Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Vierzehntes Kapitel
Phineas Nigellus
Wundersamerweise hing am nächsten Morgen, als sie zum Frühstück gingen, ein neues Bild vor dem Porträtloch. Der übelgelaunte Mann auf dem Porträt fauchte Sirius sofort an, sobald er ihn erkannte: »Was machst du denn hier im Gryffindor-Turm! Geh zurück in deinen Slytherin-Kerker, wo du hingehörst!«
Sirius verdrehte genervt die Augen und wollte schon ansetzen, ihm trotzig etwas zu erwidern, da fiel ihm James überrascht in das unausgesprochene Wort: »Hey, du hast doch vorher in Dumbledores Büro gehangen!«
Also entschloss sich Sirius, das Porträt zu ignorieren und antwortete stattdessen James: »Er war ja auch der unbeliebteste Schulleiter, den Hogwarts je hatte!«
»Woher willst du das denn wissen?«, warf Remus mit einem scheelen Seitenblick auf das Porträt ein.
»Ich fass es einfach nicht, jetzt unterhält er sich auch noch mit den Erzfeinden meines Hauses«, fiel der verstimmte Zauberer im Bild ein.
»Der da ist mein Ururgroßvater Phineas Nigellus«, brummte Sirius ungeduldig. Und an das Porträt gewandt schnauzte er nun: »Nur damit du's weißt, ich bin ein Gryffindor und kein Slytherin-Freak!« Phineas glotzte Sirius schockiert an, öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus und schloss ihn deshalb wieder.
»Was machst du überhaupt hier bei uns! Wieso hängst du nicht bei den Slytherin-Kerkern herum?«, blaffte Sirius ärgerlich.
»Glaubst du etwa, ich hätte mich um diesen Job gerissen! Dumbledore hat mich einfach bestimmt, als sich kein anderes Bild freiwillig gemeldet hat! So ein…«
»Wag es bloß nicht, den besten Schulleiter, den Hogwarts je hatte, zu beleidigen«, unterbrach Remus ihn schnell.
»Ein falsches Wort, Nigellus, und wir lassen dich genauso verschwinden«, setzte Sirius hinzu, womit er sich umwandte und den Korridor entlangging.
»Du bist eine Schande für deine Familie, kleiner Black! Verräter des reinen Blutes…«, hörte er Phineas hinter sich schreien, doch er achtete gar nicht darauf.
Auch Remus schien enttäuscht über die Neubesetzung des Porträts, denn er murmelte: »Schade, dass wir nicht Dilys Derwent bekommen haben, oder Everard… Es hängen so viele Porträts von richtig berühmten Schulleitern Hogwarts' in Professor Dumbledores Büro, und wir kriegen ausgerechnet Phineas Nigellus…«
Sie gingen gerade die Marmortreppe zur Großen Halle herunter, als Sirius abermals aufseufzte. Der Tag konnte wohl kaum noch schlimmer werden, jetzt sah er auch noch Malfoy und Bellatrix zum Frühstück schlendern.
Natürlich verirrte sich Bellas Blick gleich zu ihrem Cousin und sie stieß Malfoy an, um daraufhin lässig auf die vier Gryffindors zuzuschlendern. »Ha, da ist ja Baby Black! Hattet Glück, dass euch da gestern Peeves raus gehauen hat!«
Mehr aus Gewohnheit langte Sirius gelangweilt nach seinem Zauberstab, doch Remus hielt geistesgegenwärtig seine Hand fest und murmelte: »Komm schon, die ist keine Strafarbeit wert, Sirius. Lass die doch reden!«
»Angst, ein Duell gegen mich zu verlieren, was Baby Black?« Bellatrix grinste ihn spöttisch mit ihrer gewöhnlichen, herablassenden Art an.
Diesmal kam sogar Remus' Hand zu spät, um Sirius aufzuhalten seinen Zauberstab zu ziehen. Doch Professor McGonagall kam gerade in dem Moment hinter den vier Jungs die Treppe hinab.
»Was soll das, Black und…« McGonagall zögerte sichtlich einen Moment, als sie Bellatrix begutachtete und das Dilemma der gleichen Namen bemerkte. »…Black? Ein Duell? Wenn Sie sich schon duellieren wollen, Black… Miss Black, dann suchen Sie sich jemanden in Ihrer Größe!«
Fauchend drehte sich Bella um und stolzierte Malfoy voran in die Große Halle.
Sirius war froh, die Slytherins in Verteidigung und Verwandlung nicht sehen zu müssen, was sich in Astronomie jedoch zu seinem großen Leidwesen schlagartig änderte.
Professor Highking sprach gerade über das Sternbild Kassiopeia, das seinen Namen angeblich von einer griechischen Gottheit erhalten hatte und Sirius war – wie üblich – halb am Einschlafen, da drang in seine dösigen Gedanken die Stimme des Professors: »Leider ist mir im Moment die dazugehörige Sage entfallen… Wenn Sie mal eben zu Professor Brewpot gehen würden, Mr Black. Er verfügt über ein enormes Wissen, was griechische Sagen anbelangt!«
Das hatte er nun davon, dass er zu spät gekommen war und so in der ersten Reihe gleich neben der Tür saß. Seufzend stand er auf und verließ schlurfenden Schrittes das Klassenzimmer.
Da er den Blick auf den Boden gerichtet hatte, stieß er beinahe mit dem ÜV zusammen, der mit energischen Schritten den Gang entlang hastete.
»Solltest du nicht im Unterricht sitzen? Schwänzt du etwa?«, hakte dieser gleich diensteifrig nach.
»Ich muss zu Brewpot«, murmelte Sirius nur lustlos.
»Professor Brewpot, kleiner Black«, verbesserte der ÜV ihn mit einem väterlichen Lächeln, wobei er ihm durch die Haare wuschelte.
Verärgert ordnete Sirius seine Frisur wieder, als der ÜV weiterredete: »Wo ich dich jetzt schon hier treffe, das neue Passwort, das Mr Nigellus festgelegt hat, lautet: ›Flagitium atrum‹. Sag es doch bitte weiter, ja?«
Sirius überlegte einen Moment lang, ob er den ÜV auf die schmerzliche Erinnerung mit dem Geburtstagskalender ansprechen sollte, entschied sich aber dagegen, weil er nicht länger zugelabert werden wollte.
»Klar«, murmelte er deshalb nur und verfolgte weiter seinen Weg hinab zu den Kerkern. Er ließ sich sehr viel Zeit, doch als er ankam, war die Stunde immer noch nicht vorbei und so blieb ihm nichts anderes übrig, als anzuklopfen.
»Ja«, bellte Brewpot von innen. Sirius drückte widerwillig die Tür auf und trat ein.
»Ah… die Schande beehrt uns. Was ist es diesmal?«, höhnte der Zaubertranklehrer sofort. Heulendes Slytherin-Gelächter ergoss sich über Sirius, der zum ersten Mal seinen Blick über die Klasse schweifen ließ und zu allem Überfluss Bellatrix und deren Clique entdeckte.
Doch er riss sich zusammen und begann: »Professor Highking lässt fragen, wie die Sage von Kassiopeia lautet.« Wieder erschallte gellendes Gelächter, besonders von Seiten Bellas und Rodolphus'.
»Tja, das sind die jungen Lehrer, die im Grunde genommen nichts von ihrem Unterrichtsfach verstehen… Müssen sogar nichtsnutzige Schüler als Laufburschen zu den erfahreneren Semestern schicken. Wahrscheinlich wollte Highking Sie einfach nur loswerden… wer will schon eine Schande in seiner Klasse…«, lästerte Brewpot, um seine Klasse zu erheitern.
»Könnten Sie mir jetzt bitte die Antwort sagen, ich möchte zurück zu Astronomie, Sir«, knirschte Sirius, dem das slytherinische Amüsement schwer im Magen lag.
»Oh, Baby Black will von der bösen, bösen Klasse der Slytherins weg und zu seinem Beschützer zurück«, spottete Bellatrix, woraufhin der Kerker vor Lachen zu explodieren schien. Sirius begnügte sich damit, abzuwarten, bis sich die Klasse wieder beruhigt hatte und sagte gar nichts, doch Rodolphus brachte unter einer Lachsalve der Klasse hervor: »Ein kleiner Streber ist er auch noch!«
»Haben Sie doch Verständnis, Mr Lestrange«, bat Brewpot mit einem gehässigen Funkeln in den Augen, »Wenn er schon von Zaubertränken keine Ahnung hat, möchte er eben in Astronomie schleimen…«
»Also, wenn ich das hier jetzt richtig deute, Sir«, mischte sich Sirius wieder ein, »haben Sie von der Sage auch keine Ahnung.«
Plötzliche Stille. Aller Augen richteten sich auf Brewpot, der solange schwieg und Sirius anfunkelte, bis das Schweigen schon auf Sirius' Ohren drückte.
Kein einziger Schüler lachte mehr oder traute sich irgendetwas zu sagen. Eine so laute Stille hatte Sirius noch nie gehört, ebenso, wie er noch nie eine so lange Sekunde erlebt hatte, bis der Professor kaum vernehmlich grollte:
»Mr Black, ich glaube, dass das dreißig Punkte Abzug von Gryffindor für Sie bedeutet. Und zu Ihrer Information: In der griechischen Mythologie ist Kassiopeia die schöne, aber auch überhebliche Tochter der Königin von Äthiopien. In ihrem Übermut hielt sie sich für schöner als die Töchter des Nereus, den so genannten Nymphen. Dadurch zog sie sich den Ärger des Gottes Poseidon zu. Um sie zu bestrafen, wurde ihre Tochter, Andromeda, an einen Felsen gekettet, um als Opfer für ein Seemonster zu dienen. Doch Andromeda blieb dieses Schicksal erspart, da sie von Perseus vor dem Tode gerettet wurde. Um Demut zu lernen, wurde Kassiopeia auf eine Weise an den Himmel verbannt, dass sie die Hälfte der Zeit kopfüber hinab hängt.«
Nach diesem langen Vortrag holte Brewpot einmal tief Luft, bevor er in demselben Ton hinzufügte: »Falls Sie sich das alles in Ihrem Spatzenhirn merken konnten, verlassen Sie nun meinen Kerker! Ich möchte meinen anspruchsvollen Unterricht fortsetzen!«
Das ließ sich Sirius nicht zweimal sagen und er verschwand schweigend aus dem Kerker.
Er eilte grübelnd zu seinem Klassenzimmer zurück, während er sich über die Schmähungen der Slytherins aufregte. Wie konnte Brewpot, als Lehrer, nur so was unterstützen. Und dann auch noch vor seiner Cousine Bellatrix und Rodolphus!
Aber wenn er es sich recht überlegte, hatte Brewpot ihm wohl noch nicht verziehen, dass er in Gryffindor und nicht in Slytherin war. Schließlich hatte er ihn von Anfang an nicht leiden können, was allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte…
Er betrat den Astronomieraum und setzte sich schweigend auf seinen Platz. Er war so in Gedanken versunken, dass er erst als um ihn herum mehrere Minuten Stille geherrscht hatte, zu Highking aufblickte, der ihn fragend ansah.
»Was hat Professor Brewpot denn nun gesagt?«, hakte dieser nach. In der kürzesten Grobfassung erzählte Sirius die Sage von Kassiopeia, bis es endlich zum Ende der Stunde gongte.
»Was ist denn mit dir passiert, während du da runter gegangen bist, man? Du bist ja wie verwandelt«, meinte James sofort, als sie das Zimmer verließen, um zur Pause in den Gemeinschaftsraum zu gehen.
»Ach, hab mal eben dreißig Punkte Abzug von Brewpot kassiert«, versuchte Sirius lässig abzutun.
»Was?«, kam es gleich geschockt von Remus, der hinter ihnen lief. »Das kann er nicht machen! Aber warum denn!«
Also erzählte Sirius von den unerfreulichen Kommentaren im Slytherin-Kerker. »…Wenn Aveimperatore mich noch einmal da hinschicken will, dann streike ich«, endete Sirius schließlich, als sie beim Porträtloch ankamen.
»Aber dreißig Punkte ist schon ganz schön gepfeffert«, beharrte Remus.
»Flagitium atrum«, sagte Sirius nun an Phineas Nigellus gewandt.
»Ach, ist das das neue Passwort?« Remus ließ vom Thema Zaubertränke ab und sie stiegen nacheinander in den Gemeinschaftsraum.
Da sie am Nachmittag, wie jeden Mittwoch, frei hatten, beschlossen sie, für eingehende Recherchen über Piler und Pringle, Hagrid zu besuchen.
»Ich bin ja immer noch überzeugt davon, dass Pringle an allem Schuld ist. Es würde sich alles so ineinander fügen! Er hasst Schüler und versucht jetzt, die Schule zugrunde zu richten«, schnaubte James, während sie über die dünne Schneedecke, die über Nacht auf wundersame Weise aufgetaucht war, auf Hagrids Hütte zuschritten.
Als sie am See vorbeikamen, bemerkten sie, dass sich auf diesem eine dünne Eisschicht gebildet hatte, die ihn noch mysteriöser erscheinen ließ, als er für gewöhnlich wirkte.
»Na ja, das alles wird sich sicher bald aufklären«, erwiderte Remus nur, dem man es anmerkte, dass er nicht daran glaubte.
In dem Moment beendete Sirius das Gespräch, indem er an Hagrids Tür klopfte. Es erfolgte keine Reaktion, nicht mal Fang bellte drinnen. »Klasse, jetzt haben wir den ganzen Weg in dieser Kälte umsonst gemacht«, schnauzte Sirius sofort.
»Ach komm, Sirius, das sind 500 Meter! – Wo er wohl steckt?«, hakte Remus besorgt nach.
»Wahrscheinlich lässt er gerade den Gryffindor-Turm verschwinden«, feixte James. Sirius unterdessen rieb mit grimmiger Miene die Hände aneinander, um sich warm zu halten.
»Hat Hagrid denn einen Zauberstab?«, wollte Peter unvermittelt wissen.
»Der Kleine hat Recht! Wir haben Hagrid noch nie mit einem Zauberstab gesehen… vielleicht ist er ein Squib«, mutmaßte Sirius aufgeregt, mit einem Schlag um einiges besser gelaunt. Die Sache fing an, interessant zu werden!
»Du meinst, einer aus einer Zaubererfamilie, der nicht zaubern kann?«, hakte Peter vorsichtshalber noch mal nach, doch James machte diese Vermutung zunichte, indem er einwarf: »Aber er hat doch gezaubert! Bei dem Duell hat er uns alle mit Lilys Zauberstab entwaffnet!«
Bevor sie ihre Unterhaltung fortsetzen konnten, trat Hagrids riesige Gestalt mit Fang neben sich aus dem Verbotenen Wald.
»Lasst ihn uns doch einfach fragen«, zuckte Sirius die Schultern und ging zielstrebig auf Hagrid zu. »Was hast du im Verbotenen Wald getrieben? Wo hast du eigentlich deinen Zauberstab? Und was wollten Piler und Pringle gestern Abend bei dir?«, sprudelte Sirius sofort los.
»Und überhaupt…«, setzte James amüsiert hinzu, »…Wie hieß Merlins Ururgroßvater?«
»Mal immer schön langsam mit den jungen Thestralen, Jungs«, erwiderte Hagrid leicht reserviert. Offensichtlich war ihm Sirius' Fragerei etwas unangenehm. Dennoch lud er sie höflich ein: »Kommt erst ma rein.«
Er stieß die Tür seiner Hütte auf, ohne die Klinke auch nur anzufassen, und stampfte hinein, gefolgt von den vier Gryffindors.
Innen war es wenigstens schön warm, was Sirius' schlechte Laune endgültig vertrieb. Hagrid entzündete sogleich ein Feuer im Kamin, doch Sirius wollte nun endlich Antworten auf seine Fragen erhalten.
»Also?«, hakte er daher ungeduldig nach, als Hagrid ihnen auf dem großen Tisch heißen Tee servierte. Dabei war er mit Gedanken anscheinend woanders, da er bei James' Tasse die Hälfte auf die Tischdecke verschüttete und das noch nicht einmal zu bemerken schien.
»War im Verbotenen Wald Thestrale füttern«, begann Hagrid.
»Was sind Thestrale?«, fragte Peter sofort mit piepsiger Stimme.
»Geflügelte Pferde mit einem ausgezeichneten Orientierungssinn, die nur von jenen gesehen werden können, die schon mal jemanden haben sterben sehen«, erklärte Remus gleich fachkundig.
»Und der Zauberstab…?«, begann Sirius wieder.
Hagrid senkte den Blick tief in seine Teetasse während er beschämt nuschelte, sodass sie es kaum verstanden: »Bin in der dritten Klasse aus Hogwarts rausgeflog'n. Mein Zauberstab is' damals zerbrochen word'n…«
Schockiert blickten sich die vier Freunde an, dann zuckte Sirius tröstend die Schultern: »Mach dir nichts draus, Hagrid, das hätten wir schon fast in der ersten Klasse geschafft.«
»Um auf Professor Piler zurückzukommen…«, lenkte Remus das Gespräch wieder in angenehmere Bahnen.
»Ach, der… woher wisst ihr überhaupt, dass er und der Hausmeister hier war'n?«, schrak Hagrid plötzlich aus seiner Melancholie auf.
»Und da ist auch schon der Grund, weshalb wir fast rausgeflogen wären«, platzte Sirius belustigt heraus. Darauf sprach eine Weile nur Remus, der Hagrid die ganze Geschichte vom Vorabend erzählte.
»S' is' gefährlich, nachts draußen rumzulaufen, im Dunkeln«, erwiderte Hagrid mit offenem Mund.
»Sieh's doch mal so«, meinte Sirius und kippelte lässig auf seinem Stuhl, »Wir waren zumindest nicht im Verbotenen Wald… – obwohl das eigentlich auch mal ganz reizvoll wäre…«
»Wenn ich euch da jemals erwische, hetz ich euch eine Meute Werwölfe auf'n Hals«, drohte Hagrid fast erschrocken, aber mit der ehrbaren (und natürlich aussichtslosen) Absicht, sie zu erziehen.
Remus und Peter wurden gleichzeitig blass, anscheinend bei dem unheilvollen Gedanken, wilden Werwölfen in der Dunkelheit gegenüber zu stehen. Sirius und James dagegen blickten sich an und murmelten synchron: »Cool!«
»Ähm… wolltet ihr nich was über Professor Piler erfahren?«, lenkte Hagrid schnell von den Werwölfen ab, als er sah, wie freudig Sirius und James und wie geschockt Remus und Peter darauf reagierten.
»Genau, lassen der und Pringle nun alle Sachen verschwinden?«, hakte James, der wieder bei der Sache war, nach.
»Nee, sind ziemlich besorgt über die Lage.«
»Warum war Piler dann bei dir?«, forschte auch Remus nach.
»Nur wege'm wütenden, magischen Holzwurm, der sich noch immer durch meine Tür frisst… Verbrennt mir dauernd die Hand, wenn ich die Klinke anfass'«, murrte Hagrid, während er ihnen Kekse anbot, die sie sorgsam unangerührt ließen.
»Aber Pringle hat das Zeug verschwinden lassen«, beharrte Sirius unterdessen stur.
»Nee, der war ziemlich fertig, als er das geseh'n hat. Hat geschimpft und geflucht… Passt nich zu ihm, kenn ihn schon lang genug. Kann zwar fies un' gemein sein un' alles, aber wenn's ums Schloss geht, macht er so was nich! Aber an eurer Stelle würd ich mich da raushalt'n. Lasst das ma Dumbledore übernehm'n. Wenn der das nich in'n Griff kriegt, dann schafft das niemand!«
»Toll, dann haben wir jetzt keinen Hauptverdächtigen mehr«, regte sich Sirius gleich auf, grabschte sich doch noch einen Keks zum Mitnehmen, stand verärgert auf und schob seine Teetasse impulsiv weg.
»Kommt, Leute«, meinte er dann, »wenn wir jetzt schon wieder bei der Aufklärung des Falles von Null anfangen müssen, dann sofort.«
Er ging forschen Schrittes zur Tür, wobei ihm die anderen drei widerspruchslos aber langsam folgten, und legte die Hand wartend auf die Türklinke. »Au!«, schrie er, als er die verbrannte Hand zurückzog.
Von Hagrid kam nur ein glucksendes Lachen und ein freundliches: »Bis demnächst, Jungs!«
Übellaunig stampfte Sirius seinen Freunden voran zum Gryffindor-Turm. »Flagitium atrum«, schnauzte er lustlos.
»Nö«, murmelte Nigellus mit geschlossenen Augen.
»Wie ›Nö‹?«, hakte Remus ungläubig nach.
»Euch dreckige Gryffindors lass ich nicht rein.«
»Aber das ist doch der Gryffindor-Turm«, empörte sich auch James.
»Das Porträt ist verpflichtet, die Schüler mit dem richtigen Passwort reinzulassen«, stellte Remus akademisch fest.
Inzwischen hatte Nigellus die Augen geöffnet und fauchte: »Dann hab ich's eben jetzt geändert!«
Gerade zückte Sirius wütend seinen Zauberstab, um seinen Ururgroßvater zu bedrohen, da öffnete sich das Porträt von innen und der ÜV rauschte panisch und ohne ein Wort zu sagen an ihnen vorbei den Korridor hinab.
Während sich Sirius nur beiläufig fragte, was der ÜV jetzt schon wieder hatte, huschten die vier Jungs schnell in den Gemeinschaftsraum, bevor Nigellus wieder zuklappen konnte.
Dort herrschte heilloses Durcheinander: Die älteren Schüler diskutierten heftig mit ernsten Mienen, während die jüngeren aufgeschreckt durcheinander redeten.
»Was ist denn hier los?«, fragte Sirius Specter, wobei er ihm auf die Schulter tippte.
Dieser drehte sich überrascht um und deutete schließlich nur wortlos in Richtung Jungenschlafsäle. Im selben Moment als Sirius den Grund des Chaos' ausmachte, stieß James baff hervor: »Verdammt, die Treppe ist weg! Sieh dir das mal an!«
»Mist, das heißt, dass Timothy nicht mehr als Verdächtiger in Frage kommt! Nicht mal der wäre so blöd, die Treppe zu seinem eigenen Schlafsaal wegzuhexen«, fluchte Sirius enttäuscht.
Doch in dem Augenblick öffnete sich das Porträt erneut und der ÜV stürmte wichtigtuerisch gefolgt von Professor McGonagall herein.
Diese erfasste die Situation mit einem Blick und sorgte mit ihrer bloßen Anwesenheit dafür, dass die Schüler sich beruhigten. »Seit wann ist die Treppe schon verschwunden? Hat jemand die Täter gesehen?«, fragte sie scharf.
Synchrones Kopfschütteln.
Allein der ÜV wagte es, etwas zu sagen: »Nach dem Unterricht habe ich einem Ravenclaw-Zweitklässler Nachhilfe in der Bibliothek gegeben und als ich zurückkam, habe ich alles so vorgefunden.«
»Ich werde sofort den Schulleiter davon unterrichten. Bleiben Sie hier und bewahren Sie Ruhe! Und keiner – ich betone keiner – wird versuchen, in die Schlafsäle zu gelangen!« McGonagalls Blick irrte unwillkürlich zu Sirius und James, die sich schnell in zwei Sesseln niederließen.
Kaum hatte die Lehrerin den Gemeinschaftsraum verlassen, setzten sich auch Remus und Peter zu ihnen.
»Habt ihr schon gehört? Ein Sechstklässler hat gesagt, dass bald auch Menschen verschwinden, wenn Dumbledore das nicht stoppen kann«, bibberte Peter ängstlich.
Sirius schnaubte nur verächtlich, aber Davey, der in der Nähe saß und es anscheinend auch gehört hatte, fing sofort an, aufgeregt mit Timothy zu flüstern. Sirius verdrehte genervt die Augen und wandte sich wieder James zu, der sinnend die fehlende Treppe anstarrte.
»Und…«, grinste Sirius, »schon eine Idee, wie wir da hochkommen?«
»Wingardium Leviosa«, scherzte James.
»Wirkt das denn auch bei Menschen?«, hakte Peter erstaunt nach.
»Klar, willst du's probieren?« Sirius zückte schon seinen Zauberstab, als das Gemurmel im Gemeinschaftsraum plötzlich erstarb.
Dumbledore war mit McGonagall majestätisch eingetreten, doch sein Gesicht wandte sich sorgenvoll der leeren Stelle zu, an der die Wendeltreppe eigentlich stehen sollte.
Anscheinend erfasste er die Lage mit einem Blick, denn er verkündete, nachdem er die Lücke, wo einst die Treppe gestanden hatte, einen Moment lang besehen hatte, ernst: »Die Jungen werden heute Nacht im Gemeinschaftsraum untergebracht.«
Mit einem Schlenker seines Zauberstabs erschienen überall knallrote Schlafsäcke auf dem Boden. »Minerva, würden Sie wohl die anderen Lehrer in Kenntnis setzen? Professor Piler sollte hiervon erfahren. Vielleicht hat er eine Ahnung, wie man die Treppe ersetzen kann«, wandte sich der Schulleiter dann an die Schreckschraube, worauf die eilig den Gemeinschaftsraum verließ.
»Bis morgen werden alle nötigen Vorkehrungen getroffen worden sein. Gute Nacht.« Dumbledore wandte sich um, in der Absicht den Gemeinschaftsraum ebenfalls zu verlassen, da fiel Sirius wieder etwas ein.
»Professor, einen Moment«, rief er deshalb.
Lächelnd drehte sich Dumbledore zu ihm um.
»Könnten Sie meinem Ururgroßvater bitte sagen, er soll uns mit dem richtigen Passwort gefälligst auch reinlassen?«, verlangte Sirius verärgert bei dem Gedanken an das sture Porträt. Schallendes Gelächter im Gemeinschaftsraum, vereinzeltes Nicken.
»Mich hat er auch schon mal grundlos angemault«, sagte eine schüchterne Mädchenstimme.
»Ich werde dafür sorgen, dass das aufhört, Pernilla. Ach ja, das neue Passwort lautet Ulmus procera«, zwinkerte Dumbledore der Erstklässlerin zu und schritt gemächlich aus dem Gryffindor-Turm.
»Wer zum Henker ist Pernilla?«, wollte Sirius stirnrunzelnd wissen, während er dem Erstklässlermädchen nachsah.
»Sag mal, wo warst du denn bei der Auswahlzeremonie! Du musst ja ganz schön weit weg gewesen sein! Dass die schon von Anfang an in unserer Klasse ist, hab ja sogar ich mitgekriegt. Und ich war bei der Auswahlzeremonie in Gedanken in Russland, bei dem Quidditchspiel von den Hurricans gegen die Monsune«, feixte James.
Unterdessen hatte sich das Gerücht von den bald verschwindenden Menschen bei allen Gryffindors verbreitet und ein Strom von Schülern schob sich zu der Ferienliste, um sich einer nach dem anderen auszustreichen.
Kurz vor dem Schlafengehen stahl sich James auch zu der Liste und rief zu Sirius herüber: »He, Sirius, macht's dir was aus, an Weihnachten den ganzen Turm nur mit mir zu teilen?«
tbc...
