Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Zwölftes Kapitel
Die Heulende Hütte
»So eine Schweinerei! Nur weil die Slytherin-Idioten ›Schlammblut‹ gesagt haben, kann ich meine Beziehungen nicht mehr spielen lassen«, regte sich Sirius auf, während er mit James und Peter als letzter hinter Hagrid hertrottete.
Auch James warf den Slytherins böse Blicke zu und murmelte noch immer erzürnt: »Schlammblut! Ich glaub's nicht! Nennen die sie einfach Schlammblut!«
»Was ist ein Schlammblut?«, fragte Jorkins nun, die sich überraschend umdrehte.
»Typisch Hufflepuff! Von nichts eine Ahnung, aber überall die Ohren haben«, raunzte Sirius gleich wütend.
»Schlammblut…«, erklärte James knirschend, »…ist das mieseste Schimpfwort, das man zu einem Zauberer mit Muggeleltern sagen kann.«
»Das war dann aber sehr gemein von Severus und Evan, das zu Lily zu sagen«, stellte Jorkins schockiert fest. »Wenn sie das zu mir gesagt hätten… Wisst ihr, meine Mutter ist nämlich auch keine Hexe.«
»Das erklärt natürlich alles«, knurrte Sirius nur und trat flotten Schrittes an ihr vorbei.
Nachdem er diese Freaks nun endlich hinter sich gelassen hatte, sah er sich allerdings auch schon den nächsten gegenüber. Bevor Malfoy, Snape und Rosier aber noch irgendetwas sagen konnten, rauschte er an Lily vorbei zu Hagrid.
»Du erzählst das jetzt aber nicht Dumbledore, was die anderen da vorhin abgezogen haben?«, begann Sirius das Gespräch, wobei er seine Unschuldsmiene aufsetzte.
»Hast ja selber auch mitgemacht… bin echt mächtig sauer auf euch«, murrte Hagrid knapp, ohne zu Sirius hinabzublicken.
Der musste schon fast rennen, um mit dem Riesen Schritt zu halten.
Schließlich keuchte er: »Wenn die dreckigen Slytherins Lily Schlammblut nennen, müssen wir Gryffindors doch zusammenhalten!«
Wie konnte Hagrid nur ihm die Schuld geben! Es war doch eindeutig ihre Pflicht gewesen, Lily gegen die Slytherins zu verteidigen. Außerdem hätte er von Hagrid erwartet, dass der es ebenso wenig tolerieren würde.
Hagrid erwiderte seinen Blick letztlich doch erstaunt. »Schlammblut?«, fragte er nach, als ob er glaubte, Sirius nicht richtig verstanden zu haben.
Als Sirius, der allmählich verstand, dass Hagrid von alledem wohl nichts mitbekommen hatte, allerdings bestätigend nickte, wurde dieser sogar noch wütender als zuvor.
»Na, die könn' was erleb'n«, knurrte er zornig. »Hätt' ich mir eig'ntlich gleich denk'n könn', dass ihr nich so ohne Grund ausrastet«, fügte er dann mit einem entschuldigenden Blick auf den Jungen hinzu.
Sie passierten das Tor mit den geflügelten Ebern, das nach Hogsmeade führte und eine Weile sagte niemand ein Wort.
Erst, als sie das Dorf bereits erreicht hatten, wurde Sirius plötzlich ohne Vorwarnung von hinten am Umhang festgehalten und er stolperte ein paar Schritte zurück.
»Hey…«, begann er anklagend, seine Miene hellte sich aber auf, als er James erblickte, der mit einer Kopfbewegung auf den ›Brunnen der kleinen Gemeinheiten‹ wies.
Sirius grinste ihn zustimmend an und raunte verschwörerisch: »Hast du 'n Knut dabei?«
James schüttelte bedauernd den Kopf: »Ich hab gehofft, du hast vielleicht einen!« Sie sahen sich einen Moment lang ratlos an. Einen Augenblick später keuchte Peter heran. »Lasst mich bitte nicht noch mal mit dieser Catherine alleine! Die redet ja noch mehr als…«
»Haste ma' 'n Knut?«, unterbrach Sirius Peters Redeschwall, gleichzeitig mit James, der fragte: »Wer bei Skylla und Charybdis ist überhaupt Catherine!«
Peter glotzte seine beiden Freunde überfordert an, dann antwortete er auf beide Fragen: »Nein, Jorkins.«
»Mensch, irgendwer muss doch hier einen Knut haben«, regte sich Sirius auf. »Wir können ja mal Snape fragen«, grinste er dann bis über beide Ohren.
»Du willst jetzt aber nicht den fragen, den wir verhexen wollen?«, erwiderte James, worauf ein »Hä!« von Peter folgte, der von dem Brunnen nichts wusste.
Kurzentschlossen trat Sirius vor, um noch Hagrid anzupumpen, während James Peter in ihr Geheimnis einweihte. »Hey, Hagrid, haste ma' 'n Knut?«, fragte Sirius noch mal.
»Wir sin' jetzt nich zum Shoppen hier«, zwinkerte Hagrid ihm gespielt böse zu, kramte aber zugleich in seinen Umhangtaschen herum. Stolz lächelnd überreichte er Sirius schließlich die gewünschte Münze, die überall mit Kekskrümeln beheftet war.
»Los, James, gehen wir«, rief Sirius seinem Freund freudestrahlend zu, beruhigte aber noch Hagrid: »Keine Angst, sind gleich wieder da!« Damit spurteten beide mit Peter im Schlepptau zum Brunnen der kleinen Gemeinheiten.
»Okay, wen trifft's diesmal?«, hakte James mit hochgezogenen Brauen nach.
»Snape«, befahl Sirius sofort.
»Und was?«
»Wie wär's, wenn wir ihn dieses Jahr durchfallen lassen? Aber… nee, dann haben wir heute gar keinen Spaß.«
»Er könnte sich beim Feuerholztragen den Fuß verstauchen«, schlug Peter vorsichtig vor.
»Das ist nicht fies genug«, winkte Sirius ab.
»Ich hab's«, strahlte James, »Ihm soll heute alles schief gehen, da kann er sich immer noch den Fuß verstauchen.« Damit schnippte er lässig den Knut ins Wasser des Brunnens: »Heute soll Snape alles misslingen, was er vorhat.«
Zufrieden grinsten die drei Jungen sich an, doch plötzlich traf James der Knut, den der Brunnen ausgespuckt hatte, wieder am Kopf. »Ist nicht gemein genug«, knarzte eine Steinfigur, die an der Kurbel angebracht war.
Sirius verdrehte ungeduldig die Augen. »Dann mach halt die ganze nächste Woche!«
James hob den Knut auf und warf ihn erneut in den Brunnen, wobei er deutlich rief: »Die nächsten zwei Wochen soll Snape alles misslingen!«
»Schon besser«, kicherte die Steinfigur und der Brunnen schluckte das Geldstück.
Die Jungen trabten lachend zurück zur Gruppe, die inzwischen vor einem riesigen Holzstapel angekommen war. Sie hoben ihre Köpfe, um baff die Ausmaße der Holzwand zu erfassen.
»Na, dann mal los! Aber nehmt nicht zuviel auf einmal, sonst seid ihr zu schnell müde«, ordnete Hagrid an und begann, die Holzscheite von oben herunter zu fischen und zu verteilen.
Snape allerdings versuchte, sich selbst einen herunter zu angeln, was ihm jedoch misslang, so dass der Holzscheit ihm auf die große Zehe fiel. Mit einem Schmerzensschrei hüpfte er um die ganze Gruppe herum, die ihn (in Hagrids Fall) entsetzt anstarrte oder (in Sirius' Fall) auslachte.
»Au«, heulte er auf. »Ich bin schwer verletzt! Ich kann nicht weiterarbeiten!«
»Dann bleib hier und bewach den Holzstapel«, befahl Hagrid brummig, während er einen besonders großen Holzscheit nahm und Sirius und James zurief: »Fangt, Jungs«, woraufhin er ihnen den zuwarf.
Sirius sah das riesige Teil auf sich zufliegen und seine Hand fuhr wie von selbst zu seinem Zauberstab. Seine Beine spannten sich aber im selben Moment, um wegzuhechten. Da er sich für nichts entscheiden konnte, brachte er weder das eine noch das andere auf die Reihe und er blieb, genau wie James, einfach nur mit weit aufgerissenen Augen stehen, bevor sie beide von dem halben Baumstamm umgerissen wurden.
»Ich dachte, bei Snape sollte alles schief gehen?«, stöhnte Sirius, wobei er versuchte, den Holzscheit von sich zu stemmen.
Doch James stieß ihn nur sacht mit dem Ellebogen an: »Wenigstens müssen wir jetzt nicht auch noch arbeiten!«
Auf Sirius' fragenden Blick hin, fügte er aus dem Mundwinkel hinzu: »Weißt du nicht mehr? Wir sind doch jetzt schwer verletzt!«
In dem Moment trat Hagrid mit besorgtem Gesichtsausdruck auf sie zu, baute sich vor ihnen auf und wälzte den Baumstamm quer über ihre Körper von ihnen herunter.
»Au, Hagrid, mir tut so der Kopf weh«, begann Sirius zu jammern, während sich die beiden aufrappelten.
»Der Kopf?«, hakte Hagrid verständnislos nach, »Hat euch doch am Bauch getroff'n!«
Von hinten mischte sich Rosier höhnisch mit ein: »Bei den Hirnschäden ist es ja kein Wunder, dass dir der Kopf weh tut!«
Bevor noch irgendjemand näher auf Sirius' vorgegebene Kopfschmerzen eingehen konnte, klagte jetzt auch James: »Mich hat's auch ganz schön erwischt! Ich glaube nicht, dass ich heute noch eine große Hilfe sein werde…«
»Auch wenn es uns schrecklich Leid tut«, log Sirius mit scheinheiliger Miene.
»Also gut, dann bleibt ihr ma' auch lieber bei Snape. Habt keine Angst im Dunkeln, wir sin' gleich zurück, und wenn die Heulende Hütte heult, dann bleibt einfach ganz ruhig hier sitz'n, ja?«, meinte Hagrid väterlich, ehe er die anderen Schüler, die mit Holzscheiten beladen waren, vor sich her Richtung Schloss trieb.
Snape setzte sich und rieb sich seinen Fuß, ohne die beiden Gryffindors zu beachten. Sirius allerdings meinte, sobald die anderen außer Sichtweite waren, provozierend: »Immer noch Angst vor der Heulenden Hütte?«
»Ich glaube nicht, dass der Riesentrottel mich dabei angesehen hat, als er von der Angst vor der Heulenden Hütte sprach«, schnarrte Snape zurück.
»Du würdest dich ja noch nicht mal trauen, da einzusteigen«, widersprach James.
»Willst du mich herausfordern, Potty?«
Sirius und James wechselten erneut einen vielsagenden, nicht wenig amüsierten Blick, bevor Sirius antwortete: »Ja, wollen wir. Wetten wir um…«
»Um die Ehre unserer Häuser. Slytherin gegen Gryffindor«, warf Snape kalt ein.
Sirius und James nickten, woraufhin Snape mit wehendem Umhang in der Dunkelheit verschwand. Mit einem letzten Blick zurück zu dem Holzstapel (den sie eigentlich hätten bewachen sollen), schlugen auch Sirius und James den Weg zur Heulenden Hütte ein. Sirius musste enttäuscht feststellen, dass diese alte Bruchbude bei Nacht fast noch langweiliger wirkte, obwohl der Vollmond sie geheimnisvoll beschien.
»Hier hin«, flüsterte James Sirius zu, bevor er sich weiter Gedanken über das Geisterhaus machen konnte.
Das Versteck, das James für sie gewählt hatte (eine alte Baumreihe ganz in der Nähe des Zaunes, der die Heulende Hütte von der Straße abgrenzte), war ideal, da sie von dort fast den ganzen Hügel überblicken konnten.
In der Finsternis machten sie Snapes huschenden Schatten aus, der versuchte, sich behände über den Zaun zu schwingen, woran er allerdings schon scheiterte. Sein Umhang verfing sich zwischen den Zaunlatten und so blieb er rücklings daran hängen.
Fluchend versuchte er sich wieder zu befreien, zückte sogar seinen Zauberstab, um mit dessen Hilfe loszukommen. Anstatt des Befreiungsspruches wandte er anscheinend jedoch einen Feuerzauber an, denn eine kleine Flamme entzündete sich und Snape musste den heißen Zauberstab fallen lassen, der sofort einen nahe gelegenen Busch in Brand setzte.
Sirius und James wälzten sich auf dem Boden vor Lachen. Sirius hielt sich den Bauch, während James sich die Hand in den Mund steckte, damit man ihn nicht losbrüllen hörte. Im selben Moment wurden alle drei von einem unheimlichen Heulen aus der Hütte aufgeschreckt.
Snape zappelte noch mehr, verhedderte sich damit aber nur umso mehr im Umhang. Sirius sah neugierig auf.
»Die spukt ja tatsächlich«, stellte James neben ihm baff fest.
»Krass, wollen wir mal reingehen?«, grinste Sirius abenteuerlustig, doch ihre Erheiterung wurde durch die bebenden Schritte Hagrids gedämpft, der den Hügel herauf rannte.
»Jetzt gibt's Ärger«, stellte James trocken fest.
»Komm, lass uns wieder runtergehen, sonst fällt's noch auf, dass wir nicht da sind«, ordnete Sirius an und sie erhoben sich aus ihrem Versteck, wobei sie mit einem letzten Blick sahen, wie Hagrid Snape lässig vom Zaun pflückte und das Feuer löschte.
Ein Heulen begleitete Sirius und James zum Holzstapel zurück, wo die anderen auf sie warteten.
Sie ließen sich unbekümmert auf einem Baumstamm nieder, bis Hagrid mit Snape im Schlepptau und vor sich hingrummelnd in den Lichtkreis um den Holzstapel trat. Snape zeigte sofort, als er sie sah, beschuldigend auf die beiden, verschluckte sich aber vor Wut so sehr, dass er kein Wort herausbrachte.
»Un' wo seid ihr gewes'n?«, fragte Hagrid erstaunt.
»Wieso fragst du uns das! Wir waren doch (»Genau wie du gesagt hast«, warf James von der Seite ein.) die ganze Zeit über hier und haben den Stapel bewacht! Wieso bist du denn vorhin einfach an uns vorbeigelaufen?«, wies Sirius die Beschuldigung heftig zurück.
Hagrid sah hilflos zu den Übrigen und schien auf Beistand zu warten. Diesen wollte Rosier ihm auch sofort geben, denn er meinte angriffslustig: »Die zwei Ratten waren…«
»…Die ganze Zeit über hier«, piepste da eine leise Stimme und Peter trat mit verschränkten Armen zwischen Lily, Catherine und Malfoy hervor. Sirius und James hielten ihm hinter Hagrids Rücken versteckt die Daumen hoch.
Die Kopfschmerzen, die Sirius am Abend vorher noch vorgetäuscht hatte, suchten ihn beim Erwachen am Morgen mit voller Wucht heim.
Stöhnend setzte er sich hinter seinen Bettvorhängen auf. Jetzt brauchte er erst einmal einfach seine Ruhe…
»Was ist denn los mit dir, Kumpel?«, fragte James in dem Moment und zog die Bettvorhänge auf, so dass Sirius sich auf Grund des hellen Tageslichtes die Hand vor die Augen halten musste. »Die Sonne ist doch heute gar nicht da! Was hast du denn schon wieder?«
Mit einem Grummeln erhob sich Sirius ohne James' Kommentar weitere Beachtung zu schenken. »Mann, erinnere mich dran, dass ich Specter such! Der muss mir unbedingt was gegen Kopfschmerzen beibringen«, knurrte er verstimmt, wobei er sich anzog. In diesem Moment flog die Tür mit einem Knall auf, der Sirius endgültig aufweckte. Ihm wurde, dank seiner dadurch gewonnenen geistigen Aufmerksamkeit, endlich gewahr, dass er und James die einzigen im Schlafsaal waren, abgesehen von Peter, der soeben hereingestürmt kam.
»Wisst ihr vielleicht, wo Remus ist?«, fragte Peter ohne Einleitung.
»Ich wünsche dir auch einen wunderschönen guten Morgen«, knurrte Sirius, wobei er seine rechte Socke falsch herum anzog.
»Er war nicht im Schlafsaal und beim Frühstück ist er auch nicht! Ich war sogar schon in der Bibliothek, aber Madam Pince hat noch nicht mal aufgesperrt«, fügte Peter hinzu.
Verwundert kratzte sich James am Kopf und meinte: »Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Warum fehlt er denn diesmal?«
Sirius' Magen knurrte laut genug, um ihm zu verstehen zu geben, dass Remus nun völlig unwichtig war. »Ist doch jetzt egal«, winkte er deshalb ab und stapfte zur Tür, »lasst uns essen gehen!«
Kurz bevor sie den Gemeinschaftsraum durchquert hatten, fiel Sirius' Blick auf die Liste, welche die Schreckschraube aufgehängt hatte. Er erinnerte sich ohne Wehmut an die Worte seiner Mutter, dass er in den Ferien in Hogwarts bleiben sollte.
»Wartet mal'n Moment.« Sirius ging zum Schwarzen Brett, wobei er unterwegs eine liegen gelassene Schreibfeder aufklaubte, und trug seinen Namen in die Liste ein.
»Schreib mich auch gleich mit ein«, bat James vom Porträtloch aus. Sirius hielt mitten in seinem Namen inne. Er drehte sich zu James um und lächelte seinem Kumpel nur wortlos zu. Daraufhin schrieb er unter Sirius Black ganz groß James Potter.
Das übliche Gemurmel in der Großen Halle ließ Sirius ziemlich kalt, da er nur daran dachte, dass James für ihn über die Weihnachtsferien in Hogwarts blieb.
Allerdings fielen ihm nach einer Weile die seltsamen Blicke auf, die ihm ständig zugeworfen wurden. Als er aber Andrew erblickte, kümmerte er sich nicht mehr darum, weil der Siebtklässler sich eben neben ihm niederließ.
»Na, heute schon jemanden gebissen?«, feixte dieser.
»Freak!« Sirius drehte sich augenrollend weg, ohne weiter auf den Siebtklässler einzugehen, was auch immer dessen Bemerkung geheißen haben mochte.
Er beschloss noch im selben Moment, ihn lieber nicht mehr nach einem Anti-Kopfschmerzzauber zu fragen, so wie der heute drauf war. In dem Augenblick tauchte Peter vor Sirius auf, der sich vom anderen Ende des Tisches ein paar Eier zu seinem Schinken geholt hatte. Er sah ihn mit großen Augen an und verschwand mit einem spitzen Schrei in der Menge.
»Freak«, war Sirius' wiederum einziger Kommentar und damit wandte er sich James zu, der gegenüber am Tisch saß. Da der allerdings in eine Unterhaltung mit Davey verstrickt war, blieb ihm schließlich nur wieder Specter übrig, der ihn sogleich wieder angrinste.
»Was wird hier eigentlich gespielt? Haben alle außer mir in diesem Schloss einen Totalschaden oder wurdet ihr von Dumbledore verhext?«, wollte Sirius genervt wissen.
»Nein, Sirius…«, begann Andrew amüsiert, »Der, mit dem hier was nicht stimmt, bist du! Schließlich bist du doch der Vampir!«
»Sparks! War ja klar«, knurrte Sirius böse, als er sich an den Herbsttag erinnerte, an dem er sich vor der Sonne versteckt hatte und Timothy falsch verstanden hatte, wie Remus scherzhaft meinte, er sei ein Vampir.
Offenbar hatte er jetzt angefangen, der ganzen Schule diesen Mist auf die Nase zu binden!
Zum Glück schien Specter wenigstens dieses Gerücht nicht so ernst zu nehmen wie Peter.
Doch seine Überlegungen wurden abgeschnitten, als Dumbledore sich am Lehrertisch unerwartet erhob und um Aufmerksamkeit bat.
Auch seine Mitschüler rissen schließlich ihre Blicke von Sirius los und als es endlich ganz still geworden war, begann der Direktor: »Liebe Schüler und Kollegen…« (Oje, es war also ernst!) »Wie ich schon am Anfang des Schuljahres deklarierte, dürfen die Schüler weder in den Verbotenen Wald, noch dürfen sie nach Hogsmeade außerhalb der festgesetzten Hogsmeade-Wochenenden. Da auch Hogsmeade gerade in letzter Zeit nicht ganz ungefährlich ist – und manche Schüler dazu neigen, Gefahren zu suchen
(er bedachte Sirius flüchtig mit einem amüsierten Blick)
– und nachdem gestern ein Schüler gefährlich nahe an der Heulenden Hütte gefangen war und diese beinahe angezündet hätte, was die Geister sicher sehr verärgert hätte,
(auf der Slytherin-Seite gab es einen verdutzten Laut, als jemand in einer Pfütze umgekippten Orangensaftes ausrutschte und der Länge nach hineinplatschte – Sirius stellte mit Genugtuung fest, dass es Snape war)
muss ich Sie doch bitten, in Zukunft einen großen Bogen um jenes – sicherlich sehr verlockende – Spukhaus zu machen. Sollte dennoch jemand der Versuchung erliegen, wird er mit harten Strafen rechnen müssen. Für alle, die sich außer Stande gesehen haben, so lange Zeit aufzupassen, noch mal in Kürze: Heulende Hütte bedeutet: Mörderische Geister, Tod, Schmerzen, Qualen und harte Strafen.«
Dumbledore setzte sich mit einem Lächeln. Sein Blick schweifte stechend blau zu Sirius, der diesen bemerkte und grinsend zurückwinkte.
Etwas war Sirius wieder eingefallen, als Dumbledore ihn nach seiner Rede unverkennbar angeschaut hatte mit einem Blick, der ihm genau gesagt hatte, dass es dem Schulleiter ernst war: Wenn es etwas gibt, womit ich sicher stellen kann, dass es tatsächlich jemand versucht, dann ist es eine Rede, in der ich es ihnen verbiete.
Mit dieser Heulenden Hütte musste Dumbledore es wirklich ernst meinen, wenn er tatsächlich extra eine Rede hielt, in der mit harten Strafen gedroht wurde…
In der ersten Stunde schlurfte Sirius neben James in den Zaubertränkekerker, wo Snape bereits bei seinem Eintreten aus Versehen von einem Mitschüler in seinen Kessel geschubst wurde.
Mitten im Unterricht, Sirius beobachtete gerade gelangweilt, wie Snapes Kessel zum siebten Mal überschäumte (Sirius führte Strichliste), klopfte es energisch an die Tür.
»Herein«, knurrte Brewpot, dem es sichtlich missfiel, bei seiner Arbeit gestört zu werden. Die Tür wurde einen Spalt breit geöffnet und der ÜV streckte seinen Kopf herein.
»Entschuldigen Sie, Professor Brewpot, könnte ich mal bitte kurz Mr Black, Mr Potter, Mr Lupin und Mr Pettigrew entführen… auf Veranlassung von Professor McGonagall?«
Sirius sah verwundert James an, erhob sich dann aber zusammen mit den anderen beiden (Peter hielt sich – wahrscheinlich wegen des Vampir-Gerüchts noch immer auf Abstand) und sie folgten dem ÜV nach draußen (Hinter ihnen fing Snapes Mantel gerade Feuer).
Was hatten sie denn angestellt, dass Professor McGonagall sie aus dem Zaubertrankunterricht beordern ließ? Doch es stellte sich heraus, dass der ÜV wohl nur eine gute Ausrede gebraucht hatte, sie vor Brewpots Nase aus dem Unterricht holen zu können, denn er begann mit ernster Miene, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatten: »Wo ist denn Remus?«
»Krank. Was gibt's?«, murrte Sirius nur kurz angebunden.
»Jungs, wir haben ein ernstes Problem, das die Zukunft des Hauses Gryffindor gefährden könnte…«, spannungsheischend sah er in die Runde.
»Seit wann interessiere ich mich für die ›Zukunft des Hauses Gryffindor‹!«, wandte Sirius genervt ein. Vielleicht geschahen Snape ja gerade in diesem Moment ein paar Missgeschicke, die er noch nicht festgehalten hatte… Wie zur Bestätigung seiner Gedanken erschallte ein lauter Knall im Klassenzimmer. Er war sehr in Versuchung, nachschauen zu gehen, da fuhr der Fünftklässler fort: »…Das wird euch jetzt alle sehr hart treffen. Aber ihr müsst stark bleiben…«
»Komm doch mal zur Sache, sonst verpass ich womöglich noch mehr von Snapes Pleiten«, warf Sirius seufzend ein. James, den die ganze Sache zu interessieren schien, bedeutete Sirius, still zu sein, damit der ÜV weiterreden konnte.
»…Also: Der Geburtstagskalender ist verschwunden! Andrew hat mich an euch weiter verwiesen. Ihr könnt mir doch sicherlich helfen! Aber verratet es noch nicht den anderen, ich wollte keine Panik auslösen. Außerdem könnte ich ihre enttäuschten kleinen Gesichtchen nicht ertragen…«
»Und was sollen wir da tun?«, wollte James nun mit gerunzelter Stirn wissen.
»Auf jeden Fall könntet ihr ja mal die Augen offen halten! Ich hätte da schon ein paar Zweitklässler in Verdacht, die vielleicht eifersüchtig sind. Wenn ihr die mal etwas aushorchen könntet oder eure Verbindungen ausnutzt… Aber jetzt – husch husch – zurück in euren Unterricht mit euch!« Damit drehte sich der ÜV abrupt um und hastete davon.
»Na dann, lass mal deine Beziehungen spielen, Sirius«, grinste James, bevor sie wieder das Klassenzimmer betraten, wo auf Grund von Snape das Chaos ausgebrochen war.
Brewpot, der ohnehin schon nach Schuldigen suchte, kamen die drei gerade recht als Sündenbock und er bellte: »Zehn Punkte Abzug für Gryffindor!«, was im allgemeinen Aufruhr jedoch unterging.
In der vorletzten Stunde, Verteidigung, wurden Sirius noch immer misstrauische Blicke zugeworfen und ebenso hielt sich Peter noch immer von ihm fern.
Doch das kümmerte ihn wenig, da er und James mit überaus wirkungsvollen Flüchen beschäftigt waren. Sein Freund hatte das seltsame Gerücht noch immer mit keiner Silbe zur Sprache gebracht und anscheinend somit als zu abstrus abgestempelt, als dass es erwähnenswert gewesen wäre.
»Professor Piler«, hörte Sirius nun Daveys Stimme. Piler stoppte in seiner Runde durch die Klasse, um die Flüche zu überwachen.
»Ja, Mr Gudgeon?«, rief Piler ihn auf.
»Sir, woran erkennt man einen Vampir?«, fuhr Davey unbeirrt fort.
Piler legte nachdenklich die Stirn in Falten, antwortete aber schließlich doch nach einer kleinen Pause, in der alle den Atem angehalten und sogar Sirius und James zu schwätzen aufgehört hatten:
»Um dem vorweg zu greifen, Mr Gudgeon, ich glaube nicht, dass einer meiner Schüler ein Vampir ist«, lächelte der Lehrer, »Aber dennoch sage ich Ihnen gerne die charakteristischen Merkmale: Zunächst einmal auffallend bleiche Haut, dunkle Augen…«
Die Klasse atmete auf, schließlich hatte Sirius graue Augen, die man nun wirklich nicht als dunkel bezeichnen konnte. »…Vorstehende Eckzähne, panische Angst vor Feuer… Natürlich gibt es auch viele andere, kleinere Merkmale, aber da wir Vampire sowieso im dritten Jahr durchnehmen werden, verlegen wir das auf später. Ich hoffe, ich konnte Ihre Befürchtungen zerstreuen, Mr Gudgeon?«
Davey nickte und Timothy grummelte enttäuscht neben ihm, während Piler Sirius amüsiert zuzwinkerte und seine Runde fortsetzte.
Am Ende der Doppelstunde wollten Sirius, Peter (der nun endlich auch nicht mehr an das dämliche Gerücht glaubte) und James nach draußen stürmen, doch Piler rief sie noch mal zu sich und wartete, bis alle anderen draußen waren, ehe er begann:
»Hagrid hat mir von eurem… ähm… kleinen Duell erzählt, was ich natürlich nicht unterstützen kann, damit das klar ist… aber sich gegen einen Siebtklässler wehren zu können… hat meine Erwartungen an euch sogar weit übertroffen«, er zwinkerte ihnen erneut zu, »Ich bin doch ein toller Lehrer, nicht wahr?« Die drei Jungs grinsten sich nur wortlos an.
»Sollten wir Remus nicht mal im Krankenflügel suchen?«, schlug James vor, als sie am Abend alle Hausaufgaben erledigt hatten und im Schlafsaal saßen, da sich Timothy im Gemeinschaftsraum aufspielte.
»Tun wir nicht«, antwortete Sirius, der wie wild und erfolglos in seinem Koffer nach seinen Drachenlederhandschuhen kramte, »Ich hab unseren Abend schon anders verplant!« Verwundert zog er in dem Moment ein paar noch erstaunlich gut erhaltene Schokofrösche unter einem Pullover hervor. »Schaut mal, ich hab noch Schokofrösche«, stellte er erstaunt fest.
»Wo hast du die denn her?«, wollte Peter wissen, während er einen Schokofrosch und die dazugehörige Sammelkarte eines berühmten Zauberers auswickelte, den Sirius ihm zugeworfen hatte.
»Die sind noch von unserer Anreise im Hogwarts-Express«, bemerkte Sirius beiläufig, wobei er auch die restlichen Schokofrösche unter ihnen aufteilte.
»Ähm… Jungs? Hallo?«, holte James sie wieder zum Thema zurück, »Was haben wir denn jetzt heute Abend so Wichtiges vor?«
»Dumbledore«, stöhnte Sirius enttäuscht, als er sich die Karte, die in seinem Schokofrosch war und den Text auf der Rückseite über den Schulleiter besah.
»Was?« James schien langsam am Ende seiner Geduld, weshalb Sirius ihm schließlich seine Pläne anvertraute: »Wir steigen heute Nacht in die Heulende Hütte ein!«
»Spinnst du?«, warf Peter erschrocken ein, »Aber Dumbledore hat uns doch ausdrücklich verboten, dass…«
»Genau deshalb, Kleinhirn, gehen wir ja da rein«, erläuterte Sirius genervt.
»Also, dann lasst uns gehen«, zuckte James die Schultern und die drei machten sich auf den Weg aus dem Gemeinschaftsraum hinaus.
»Welche Karte hast du in deinem Frosch?«, hakte Sirius mit seiner eigenen Sammelkarte beschäftigt bei James nach.
»Salazar Slytherin«, gab James zurück, während er sich die Rückseite des schmollenden Salazar-Bildes ansah. »Hört euch das mal an: ›Zusammen mit Helga Hufflepuff, Rowena Ravenclaw und Godric Gryffindor gründete Salazar Slytherin vor circa tausend Jahren, das genaue Datum ist nicht bekannt, die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei. Nachdem sich die vier Gründer zerstritten hatten, verließ Salazar Slytherin schließlich die Schule. Er war Befürworter der Noblesse von Reinblütern und soll aus diesem Grund die Kammer des Schreckens installiert haben, durch deren namenlosen Schrecken die Schule eines Tages von muggelstämmigen Schülern gereinigt werden soll. Es existieren noch zahllose weitere Gerüchte über Flüche, die Slytherin auf Hogwarts gelegt haben soll, die allerdings nie bestätigt werden konnten.‹«
»Ich hab Merlin, der ist ziemlich langweilig«, murrte Peter, während er die Rückseite seiner eigenen Karte überflog.
Sirius überging diese Bemerkung einfach und wandte sich wieder an James. »Siehste, bei mir steht nur so'n Mist, von wegen, wann der geboren wurde… Mann, der ist ja steinalt! Schon 1844 geboren! Bei allen nassen Nymphen, dass der noch laufen kann! Mit 127 werd ich keinen Schritt mehr tun können!«, schüttelte Sirius den Kopf, während sie die Eingangshalle durchquerten.
»So lange mit dem Alter die Weisheit ebenso zunimmt, ist daran doch nichts auszusetzen«, lächelte in diesem Moment Dumbledore, der aus einem Klassenzimmer trat und anscheinend alles mitbekommen hatte.
»Weisheit? Nennt man so nicht die langsame Reaktion im Alter!«, grinste Sirius provozierend zurück.
Im nächsten Moment standen Sirius, James, Peter und Dumbledore mitten in der Wüste. Der Wind wehte den Sand unter strahlend blauem Himmel um sie herum. Sirius richtete seinen Blick ungläubig auf den Schulleiter, der breit grinsend mit dem Zauberstab in der Hand dastand. »Wollt ihr schon wieder zurück?«, fragte er fast ein wenig schadenfroh.
»Wo sind wir?«, fragte Peter vorsichtig nach.
»Wo wohl? In der Wüste natürlich«, blaffte Sirius zurück.
»Falsch geraten, Sirius, wir befinden uns noch immer in der Eingangshalle der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei. Ihr habt das Schlossgelände nie verlassen. Diesen Zweig der Magie nennt man Lokillusion. Der Witz dabei ist, dass alles, was ihr hier seht meiner Vorstellungskraft entsprungen ist. Ihr könnt jederzeit zurück in die Eingangshalle, wenn ihr euch diese genau vorstellt und somit meinen Zauberbann brecht…«
Sirius ließ seinen Blick durch die Wüste schweifen. Ein einsamer Kaktus, der Sand, auf dem er stand, der Wind, den er spürte, der ihm durch die langen Haare fuhr, die brennende Sonne… das alles sollte allein Dumbledores Vorstellung bewirkt haben?
Erstmals wurden Sirius die Ausmaße von Dumbledores Macht bewusst, die er wohl doch als kleiner Erstklässler, als der er sich jetzt plötzlich fühlte, noch lange nicht erreicht hatte.
Trotzdem versuchte er, die Eingangshalle so genau wie möglich vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Er machte die Augen fest zu und dachte ganz stark an jede Einzelheit der Eingangshalle Hogwarts', an die er sich erinnern konnte. Er öffnete die Augen wieder – doch nichts hatte sich verändert! Selbst Dumbledore schmunzelte ihn noch immer auf dieselbe Weise an.
Dann fuhr der Schulleiter fort: »Das war schon gar nicht schlecht! Aber du stellst dir den Ort, den du als Illusion heraufbeschwören willst, nicht stark genug vor! Du musst den Steinboden der Eingangshalle ebenso deutlich sehen können, wie diesen Sand hier!«
Damit nahm Dumbledore eine Hand voll Sand und ließ ihn durch seine linke Hand rieseln. »Aber mach dir nichts draus! Diese Art der Zauberei wird nur an sehr wenigen Schulen gelehrt, aber manchmal wird die Theorie auf Hogwarts in den UTZen verlangt. Wenn ihr in eurem dritten Jahr Illusionszauberei bei dem ehrenwerten Professor Slughorn wählt, dann werdet ihr wahrscheinlich noch mehr darüber erfahren.«
Dumbledore schwang lässig seinen Zauberstab und ehe sie einmal »Lokillusion« sagen konnten, standen sie wieder in der Eingangshalle.
»UTZ?«, wollte Peter nun völlig verwirrt wissen.
»Unheimlich Toller Zauberer, Peter, die höchste Prüfung, die Hogwarts zu bieten hat«, seufzte James fast so genervt, wie Sirius sich fühlte.
Dumbledore pflückte unterdessen Sirius die Schokofroschkarte aus der Hand und betrachtete sie stirnrunzelnd.
»Das müsst ihr erst mal schaffen, schon mit 37 in die Froschkarten aufgenommen zu werden! Das hier ist schon mindestens die dritte Ausgabe von mir. In der letzten Fassung haben sie sich bei meinem Geburtstag vertan und haben schon überlegt, ob sie ihn ganz wegstreichen sollen. Zum Glück kannte ich den Zaubereiminister und er hat sich dann für meinen Geburtstag eingesetzt…«
Dumbledore schien in Gedanken zu versinken, dann fragte er allerdings völlig unvermittelt: »Wo wolltet ihr eigentlich gerade hin?«
Sirius schwieg, da er sich diesmal auf James verließ, was dieser umgekehrt aber ebenso zu tun schien, so dass alle drei Jungs einen langen Augenblick schwiegen. Schließlich stupste Sirius James an: »James, sag du es ihm«, um dem Fall vorzubeugen, dass sie beide eine andere Ausrede hatten.
»Ähm… mir fällt's grad nicht ein. Hab's vergessen«, stotterte James überrascht. Sirius seufzte genervt und kam dann mit der üblichen Ausrede: »Wir waren natürlich gerade auf dem Weg in die Bibliothek, um…«
»Für unser liebstes Fach…«
»…Zauberkunst zu lernen…«
»…Wir haben nämlich einen verteufelt schweren Aufsatz auf…«
»…Für den wir die volle Punktzahl haben wollen…«
»Wie üblich eben…«
»…Wenn Sie uns dann jetzt in Ruhe lernen lassen würden?«
Sirius war schon im Begriff, weiter auf das Portal zuzuschlendern (und James schien seinen Plan auch endlich verstanden zu haben, denn er zog Peter hinter Sirius her), da rief sie Dumbledore mit heiterer Miene zurück:
»Jungs, ihr werdet Probleme haben, die Bibliothek auf den Schlossgründen zu finden! Da könntet ihr sogar bis zur Heulenden Hütte laufen, ohne sie zu entdecken!«
Sirius hielt einen Moment verblüfft mitten im Schritt inne, ehe er sich gefasst hatte, um sich umdrehen zu können und den Direktor empört anzusehen. »Wie können Sie nur davon ausgehen, dass wir zur Heulenden Hütte wollen, wo Sie uns das doch ausdrücklich verboten haben«, entrüstete er sich übertrieben.
»Ich habe nie gesagt, dass ihr zur Heulenden Hütte wollt. Ich weiß doch, dass ihr immer meine Anweisungen peinlich genau befolgt«, grinste Dumbledore.
»Das will ich ja auch schwer hoffen. Guten Abend«, sagte Sirius schnippisch und stolzierte an ihm vorbei die Treppe hoch mit seinen beiden Freunden im Schlepptau.
Im fünften Korridor hielt Sirius hinter der Statue einiger Kobolde, die eine Pyramide bildeten, an und zog auch die zwei anderen zu sich.
»So langsam wird mir der Typ unheimlich! Der scheint Gedanken lesen zu können! Maßt sich hier an, immer unsere Pläne zu durchkreuzen…«
Er hatte dem Direktor noch nicht diese Illusionszauberei vergeben, da er ihm damit gezeigt hatte, wie viel er noch zu lernen hatte und dass er erst ganz am Anfang stand. Aber dieses Lokillusionszeug würde er schon noch lernen! Und wenn das bedeuten würde, dass er über diese Zauberei etwas in Büchern nachlesen müsste!
Doch weiter kam er nicht in seinen Gedanken, denn Peter trat ihm erst auf den Fuß (»Kannst du nicht aufpassen!«) und fragte dann verständnislos: »Was stehen wir eigentlich jetzt hinter dieser Statue rum? Wollten wir nicht in die Bibliothek gehen und Zauberkunst lernen?«
Sirius und James stöhnten synchron auf, bis Sirius sich erbarmte: »Nein, wir warten jetzt hier ein paar Minuten, bis er weg ist, dann gehen wir runter und führen den ursprünglichen Plan durch.«
Doch da trat wie immer, wenn sie gerade Regeln brechen wollten, Pringle um die Ecke und blickte sie finster an. »Was wollt ihr denn hier? Es ist bald acht Uhr. Ich würde euch raten, schleunigst in euren Gemeinschaftsraum zu kommen, sonst…«
»Schon gut, schon gut, wir gehen ja schon«, knirschte Sirius mit den Zähnen. Also richteten sich die drei auf und räumten widerwillig das Feld. Nach einigen Korridoren raunte James: »Glaubt ihr, dass er uns verfolgt?«
»Er verfolgt uns garantiert, also seid ruhig«, flüsterte Sirius brummig zurück. Sirius drehte sich um, damit er vielleicht sehen konnte, wie Pringle hinter ihnen herschlich, doch stattdessen starrte er nur in einen leeren Korridor.
»Solltest vielleicht mal zum Schulpsychologen gehen, wenn du unter so starkem Verfolgungswahn leidest, Jungchen«, meinte ein Ölgemälde eines Heilers vom St. Mungos Zaubererhospital neben ihm.
Sirius warf Dumbledore während des ganzen Frühstücks am nächsten Morgen tief verletzte Blicke zu, da er ihn in seinem Stolz gekränkt hatte.
Die ganze Nacht hatte er wach gelegen und sich Gedanken darüber gemacht, wie er dem Direktor doch noch ein Schnippchen schlagen konnte.
Erst in den frühen Morgenstunden war er endlich auf die einleuchtende und einfach nur brillante Idee gekommen, den Spiegel im vierten Korridor zu nutzen. Schließlich konnte Dumbledore ja nicht alle Ausgänge bewachen!
Diese Eingebung teilte er eben James und Peter mit, als sie unvermittelt von Remus unterbrochen wurden, der sich zwischen sie quetschte. (Drüben am Slytherin-Tisch setzte sich eine Eule genau auf Snapes geschmierten Toast.) »Wo kommst du denn jetzt her?«, fragte James sofort nach.
»Hast Dumbledores Ansprache verpasst, dass wir fortan keinen Fuß mehr vors Schloss setzen dürfen«, grummelte Sirius beleidigt, worauf Remus sich nur fragend an Peter wandte, der sogleich zu einer Erklärung ansetzte: »Er ist sauer, weil Dumbledore angeordnet hat, dass wir nicht nach Hogsmeade dürfen und uns auch noch bei dem Versuch erwischt hat zur Heulenden Hütte zu kommen!«
»Da hat er auch vollkommen Recht, von der Heulenden Hütte soll man sich auch unbedingt fernhalten«, erklärte Remus eine Spur zu schnell, als dass es unauffällig gewesen wäre, dann fügte er noch irgendetwas nuschelnd hinzu, was seine drei Freunde nicht verstanden.
(Snape kippte sich einen Becher Orangensaft über seinen Zaubertränkeaufsatz, den sie an diesem Tag abgeben sollten.)
»Hallo? Könnte ich mal bitte eine Antwort bekommen?«, schaltete sich James wieder ungeduldig ein.
Aller Blicke richteten sich auf Remus, der etwas rosa anlief: »Ich… ähm… na ja, bin, als ihr auf Strafarbeit wart… mitten zwischen zwei sich duellierende Fünftklässler gekommen… ich wollte einschreiten, versteht ihr… na ja, dann habe ich was abgekriegt und bin erst heute Nacht wieder so richtig wach geworden.«
»Während du faul im Krankenflügel herumlagst, hatten wir hier echte Probleme. Zum Beispiel: Wie kommen wir ungesehen in die Heulende Hütte?«, mischte sich Sirius wieder ein.
James grinste ihn nur kopfschüttelnd an und meinte: »Aber genau an dieser entscheidenden Stelle hatte unser über alle Maßen genialer Sirius die zündende Idee: Wir gehen durch den Spiegel raus!« James hatte laut genug gesprochen, dass der Drittklässler, dessen Geld sie sich geborgt hatten, ihm einen finsteren Blick zuwarf.
»Welcher Spiegel?«, hakte Remus verständnislos nach. »Hinter dem wir mal gefangen waren«, antwortete James prompt.
»Als ich den Lolli gefuttert hab.«
»Und ich dein Buch gelesen habe…«
»Hä?«, unterbrach Remus sie nur vollkommen verwirrt. (Snape ließ das Marmeladenglas mit lautem Klirren fallen, so dass es den Umhang eines Siebtklässlers bespritzte, der darüber nicht erfreut war und Snape mit gezücktem Zauberstab aus der Großen Halle jagte.)
In diesem Moment standen sie mit dem Läuten der Schulglocke vom Tisch auf und Sirius legte Remus einen Arm um die Schultern: »Weißt du, wir haben ja genug Zeit, dir alles zu erzählen…«
Der Tag schien für Sirius gar nicht zu vergehen.
In Gedanken malte er sich schon aus, wie sie sich gegen Abend vor Dumbledores Nase aus dem Schloss stehlen und genau das tun würden, was er ihnen verbieten wollte. Denn ein Black ließ sich nichts verbieten! Die Minuten schlichen gemächlich dahin und Sirius wäre fast ausgerastet. Doch auch der längste Tag geht irgendwann vorbei, und schließlich konnten sie sich auf den Weg machen.
Sirius spitzte vorsichtig um die Ecke zum Spiegel.
»Verdammte Weiber«, stöhnte er auf, als er zwei ältere Mädchen erblickte, die sich kichernd vor dem Spiegel die Haare richteten.
»So hübsch sind die doch jetzt auch nicht, dass sie sich dauernd angucken müssten!« Sirius befürchtete schon, dass sie diesmal ausgesperrt statt eingesperrt blieben, doch zum Glück schienen die Haare der Mädchen jetzt richtig zu sitzen, denn sie verließen den Korridor in die andere Richtung. Endlich konnten die vier Jungs aus ihrem Versteck hervortreten und Sirius besah sich seinerseits prüfend im Spiegel.
Als er sich durch die dunklen Haare fuhr, warf James ihm einen skeptischen Blick zu und meinte amüsiert: »Wir wissen ja, dass du der Schönste von uns bist!« Damit trat er gegen den Spiegel und der Geheimgang öffnete sich, während Peter staunend die Augen aufriss.
»Steht hier nicht so untätig rum und kommt, wir müssen noch 'ne Menge Regeln brechen«, befahl Sirius vorfreudig und schritt voran.
»Tun wir doch jetzt schon«, hörte er Remus unbehaglich hinter sich murmeln.
»Lumos«, flüsterte Sirius und aus seinem Zauberstab fiel ein Lichtstrahl. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass die anderen drei es ihm gleichtaten.
»Wollen wir jetzt wirklich in die Hütte gehen? Können wir nicht einfach shoppen oder so?« Remus trat an Sirius' und James' Seite, um sie bittend anzublicken.
Ein Schreckensschrei hinter ihnen ersparte Sirius seine barsche Antwort, denn alle fuhren zu Peter herum, der sich mit bleichem Antlitz gegen eine Wand drückte.
»Eine Spinne! Macht sie weg, macht sie weg!«, kreischte er und deutete auf eine unbescholtene Spinne, die weit oben an der Decke hing. Seufzend wedelte Sirius mit seinem Zauberstab und sagte lässig: »Evanesco!«
Die Spinne verschwand spurlos. Sirius wandte sich grummelnd ab, um weiter den Gang entlang zu gehen. Die anderen drei holten ihn erst nach ein paar Sekunden wieder ein, in denen sie ihn nur fassungslos angestarrt hatten.
»Woher hast du denn den schon wieder?«, erkundigte sich James eifersüchtig.
»Ach, hab ich mir von Brewpot abgeguckt, als er Snapes Sauerei weggemacht hat«, winkte Sirius ab, wobei er die Tür am Ende des Tunnels aufstieß.
Nacheinander kletterten sie schweigend den Brunnen hinauf in das nächtliche Licht des ziemlich vollen Mondes. Dieser bot ihnen genug Licht, dass sie ihre Zauberstäbe löschen konnten.
»…Ich meine, wenn Dumbledore das extra gesagt hat, sollten wir vielleicht nicht… und überhaupt hat er euch schon beim letzten Versuch eiskalt erwischt«, stotterte Remus, dem es anscheinend nicht behagte, auch nur in die Nähe der Heulenden Hütte zu kommen.
»Bist du 'n Hufflepuff, oder was? Wir gehen ja gerade wegen dem Verbot da rein«, blaffte Sirius, wobei sie den Hügel hinaufstiegen.
»Komisch, heute heult es gar nicht«, stellte James nachdenklich fest, ohne Partei zu ergreifen.
»Na, hoffentlich sind die Gespenster nicht ausgeflogen«, scherzte Sirius.
»Darüber macht man keine Witze«, murmelte Peter, dem der Angstschweiß ausgebrochen war.
Endlich hatten sie den Zaun erreicht, in dem Snape das letzte Mal fest gehangen hatte. Im Gegensatz zu diesem setzte Sirius mit einem eleganten Sprung hinüber in den Garten.
Er wollte diesen schon durchqueren, als James ihm gedämpft nachrief: »Hey, warte mal! Peter!«
Das war ja klar, dass dieser Hufflepuffcharakter wieder die ganze Mission aufhielt. Gelangweilt drehte er sich um und sah, dass Peter, der zu klein war, von James und Remus an beiden Armen gepackt und über den Zaun gehievt wurde. Endlich schlossen auch sie zu Sirius auf, der bereits die mit Brettern vernagelten Fenster musterte.
»Schau'n wir lieber mal hinter dem Haus, da ist es unauffälliger«, beschloss Sirius kurzerhand und umrundete die schäbige Hütte. Remus murmelte erneut: »Ich glaub immer noch nicht, dass das eine gute Idee ist…«
»Hör endlich auf damit! Schließlich bist du ja mitgekommen«, schnauzte Sirius am Ende seiner Geduld.
Remus verstummte zerknirscht und James ließ Sirius einen vorwurfsvollen Blick zukommen, den dieser ignorierte.
Stattdessen trat er an ein vernageltes Fenster, um die Festigkeit der Bretter zu prüfen.
»Hier könnte es gehen…«, überlegte er, als er an der Holzversperrung rüttelte. »James, hilf mir mal!«
Sein Kumpel trat zu ihm und sie zogen und zerrten so lange an der Latte, so dass sie sich schließlich löste. Schwer atmend nahmen sie die nächste Leiste in Angriff, bis sie schließlich das zerschlagene Fenster frei geräumt hatten.
»Okay, dann mal los«, entschloss sich Sirius und kletterte in das finstere Spukhaus hinein. Kaum hatte er seinen Zauberstab entzündet, als James neben ihm auftauchte, wobei Remus und Peter draußen verharrten.
Sirius versuchte, einen Blick über den Lichtkreis seines Zauberstabes hinaus zu erhaschen. Was er erkennen konnte, war ein staubiger Holzboden, auf dem zerschlagene und zerfetzte Möbel standen.
»Das sind mir ja schöne Gespenster«, murrte er enttäuscht. »Remus, Peter, kommt her und seht euch das an!«
»Es wäre uns eigentlich lieber, wenn wir hier draußen warten…«, schlug Remus zaghaft vor.
»So ein Quatsch«, fuhr James dazwischen, während Sirius augenrollend zurück zum Fenster stapfte mit der Absicht, Remus am Kragen zu packen und herein zu ziehen. Allerdings drang seine Hand noch nicht einmal durch das vermeintlich offene Fenster.
»Leute…?«, wandte er sich zum ersten Mal völlig perplex an seine Freunde, wobei er die unsichtbare Barriere betastete, die aus harter Luft zu bestehen schien. »Okay, Remus, es war lustig… könntest du uns jetzt wieder rauslassen?«, bat er mit schlechtem Gewissen und der Panik schon sehr nahe.
»Ich mach doch gar nichts«, verteidigte sich Remus, der nicht minder erschrocken schien.
»Sirius, verarsch uns nicht«, meinte nun auch James und trat ebenfalls zum Fenster. Allerdings scheiterte er desgleichen bei dem Versuch, hindurch zu fassen.
Alle Blicke richteten sich nun auf Peter, der als letzter als Verdächtiger in Frage kam. Doch Sirius winkte sofort geringschätzig ab: »Der würde so einen Zauber doch gar nicht hinbekommen!«
Entschlossen zückte er seinen Zauberstab und schmetterte: »Alohomora«, was eigentlich alles Verschlossene aufmachen sollte, doch wo kein Schloss war, konnte sich auch keines öffnen.
»Okay, dann müssen wir also zu härteren Maßnahmen greifen! James, Remus, Peter – in Deckung«, ordnete Sirius fachmännisch an.
Nachdem sich alle übrigen in Sicherheit gebracht hatten, peilte er mit seinem Zauberstab die unsichtbare Barriere an und rief machtvoll: »Ignis rotundo!«, während er dieselbe Bewegung mit dem Zauberstab vollführte, die er sich bei dem Duell in Hagrids Hütte von Malfoy abgeschaut hatte.
Der Feuerball raste auf das Fenster zu und Sirius grinste schon siegesgewiss, als das feurige Geschoss an der Barriere abprallte und fauchend genau auf Sirius zusteuerte.
Erstarrt blieb er einen Augenblick völlig reglos in der Schusslinie stehen, was beinahe ein Augenblick zu lang gewesen wäre, hätte James nicht geistesgegenwärtig geschrien: »Evanesco!« Sofort verschwand der Feuerball, kurz bevor er Sirius traf. Mit weichen Knien drehte dieser sich zu James um und murmelte erschöpft: »Danke, Mann! Wie oft willst du mir eigentlich noch das Leben retten?«
»Na ja, so oft du dich halt noch in derartige Situationen bringst! Wir haben ja noch über 6 ½ Schuljahre vor uns. Aber wenn du dich revanchieren willst… ein Nimbus 1001 zu Weihnachten wäre gar nicht so schlecht!«
Sirius hatte schon wieder seinen gewohnten Zynismus zurückgewonnen: »Würde ich ja liebend gern tun! Aber du weißt ja, dass uns Besen im ersten Jahr hier nicht erlaubt sind!«
»Als ob dich das auch nur im Entferntesten abhalten würde«, entgegnete James, worauf sie sich angrinsten.
»Könnten wir vielleicht wieder aufs Thema zurückkommen?«, fragte Remus von draußen und holte so Sirius' Aufmerksamkeit in die schreckliche Realität zurück.
»Wie ich das sehe, hilft uns hier nur eins! James, Evanesco«, befahl Sirius, wobei er zuerst zu seinem Kumpel hinüber nickte und anschließend mit einer lässigen Kopfbewegung zum Fenster wies. Sein Freund grinste und wandte den Zauber von eben erneut an. Der ging jedoch einfach durch die Absperrung durch, als gäbe es sie gar nicht und traf (da sich Remus und Peter zum Glück rechtzeitig in Deckung geschmissen hatten) einen nahe stehenden Baum, der unverzüglich verschwand.
»Vielleicht sollten wir Hilfe holen?«, fragte Peters Piepsstimme vorsichtig.
»Ja, klar! Der Schulleiter hat uns zwar streng verboten, hier her zu kommen, aber wir holen ihn einfach mal, um uns zu befreien! Da können wir ja gleich unsere Koffer packen gehen«, schnauzte Sirius sarkastisch und James warf ein: »Dafür müssten wir aber erst mal hier raus kommen!«
Nach einer halben Stunde fruchtlosen Herumzauberns, meinte schließlich auch Remus, der einen innerlichen Kampf mit sich auszufechten schien: »Ich denke, wir sollten langsam wirklich Hilfe holen!«
»Aber bloß nicht Dumbledore«, verbot Sirius eindringlich.
»Na ja, der kriegt das doch sowieso mit, egal, wen wir holen«, warf James ein.
»Ja, aber dann bloß Dumbledore«, grummelte Sirius überstimmt. »Zweiter Korridor, Wasserspeier, Bertie Botts Bohnen aller Geschmacksrichtungen«, fügte er dann trocken hinzu.
»Aber bleibt hier«, ermahnte Remus sie noch mal, als er sich schon zum Gehen wandte (»Was bleibt uns denn anderes übrig?«), »Und fasst nichts an!« damit verschwanden er und Peter in der Nacht.
»Los, Sirius, durchsuchen wir das Haus. Wenn wir fliegen, will ich's mir auch redlich verdient haben« James stupste Sirius an und machte sich auf den Weg die Treppe hinauf. Sirius folgte ihm bis hinauf auf die Galerie, von der nur drei Türen abzweigten.
»Zahl zwischen eins und drei«, verlangte Sirius scherzhaft.
»Vergiss es, wir fangen rechts an«, grinste James schicksalsergeben zurück und stieß die erste, geschlossene Tür auf. Dahinter entdeckten sie ein Bett mit zerrissenem Bettbezug.
»Okay, nächste Tür«, wandte sich Sirius desinteressiert ab und betrat das nächste Zimmer, das anscheinend eine kleine Bibliothek war. Hier war nichts zerstört, im Gegenteil, es schien sie sogar jemand zu pflegen.
Auf einem alten Schreibtisch in der Ecke lag ein großes Buch aufgeschlagen neben einer unangezündeten Kerze. Sirius besah sich den in Leder gebundenen Einband und las den Titel laut vor: »Legenden um Hogwarts. Hey, dafür würde sich Remus bestimmt interessieren. Wollen wir's ihm mitnehmen?«
»Willst du Dumbledore gleich noch den Diebstahl eines Buches erklären?«, fragte James nur mit hochgezogenen Brauen. Sirius überflog währenddessen das Inhaltsverzeichnis:
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 4
Geschichtliche Hintergründe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 8
Hausgeister und andere Gespenster. . . . . . . . . . . . . . .Seite 40
Verborgene Schrecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 56
Furchtbare Flüche und ihre Auswirkungen. . . . . . . Seite 104
Geheimgänge und andere versteckte Abkürzungen . . Seite 168
An dieser Stelle brach Sirius ab und blätterte neugierig auf Seite 168, um sich ein paar Geheimgänge einzuprägen, doch in dem Moment drangen Stimmen von unten herauf.
Seufzend wandten sich die Jungs einander zu und Sirius streckte die Hand aus: »War nett, dich kennen gelernt zu haben!« James ergriff sie und nachdem sie sich ein letztes Mal zugenickt hatten, stiegen sie nebeneinander die Treppe hinab.
»Ja, Sir, hier sind Sie eingestiegen – Sie sehen ja die Bretter, die hier herumliegen – und dann konnten sie plötzlich nicht mehr zurück. Ah… da kommen sie ja«, erklärte Remus gerade Professor Dumbledore, der in seinem Morgenmantel mit heiterer Miene vor dem Fenster stand.
»Na, wie geht es euch heute Abend? Meine Warnung hat euch anscheinend nicht sehr beeindruckt«, begrüßte Dumbledore die beiden, die sich auf der anderen Seite der Wand vor das Fenster stellten.
»Fliegen wir jetzt, Sir?«, fragte James offen heraus.
»Bedaure, Mr Potter, ich fürchte, wir müssen zu Fuß zum Schloss zurück! Ich habe meinen Besen leider nicht dabei«, schmunzelte der Schulleiter, den die Situation sichtlich belustigte.
»Wie, heißt dass, Sie schmeißen uns nicht raus?«, hakte Sirius ungläubig nach.
»Nein«, entgegnete Dumbledore, »Schönen Ausbruchzauber, den ich darauf gelegt habe, findet ihr nicht?« Der Direktor wischte sich die Bommel seiner Schlafmütze aus dem Gesicht und wedelte mit dem Zauberstab. Dann trat er lächelnd zur Seite: »Ihr könnt jetzt herauskommen!«
Kleinlaut folgten die zwei Jungs seinem Befehl und mussten feststellen, dass es jetzt gar kein Problem mehr für sie war, durch das Fenster zu steigen, was kurz zuvor noch unmöglich gewesen war. Dumbledore schwang erneut seinen Zauberstab durch die Luft.
»Aber warum werden wir nicht bestraft?«, wollte James nun perplex wissen.
»Das habe ich wiederum nicht gesagt, Mr Potter«, hielt der Schulleiter lächelnd entgegen. »Ich werde diesmal eure Strafarbeit persönlich übernehmen, damit ihr euch nicht wieder mit irgendwem duellieren könnt! – Aber ich muss zugeben, dass auch mich eine bestimmte Schuld trifft, denn hätte ich nicht so eine flammende Rede gehalten, wärt ihr wohl nicht mal auf die Idee gekommen, hier einzubrechen. Allerdings…«
Sirius' Aufmerksamkeit schwand schlagartig und er wandte sich neugierig dem Fenster zu. Prüfend streckte er einen Finger aus und langte durch das Fenster.
Als er ihn jedoch zurückziehen wollte, musste er feststellen, dass er feststeckte. Sichernd drehte er sich zu Dumbledore um, der noch immer James, Remus und Peter zuschwafelte, dann packte er mit der linken Hand das Handgelenk der rechten, die feststeckte, um mit aller Kraft zu versuchen, diese zu befreien, was natürlich misslang.
»Ähm… Professor Dumbledore, Sir«, unterbrach er den Schulleiter in seiner Rede. Erst jetzt wurde den anderen gewahr, was Sirius passiert war und Dumbledore verkniff sich mühsam ein Grinsen.
»Eigentlich sollte ich dich ja heute Nacht hier festsitzen lassen«, lächelte er, befreite Sirius dann aber trotzdem.
Mit einem weiteren Schlenker seines Zauberstabes befestigten sich die lose am Boden liegenden Bretter wieder am Fenster und Dumbledore meinte zufrieden: »Nur für den Fall, dass ihr noch mal auf die Idee kommen solltet, hier einzubrechen und mich wieder aus dem Bett zu holen, habe ich noch einen Einbruchzauber auf die Hütte gelegt. Damit müsste sie inzwischen schülersicher sein. Sollte ich bei meinem Büro vielleicht auch machen… Aber nun lasst uns gehen, ihr müsst morgen wieder früh aufstehen.«
Damit wandte sich Dumbledore um und die Jungs folgten ihm hinaus aus dem Garten auf die Hauptstraße Hogsmeades.
Als sie am Brunnen der kleinen Gemeinheiten vorbeigingen, schloss Sirius zu Dumbledore auf und fragte kleinlaut: »Sagen Sie mal, Sir, wissen Sie eigentlich immer über alles Bescheid, was in Ihrer Schule vorgeht?«
Dumbledore zwinkerte ihm nur lächelnd aus seinen glitzernden, blauen Augen zu.
Als Sirius schließlich doch irgendwann im Bett lag, dachte er fassungslos aber zufrieden darüber nach, dass sie doch nicht rausgeflogen waren.
Allerdings fragte er sich, warum Dumbledore ihnen am Tag zuvor noch bitterernst verboten hatte, der Heulenden Hütte auch nur zu nahe zu kommen und sich heute köstlich amüsiert hatte, als sie eingesperrt waren.
Außerdem ließ er sie mit nichts als einer Strafarbeit davonkommen, obwohl durchaus allein die Tatsache, dass sie sich überhaupt nachts außerhalb des Gryffindor-Turms (ganz zu schweigen außerhalb des Schulgeländes) aufgehalten hatten, zu einer größeren Strafe hätte führen können. Was natürlich gleich zu der nächsten Frage führte, die ihm im Kopf herumschwirrte: Warum legte Dumbledore einen Ausbruchzauber auf die Heulende Hütte?
Vielleicht wollte er verhindern, dass die Geister Hogsmeade unsicher machten? Allerdings: Welche Gespenster?
So viel Sirius jedenfalls von der Hütte gesehen hatte, gab es da keine Spukgestalten. Aber er hatte es doch selbst bei ihrer Strafarbeit heulen hören…
Den Kopf so voller Gedanken schlief Sirius erst spät in der Nacht ein.
tbc...
