So, das neue Update. Sorry wenn ihr warten musstet, aber ich hoffe, das Chapter macht es wieder wett.

Enjoy!

7: Fluch des Werwolfs

Carl seufzte erleichtert; es tat gut, die Beine hochlegen zu können, jetzt, wo er seine schwierige Reise durch die Karpaten und anschließend über das Meer überstanden hatte.

Er war mit sich zufrieden. Kardinal Jinette hatte ihm die Geschichte, dass sowohl der Vampirgraf als auch sein Jäger verschieden waren, abgekauft und Carl ein paar Wochen Urlaub zugesprochen, die der Kuttenträger in vollen Zügen genoss. Mit etwas Wehmut dachte er an die ereignisreichen Wochen nach seiner Entführung zurück. Obwohl er immer gedacht hatte, in den hübschen, braungelockten Vampirjäger verschossen zu sein, konnte er nicht umhin, dass ihm die Erinnerung an den hauchzarten Kuss des Vampirs Schauer über den Rücken jagte. Aber dieses Kapitel war beendet.

´Ich frage mich, wie es van Helsing und Dracula geht... Ich wette, es wird ihnen nicht langweilig werden! mentales Grinsen

Gut zu wissen, dass ich mir um die Beiden keine Sorgen mehr machen muss...´

Dummerweise ahnte der Ordensträger nicht, wie falsch er damit lag.

Während er sich die Sonne auf den Pelz scheinen ließ und die beiden Unsterblichen auf Schloss Dracula ihre gemeinsame Zeit genossen, ritt ein Bote auf einem Werwolf durch die Südkarpaten, geschickt von des Grafen ganz eigenem Diener. Dieser Bote war auf dem Weg in den Vatikan, wo er der römischen Kirche eine unglückselige Nachricht bringen würde...

Zunächst aber ahnte niemand etwas von der Gefahr. Vlad und Gabriel hatten einige Nächte zusammen verbracht und waren sich auf so manche erdenkliche Art näher gekommen. Zuweilen konnte man van Helsing mit einem verliebten Ausdruck im Gesicht seinen Gefährten anstarren sehen, während der Graf – natürlich – seine Contenance bewahrte. Das anfängliche Misstrauen schien von Ersterem gewichen zu sein, und Dracula war darüber innerlich erleichtert. Zu lange hatten Misstrauen und Zweifel zwischen ihnen gestanden, und der Graf war es, um es klar zu sagen, absolut leid.

Umso mehr bedrückte ihn ein Geheimnis, dass er noch vor dem braungelockten Jäger hatte.

Der Grund, warum der Vampir früher als sonst Schlafen ging, später und später aufwachte und ab und zu kaum merklich hustete oder ihm schwindelig wurde.

Denn leider hatte ihr Kampf kurz nach ihrem Wiedersehen seine Spuren hinterlassen.

Dennoch ließ er sich zunächst nichts anmerken, obwohl natürlich der scharfsinnige Jäger längst etwas bemerkt hatte. Vlad schnaubte.

´Sogar Gabriel bemerkt etwas, wenn man ihn mit der Nase darauf stößt...´

Damit meinte er den Abend, an dem er seinem inneren Dämonen gestattet hatte, zum Vorschein zu kommen. Der Abend, an dem er die Kontrolle verloren hatte, die er seit über vierhundert Jahren mit aller Kraft festhielt.

Seufzend lehnte sich der Graf zurück und erwachte aus seinen trüben Gedanken. Hinter ihm erklang leises Lachen.

„Du bist richtig niedlich, wenn du müde bist, Vlad."

Gabriel lächelte ihn an als der Vampir den Kopf in den Nacken legte, um ihn anzusehen. Der Braungelockte wickelte starke Arme um eine schlanke Taille und zog seinen Gefährten noch näher zu sich heran.

Liebevoll blickte der ehemalige Vampirjäger auf die faszinierende Gestalt in seinen Armen hinunter. Das war es, was Vladislaus Dragulia war: sowohl faszinierend als auch kompliziert. Van Helsing war an sich recht einfach zu durchschauen – Vlad erinnerte sich an die stets unkomplizierte, geradeaus freie Art mit der Gabriel ihn schon früher behandelt und vor allem geliebt hatte. Gabriel war aufbrausend, kühlte aber genauso schnell wieder ab und dann tat, was auch immer ein Streitpunkt zwischen ihnen gewesen war, ihm wieder leid.

Vlad dachte meistens in verschlungenen Wegen, sodass es für den Älteren teilweise schwierig war, den ausschweifenden Gedankengängen seines Partners zu folgen. Dennoch kannte der Vampir den messerscharfen Verstand seines Freundes nur zu gut – im Kampf war Gabriel, genau wie er gnadenlos, berechnend und brilliant, wenn es um Strategien ging. Gabriel neigte nur dazu, etwas naiv an das Meiste heranzugehen, was er nicht kannte.

Gabriel fuhr in seiner Musterung fort. Er studierte die Gesichtszüge, die nun so sanft aussahen, als kannten sie weder Wut noch Hass noch Verzweiflung. Schwarze Haare fielen dem Grafen sanft über die schmalen Schultern und Wimpern, ebenso mitternachtsschwarz, bildeten einen starken Kontrast zu der milchigweißen Haut des Untoten.

Vlad und Gabriel waren, bis auf einige Zentimeter, gleich groß. Gabriel allerdings war ziemlich muskulös; breite Schultern, kräftige Arme, durchtrainierte Oberschenkel, alles, was ihm zahllose Schlachten und Kämpfe eingebracht hatten.

Gabriel betrachtete seine braune Haut neben der hellen seines Geliebten. Vlad war immer ein schmales Kind gewesen, und auch als mit zunehmendem Alter seine Kräfte wuchsen und er seinen Körper durch endlose Trainingseinheiten perfektionierte, blieb ihm seine Wendigkeit und Zähigkeit erhalten. Gemischt mit einem unglaublichen Aussehen – wenn man Gabriel fragte – ergab das eine tödliche Waffe. Vlad hatte sie stets einzusetzen gewusst.

So mancher Kampf zwischen ihnen hatte blutig geendet, mit beiden Gegnern am Boden.

´Nicht mehr.´ beschloss van Helsing still. ´Kein Kampf mehr zwischen uns beiden.´

Sanft zog er mit der Hand die Linie von der aristokratischen Stirn, über die gerade Nase, bis zu den blassen Lippen nach.

Gabriel runzelte die Stirn. ´Blasse Lippen?´

Soweit er sich erinnern konnte, hatte er nur einmal Vlads Lippen, ihm genauestens bekannt, fast weiß gesehen – damals waren sie beide noch normale Menschen und Vlad war krank gewesen. Er hatte Fieber gehabt und der Arzt hatte Aderlass verordnet – der Mangel an Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff, hatte seinem Geliebten die Farbe genommen. Aber jetzt...?

Prüfend legte er eine Hand auf die Stirn des Grafen.

Nichts. Sie war genauso kühl wie immer.

„Vlad?"

„Hmmmh?" schnurrte der dösende Vampir an seiner Brust.

„Können Vampire krank werden?"

Verschlafen sah ihn der andere an und blinzelte. „Wie kommst du denn darauf?"

So süß Vlad auch gerade aussah, Gabriel blieb ernst und sah ihn durchdringend an. „Du wirkst müde. Andauernd. Und es geht dir nicht gut, ich habe das wohl bemerkt. Etwas stimmt nicht, Vlad."

Langsam richtete sich der adelige Vampir auf.

„Gabriel, mein süßer Gabriel... Sorge dich nicht. Alles wird schon bald wieder in Ordnung sein. Vampire können nicht krank werden, nicht auf die Art wie Menschen krank werden, ihre Körper sind untot."

„Das hält dich nicht davon ab, zu husten und Gleichgewichtsstörungen zu haben, Vlad."

Gabriel blieb hart.

„Sag mir, was dir fehlt, bitte, mein Liebster..."

Vlad sah in die dunklen, sanften Augen seines Geliebten und seufzte resigniert, wohlwissend, dass er verloren hatte.

Carl summte zufrieden vor sich hin während er an einem Tequila Sunrise nippte. Diese Ferien gestalteten sich als ausnehmend gut und richtig für seine arme, gemarterte und geplagte Seele. Kardinal Jinette war sehr zuvorkommend gewesen. Er hatte seinem winzigen Ordensbruderzimmer eine kleine Terasse hinzufügen lassen und in diesem Moment genoss Carl die letzten schwindenden Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht.

Natürlich vermisste er seinen besten Freund und dessen Partner. Gabriel van Helsing und Vladislaus Dracula gingen ihm trotz aller Annehmlichkeiten nicht aus dem Kopf. Andauernd musste er sich selbst versichern, dass es ihnen gut ging und sie nicht (mal wieder) bis zu den glänzenden, noch-nie-von-Spliss-gehört-habenden Haaren in Schwierigkeiten steckten.

´Und noch immer verfolgen mich Bilder des nachts... Ich kann weder van Helsings Lächeln, noch Draculas Kuss vergessen. ARGH! Warum bin ich eigentlich weggegangen? ...Ich sollte zu ihnen zurückkehren... Ich vermisse sie... Ob sie mich auch vermissen...?´

Schließlich war Carls Entschluss gefasst: Morgen würde er Kardinal Jinette Bescheid geben, dass er eine längere Reise machen würde.

Der komplett in Rot gekleidete, ältere Mann hob den Kopf, als es an der hölzernen Tür zu seinem Büro klopfte. Auf sein „Herein!" betraten zwei Personen das Zimmer. Der Eine war Kardinal Jinettes engster Vertrauter, ebenfalls Ordensbruder. Bei dem Anderen war sich Jinette nicht einmal sicher, dass es ein Mensch war.

Hässlich wie die Nacht traf wohl noch nie so sehr zu wie auf diese Gestalt, die nun im Türrahmen stand. Sie war klein, gedrungen und die Haut schimmerte wie von einer grünlichen Färbung.

Kardinal Jinette war alt genug, um zu wissen, dass auch solche Kreaturen, wenn er sie nicht gejagt hatte, teilweise sehr nützlich für ihn gewesen waren.

Also gab er Beiden mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie näher treten sollten. Sein Vertrauter ergriff sogleich das Wort.

„Eure Eminenz, dieser Bote erreichte uns vor einigen Minuten und ich orderte an, ihn sofort zu Euch zu führen... Er kommt direkt... direkt..." Der sichtlich verstörte Mann holte tief Luft und flüsterte in beinahe beschwörendem Ton:

„...Aus den Karpaten."

Jinette horchte auf bei diesem Vermerk und sah den jüngeren Mann scharf an.

„Was ist seine Nachricht?"

Sofort holte sein Vertrauter einen vormals weißen Umschlag aus der Tasche und überreichte ihm seinem Vorgesetzten mit zitternden Fingern, während die seltsame Kreatur, das Gesicht unter einem Stahlhelm verborgen, schweigend zusah. Der Kardinal öffnete unverzüglich den Umschlag und begann rasch zu lesen. Seine Augen flogen über das Papier und wurden nach und nach immer enger. Schließlich sah er wieder auf und fragte beinahe tonlos:

„Weiß Carl schon davon?"

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn sofort zu Euch gebracht."

Der Ältere nickte.

„Danke, mein Sohn. Das hast du richtig gemacht. Bitte geleite unseren Gast in ein freies Zimmer und bring ihm zu Essen, was er will. Ich werde mich später noch mit ihm befassen."

Der Andere dienerte leicht und verschwand.

Kardinal Jinette stand auf und sah aus dem Fenster auf den Platz vor der Kirche, den er diesmal allerdings nicht wahrnahm. Seine Gedanken kreisten. Der Brief hatte viele Fragen aufgeworfen und einiges ans Licht zurück geholt, dass schon dankbar begraben war...

Zuallererst würde er sich aber mit einem gewissen Ordensbruder unterhalten müssen. Denn das Carl ihn und die heilige Kirche betrogen hatte, schien mit diesem Schreiben, das nun geöffnet auf dem Schreibtisch lag, bewiesen.

Vlad räusperte sich leise, bevor er aufstand und begann, im Zimmer ziellos umherzuschreiten. Van Helsing beobachtete ihn dabei und machte sich seine Gedanken. Selten hatte er seinen Freund so aufgewühlt erlebt.

„Erinnerst du dich an unseren letzten Kampf, Gabriel?"

Der vormalige Vampirjäger nickte. Dracula wandte sich zu ihm um und fuhr fort.

„Du hattest dich in einen Werwolf verwandelt und wir kämpften... Deine animalische Seite ließ nicht zu, mich am Leben zu lassen, deswegen hast du mich umgebracht. Zumindest dachtest zu das, als du mit der toten Valerious und Carl verschwunden bist. Ich war aber noch gerade so am Leben, Gabriel. Ich verwandelte mich zurück und es gelang mir, aufzustehen.

Ich erinnere mich, dass ich wie blind durch das halb zerstörte Schloss taumelte, bevor es dunkel wurde. Ich war wohl ohnmächtig geworden.

Später erfuhr ich, dass Igor sich um mich gekümmert hatte. Ich war noch am Leben, wenn man meine Existenz so nennen kann, doch seit unserem Kampf trage ich eine Verletzung mit mir herum, eine Wunde, die einfach nicht heilen kann..."

Der Vampir hob lange, weiße Finger zu seinem Hals hoch und öffnete den Verband, den er seit Gabriel ihn wiedergesehen hatte, immer zu tragen schien.

Als das Stück Stoff zu Boden fiel, erschrak der ehemalige Jäger.

An der Stelle, an der er Vlad als Werwolf gebissen hatte, klaffte ein tiefer Riss in der weißen Haut und lut sickerte daraus hervor. Wie in Trance stand van Helsing auf und näherte sich seinem Freund. Langsam hob er die Hand wie um die Wunde zu berühren, hielt dann aber inne und sah in die ernsten Augen des Grafen.

„Sie nimmt mir nach und nach meine Kraft. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis du mich tatsächlich ein zweites Mal umbringst, Gabriel..."