Guten Abend! Nach einiger Zeit der Abwesenheit bin ich nun endlich wieder präsent... sorry.
Vex: Vielen Dank! Die beiden sind anziehend, nicht? .
Enjoy!
6: Kontrollverlust
Später am Nachmittag war Carl bereit, aufzubrechen. Er überlegte lange, ob er noch auf den Grafen warten sollte, denn schließlich war es unhöflich, einfach abzuhauen und seinen Gastgeber nicht darüber zu informieren. Doch es war noch ein paar Stunden Tag und er wollte nicht erst im Dunkeln losreiten...
Dieses Problem wurde ihm allerdings abgenommen. Mit einem Mal kam der Vampir durch das zerborstene Fenster über dem schweren Schlosstor geflogen, in seiner animalischen Gestalt und landete graziös vor ihnen, bevor er sich zurückverwandelte.
„Was muss ich feststellen? Ich werde in meinem Schlaf gestört, weil ich dich nicht neben mir finde, Gabriel, und komme gerade noch rechtzeitig, um euren Abgang mitzuerleben."
Der Ordensbruder schluckte. Der Graf schien gelassen genug, aber seine Augen blitzten.
„Nein, Graf Dracula, nur ich werde gehen. Van Helsing bleibt bei Euch. Ich will nach Rom, um Kardinal Jinette und den anderen Bericht zu erstatten, dass Ihr besiegt und van Helsing gestorben ist."
Der Graf ließ sich kaum etwas anmerken aber Gabriel konnte sehen, wie der Vampir erleichtert ausatmete.
„Ja Carl, ich weiß, was du bezweckst. Du willst sie von hier fernhalten. Aber..."
Er trat nahe an den schüchternen Mann heran.
„...Sie werden sich wundern, wenn du dennoch nach Rumänien zurückkehren willst. Du planst nicht, zurückzukommen, nicht wahr?"
Der Kuttenträger schwieg. Van Helsing starrte seinen Freund an. „Du willst nicht zurückkehren? Wo willst du denn hin? Willst du in Rom bleiben und weiter der Kirche zu Diensten sein?"
„Ich weiß noch nicht genau... Vielleicht kehre ich ja zurück, irgendwann. Aber ich weiß, dass ich jetzt das Richtige tun kann! Ich kann dafür sorgen, dass mein bester Freund und sein Gefährte zusammen leben können."
Der Vampir betrachtete ihn einen Moment, dann lächelte er leicht und umarmte Carl zu dessen Verblüffung.
„Dann ist es ein Lebwohl, Carl. Und ein Auf Wiedersehen..."
Schließlich ließ er den leicht rosafarbenen Ordensbruder wieder los und begab sich zurück zum Schloss, während seine schwarzen, und zum ersten Mal seit Carl ihn kannte, offenen Haare im Wind hinter ihm wehten.
Gabriel sah seinen Freund an und seufzte. „Ich hoffe, du kehrst zurück. Stell dir vor: ein paar Jahrhunderte allein mit einem Vampir?" Er lachte. „Egal wie sehr ich ihn liebe, irgendwann werde ich vermutlich genauso durchgeknallt wie er!"
Carl gluckste leise und klopfte ihm auf die Schulter. „Mach das Beste draus!"
Einen Moment lang sahen sie sich nur schweigend an, dann seufzte auch der Kuttenträger.
„Ich werde dich auch vermissen. Ich hab es dir zwar nicht gesagt, aber du bedeutest mir mehr, als du denkst... Leb wohl, mein Freund." Damit wandte er sich um und schritt durch das Spiegelportal, dass ihn zum Haus der Valerious bringen würde.
Gabriel dachte noch über seine Worte nach, als er auch schon wieder warm und behaglich in einem Sessel im Kaminzimmer saß, mir dem Grafen an seiner Seite, welcher ihn schweigend beobachtete.
„..."
„...Gabriel, was beschäftigt dich?"
Van Helsing war versucht, sich herauszureden, aber als er in die kristallklaren, smaragdgrünen Augen seines Gefährten blickte, entschied er sich für die Wahrheit.
„Ich mache mir Gedanken um Carl. Er trug eine Art...verletzte Aura mit sich herum. So, als würde ihn meine oder unsere Gegenwart quälen..."
„Ich kann dir versichern, dass du nichts getan hast, um ihn zu quälen."
Van Helsing sah ihn ernst an. „Vlad, du weißt etwas, nicht wahr? Hast du in seine Gedanken gesehen?"
„Gabriel, als Vampir habe ich die Fähigkeit, Absichten zu erkennen. Aber nein, ich bin nie in seinen Geist eingedrungen."
„Aber du weißt etwas!"
„...Es ist nicht meine Aufgabe, dir etwas zu sagen, wozu nur dein Freund das Recht hat. Vertrau mir, Gabriel. Ich werde ihn nicht noch einmal zu Schaden kommen lassen."
Der Monsterjäger reckte das Kinn.
„Da wir gerade dabei sind... Wer hat Carl denn nun so zugerichtet? Es können nicht viele in Frage kommen."
„Wahrlich nicht."
„Es war Jemand aus dem Schloss, allem Anschein nach, niemand kommt hier herein! Und da du mir versicherst, dass du es nicht warst..." Der Lockenkopf ließ den Satz in der Luft hängen.
Dracula sah in ausdruckslos an.
„Du meinst noch immer, ich sei es gewesen."
„Nein..."
„Du weißt es nicht, aber der Vorwurf, das Misstrauen ist da..."
Langsam erhob sich der mächtigste Vampir aller Zeiten vom Sofa und schritt auf den noch sitzenden Jäger zu.
„Es ist da... In jedem Blick, den du mir heimlich zuwirfst. In deiner Stimme, wenn du sie auf eine bestimmte Art senkst, in jeder noch so kleinen, unbedachten Bewegung steht dein Misstrauen in flammendroten Buchstaben auf meine Haut, meine Seele geschrieben: Warst du es? ...Hast du meinen Freund beinahe zu Tode gequält?"
Hatte er auch leise begonnen, schwoll seine Stimme immer weiter an und schien in der ganzen Halle widerzuhallen, dröhnte wie ein einstürzender Berg und gleichzeitig wisperte sie sanft in Gabriels Ohr: Warum? Warum vertraust du mir nicht?
Am Ende atmete der Vampir schwer, obwohl er es schon lange nicht mehr musste. Wut und Verzweiflung, Hass und Trauer spiegelten sich wie in einem Kaleidoskop auf seinem Gesicht und ließen ihn für Momente uralt und zerbrechlich erscheinen.
Gabriel riss die Augen auf. Nie hatte er so etwas bei Jemanden - und erst recht nicht Vlad - gesehen! Jemand anderes schien vor ihm zu stehen, ein Greis mit langen, schlohweißen Haaren und eingefallenem Gesicht. Der alte Vlad starrte ihn mit verblichenen, müden, vormals grünen Augen an und durch diese Augen konnte Gabriel die Zeit sehen. Eine Zeit, ein Leben voller Entbehrung und Verzweiflung, Angst und Qualen. Und über allem, sodass es ihm beinahe in die Seele schnitt, zwei Paar Augen, nicht mehr Vlads, nicht länger die eines greisen Draculas, sondern die eines neuen Besitzers. Jemand mit rotglühenden Augen und von Hass durchdrungen.
Gabriel schluckte; was war mit seinem Freund geschehen?
Er wollte den Blick abwenden, nicht mehr sehen, was im Inneren von dem Mann, den er liebte, wohnte. Doch unter all dem Hass fand er plötzlich noch ein Augenpaar, grün wie eine Wiese an einem Sommertag, die sie nur noch aus Erinnerungen kannten. Sie schrien.
´Hilf mir! Lass mich nicht allein mit meinem Dämonen...´
Zaghaft streckte der Braunhaarige die Hand nach seinem Freund – war er es noch? – aus und berührte dessen verkrampften Arm.
In diesem Moment schien alle Kraft aus dem anderen Körper zu weichen und Vladislaus sackte zusammen. Gabriel fing ihn rasch auf und betrachtete den anscheinend Ohnmächtigen besorgt.
„...Vlad...?"
„...Vlad...?"
Die Stimme drang in sein Bewusstsein. Er kannte sie. Er kannte ihren Besitzer.
Langsam erwachte der Vampir und öffnete die Augen.
´Was ist passiert?´
Vlads Augenlider zuckten und öffneten sich zu Gabriels grenzenloser Erleichterung. Grüne Augen blickten ihn verklärt an.
„Gabriel...? Was...-"
Der Vampir brach ab und hustete, sein ganzer Körper erzitterte unter der Kraft des Krampfes, während ihm sein Gefährte den Rücken rieb.
Gabriel war sehr besorgt. Was war los?
Seine Augen weiteten sich als er Vlads Hand sah, die der Schwarzhaarige an den Mund gepresst hatte.
Zwischen den schlanken, weißen Fingern sickerte Blut hindurch.
Nach kurzer Zeit hatte Dracula sich wieder gefangen und richtete sich schweigend auf, während sein Freund ihn noch immer entgeistert anstarrte. Vlad sah auf und seufzte; Gabriel verlangte offensichtlich eine Erklärung.
„Gabriel, so leid es mir tut, ich muss dir die Gründe für mein Verhalten verschweigen."
„Was? Warum?" Die Stirn des Jägers runzelte sich.
„Verbirgst du etwas vor mir? ...Blöde Frage, natürlich tust du das, du hattest schon immer deine kleinen Geheimnisse... Aber hier geht es offensichtlich um deine Gesundheit, Vlad, ich bitte dich-"
„Und ich bitte dich, Gabriel, mir zu vertrauen. Wenn die Zeit reif ist, werde ich dir alles erzählen."
Der Braunhaarige schnaubte. „Wenn die Zeit reif ist... Das kann doch immer sein!" Leise grummelte er weiter vor sich hin, bis der Graf die Hand hob.
„Komm! Lass uns etwas Essen, Gabriel. Igor war bereits in der Stadt, um unser Dinner zu besorgen..."
„Menschen?" fragte van Helsing argwöhnisch. Der Vampir lachte.
„Ich bin nicht so dumm, vor dir meine Opfer zu mir zu nehmen... Dir bliebe schließlich nichts übrig, als sie zu retten. Keine Angst, Gabriel, auch Vampire können gewöhnliche Nahrung zu sich nehmen, auch wenn sie sie nicht gebrauchen können. Ich werde später losziehen, um das für mich Lebenswichtige zu trinken."
Gemeinsam betraten sie die große, steinerne Halle und fanden zu Gabriels Überraschung eine reich gedeckte Tafel mit Speisen aller Art vor. Van Helsing, dem schon seit Stunden der Magen knurrte, bekam bei dem Anblick glasige Augen. Vlad bemerkte es und schmunzelte, zufrieden, dass er seinen Gast begeistern konnte, und deutete ihm mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen, wie beim letzten Mal ihm gegenüber.
„Zum Wohl, Gabriel. Auf dich und mich. Und unsere gemeinsame Zukunft. Mögen die nächsten vierhundert Jahre besser werden."
Gabriel erhob sein mit Wein gefülltes Glas und prostete dem Anderen zu.
„Auf uns, Vlad."
Hinter einer Säule beobachtete Igor missgünstig, wie sein Herr und dessen Gast mit dem Essen begannen.
´Erst der Mönch und nun dieser Geisterjäger-Verschnitt... Die sind lästiger als ein Sack Schmetterlinge!
Wie kann ich ihn loswerden...? Mein Herr hängt an ihm, ganz offensichtlich... Oh... Ich habs! Natürlich! Es ist so einfach... Bald schon, kannst du dich von meinem Herrn verabschieden, van Helsing!´
Lautlos verschwand der Diener in den Schatten, bereit, seinen Plan in die Tat um zu setzen. Ein Plan, der sowohl den Jäger als auch den Vampir erneut ins Unglück stürzen würde.
