Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes
Sechzehntes Kapitel
Frederic Piler
»Also, dann stellt nichts an, während ihr hier im Schloss allein seid«, mahnte Remus, der mit gepacktem Koffer an der Tür stand.
Die meisten anderen Schüler waren schon raus zu den Kutschen gegangen, alle in aufgeregter Vorweihnachtsstimmung und froh, das Schloss mit seinen seltsamen Vorkommnissen verlassen zu können.
Tatsächlich waren Sirius und James die einzigen Schüler, die über die Ferien im Schloss blieben. Selbst der Hufflepuff-Junge, dessen Mutter im Heuler noch geschrieben hatte, er solle über Weihnachten in Hogwarts bleiben, schien sich mit dieser wieder versöhnt zu haben… Dafür blieben aber mehr Lehrer als üblich im Schloss, wahrscheinlich aufgrund der seltsamen Vorkommnisse in Hogwarts.
»…Und vergesst nicht diesen Verwandlungsaufsatz, den wir über die Ferien aufbekommen haben!«
»Ja, Remus, jetzt fahr endlich nach Hause«, seufzte James genervt.
»Und denkt dran, für Zaubertränke die Tabellen mit den verschiedenen Kräutern und Wurzeln auswendig zu lernen!«
Sirius, der mit James endlich seine Ruhe haben wollte, um den Slytherin-Kerker ausfindig zu machen (und zu verwüsten), wollte Remus schon eigenhändig aus dem Schloss schieben, da eilte Peter aus dem Schneegestöber herein.
Er war so dick eingepackt, dass er noch pummeliger wirkte, als er ohnehin schon war, und nur noch sein Gesicht unter unzähligen Lagen von Winterjacken hervorlugte.
»Die Kutschen fahren jeden Moment ab! Wir müssen uns beeilen«, drängte er Remus »–Tschüß Sirius, tschüß James, frohe Weihnachten!«
Damit übernahm Peter Sirius' selbstgestellte Aufgabe, Remus loszuwerden. Kaum hatten sich die Torflügel wieder hinter ihnen unter aufwirbelndem Schnee geschlossen, drehten sich Sirius und James grinsend um.
Doch noch bevor sie sich zu den Kerkern aufmachen konnten, kam die Schreckschraube die Treppe herunter und schritt, sobald sie die zwei gesichtet hatte, geradewegs auf sie zu.
»Mr Potter, Mr Black, Sie haben sicher schon gemerkt, dass Sie dieses Jahr die Einzigen sind, die uns über Weihnachten nicht verlassen!«
Sie warf Sirius einen mitleidigen Blick zu, aus dem dieser schloss, dass die Lehrer sehr wohl wussten, dass er eigentlich der einzige gewesen wäre. James nickte unterdessen nur trocken, schließlich war das am letzten Nachmittag Schulgespräch gewesen.
»Wenn Sie Lust haben, können Sie mir ja helfen, Professor Sprouts Pflanzen vor der Kälte zu schützen?«, redete McGonagall weiter.
Sirius sah James augenverdrehend an. Der übernahm das gleich souverän: »Jederzeit gerne, Professor, doch leider haben wir jetzt schon etwas Anderes vor!«
»Sie wollen bestimmt den Verwandlungsaufsatz schreiben, damit Sie den noch vor Weihnachten weg haben, nicht wahr?« McGonagall warf ihnen einen prüfenden Blick über ihre Brillengläser hinweg zu.
Wurden sie die denn nie mehr los! »Ähm… ja, genau«, meinte Sirius schnell, dem die Ausrede gerade recht kam.
»Dann werde ich Sie in Ihren Gemeinschaftsraum begleiten. Ich muss sowieso in die Richtung.« Damit war ihr Plan dann wohl hinfällig! Schweigend stapften sie die Treppen hoch.
Die Stille wurde nur von McGonagall unterbrochen, die ab und zu vergeblich versuchte, Konversation zu betreiben (»Wissen Sie denn schon, welche Fächer Sie später wählen?« – »Nee.« Sirius wusste nur, was er ganz sicher nicht wählen würde: Wahrsagen!– »Haben Sie denn viele Hausaufgaben über Weihnachten auf?« – »Ja.«).
Endlich erreichten sie Phineas Nigellus' Porträtloch und McGonagall erklärte freundlich, was an ihrer Vorweihnachtsstimmung liegen musste: »Ab hier kann ich Sie dann ja alleine lassen!«
»Proditor sanguinis integri«, maulte Sirius nur ohne jeden Abschiedsgruß an die Lehrerin seinen Ururgroßvater an, der wie so oft ein neues Passwort festgelegt hatte.
»Was haben Sie da gerade gesagt?«, hakte McGonagall verständnislos nach und drehte sich, schon auf halbem Weg den Korridor hinunter, wieder zu ihnen um.
»Das Passwort«, meinte James trocken, während Nigellus widerwillig aufklappte.
Doch noch bevor die Jungs in ihren Gemeinschaftsraum klettern konnten, war die Schreckschraube zurückstolziert und hatte Sirius' Ururgroßvater wieder umgeklappt, um Nigellus anschnauzen zu können: »Was soll das bitte schön für ein Passwort sein! Das verbitte ich mir strengstens!«
Nigellus grinste die Lehrerin hämisch an. »Tja, aber leider sind Sie nicht das Porträt, sondern ich!«
»Aber ich bin die Hauslehrerin und wenn Sie das Passwort nicht sofort ändern, dann hole ich den Schulleiter, dem Sie wenigstens noch zu Treue verpflichtet sind«, fauchte McGonagall.
Sirius wusste gar nicht, worüber sie sich eigentlich so aufregte, sollte dieser dumme Ex-Schulleiter doch Passwörter verwenden, wie er wollte… solange sie damit nur endlich hineinkommen würden!
»Aber es stimmt doch! Die Gryffindors sind doch meistens eine Schande des reinen Blutes, besonders mein missratener Ururenkel hier!« Nigellus nickte abwertend zu Sirius hinunter.
»Sie sollten endlich lernen, etwas unparteiischer zu sein! Ab heute wird das Passwort ›Peitschende Weide‹ lauten«, befahl die Schreckschraube gebieterisch.
»Peitschende Weide«, blaffte Sirius sofort, der endlich von dieser Lehrerin loskommen wollte, schließlich hatten sie noch was vor! Und außerdem: Wer redete in den Ferien schon mit seinen Lehrern?
Missmutig schwang Nigellus zur Seite und die Jungs kletterten, ohne McGonagall weiter zu beachten, in ihren Gemeinschaftsraum. Sie ließen sich erledigt in zwei Sessel fallen, die besten Plätze im Gemeinschaftsraum, die sonst immer von Vertrauensschülern oder anderen »Respektpersonen« besetzt wurden.
»Und das schon am ersten Ferientag«, maulte James.
»Warten wir besser noch fünf Minuten, nicht dass wir die noch mal treffen! Das würde meine Psyche nicht heil überstehen«, schlug Sirius genervt vor.
»Was hat die eigentlich für ein Problem gehabt, dass sie uns die ganze Zeit nachgerannt ist?«, hakte James verärgert nach.
Sirius zuckte nur abwesend die Schultern, da er auf eine Ausgabe des Tagespropheten starrte, den wohl ein älterer Schüler liegengelassen hatte.
Kurzerhand schnappte er sich die Zaubererzeitung, weil ihm wieder einfiel, was McGonagall ihrer Klasse am Vortag erzählt hatte, als Sirius gelauscht hatte. Er musste nicht lange suchen, denn es war ein langer Artikel mit der Überschrift ›Voldemort – falscher Name oder grausame Wirklichkeit?‹
»Seit wann liest du denn Zeitung?«, wollte in dem Augenblick James verständnislos wissen.
»Ach, von diesem Voldemort reden meine Eltern andauernd. Dass der ein Schwarzmagier ist, müssen die mir nicht extra sagen! ›… Tod auf unerklärliche Weise. Man konnte nichts nachweisen, aber es gehen Gerüchte um, nach denen ein Verrückter, der sich selbst als ›Lord Voldemort‹ bezeichnet, jedem den Tod ankündigt, der seinen Namen in den Mund nimmt. Mit Vorliebe trifft es hierbei angeblich Muggel und Muggelstämmige. Zum Markenzeichen der Sekte, die sich um Voldemort schart, auch bekannt unter dem Namen »Walpurgisritter«, soll ein grüner Totenkopf auserwählt worden sein, aus dessen Mund sich eine Schlage windet. Wer dieses Zeichen sieht, wird um seines eigenen Wohles Willen gebeten, sich von der Stelle fernzuhalten, wenngleich die Gerüchte noch nicht von den Auroren bestätigt werden konnten…«
»War's das schon?«, wollte James wissen, als Sirius nicht weiterlas.
»Ja, hier steht nur noch der Name von dem Typen, der den Artikel verfasst hat. Bei allen fluchenden Furien hat der einen bescheuerten Namen: ›Gustav Grandrich‹!«
Einen Moment lang lachte Sirius herzhaft und bellend mit James über den komischen Namen, dann wurde er wieder nachdenklich.
»Na, ist ja irgendwo klar, dass das nur ein Nachkommen von Salazar Slytherin sein kann, oder?«, kommentierte Sirius den Zeitungsartikel, womit er ihn uninteressiert in die nächste Ecke schleuderte. »Lass uns jetzt endlich die Slytherin-Kerker sprengen, die Schreckschraube dürfte langsam weg sein!«
Im nächsten Moment schwang allerdings das Porträt zur Seite und Professor Piler stiefelte fröhlich herein. »Na, Jungs, alles klar? Lust, mir bei einer kleinen Säuberungsaktion in meinem Büro zu helfen?«, fragte er gut gelaunt.
»Professor Piler! Wir haben ja noch nichts vor!«, stöhnte Sirius leicht sarkastisch, doch der Lehrer ließ sich seine gute Laune nicht nehmen und lächelte kameradschaftlich: »Ach kommt schon, wir sind doch unter uns und außerdem sind Ferien: Da ist dieses verbindliche ›Professor‹ doch überflüssig. Ihr könnt mich ruhig Frederic nennen!«
Sirius und James wechselten einen ungläubigen, aber doch begeisterten Blick und James stand gleich auf. »James«, bot er dem Professor das Du an.
»Und meinen Namen kennen Sie… äh kennst du ja«, grinste Sirius. »Worum geht's denn bei Ihrer… deiner Säuberungsaktion?«
Als er sie aus dem Turm führte, erklärte Piler: »Ich habe wieder einen Irrwicht in meinem Schrank gefunden und ich kann euch den Riddikulus-Zauber beibringen, womit wir ihn vertreiben. Ach, James, hat Sirius dir erzählt, was ein Irrwicht tut?«
Piler grinste Sirius freundschaftlich an, dem plötzlich siedendheiß bewusst wurde, dass der böse James wieder erscheinen würde – und ihn somit vor dem echten James bloßstellen würde.
»Äh, nein, Frederic«, überrascht blickte James seinen besten Kumpel an.
»Er zeigt einem seine größten Ängste. Also, mach dich schon mal auf einen Schock gefasst«, lächelte Piler und schritt um eine Ecke, hinter der sein Büro lag.
»Ähm… Professor – äh… Frederic, mir ist gerade eingefallen… dass wir eigentlich…«, versuchte Sirius sich doch noch schnell herauszureden, doch Piler schüttelte amüsiert den Kopf.
»Versuch mich nicht auch damit abzuspeisen, dass ihr einen Verwandlungsaufsatz schreiben wollt.« Er öffnete seine Bürotür und mit einem freundlichen Augenzwinkern geleitete er sie in den Raum.
Innen stapelten sich auf den Regalen entlang der Wände Käfige mit den verschiedensten und sonderbarsten Kreaturen, die Sirius je gesehen hatte.
An der gegenüberliegenden Wand, neben einem Fenster, vor dem ein seltsamer kleiner Vogel in einem Käfig fiepte, hing ein großer, schwerer Vorhang, der ab und an gefährlich zitterte.
»Stört euch nicht daran«, meinte Piler, der ihren Blicken gefolgt war. »Das sind nur ein paar Doxys für meine siebte Klasse.«
»Was genau sind das denn für Viecher?«, wollte Sirius gleich wissen, der noch immer von dem Irrwicht ablenken wollte, da er keine Ahnung hatte, wie er James erklären sollte, dass seine größte Angst darin bestand, dass James ihn wegen seiner Abstammung verstieß. Es war schon schlimm genug, dass Piler das wusste!
»Das erkläre ich euch, nachdem wir uns den da vorgenommen haben!« Piler deutete auf einen wackelnden Schrank in der Ecke des Raumes. »Also, normalerweise lehrt man das erst Drittklässlern, aber ich weiß ja, dass ihr schon etwas weiter seid… Der Zauberspruch lautet ›Riddikulus‹, aber ich warne euch gleich: An einem Irrwichtbannzauber ist mehr dran, als nur einfach den Zauberspruch zu sagen!«
James holte sofort souverän seinen Zauberstab aus seinem Umhang, doch Sirius zögerte noch immer und startete einen letzten Versuch: »Ich meine… ich kann doch eigentlich genauso gut gehen… ihr schafft das bestimmt auch alleine! Muss eh noch…«
»Ach komm schon, Sirius, mach doch mit! Oder wirst du jetzt etwa langweilig?«
Sirius spürte, wie irgendetwas in seinem Kopf aussetzte. Als ›langweilig‹ hatte ihn bisher noch niemand beschimpft und so weit würde er es auch nicht kommen lassen. Ehe er noch wusste, was er tat, hatte auch er seinen Zauberstab in der Hand und sah Piler mit gehobenen Brauen an, weitere Instruktionen abwartend.
»Okay, sobald der Irrwicht rauskommt, ist es eure Aufgabe, eure Angst, die der Irrwicht verkörpert, in irgendeiner Weise, wie es euch gerade einfällt, zu veralbern. Ich zum Beispiel habe am meisten Angst vor einer Klasse, die bei der Prüfung geschlossen durchfällt, weil ich sie zu schlecht unterrichtet habe. Deshalb stelle ich mir vor, dass sie alle Hauselfen sind. Darüber kann ich lachen und das ist die wirksamste Waffe gegen einen Irrwicht.«
Während James anscheinend überlegte, wovor er überhaupt am meisten Angst hatte, was er durch eine nachdenkliche Falte auf seiner Stirn ausdrückte, dachte Sirius schon angestrengt darüber nach, wie er einen schimpfenden James lächerlich machen konnte.
Vielleicht indem er selbst…
In dem Moment öffnete Piler ohne weitere Vorwarnung den Schrank und der Gestaltwandler, der sich als erstes James vornahm, verwandelte sich – zu Sirius' größter Überraschung – in Sirius.
»Du kleiner Angeber, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, hast du das verstanden…«, brüllte das Abbild wütend, doch noch bevor James seinen Zauberspruch anbringen konnte, wandte sich der Irrwicht zu Sirius um und transformierte sich in James, der wieder einmal schrie: »…Hab es sowieso nie ernst genommen mit unserer Freundschaft…«
Sirius allerdings konzentrierte sich, während seines »Riddikulus«-Rufes, stark darauf, dass der Irrwicht nun Sirius' eigenes Gesicht bekommen sollte und tatsächlich keifte Sirius sich nun selbst an: »Ich mag dich eigentlich gar nicht!«
Das reizte den echten Sirius zu einem herzhaften Lachen, woraufhin sich der Irrwicht sofort zu James umwandte und völlig zu Sirius wurde.
Doch auch nachdem James »Riddikulus«, gerufen hatte, nahm der Irrwicht-Sirius James' Züge an.
So lachte auch James los und der verwirrte Irrwicht drehte sich halb zum lachenden Sirius um, so dass ihm plötzlich ein zweiter Sirius' Kopf wuchs, was ihn wie einen siamesischen Zwilling aussehen ließ.
Nun trat auch Piler sehr amüsiert vor und dem Irrwicht wuchs ein dritter, diesmal ein Hauselfenkopf, der mit einer dritten Hand mit seinem Zeugnis wedelte. Alle drei riefen: »Riddikulus!«, und der Irrwicht löste sich in Rauchschwaden auf.
Sirius sah zum ersten Mal wieder den richtigen James an und der erwiderte seinen Blick wohl mit denselben Gedanken.
Als James nun, da sie den Irrwicht erledigt hatten, im Büro weiter herumstöberte, nutzte Sirius die Gelegenheit, dass er zusammen mit Piler etwas abseits stand, um ihn auf das anzusprechen, was er sich die ganze Zeit schon gefragt hatte. »Wieso hast du das eigentlich angezettelt?«, klagte Sirius den Lehrer an. »Du wusstest doch, dass das mit James meine größte Angst ist!«
»Und ich dachte mir auch schon, dass das bei James dasselbe ist! Und da fand ich, jemand sollte euch einfach mal zeigen, wie viel euch aneinander liegt…«
Auf dem Weg zurück in den Gemeinschaftsraum unterhielten die Jungs sich über die Doxys, die Frederic ihnen zum Schluss noch gezeigt hatte.
»Hast du dir ihre Hände mal genauer angeschaut? Sie hatten vier«, meinte Sirius noch immer aufgeregt.
»Und die giftigen Zähne erst! Die haben im Gegensatz zu dem schwarzen Fell total weiß geleuchtet«, erinnerte sich James.
»Am coolsten fand ich immer noch ihre Flügel«, überlegte Sirius. Plötzlich stolperte er und fing sich gerade noch an der Wand ab. Er drehte sich um und blickte zu Boden.
»Professor Flitwick?«, hakte er überrascht nach, als er den kleinwüchsigen Lehrer, den er gerade umgerannt hatte, auf dem Boden liegen sah, der sich eben wieder aufrappelte.
»Oh, das tut mir jetzt aber leid, Mr Black!«
Sirius sah verwundert James an, der ebenfalls nur die Schultern zuckte und somit wohl genauso wenig Ahnung hatte, warum sich der Lehrer dafür entschuldigte, dass Sirius ihn umgerannt hatte.
»Ich habe Sie schon im Gryffindor-Turm gesucht«, piepste Flitwick. »Ich bräuchte nämlich noch jemanden, der mir hilft, die Weihnachtsbäume in der Großen Halle zu schmücken.« Er winkte ihnen, ihm zu folgen. Sirius sah James mit gehobenen Brauen an, doch sie folgten dem Lehrer schließlich widerstandslos.
In der Großen Halle waren die vier Haustische verschwunden. Stattdessen stand ein runder Tisch in ihrer Mitte.
Kein Wunder, dass sie nur einen Tisch benötigten, wo Sirius und James die einzigen Schüler waren, die über Weihnachten in Hogwarts blieben. Das war, wie McGonagall ihnen offenbart hatte, noch nie passiert, solange sie in Hogwarts unterrichtete (was immerhin schon 15 Jahre waren).
An den Wänden entlang waren zwölf riesige Weihnachtsbäume aufgestellt worden, die zwar noch einheitlich grün und ungeschmückt waren, aber neben denen schon riesige Kisten mit Weihnachtskugeln und Lametta standen.
»Ich könnte Ihnen einen schönen Christbaumschmuck-Spruch beibringen, wenn Sie wollen«, schlug Flitwick vor und führte sie vor sich hinsummend, zu dem ersten Baum gleich neben der Tür.
Fünf Minuten später ließen Sirius und James ihre Christbaumkugeln sich gegenseitig quer durch die ganze Große Halle jagen, während Flitwick einen Baum in der hinteren Ecke behängte.
Gerade, als sie es besonders bunt trieben (welche Kugel bringt welche zuerst zum Absturz), schwangen die Türflügel zur Großen Halle auf und Professor Upperstick rauschte beschwingt herein. Augenblicklich senkte Sirius seinen Zauberstab, sodass seine Kugel – genau wie die James' – in den nächsten Weihnachtsbaum raste, wo sie raschelnd verschwand.
»Oh, Professor Upperstick. Was verschafft uns die Ehre?«, fragte Sirius mit scheinheiliger Miene.
»Wie charmant von Ihnen«, lächelte Upperstick etwas verlegen. »Ich bin eigentlich gekommen, um Sie davon abzuhalten, mit Ihren Kugeln den Weihnachtsbaum dort drüben zum Umsturz zu bringen und Flitty darunter zu begraben. Und da habe ich natürlich gleich noch ein paar Horoskope für Sie mitgebracht. Setzen wir uns doch! Sie sind mit Ihren Weihnachtsbäumen ja eh fertig.«
Wieder wechselten Sirius und James nur einen skeptischen Blick, ehe sie sich zusammen mit der Wahrsagelehrerin am Tisch in der Mitte der Halle niederließen. Aus einer ihrer Umhangtaschen zog Upperstick eine zerknitterte Ausgabe des Prophète d'étoile hervor und schlug ihn auf.
Dann wandte sie sich an die beiden Jungs: »Und, was sind Sie denn für Sternzeichen?«
»Ich bin unter dem Mars geboren«, antwortete James prompt.
»Ah, dann sind Sie also Aries«, schloss Upperstick daraus und sah dann prüfend Sirius an, der seinerseits nur trocken erwiderte: »Löwe.«
»Ah, eine wundervolle Kombination! Jetzt weiß ich ja, was wir noch so von Ihnen zu erwarten haben. Also, fangen wir gleich mit Ihnen an, Mr Black. Hier steht für das kommende Jahr: ›Ihre Chancen, das Jahr zu überleben stehen relativ gut. Werden Sie sich über Ihre wahren Freunde klar, die wahrscheinlich Widder oder Skorpion sind. Nehmen Sie sich allerdings vor Steinböcken in Acht! Fragen Sie sich, ob Ihre Loyalität wirklich den Schlangen gehört.‹«
Sirius warf James einen flüchtigen Seitenblick zu, ehe Upperstick mit James' Horoskop fortfuhr: »›Wenn Sie sich in diesem Jahr doppelt sehen, ist es ab und zu nicht nur Ihr Spiegelbild. Passen Sie auf Ihren Zwilling auf, wenn Sie einen haben. Jupiter beeinflusst mit seinem Lauf Ihre Beziehung zu einer kritischen Jungfrau. Also halten Sie Ihr Inneres Auge stets offen!‹ – Na ja, das sind ja sehr aussichtsreiche Worte!« Damit faltete Upperstick ihren Prophète d'étoile zusammen und verstaute ihn wieder im Inneren ihres Umhangs.
Doch nun unterbrach sie Professor Flitwick, der eben heraneilte, da er mit seinem Baum fertig war: »Ach, Galiläa, gut, dass Sie da sind! Könnten Sie mir hier mal helfen?«
Kurz darauf eilte er mit der Wahrsagelehrerin aus der Großen Halle. »Mann, diese Horoskope sind vielleicht unheimlich!« Sirius schüttelte sich.
»Es hätte ja auch mal drin stehen können«, murrte James, »was wir jetzt tun sollen, wo uns schon alle verlassen haben.«
Sirius, der mittlerweile selbst keine Lust mehr hatte, den Slytherin-Kerker zu sprengen, überlegte auch fieberhaft, was sie nun tun könnten. »Also Remus würde jetzt sicher sagen, wir sollten zur Schreckschraube rausgehen. Die ist schließlich die einzige, die wir abgewimmelt haben«, schlug Sirius schulterzuckend vor.
Als sie zum Tor gingen, brachte James zur Sprache, was Sirius schon die ganze Zeit beschäftigte: »Was ist eigentlich in die ganzen Lehrer gefahren? Frederic bietet uns das Du an, Flitwick entschuldigt sich dafür, dass du ihn umrennst, und die Schreckschraube und Upperstick scheinen uns auch die ganze Zeit beschäftigen zu wollen… Haben anscheinend Angst, dass wir was anstellen könnten…«
»Stimmt… wie kommen die denn da drauf«, grinste Sirius belustigt als er an ihren ursprünglichen Plan für den Nachmittag dachte.
Sie wollten gerade das Ausgangstor aufziehen, als Dumbledore die Treppe herunterkam und auf sie zuhielt. »Guten Tag, die Herren! Wir haben uns ja schon lange nicht mehr in meinem Büro wegen einer Strafarbeit getroffen«, lächelte er erfreut.
Jetzt kam also auch noch der Schulleiter persönlich vorbei, um sie von eventuellen Dummheiten abzuhalten! Dabei hatten sie ja diesmal wirklich nichts Böses im Sinn gehabt – na ja, wenn man mal vom Slytherin-Kerker absah.
»Tja, wissen Sie, Professor…« Sirius lehnte sich lässig gegen einen Torflügel, »…Eigentlich wollten wir ja die Slytherin-Kerker verwüsten, aber wir dachten, weil Weihnachten ist…«
»Lüg mich doch nicht an, Sirius«, grinste Dumbledore und zwinkerte amüsiert. »Wo wolltet ihr eigentlich in euren dünnen Mänteln hin? Doch nicht etwa nach draußen in den Schneesturm?«
Sirius, dem einfiel, dass es draußen noch immer stürmte und wohl eiskalt sein musste, fragte sich, warum er nicht eher an ihre Wintermäntel gedacht hatte. Allerdings, so dachte er, musste es wohl daran liegen, dass sie eigentlich nicht vorgehabt hatten, nach draußen zu gehen.
»Wir wollten eigentlich zu Professor McGonagall, sie hat uns vorhin gefragt, ob wir ihr helfen, Professor Sprouts Pflanzen zu retten«, erklärte James vergeblich versuchend, ernsthaft zu bleiben. »Und gerade hatten wir Lust ins geliebte Gewächshaus eins zu gehen.«
»Dann aber erst mal Abmarsch in euren Gemeinschaftsraum«, bedingte Dumbledore, »und zieht euch warme Wintermäntel an.« Anscheinend war er um ihre Gesundheit besorgt…
In dem Moment, in dem die Jungs seinem Rat folgen wollten, gingen die Torflügel auf und McGonagall und Sprout, die Kräuterhexe, kamen mit einer Ladung Schnee hereingeweht. Jede von ihnen trug zwei vor Kälte zitternde Pflanzen unter den Armen, die sie in der Wärme des Schlosses in Sicherheit bringen wollten.
»Meine Güte, was für ein Wetter! Oh, Albus, könnten Sie wohl…?« McGonagall, die sich gerade noch schüttelte, um den Schnee von ihrem Umhang zu entfernen, erkannte Dumbledore entzückt.
»Minerva, natürlich, warten Sie, ich helfe Ihnen gleich. Also, wenn ihr mal wieder nichts zu tun haben, dann kommt doch einfach auf eine Tasse Tee in meinem Büro vorbei. Das Passwort ist immer noch dasselbe!« Dumbledore nahm der Schreckschraube eine der großen Blumentöpfe ab und zwinkerte den Jungs zum Abschied zu.
»Klar, machen wir«, erwiderte Sirius.
Dumbledore verschwand mit den schwatzenden Lehrerinnen die Treppe hinauf, sodass die beiden alleingelassenen Jungs noch eine Weile lang reglos am Tor stehen blieben und den drei Lehrern nachsahen.
»Langsam wird's echt wirr! Jetzt haben wir auch noch eine Verabredung mit Dumbledore«, schüttelte James ungläubig den Kopf, bevor auch sie in den Gemeinschaftsraum zurückkehrten.
»Geschenke!«, drang es begeistert an Sirius' Ohr, der sich schwor, denjenigen umzubringen, der ihn weckte, noch bevor die Uhr unten im Gemeinschaftsraum ›Zeit für Geschenke‹ anzeigte.
Allmählich wurde ihm jedoch bewusst, dass es der Weihnachtsmorgen war und James ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Sirius beschloss, dass sein bester Freund eine Ausnahme darstellte, sodass sein Vorsatz, ihn umzubringen, hinfällig wurde.
Verschlafen setzte er sich auf und erblickte einen Stapel Geschenke vor seinem Bett. James neben ihm war anscheinend schon fleißig am Auspacken. »Hmmm, Kekse!«, schlemmte er nämlich gerade. Er blickte zu Sirius hinüber und meinte mit vollem Mund: »Frohe Weihnachten, Kumpel!«
»Ja, dir auch. Sind die Kekse gut?«, hakte Sirius, dem schon der Magen knurrte, gleich nach.
»Na ja, die üblichen halt. Meine Mutter backt immer selber. Ich glaub, du hast auch eine Dose davon gekriegt«, stellte er mit einem Nicken auf Sirius' Geschenke fest. »Pack endlich aus, ich will wissen, was du gekriegt hast«, fuhr er ungeduldig fort, während er ebenfalls eine Dose harter Kekse von Hagrid auspackte.
Sirius griff nach einem quadratischen Päckchen, das anscheinend von seinen Eltern war. Er riss ungeduldig die Verpackung ab und erblickte ein Buch mit dem Titel: ›1000 Flüche für ausgewachsene Untaten‹.
»War ja klar. Vollidioten«, murmelte Sirius nur und warf es geringschätzig unter sein Bett.
Inzwischen war James bis zu Remus' und Peters Geschenk für ihn vorgedrungen: Ein Aurorenhandbuch für Anfänger. »Mann, sieh dir das mal an! Ist ja krass!« James wedelte mit dem Buch vor Sirius' Nase herum, die dieser nur rümpfte.
»Sieh mal, was ich von den zweien gekriegt hab! ›Verwandlungen von A wie Animagus bis Z wie Zylindermagie‹.«, auch Sirius reichte James sein Buch.
»Hast du meins schon ausgepackt?«, fragte James nun.
»Nee, muss ja wohl das neben Hagrids Keksdose sein, oder?«, grinste Sirius und riss neugierig das Papier ab. In seinen Schoß fiel ein glänzendes Messer, dessen Klinge magisch leuchtete. Er hob es hoch und sah James fragend an: »Um Brewpot zu erstechen?«
»Nein!«, lachte James, »Damit kannst du jedes Schloss öffnen, für den Fall, dass wir mal wieder in der Heulenden Hütte festsitzen.«
»Cool! Danke, Mann!« Während Sirius noch bewundernd über die Klinge strich, wandte sich James seinem letzten und größten Geschenk zu. Ohne lange nachzudenken, riss er die Verpackung von dem Nimbus 1001 ab und starrte völlig perplex den Besen an.
»Von wem… !«, begann James noch immer absolut hingerissen. Dann wanderte sein Blick, in dem das Begreifen aufflackerte, zu Sirius, der ihn erwartungsvoll ansah. »Nee, Sirius, nicht wirklich!«, brachte er gerade noch so heraus, ehe er Sirius dankbar um den Hals fiel.
Gerade in dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Frederic marschierte gut gelaunt mit einem Besen in der Hand herein. James ließ Sirius los und begab sich wieder zu seinem Bett, um den Nimbus 1001 zu streicheln.
»Fröhliche Weihnachten! – Ah, hier wohnt ihr also! Das war auch mein Schlafsaal damals, als ich hier noch zur Schule ging.«
Er deutete auf Daveys Bett und flötete: »Darin hab ich geschlafen. Das waren noch Zeiten… Aber hier, die sind für euch!« Piler überreichte ihnen zwei kleine, hastig eingepackte Päckchen, die sie sogleich öffneten.
Es kamen zwei silberne Trillerpfeifen zum Vorschein, zu denen Piler erklärte: »Wenn einer von euch mal in der Klemme steckt – soll ja vorkommen – und diese Pfeife benutzt, dann kann sie nur der jeweilige Besitzer der anderen Pfeife hören.«
Sirius hängte sich die Pfeife natürlich sofort um und bedankte sich: »Hey, danke, Frederic!«
»Wir haben auch was für dich«, meinte da James, der ihm die Keksdose seiner Mutter hinstreckte.
»Wir sind leider zu doof, Geschenke einzupacken, deswegen haben wir's in eine Dose getan«, fügte Sirius grinsend hinzu.
»Oh, danke! Tja, das wird dann ja wohl der Feiertagsspeck… Apropos Speck! Lasst uns zum Essen hinuntergehen! – Was seh ich denn da? Ist das nicht der superneue Rennbesen?« Piler grinste die beiden Jungs augenzwinkernd an. »Ihr wisst schon, dass Besenbesitz eigentlich für Erstklässler verboten ist! – Aber ich denke, wo ihr sowieso immer auf Besen zu eurem Schlafsaal fliegen müsst, geht das schon in Ordnung!«
James nickte lächelnd – und sichtbar erleichtert. Sirius nahm vorsichtshalber auch seine Keksdose von Mrs Potter mit, falls er noch jemandem begegnen sollte, für den er ein Geschenk brauchte und zusammen flogen sie hinunter in den Gemeinschaftsraum, James natürlich gleich auf seinem Nimbus 1001. Auf dem Weg hinunter in die Große Halle stimmte Sirius freudig sein Lieblingsweihnachtslied »Morgen kommt der Hippogreif« an.
In der Großen Halle hatten sich schon alle anderen Lehrer, die über Weihnachten im Schloss geblieben waren, um den Tisch versammelt. Nur zwischen Dumbledore und Highking waren noch drei Plätze frei, welche die Neuankömmlinge noch füllten.
»Fröhliche Weihnachten!«, riefen sich alle gegenseitig zu. Schließlich schob Sirius seine Keksdose Dumbledore zu, der sie, wie er meinte, am meisten verdient hatte, und grinste: »Haben wir selber gemacht!«
Dumbledore dankte ihm lächelnd und griff sich sogleich einen Keks, um zu probieren, wobei er Sirius schmunzelnd zuzwinkerte. In dem Moment stupste James Sirius an und deutete auf das andere Ende des Tisches, wo es Zauberknallbonbons gab.
»He, Frederic, gibst du uns mal ein paar Knallbonbons?«, bat Sirius unbedacht.
Am Tisch verstummten auf einen Schlag alle Gespräche. Fassungslos starrten sie die zwei Jungs an. Sirius war erst nicht ganz klar, was überhaupt los war, bis James ihm leise zuhauchte: »Professor!«
»Äh… hochgeschätzter Professor Piler, meinte ich natürlich! Würdet Ihr uns die Ehre erweisen – nur, wenn Ihr Euch in der Lage fühltet – uns jene Knallbonbons zu reichen?«, verbesserte sich Sirius schnell.
»Schon gut, Jungs, wir sind hier ja nicht im Unterricht«, winkte Piler lächelnd ab, während er ihnen die Knallbonbons zuschob.
»Okay, Fred!«, zuckte Sirius die Schultern und hielt James ein Knallbonbon hin.
Allmählich begannen die Unterhaltungen rund um den Tisch wieder und Sirius bemerkte, wie Piler und Dumbledore, als sie sich wohl unbeobachtet fühlten, einen verstohlenen Blick wechselten.
Endlich zog James an seiner Seite des Bonbons und mit einem ohrenbetäubenden Knall flogen ein Minimodell eines Mondputzers und ein gezinkter Zauberwürfel daraus hervor. James griff sich natürlich gleich den kleinen Besen und spielte damit herum, während Sirius sofort begann, den Würfel herumzuwerfen, wobei er bemerkte, dass immer die Seite, die er anblickte, eine Sechs zeigte. Damit würde er Peter gut verarschen können, wenn der aus den Ferien zurückkam…
Nachdem schließlich das üppige Weihnachtsessen beendet war, schleppten sich die Jungs proppenvoll die große Marmortreppe hinauf. Sie zogen und schoben sich gegenseitig über die Trickstufe, da sie sich nicht mehr in der Lage fühlten zu springen.
Nach einer langen Odyssee erreichten sie endlich das Porträtloch und Sirius brachte mühevoll heraus: »Peitschende Weide!«
»Falsch! Das Passwort wurde gerade geändert«, meinte Nigellus glücklich, wobei er seinen albernen Partyhut zurechtrückte. »Es heißt ab jetzt: ›Feier ohne Sirius‹.«
»Was soll das heißen?«, knurrte James nur.
»Tja, kleiner Black, während du dich hier mit deinem dämlichen Freund amüsierst,…« – Nigellus warf James einen herablassenden Blick zu – »…feiert deine gesamte Familie im Grimmauldplatz eine rauschende Weihnachtsfete. Deine Mutter ist sogar so gut drauf, dass sie ein paar vorbeilaufende Muggel zu Flubberwürmern verflucht hat – kein Wunder, wenn sie dich auch endlich mal loshat! Die ganze Familie Malfoy und die Lestranges sind auch da. Deine Mutter hofft noch immer, dass dieser Lord Voldemort noch vorbeischaut…«
»Feier ohne Sirius«, blaffte Sirius nur noch mühsam vor einem Wutanfall. Phineas schwang hämisch grinsend zur Seite und ließ sie ein.
Ohne ein Wort zu sagen, durchquerte Sirius den Gemeinschaftsraum, packte sich einen Besen und flog hinauf in den Schlafsaal, um unter seinem Bett das Fluchbuch hervorzuholen, das er von seiner Mutter bekommen hatte. Erst als er wieder im Gemeinschaftsraum ankam, bemerkte er James' leicht besorgten Blick.
Allerdings konnte er vermutlich ahnen, dass Sirius momentan nicht angesprochen werden wollte, denn er sagte nichts, sondern beschränkte sich auf den sorgenvollen Blick.
Sirius warf den Besen in die nächste Ecke und schritt, mittlerweile bebend vor Wut, zu seinem Lieblingssessel vor dem Kamin.
Im nächsten Moment holte er schon aus, um das verhasste Buch ins Feuer zu schleudern, da hielt James ihn zurück: »Hey, nicht wegwerfen!«
»Und wieso nicht!«, blaffte Sirius zurück.
»Na, denk doch mal dran, was wir damit Snape so alles auf den Hals hexen können…« James grinste seinen Freund schelmisch an.
»Aber nicht so!« Sirius klappte sauer das Buch auf und riss die Widmung seiner Mutter (»Für meinen unnützen Sohn Sirius, damit du der Familie auch endlich mal Ehre bringst! Toujours pur!«) aus, um wenigstens die den Flammen zu übergeben.
Danach warf er das Buch James in den Schoß und befahl, während er sich zurücklehnte: »Schau mal, was Snape am meisten weh tun würde!«
James begann sachte in dem Fluchbuch zu blättern, bis sie draußen vor dem Porträtloch eine scharfe Stimme hörten, die meinte: »Peitschende Weide!«
»Natürlich, Professor McGonagall«, schleimte Nigellus und schwang auf. Schnell packte James das Buch unter ein Kissen und setzte sich darauf.
Sirius schäumte allerdings schon wieder vor Wut. Von wegen »Feier ohne Sirius«!
Die Hauslehrerin stolzierte herein und begann ohne Umschweife: »Sie könnten mir in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek helfen, die Flüche zu erneuern, damit kein Unbefugter ein Buch entwenden kann.«
»Okay«, meinte James schnell, um Sirius von seinem Zorn abzulenken.
Den ganzen restlichen Tag stiefelte ständig irgendein Lehrer in den Gemeinschaftsraum, um sie um Hilfe bei völlig unsinnigen Projekten zu bitten, in denen sie wenigstens einige nützliche Zaubersprüche lernten.
Gegen Abend reichte es ihnen schließlich. Als sie auf dem Weg waren, James' neuen Besen in der herrlich verschneiten Winterlandschaft der Schlossgründe auszuprobieren, lehnten sie einen weiteren Vorschlag von Professor McGonagall, die sie auf den Gängen abgepasst hatte, ab.
Wer wollte schon dem Riesenkraken einen Krankenbesuch abstatten, der wegen seiner Erkältung von Hagrid gepflegt wurde! »Nein, da haben wir jetzt aber echt was Besseres zu tun!«
Damit ließen sie die verblüffte Schreckschraube, die vor den Kopf gestoßen stehen geblieben war, im Schloss zurück. Kaum hatten sie das Quidditch-Feld erreicht, bahnte sie sich allerdings schon wieder ein Weg durch die dichte Schneedecke.
»Was haben Sie überhaupt mit diesem Besen vor? Sie wissen doch, dass Erstklässler keinen Besen besitzen dürfen«, schnauzte sie sofort los.
»Aber Professor McGonagall«, meinte James verklärt, »Den hab ich doch von meinem besten Freund geschenkt bekommen! Außerdem meinte Professor Piler, dass das klar geht!«
McGonagall blickte erst James, dann Sirius einen Augenblick lang irritiert an, bevor sie sich wieder zu fassen schien.
»Na gut, aber lassen Sie sich nicht von jemand anderem erwischen, der Gryffindor am Ende noch Punkte dafür abzieht!«
Wahrscheinlich hatte sie mehr die Tatsache besänftigt, dass James Piler nicht Frederic genannt hatte, als alles andere, doch eine Bedingung stellte sie dennoch: »Und Sie helfen mir morgen dabei, in der Küche die Ewigen Feuer in den Herden zu erneuern!«
Sirius und James blickten sich gleich begeistert an: »Küche? Klar!«
»Gut, dann viel Spaß Ihnen noch.« McGonagall stampfte wieder durch den Pfad im Schnee, den die Jungs schon ausgetreten hatten, zurück zum Schloss, während Sirius in die Quidditchumkleidekabine ging, um sich einen Besen zu besorgen.
James schlug sich gegen die Stirn. »Wir hätten gleich fragen können, ob sie uns den Besenschrank aufsperrt, damit wir beide fliegen können«, meinte er.
»Klar, sie sperrt mir den Schrank auf, weil ich auch nie den bockenden Besen erwische und in Lebensgefahr komm«, erwiderte Sirius sarkastisch. Er zog verstohlen sein Messer aus der Tasche und ließ es sanft zischen Tür und Angel des Besenschranks herab gleiten. Die Tür sprang mit einem leisen Klicken auf. Wahllos griff Sirius sich einen der Sauberwischs.
»Also, los geht's!« Sirius und James schwangen sich auf ihre Besen und flogen ungeduldig aus der Umkleidekabine in den vor Schnee leuchtenden Abend hinaus.
»Wow, Sirius, was für ein Fluggefühl! Das Ding lenkt sich so leicht! Siehst du, nur eine kurze Berührung…«, johlte James, während er in Spiralen um Sirius herumraste. Sie blieben draußen, bis es zu dunkel zum Fliegen war, dann kehrten sie zurück ins Schloss.
Sie lasen eben in den ›1000 Flüchen für ausgewachsene Untaten‹ (»Denkst du, es wäre fies genug, Snape einen Stolperfluch aufzuhängen?« – »Nee, der Stolperfluch hat nur Grad 2 von 10 Graden der Gemeinheit! Da finden wir bestimmt noch was Besseres!«), da klappte Nigellus erneut zurück und Piler trat herein.
»Hi, Jungs, wollt ihr nicht in die Große Halle kommen?«, fragte er freundlich. Sirius und James sahen ihn fragend an. »Na ja, da gibt's noch 'ne Tasse Kakao… gemütliches Beisammensitzen«, meinte der Lehrer gut gelaunt. »Und vielleicht können wir Professor Dumbledore sogar dazu überreden, die Weihnachtsgeschichte vorzulesen!«
Sirius hatte die jähe Vorstellung von Dumbledore mit roter Weihnachtsmütze im Nikolauskostüm, der aus einem großen alten in Leder gebundenen Buch den Lehrern, James und ihm vorlas »Es war einmal…« und musste unwillkürlich loslachen. James musste ihm aus dem Sessel helfen, so sehr krümmte sich Sirius vor Lachen.
Piler führte sie nur kopfschüttelnd, aber ebenfalls grinsend, aus dem Gemeinschaftsraum in die Große Halle.
Dort waren die Lehrer schon wieder alle versammelt, manche recht amüsiert, andere mit genervten Gesichtern, die Sirius sagten, dass ein paar Lehrer lieber einmal ihre Ruhe gehabt hätten, aber wahrscheinlich waren auch sie herbeibeordert worden. Auf dem Tisch standen Kekse und Tassen bereit, Kannen voll Tee, Kaffee und Kakao und jede Menge anderer Leckereien.
»Ah, da seid ihr ja endlich«, begrüßte Dumbledore sie munter. »Bedient euch!« Das ließen sich Sirius und James nicht zweimal sagen und sie griffen, nachdem sie sich an ihren üblichen Platz neben Dumbledore und Highking niedergelassen hatten, herzhaft zu.
Selbstverständlich las Dumbledore nicht die Weihnachtsgeschichte vor, allerdings war die Stimmung insgesamt recht ausgelassen, weshalb sich Sirius dachte, dass er eigentlich froh sein konnte, nicht mit seiner Familie feiern zu müssen, die bestimmt schon wieder die Ministeriumszauberer am Hals hatten, schließlich war es streng verboten, Muggel zu verhexen…
Es hätte ihn nicht wirklich gestört, wenn sie allesamt in Askaban landen würden, aber die schafften es immer, sich da irgendwie rauszuwinden. In dem Moment durchbrach Dumbledore Sirius' Gedanken: »Hat noch jemand Lust, auf eine Runde Zaubererschach?«, wollte er heiter wissen, da mittlerweile alle mit dem Essen fertig waren. Die Schreckschraube sah ihn streng durch ihre viereckige Brille hindurch an, aber Piler meinte sogleich: »Natürlich! Macht ihr auch mit, Jungs?«
»Ja, klar, Fred«, meinte Sirius sofort, auch wenn er eigentlich eher Spezialist in ›Besen abschießen‹ war, »Professor… Sir… Piler«, fügte er auf die Blicke der Lehrer hinzu, die inzwischen schon weniger vorwurfsvoll geworden waren.
»Also, wenn Spiele, dann aber Zaubererschnippschnapp«, bedingte James, woraufhin Dumbledore vergnügt einstimmte.
Später am Abend, einige Lehrer hatten sich schon zurückgezogen, darunter McGonagall, Sprout und Madam Hooch, sangen sie noch Weihnachtslieder (»Heute kam der Hippogreif«) und als Sirius schließlich zusammen mit James in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors zurückkehrte, war es ihm sogar egal, als Nigellus ihm (sein Partyhut hing ihm jetzt schief auf dem Kopf und er schien etwas zu viel Sekt abbekommen zu haben) nachrief: »Du bist eine Schande, Black!«
tbc...
