schon ein Aushang für alle älteren Schüler hing, die an diesem Samstag mal wieder ein Hogsmeade-Wochenende hatten.
Ein paar Zweit- und Drittklässler sahen sich verstört an, wahrscheinlich weil sie sich unsicher waren, ob der ÜV auch sie mit ›Kinder‹ gemeint hatte.
Zwei Fünftklässler, die mit dem ÜV in einer Jahrgangsstufe waren, verdrehten nur die Augen und wandten sich dann wieder unbeirrt ihrem Gespräch zu.
Die meisten Erstklässler jedoch hingen dem ÜV gespannt an den Lippen und warteten weitere Erklärungen ab. Einige starrten den Vertrauensschüler erwartungsvoll an, andere besahen sich neugierig das Pergament.
Auch Sirius' Augen irrten zu der knallig roten Leuchtschrift, die in springenden Buchstaben verkündete: »GEBURTSTAGSKALENDER«.
Noch bevor der Vertrauensschüler weiter sprach, wusste Sirius, dass er schon wieder viel zu tief in diesem ganzen Gryffindormist drinsteckte.
Auch James schien etwas Ähnliches gedacht zu haben, denn er stupste Sirius an und hauchte: »Was ist denn das für ein Müll?«
Der ÜV allerdings betrachtete sein Werk mit einem äußerst zufriedenen Grinsen und fuhr schließlich fort: »Tragt bitte alle heute noch eure Geburtstage ein, damit wir immer wissen, wann wir was zu feiern haben!«
»Freaks«, murmelte Sirius, als er sah, wie sich Sekunden später alle Erstklässler um den Kalender drängten. Sirius und James schauten ihnen eher skeptisch dabei zu, wie sie nach und nach glücklich zu ihren Plätzen zurückkehrten.
Schwerfällig erhob sich schließlich auch James, um prüfend an den Kalender zu treten. »Wir müssen uns da schon auch eintragen, oder?«, fragte er unwillig.
Sirius knurrte nur und warf seinem Kumpel eine Schreibfeder zu, die er auf einem Tisch herumliegen sah, ohne sich darum zu kümmern, wem sie gehörte, da seine eigene immer noch nicht wieder aufgetaucht war. »Schreib mich mit ein, ja?«, bat er genervt.
James setzte schon die Feder an, dann schien er aber auf die zentrale Frage zu kommen und drehte sich wieder zu Sirius um: »Wann hast du eigentlich Geburtstag?«
»Dreizehnter August«, knurrte Sirius nur, woraufhin James für Sirius ein ›S.‹ in das Kästchen des 13. August und für sich selbst ein ›J.‹ in den 31. März schrieb.
James wollte sich schon wieder setzen, da fiel sein Blick noch einmal auf den Kalender und seine Kinnlade klappte ihm herunter, woraufhin er Sirius hektisch zu sich winkte. »Sieh mal hier! Mist«, fluchte er schon, bevor Sirius Remus' Namen in dem Kästchen des kommenden Sonntags entdeckte.
»Oh«, stellte Sirius nur fest und schlurfte wieder zu seinem angestammten Platz in der Nähe des Kamins, bevor sich noch jemand anderes dort niederließ. James starrte ihn einen Moment lang ungläubig an, ehe er ihn am Kragen packte und zum Kalender zurückzog.
»Komm schon, er ist unser Freund! Wir müssen ihm was schenken«, raunte er mit gedämpfter Stimme, damit Remus, der Peter gerade in der gegenüberliegenden Ecke irgendetwas erklärte, was der mal wieder nicht kapiert hatte, sie nicht hören konnte.
»Freund! Bestenfalls entfernter Bekannter«, blaffte Sirius, der schon wieder drauf und dran war, sich zu setzen, da drängte James ihn verzweifelt: »Wenn's dich glücklich macht, dann nimm Peter seine Katze weg und schenk sie Remus, aber tu wenigstens was!« In diesem Moment sprang Charles an den Jungs vorbei und kuschelte sich in Remus' Schoß.
»Die brauch ich nicht mehr zu klauen«, stellte Sirius kopfschüttelnd fest.
»Ja, und was machen wir jetzt?«, hakte James nach.
»Die Frage ist eher, was machst du jetzt? Ich beteilige mich an deinem Geschenk.«
Sirius kramte in seinen Umhangtaschen nach einer Galleone, die er schließlich seinem Kumpel lässig zu schnippte. James runzelte unterdessen nachdenklich die Stirn, während er das Geldstück geistesabwesend zwischen den Fingern drehte.
Plötzlich, als er Richtung Geburtstagskalender stierte, klärte sich seine Miene auf. »Ich hab's! Morgen ist doch Hogsmeade-Tag.« James glänzte Sirius an, wobei er auf den Aushang am schwarzen Brett wies. »Wir schließen uns ein paar Drittklässlern an und besorgen im Dorf was!«
»Regelbrechen? Abgemacht!« Sirius grinste und ließ sich zufrieden in seinen Ohrensessel fallen.
Sirius lugte um die Ecke einer Säule in die Eingangshalle, in der sich schon die Dritt- bis Siebtklässler versammelten, um sich von Pringle auf einer Liste abhaken zu lassen, damit sie nach Hogsmeade gehen konnten, denn nur wer die Unterschrift seiner Eltern oder seines Vormundes vorzuweisen hatte, durfte mitgehen.
Nun zog James Sirius am Umhang hinter ihre Deckung zurück.
»Hey, nicht so auffällig«, zischte er, trat im selben Moment allerdings einen Schritt vor, um selbst vorsichtig zu schauen.
Sirius blickte über seine Schulter und flüsterte verschwörend: »Okay, und jetzt ab durch die Mitte!« Damit huschten sie unauffällig hinter die nächste Säule, die näher am Ausgang und den älteren Schülern lag.
»Das war jetzt aber nicht die Mitte«, keuchte James, der nach dem kurzen Sprint schon außer Atem war.
Da es auf ihrem Weg zur Tür keine weitere Säule mehr gab, mischten sie sich nach einem letzten Spurt unter die viel größeren Schüler.
Langsam aber stetig bewegten sie sich auf Pringle und seine Liste zu. Hier war ein solcher Tumult, den besonders die Drittklässler veranstalteten, die zum ersten Mal nach Hogsmeade gingen. Sie gingen davon aus, dass sie, vor allem bei ihrer Größe, wohl keine Probleme haben würden unter Pringles Nase vorbei nach draußen zu entwischen.
Sirius' Augen fixierten sich auf das Schülerverzeichnis in der Hand des Hausmeisters, von dem ihn nur mehr zwei Schritte trennten, als James ihn anstieß und warnend flüsterte: »Achtung, die McGonagall!«
Doch da war es schon zu spät, denn Sirius konnte sich nur noch umdrehen, als er auch schon Auge in Auge mit der Schreckschraube stand. »Potter! Black! Was haben Sie denn nun schon wieder vor?«, raunzte die Hauslehrerin misstrauisch.
»Wir wollten den anderen nur Tschüß sagen«, fiel Sirius rechtzeitig ein, im selben Moment, da James unglücklicherweise log: »Wir wollten etwas frische Luft schnappen!«
Die sonst so strenge McGonagall konnte sich ein Lächeln nicht ganz verkneifen, da es anscheinend doch noch Schüler gab, die sich in ihren eigenen Lügen verstrickten, und fragte schmunzelnd: »Ja, was denn nun?«
Schnell tauschten die Jungs einen Blick und meinten dann gleichzeitig: »Beides!«
Gerade änderte sich McGonagalls Miene wieder zu der gewohnten strengen Maske und sie wollte ihre Standpauke schon beginnen, da fiel ihr Sirius ins unausgesprochene Wort: »Aber da wir uns jetzt von unseren Freunden verabschiedet haben…«
»Und das Wetter sowieso nicht 100-ig nach unserem Geschmack ist…«, fuhr James fort. »Haben wir eben beschlossen, in unseren Gemeinschaftsraum zurückzukehren…«
»Weil es da eh viel gemütlicher ist…«
»Zum Lernen…«
»Für Verwandlung…«
»Unser absolutes Lieblingsfach…«
»Schönen Tag noch!« Damit drehten sich die beiden um und stürmten die Marmortreppe hinauf, damit die Hauslehrerin von Gryffindor ihnen keine Punkte abziehen oder ihnen gar Strafarbeit geben konnte.
»Toller Plan mit den Drittklässlern«, schnauzte Sirius, als er sich missgelaunt in seinen Stammsessel fläzte.
»Was kann…« Sirius bekam nicht mehr mit, was James zu seiner Verteidigung zu sagen hatte, denn er folgte mit dem Blick Charles, der auf der Suche nach Remus zwischen den verbliebenen Erst- und Zweitklässlern durch den Gemeinschaftsraum sauste.
»Wo ist der eigentlich?«, murmelte Sirius in Gedanken.
»Was? Wer?«, hakte James verwirrt nach.
»Remus.«
»Hat Peter in die Bibliothek geschleift«, antwortete James, sichtlich erleichtert, dass Sirius nicht mehr sauer auf ihn war. Bevor sie ihre Unterhaltung allerdings fortsetzen konnten, ließ sich Andrew gegenüber in einen Sessel fallen. »Na, warum lernt ihr denn nicht fleißig Verwandlung?«, grinste er.
»Hä? Warum sollten wir denn Verwandlung lernen?«, hakte Sirius verständnislos nach.
»Ich habe eben die McGonagall getroffen und die hat mir aufgetragen, euch ans Verwandlung Lernen zu erinnern«, lachte der Siebtklässler schadenfroh.
»Wieso bist du eigentlich nicht in Hogsmeade und belästigst stattdessen ahnungslose und unschuldige Erstklässler?«, knurrte Sirius genervt.
»Hey, werd mal nicht unverschämt! Ich könnte nämlich zur McGonagall gehen und ihr petzen, dass ihr nicht lernt«, schmunzelte Specter nun, »Aber wenn ihr für mich in die Bibliothek geht und den Knochenwachstrank nachschlagt, dann könnte ich mich eventuell überreden lassen, dicht zu halten.«
»Fieser Erpresser«, murmelte Sirius und erhob sich, um kurz darauf mit James den Gemeinschaftsraum zu verlassen, weniger um Specter wirklich diesen Gefallen zu tun, als eher um Specters ekelhaft guter Laune zu entkommen.
In wütendem Schweigen stampften sie die Korridore zur Bibliothek hoch, doch auf halbem Weg hielt Sirius die Erniedrigung nicht mehr aus.
»Jetzt müssen wir auch noch für Siebtklässler die Sklaven spielen und irgendwelche Hausaufgaben nachschlagen«, sauer trat er gegen einen mannshohen Spiegel, der an der Wand festgemacht war. Der Rahmen vibrierte sacht und jäh sprang eine versteckte Tür hinter dem Spiegel auf.
James, der anscheinend ohne etwas zu merken weitergelaufen war, stimmte ihm zu: »Genau, für gewöhnlich schlagen wir nicht mal unsere eigenen nach!«
»Darum geht's doch gar nicht! Schau mal da«, rief Sirius ihn zurück, wobei er auf den neu entdeckten Geheimgang deutete. James zog souverän ein Pergament aus der Tasche und notierte darauf: ›4. Korridor, Geheimgang hinter Spiegel‹. Sirius rümpfte die Nase, als er seinem Kumpel über die Schulter blickte. »Was machst du da eigentlich?«
»Ich schreibe die Geheimgänge auf, sonst vergessen wir vielleicht noch einen«, zuckte James nur die Schultern.
Sirius wandte sich wieder ihrer neuen Entdeckung zu und blickte gespannt ins Dunkel hinter den Spiegel. Anschließend trat er einen Schritt zurück und sah nochmals den Korridor auf und ab, ob auch niemand in der Nähe war, der sie beobachten konnte, ehe er James entschlossen in den Geheimgang schubste.
»Und? Wie ist es da drin so? Irgendein Monster?«, erkundigte sich Sirius neugierig.
»Etwas stickig. Hat wohl schon lange niemand mehr benutzt. Aber ansonsten monsterfrei…«, klang James' Stimme dumpf zu ihm nach draußen, doch plötzlich empörte sich sein Kumpel: »Willst du mich etwa loswerden, oder was?«
Ohne darauf einzugehen, folgte Sirius ihm in die Finsternis und zog den Spiegel vorsichtshalber hinter ihnen zu. Nun konnte er erst einmal gar nichts mehr sehen, weshalb er ratlos fragte: »Na toll, und jetzt!«
Er hörte James' ärgerliche Stimme antworten: »Und du nennst uns immer Freaks?« Und mit einem »Lumos« entzündete er seinen Zauberstab. In dem spärlichen Licht, das dieser warf, erkannte Sirius ein Grinsen auf James' Gesicht.
»Freak!«, murmelte er, ließ ebenfalls seinen Zauberstab leuchten und schritt an ihm vorbei den alten Steinboden entlang ins Ungewisse.
Es kam ihnen vor, als liefen sie eine halbe Ewigkeit schweigend nebeneinander her durch den doch recht geräumigen Gang, ehe James wieder das Wort ergriff: »Und denkst du, der verpfeift uns trotzdem?«
»Ach, das Zeug schlagen wir einfach später nach, das hier ist jetzt wichtiger. – Da!« Sirius war abrupt stehen geblieben, weil er ein Licht am Ende des Tunnels entdeckte, »Ich glaub, wir haben den Ausgang gefunden!«
Sirius deutete auf ein altes Eisentor, unter dessen Türspalt ein hauchdünner Lichtstreifen durchschien. Er näherte sich ihm vorsichtig und warf sich, in der Erwartung, dass es verschlossen wäre, mit aller Kraft dagegen.
Allerdings sprang die Tür sofort auf und Sirius landete im Matsch am Grunde eines Brunnenschachtes. Hinter ihm begann James hemmungslos zu lachen.
Sirius rappelte sich fluchend auf und bückte sich nach seinem Zauberstab, der ihm aus der Hand gefallen war und den er sogleich am Umhang abputzte, um ihn wieder einzustecken. Als er sich umdrehte, sah er, dass auch James in den Brunnenschacht trat, seinen Zauberstab wegsteckte und sich prüfend umblickte.
»Und wie sollen wir jetzt da hoch kommen?«, fragte James planlos. Sirius ließ schnell seinen Blick in dem hoch aufragenden, runden Loch umherschweifen und deutete fast augenblicklich auf in die Wände eingelassenen Eisensprossen. Er nickte genervt hinüber und stieg diese dann als erstes empor.
»Wo sind wir eigentlich?«, fragte James von unten, als Sirius gerade über den Brunnenrand spähen konnte.
»Hogsmeade«, knurrte Sirius, wobei er auf die Straße trat.
Unten jubelte James los: »Was! Hogsmeade! Toll, da können wir ja gleich das Geschenk für Remus besorgen!«
Damit kletterte auch er aus dem Brunnen zu Sirius, der nur die Augen verdrehte und bemerkte: »Hast du etwa Geld eingesteckt?«
Allerdings konnte Sirius seine üble Laune nicht mehr aufrechterhalten, als sie die ersten Geschäfte passierten, in denen die älteren Hogwarts-Schüler schon fleißig ihre Einkäufe tätigten.
»Hey, wir können uns doch einfach ein wenig Gold von jemandem borgen«, überlegte James, als er einen Drittklässler aus Gryffindor erkannte, der ihnen entgegenkam.
»Super Idee«, grinste Sirius schelmisch. Er zückte seinen Zauberstab, wartete, bis der Drittklässler auf gleicher Höhe war und murmelte dann: »Accio Galleonen.«
Im nächsten Moment flogen fünf Goldstücke aus der Umhangtasche des Schülers in Sirius' ausgestreckte Hand, die er sogleich in seiner eigenen Tasche verschwinden ließ. James starrte ihn ungläubig an und meinte, als der Drittklässler außer Hörweite war: »Sag mal, spinnst du jetzt völlig? Ich sagte borgen, nicht klauen!«
Sirius hob eine Augenbraue und stellte gelassen fest: »Wir hätten ihn ja schlecht persönlich ansprechen können, oder hast du vergessen, dass wir Erstklässler sind?«
»Oh Schreck, oh ja, das war mir doch glatt entfallen! Wir sind ja keine Siebtklässler«, erwiderte James höchst sarkastisch.
»Wir können ihm ja einen Lolli mitbringen«, zuckte Sirius die Schultern, bevor er ein Geschäft namens›Buy the opposite‹ zu ihrer Rechten betrat.
Sirius ließ seinen Blick einmal schnell durch den Laden schweifen, ehe er schnurstracks auf ein Regal mit Zuchtkästen für lachende Ameisen zutrat, sich eines dieser Dinger nahm und schon zur Kasse gehen wollte, als James ihn empört zurückhielt:
»Was wird das denn jetzt? Willst du diese fünf Galleonen so schnell wie möglich für den allergrößten Scheiß, den du finden kannst, rausschmeißen? Dann nimm doch gleich noch dieses ›Tinten schluckende Heft‹ dahinten oder die ›unbrennbare Kerze‹ für zwei Galleonen. Dafür hat sie auch einen ›garantiert unsilbrigen Schimmer für alle Abende zu zweit‹.«
Sirius drehte sich nur schulterzuckend um, stellte die lachenden Ameisen neben ein ›nicht bedrucktes Poster‹, grabschte sich eine ›nicht Fleisch fressende Pflanze‹ aus dem Regal darüber und versuchte wiederholt zur Kasse zu gelangen. Doch abermals traf er auf den verständnislosen Blick James'.
»Was ist denn jetzt schon wieder? Ich dachte, wir wollten ein Geschenk für Remus kaufen! Sonst hab ich mir das Geld ja ganz umsonst geborgt«, meinte Sirius genervt.
»Aber doch nicht so was Stilloses!«
»Sondern?« Sirius versuchte schon gar nicht mehr, James' verwirrende Gedanken zu ergründen.
Was war so schwer daran, schnell in einen Laden hineinzugehen, noch schneller irgendetwas zu kaufen und mit Höchstgeschwindigkeit wieder hinauszuspurten!
Als er nicht sofort eine Antwort erhielt, pfefferte er die Pflanze neben eine ›ewigkalte Heizung‹ und raunzte mit beleidigt verschränkten Armen: »Bitte, wenn du denkst, du hast bessere Ideen, nach dir!«
Nach einer Viertelstunde mit vielen »Nein« und »Ach, das ist wohl besser als meine Ameisen?« gab sich James schließlich geschlagen: »Okay, versuchen wir's woanders!«
Nachdem sie weder in »Zonkos«, einem Scherzartikelladen, noch im »Honigtopf« (James: »Wir können ihm doch nicht nur Süßigkeiten schenken!«), noch im »Antiquariat für Quidditchliebhaber«, noch in »Schreiberlings Federladen« (wo Sirius allerdings als Werbegeschenk eine Schreibfeder umsonst bekam, die seine Verschwundene endlich ersetzte, auch wenn es ein Billigexemplar war, das sicherlich nach zweimaliger Benutzung kaputt gehen würde), fündig geworden waren, betraten sie die »Bibliothek für ungewöhnliche Leser«.
Sirius ließ sich zwischen zwei Regalen nieder und rieb sich theatralisch die Füße, während James begeistert alle Regale abklapperte. »Ein Buch, natürlich, dass wir nicht früher darauf gekommen sind«, murmelte er, als er ein Buch aufklappte.
Sirius raffte sich schwer seufzend auf und blickte letztendlich doch über James' Schulter. »Also das brauchst du der Leseratte aber nicht zu schenken«, merkte er an, als er den Titel »Lektüre für Lesfaule« las und feststellte, dass dieses Buch ›jeden Tag ein Wort‹ preisgab. Er griff wahllos in eines der Regale und zog ein Buch mit dem Titel ›Die Unendliche Geschichte‹ heraus.
Er überflog kurz den Buchdeckel und erklärte dann stolz: »Hey, das Buch geht nie zu Ende! Es kriegt immer wieder Seiten dazu! Das ist doch das perfekte Geschenk!«
»Und wie viel kostet es?«, wollte James wissen, dem es anscheinend gar nicht gefiel, dass Sirius diesen Glückstreffer gelandet hatte. Sirius blickte auf das kleine Preisschild auf dem Buchrücken und triumphierte: »Genau 4 Galleonen und 16 Silbersickel. Das heißt, dass uns genau ein Silbersickel bleibt.«
»Was stehst du dann noch hier herum? Geh endlich bezahlen«, befahl James angefressen.
»Oh«, bemerkte Sirius trocken, als ihm die Zukunftsvorhersage wieder einfiel, in der er Remus eben dieses Buch hatte lesen sehen.
»Was?«, hakte James noch immer etwas säuerlich nach.
»Das können wir ihm nicht schenken! Das hat er gelesen, als wir uns in der Zukunft selbst gesehen haben«, erklärte Sirius schlicht und stellte das Buch wieder zurück in das Regal.
James allerdings sah ihn verständnislos an. »Na und? Das wird er wohl gelesen haben, weil wir es ihm geschenkt haben, oder?«
Sirius, der fand, dass es keinen Sinn hatte, James zu erklären, dass das die Gelegenheit wäre, diese alberne Zukunftsvorhersage (oder was das auch gewesen sein mochte) nicht eintreffen zu lassen, holte also das Buch ein zweites Mal heraus, einfach aus dem Grund, weil es so leichter war, als mit James eine Grundsatzdiskussion anzufangen.
Als Sirius seine fünf Galleonen über den Ladentisch reichte, gab ihm die Verkäuferin 29 Knuts zurück. »Soll das ein Scherz sein?«, empörte sich Sirius trocken.
»Tut mir Leid, mein Junge, aber mir sind die Sickel ausgegangen«, gab die Hexe zurück.
Kopfschüttelnd drehte Sirius sich zu James, um zur Tür zu gehen. Noch im Hinaustreten regte sich Sirius auf: »So ein Saftladen! Der macht bestimmt bald zu bei dem Kundenservice!«
»Dann jetzt noch der Lolli und dann sollten wir uns schleunigst beeilen, zurück nach Hogwarts zu kommen, bevor es noch auffällt«, überging James den Kommentar.
Auch als sie später mit dem Lolli aus dem »Honigtopf« traten, meckerte Sirius: »Halsabschneider! Jetzt haben die uns für so ein popeliges Ding doch glatt 28 Knuts abgeknöpft! Also wenn das Ding noch steht, wenn unsere Kinder mal nach Hogwarts gehen, dann fress' ich einen Behälter lachender Ameisen!«
»Reg dich doch nicht über jeden Mist auf«, winkte James ab, als sie nebeneinander einen Hügel hinaufgingen.
»Die Heulende Hütte ist ja so gruselig«, hörten sie nun ein Hufflepuff-Mädchen zu einer Ravenclaw sagen, die zusammen den Hügel hinab liefen.
Sirius und James wechselten nur einen Blick, bevor sie ihre Schritte den Berg hinauf beschleunigten. Der erste Eindruck, den Sirius von der als ›gruselig‹ bezeichneten Heulenden Hütte hatte, war der einer langweiligen verstaubten Ruine. Er blickte sich um, wie in der Hoffnung, doch noch irgendwo die echte Heulende Hütte zu finden.
»Das ist jetzt 'ne Verarschung, oder?« Hilfesuchend drehte er sich zu James um, der seinen Blick genauso enttäuscht erwiderte. Damit gab sich Sirius allerdings noch nicht zufrieden, sondern er wandte sich an den nächsten vorbeikommenden Zauberer: »Entschuldigung, aber das ist doch nicht die Heulende Hütte, oder!«
Der Mann beugte sich ganz nah zu den zwei Jungs hinunter und hauchte geheimnisvoll: »Doch, doch, Jungs, ist ganz schön Furcht einflößend, was? Ich wohne jetzt schon seit 47 Jahren in diesem Dorf und ich kann euch sagen, hier hat es noch nie so gespukt, wie in den letzten paar Monaten, seit diese Hütte gebaut wurde! – Man munkelt, dass die Gespenster sie persönlich erbaut haben!« Noch immer ängstlich umherspähend ließ er die beiden alleine.
Ohne nochmals auf den verrückten Fremden zurückzukommen, fragte James ungläubig: »Entschuldigung! Hast du Entschuldigung gesagt!«
Sirius, der sich inzwischen wieder gefangen hatte, erwiderte etwas zu hastig: »Nein! Da musst du dich wohl verhört haben!«
Da James ihn noch immer misstrauisch beäugte, fügte er überzeugt hinzu: »Also wirklich! Langsam müsstest du mich doch gut genug kennen, um zu wissen, dass mir das Wort Höflichkeit fremd ist!« Damit drehte er sich um, packte James am Arm und zog ihn hinter sich die andere Seite des Hügels wieder hinunter. »Höflichkeit! Was soll das überhaupt sein?«
Aus lauter Verlegenheit griff er in seine Tasche und zog den übrig gebliebenen Knut daraus hervor, um nervös damit herumzuspielen.
In dem Augenblick stupste ihn James an und deutete auf ›Die Drei Besen‹, aus denen gerade Lucius Malfoy in Begleitung eines attraktiven Mädchens trat.
»Das kann ja wohl nicht wahr sein! Die steht doch unter dem Imperius-Fluch«, regte sich Sirius sofort neidisch auf.
»Unter wem?«, hakte James nach.
»Ach! Sie gehorcht blind all seinen Befehlen«, erklärte Sirius kurz angebunden, der sich von daheim aus mit verbotenen Flüchen auskannte.
»Wenn die wüsste, wie gut ich später mal ausseh', würde sie sich nicht an diese Ratte da ranmachen! Ich wünschte, er würde sich bis auf die Knochen vor ihr blamieren!« Wütend schnippte er den Knut, den er immer noch in der Hand gedreht hatte, in den Brunnen, hinter dem sie vorsichtshalber in Deckung gegangen waren.
Zu seiner großen Überraschung lag Malfoy in der darauf folgenden Sekunde im Matsch.
»Du, Sirius, hab ich mich da eben getäuscht oder war das eine Fata Morgana? Da war doch gerade noch gar kein Matsch, in den er hätte fliegen können«, hauchte James baff.
Aber damit noch nicht genug: Als Lucius sich wieder aufrappeln wollte, rutschte er ein weiteres Mal aus, klammerte sich hilfesuchend an dem Mädchen fest und zog sie mit sich in den Matsch. Sie schrie auf und trommelte wütend auf seinen Rücken ein (»Wäh, das war mein bestes Kleid!«), während Sirius und James sich vor Lachen nicht mehr halten konnten. Allerdings war das Glück Lucius jetzt endgültig nicht mehr hold, denn nun kam ein bulliger Siebtklässler auf sie zu und half dem Mädchen gentlemanlike auf.
Er legte ihr zu allem Überfluss noch den Mantel um die Schultern und sie zogen gemeinsam ab, während Lucius nur noch mit offenem Mund in seiner Pfütze saß und Löcher in die Luft starrte.
»James, kneif mich mal, ich glaub nämlich, das alles hier ist nur ein schöner Traum«, japste Sirius vor Lachen.
»Du träumst nicht«, meinte James plötzlich ernüchtert. Er wies staunend auf eine goldene Gravur, die am Rande des Brunnens angebracht war und deren Schrift so fein war, dass sie einem auf den ersten Blick gar nicht auffiel:
Der Brunnen der kleinen Gemeinheiten. Wirf ein Geldstück in den Brunnen und jeder Wunsch, der vom Brunnen als fies genug erachtet wird, erfüllt sich augenblicklich. Doch denke gut nach, denn jeder hat nur einen Versuch!
»Verdammt, und ich hab meinen schon verbraucht! Dabei würden mir noch ein paar schöne Gemeinheiten für Snape einfallen«, fluchte Sirius gleich ungehemmt.
»Das kann ich ja dann das nächste Mal für dich erledigen«, versuchte James ihn aufzuheitern, bevor ihn eine vor Wut zitternde Stimme unterbrach: »Was macht ihr denn hier! Erstklässler dürfen doch noch gar nicht nach Hogsmeade!« Malfoy hatte sie schließlich entdeckt und glänzte sie böse und vor Schlamm triefend an.
»Du siehst heut aber toll aus! Ist dein Date gut gelaufen?«, grinste Sirius hämisch.
»Ich warne euch, wenn ihr das irgendjemandem erzählt, dann erzähle ich McGonagall eine Geschichte, sodass ihr von der Schule fliegt«, drohte Malfoy mit vor Hass sprühenden Augen.
»Und ich warne dich, wenn du uns an die McGonagall verpetzt, dann erzählen wir der ganzen Schule von deiner Pleite«, gab Sirius trocken zurück.
Lucius zog nur die Nase hoch und stampfte in seinem Dreck besudelten Mantel davon.
»Komm, lass uns wieder reingehen, mir wird langsam kalt«, drängte James. Auch Sirius hatte es eilig, ins Schloss zurückzukommen, da er diese Erinnerung unbedingt in seinem Denkarium verewigen musste.
Also beeilten sie sich, wieder zum Brunnen, der von Hogwarts nach Hogsmeade führte zurückzukommen und diesen zu durchqueren. Gerade wollte Sirius den Spiegel öffnen, da hielt ihn James von hinten zurück.
»Psst! Hör doch mal! Da ist wer vor dem Spiegel«, zischte er.
Auch Sirius lauschte nach draußen und schnappte einige Fetzen eines Gesprächs zwischen Dumbledore und Piler auf: »Und Sie glauben wirklich, dass einer unserer Schüler stehlen sollte, Frederic?«
»Direktor, man hat mir schon mindestens ein Dutzend Federn, sieben Schulbücher, drei Paar Hausschuhe und noch unzählige Sachen mehr seit Anfang des Schuljahres vermisst gemeldet! Und fast alles ist in Gryffindor verschwunden! So unaufmerksam kann man einfach nicht sein!«
»Wir sollten das in der Lehrerkonferenz noch mal ansprechen. Außerdem wollte ich Ihnen bei der Gelegenheit auch von der neuesten Entdeckung berichten: Ein Schüler hat einen neuen Kerkerraum gefunden. Es bleibt uns leider ein Rätsel, warum er erst jetzt aufgetaucht ist und nicht schon eher entdeckt wurde. Ein seltsamer Ort, würde ich meinen, recht düster…«
Hinter dem Spiegel verdrehte Sirius im Halbdunkeln die Augen. »Da kommen wir jetzt nicht raus«, bedeutete er seinem Kumpel halb geflüstert, halb mittels Zeichensprache. Genervt ließ er sich an der Wand nach unten gleiten.
Eine Ewigkeit später war das Gespräch der Lehrer auf die Farbe der Schleimspur von roten, Feuer spuckenden Schnecken übergegangen, während Sirius in ihrem unbequemen Versteck gelangweilt auf seinem Lolli rumkaute und James gleichgültig in der Unendlichen Geschichte herumblätterte: »…5732, 5733, 5734…«
»Und, was sagt die Unendliche Geschichte so?«, unterbrach Sirius James' stumpfsinniges Seitenzählen.
»Ich glaub, die haben uns echt nicht verarscht. Das Teil geht tatsächlich nie zu Ende.« Damit klappte er seufzend das Buch zu. »Allerdings hätte ich schon auf Seite 3890 darauf kommen können, dass wir uns eine schöne Zeit in Hogsmeade hätten machen können!«
Sirius schlug sich gegen die Stirn und sprang auf, wobei er den Lolli gänzlich zerbiss. »Das ist die Idee! Du hättest sie schon auf Seite 1375 haben können, aber besser zu spät, als gar nicht, also komm, lass uns gehen!«
Jedoch in dem Moment, als James sich ebenfalls erhob, hörten sie Dumbledores Stimme von außerhalb: »Also, wir sehen uns dann heute Abend beim Essen!« Schritte entfernten sich und die Jungs blickten sich in dem Halbdunkel nur kopfschüttelnd an.
»Zwei Stunden unseres Lebens wieder vergeudet«, knurrte Sirius, als er den Spiegel aufklappte, und beide auf den Korridor hinaustraten.
Sirius raste wie ein Verrückter die Treppe zum Schlafsaal hoch, kaum dass sie den Gemeinschaftsraum betreten hatten, und zu seinem Bett, unter welchem er sein Denkarium hervorzog. Als er sich auf seinem Bett niederließ und schon den Zauberstab zückte, sah er, wie auch James den Schlafsaal betrat und ihn besorgt fragte: »Sag mal, geht's dir auch gut?«
»Ja, ich will nur ganz schnell diese herrliche Blamage von Lucius für die Ewigkeit festhalten!« Damit ließ er den silbrigen Gedanken in sein Denkarium fallen und rührte ihn um.
»Du hast ein Denkarium?«, stellte James halb baff und halb neidisch fest.
Sirius nickte nur abwesend und verstaute anschließend die Schale wieder an dem ordnungsgemäßen Platz. »So, von mir aus können wir jetzt zum Essen gehen!«
Aber James versperrte ihm den Weg und grinste: »Hast du nicht was vergessen?«
»Nee!« Sirius sah an sich herunter und überprüfte: »Schuhe, Hose, Umhang… Ist doch alles da!«
»Ich meine die fünf Galleonen, die du dir geborgt hast!« Sirius sah seinen Freund verständnislos an: »Ich hab mich doch schon mit meiner Galleone beteiligt! Den Rest zahlst selbstverständlich du, war ja auch deine Idee!«
»Aber du hast doch das Tolle Buch gefunden, also ist da mindestens die Hälfte drin!«
»Freak!«
»Warum muss ich das eigentlich wieder alles regeln? Wo doch sowieso alle denken, dass ich ihr Zeug verschwinden lasse, denken sie am Ende noch, dass ich auch noch klau«, murrte Sirius, als sie die Große Halle betraten.
»Als ob dich das stören würde, was die anderen über dich denken«, konterte James trocken und schubste ihn Richtung Drittklässler. Sirius ging ohne zu zögern auf den zwei Köpfe größeren Schüler zu und tippte ihm auf die Schulter (wobei er sich ziemlich strecken musste). Der wandte sich, genau wie seine Mitschüler, die um ihn versammelt waren, zu Sirius um und musterte ihn argwöhnisch.
»Hier!« Sirius drückte ihm die fünf Galleonen in die Hand. »Dein Geld! Den Lolli hab ich selber gegessen, weil der Spiegel versperrt war!«
Damit kehrte er auf dem Absatz um und ging zu James zurück, der sich mittlerweile zu Remus gesellt hatte. »Hä?«, hörte er den Drittklässler hinter sich nur noch verständnislos seine Kumpels fragen.
»Wo kommt ihr denn jetzt her? Peter und ich haben euch schon den ganzen Nachmittag über gesucht«, wollte Remus gerade wissen.
»Wir waren hinter einem Spiegel gefangen«, erklärte James wortkarg, der anscheinend schon Sirius' Züge annahm.
»Na, ihr seid ja auch gar nicht eitel«, erwiderte Remus kopfschüttelnd.
»He Black, du scheinst das ja richtig ernst zu meinen mit deinen kleinen Freunden.« Malfoy hatte sich von hinten heran gepirscht und legte Sirius nun die Hand auf die Schulter. Überrascht und gleichzeitig wütend schubste Sirius seine kalten Finger davon, drehte sich zu Lucius um, den er anfunkelte: »Na, schon ein Bad gehabt?«
Das Grinsen auf Malfoys Gesicht gefror zu einer Maske des Zorns, bevor er einen Gegenangriff startete: »Wenn das deine Freunde sind –« Er nickte mit einer verächtlichen Kopfbewegung zu James und Remus »– dann wissen sie wohl über alles Bescheid?«
Sirius spürte, wie James und Remus ihn überrascht ansahen. Er wusste, dass Malfoy von seiner Familie sprach und den Verhältnissen, die dort herrschten, doch er hätte vor Malfoy nie zugegeben, dass er James und Remus das nicht zu erzählen gedachte.
»Klar wissen sie's«, antwortete er also, obwohl das eine schlichte Lüge war.
»Auch, was deine Eltern betrifft?«
Weder James noch Remus hatte bisher etwas gesagt, sie beobachteten aber die Entwicklung der Dinge mit großem Interesse und Neugierde.
»Lass meine Familie da raus«, blaffte Sirius harsch.
»Also nicht, wusste ich's doch! – Hier ein weiser Rat, Black: Halte dich von diesem Abschaum fern! Eines Tages wird es dir noch sehr Leid tun, wenn du dich gegen uns stellst. Du weißt, dass du für Freundschaft zahlen musst. Ob früher oder später steht in den Sternen, aber du wirst zahlen müssen, denn Freunden wirst du dich nie ganz anvertrauen können. Du bist und bleibst ein Black, dagegen kannst du nichts tun!«
Sirius musste über das eben Gehörte erst einmal nachdenken. James jedoch, der die Szene schon einige Sekunden lang verfolgte, schien sich nun nicht mehr zurück halten zu können, denn er schaltete sich ein: »Hör auf, hier so geschwollen daherzuquatschen…«
Doch James wurde von einer großen Hand unterbrochen, die sich jetzt von der anderen Seite her auf Sirius' Schulter legte. Sirius fuhr erschrocken zusammen und auch Malfoy richtete sich wieder auf, um den Drittklässler anzublicken, von dem Sirius sich das Geld geborgt hatte.
»Willst du mich veralbern, oder was?«, setzte der an, worauf er sich einen abschätzenden Blick Sirius' einfing: Das hat aber lange gedauert! Könnte ein Hufflepuff sein. Dieser dumme Hut verwählt sich aber auch dauernd!
»Wo hast du mein Geld her?« (Mann, der wird aber immer schneller!) »Du bist wohl der kleine Dieb, der in Gryffindor immer alles klaut!« (Er ist wirklich ein Hufflepuff!)
Noch ehe er etwas entgegnen konnte, spürte er erneut eine Hand am Kragen, diesmal wieder die Malfoys. »Ich glaube, wir besuchen jetzt einmal Professor Brewpot«, grinste er gehässig.
Hilfesuchend sah sich Sirius zu James um, der schon wieder mit seinem üblichen Spruch begann: »He, lass meinen Freund in…«
Doch auch ihn packte Malfoy mit seiner freien Hand am Umhang und blaffte: »Du kommst auch mit!«
Remus, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, wollte seine Kumpel nicht im Stich lassen. Deshalb setzte er schon zu deren Verteidigung an, doch Sirius bedeutete ihm hinter Malfoys Rücken, lieber still zu sein, damit nicht auch noch er etwas von Lucius' schlechter Laune abbekam.
Als sie den Lehrertisch erreichten, musste Sirius feststellen, dass Brewpot noch mürrischer als sonst in die Gegend blickte – und noch um einiges mürrischer, als er das Dreiergespann erblickte.
»Na sieh an, die Schande und sein kleiner Freund. Ich hätte mehr von Ihnen erwartet, Malfoy«, knurrte der Lehrer, noch bevor Malfoy seine Anschuldigungen vorbringen konnte.
»Ich bin nur hier, um sie zu maßregeln, Sir! Da ich ja Schulsprecher bin…«
»Das ist mir bekannt, schließlich war ich es, der Sie vorgeschlagen hat! Kommen Sie zur Sache«, fuhr ihm Brewpot über den Mund.
»Natürlich, Sir, sofort! Ganz selbstverständlich, Sir!…«
»Malfoy«, mahnte Brewpot, sodass der nun endlich doch mit der Sprache rausrückte: »Sir, Sie haben doch sicher schon von den Diebstählen in Gryffindor gehört! Ich habe hier den Dieb, Sir! – Ach, und der hier, sein kleiner Komplize, hat das Haus Slytherin zutiefst beleidigt! – Er hat mich als Schnabeltier bezeichnet«, gab Malfoy noch eins drauf.
»Zu McGonagall«, knurrte Brewpot kurz angebunden, aber triumphierend und fügte an Sirius gewandt hinzu: »Wenn ich Ihr Hauslehrer wäre, würde ich Sie eigenhändig aus Hogwarts schmeißen…« Mit einem verbitterten Zucken um die Mundwinkel fuhr er fort: »Da Sie es aber vorgezogen haben, nach Gryffindor zu gehen, brauche ich dafür erst Professor McGonagalls Erlaubnis!«
Im selben Augenblick kam Malfoy, der sofort diensteifrig davongeeilt war, mit der Schreckschraube im Schlepptau zu ihnen zurück.
Diese sah allerdings nicht sehr glücklich aus, als sie Sirius und James bei Brewpot entdeckte, sondern stemmte nur die Arme in die Seiten: »Was ist denn nun schon wieder, Jaspar? Kann man hier nicht einmal in Ruhe essen? Seit Malfoy Vertrauensschüler ist, schleppt er jedes Mal irgendwelche Schüler bei mir an, für die er eine Strafe will. Also, was ist diesmal?«
»Also, Minerva, hier ist die Schande… ich meine natürlich Mr Black und seinen Spießgesellen Potter, die sich wieder etwas Unerhörtes geleistet haben… Malfoy, erzählen Sie es ihr«, bestimmte Brewpot streng, mit einer unwirschen Kopfbewegung.
Wie befohlen berichtete Malfoy von den geborgten fünf Galleonen, die er in Zusammenhang mit den Diebstählen brachte, worauf McGonagall nur ein »Ach, was für ein Unsinn«, übrig hatte.
Erzürnt wegen ihrer lockeren Haltung zu diesem Thema übertrieb Malfoy jetzt bei James' Schuldzuweisung: »Und der da hat mich bedroht, indem er mich zuerst Schnabeltasse…«
»Schnabeltier«, verbesserte James, wobei er Malfoy kurz zunickte. »Aber danke für die Anregung!«
»Mr Potter«, fuhr die mahnende Stimme McGonagalls dazwischen, ehe Malfoy weiterreden konnte: »…genannt hat und dann wollte er mich angreifen… Er hatte seine Hand schon am Zauberstab, und er hätte mich bestimmt verhext, wenn in dem Moment nicht ein anderer Schüler aufgetaucht wäre…«
Malfoy war zwar noch lange nicht fertig, doch wurde er jetzt von James unterbrochen: »Das stimmt ja gar nicht! Ich hatte noch nicht einmal eine konkrete Drohung formuliert, falls du dich recht erinnerst!«
»Ich bestätige«, mischte sich auch Sirius wieder mit ein, wobei er die Hand hob, um auf sich aufmerksam zu machen. Um Malfoy noch von einer weiteren Schmährede abzuhalten, schaltete sich die Schreckschraube genervt ein: »So, das reicht jetzt! Potter, Black, Malfoy, ich erteile Ihnen allen eine Strafarbeit bei Hagrid, Donnerstagabend! Da hat er, meines Wissens, schon etwas vor, wobei er Ihre Hilfe brauchen kann!«
Malfoy gaffte sie nur ungläubig an und Brewpot trat sofort für ihn ein: »Wenn ich Sie bitten dürfte, Professor, aber ich bin immer noch stellvertretender Hauslehrer von Slytherin!«
Schon zeichnete sich wieder Malfoys übliches siegessichere Grinsen auf seinem Gesicht ab, da wandte McGonagall barsch ein: » Ja, eben nur Stellvertreter. Die endgültigen Entscheidungen treffen immer noch die Hauslehrer. Außerdem bin ich immer noch die stellvertretende Direktorin! – Und dass mir nicht zu Ohren kommt, dass Sie Ihre Arbeit nicht ordentlich erledigen«, wandte sie sich dann an die drei Jungs und rauschte davon.
Sirius hätte beim Anblick von Malfoys langem Gesicht allen Anlass zum Lachen gehabt, doch zwei Gründe sprachen eindeutig dagegen: Erstens befand er sich noch Brewpot gegenüber, der ihn mürrischer denn je betrachtete, und zweitens fiel ihm ein, dass Malfoy ja nicht alleine Strafarbeit leisten musste.
»Denk an meinen Rat, Black, oder es wird noch eines Tage schlimm mit dir enden!«, hauchte Lucius ihm noch zu, ehe er erhobenen Hauptes davon stolzierte.
tbc...
