Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes


Achtzehntes Kapitel

Rätsel um Specter


Sirius, der am Frühstückstisch neben Piler und Dumbledore saß, klaubte sich einen Stängel Weintrauben von Dumbledores Teller, als dieser sich mit McGonagall unterhielt und nicht auf Sirius achtete. Schräg gegenüber begann James zu kichern, da er ihn anscheinend beobachtet hatte.

Sie waren am Morgen als letzte zum Frühstück heruntergekommen, weshalb nur noch zwei Plätze so weit voneinander entfernt frei gewesen waren. Dies erwies sich nun als sehr unpraktisch, da Akredula seinem Herrn die Post brachte. James warf Sirius einen bedeutungsvollen Blick zu, so dass dieser schwungvoll aufsprang.

»James, wir wollten doch noch – ähm…« – Mist, vielleicht hätte er sich früher eine Ausrede überlegen sollen!

»…Oxbow füttern«, vollendete James seinen angefangenen Satz, der sich ebenfalls erhob und beiläufig den Brief in seine Umhangtasche gleiten ließ.

Akredula stieß sich wieder in die Lüfte, um nach draußen zu fliegen, während die Jungs unter den verwunderten Blicken der Lehrer aus der Großen Halle und die Marmortreppe hinauf stürmten.

»Ist der von Remus?«, japste Sirius, als sie den Gang zum Porträtloch entlang liefen.

»Peitschende Weide, Feier ohne Sirius oder was auch immer«, blaffte James Phineas an, der nur missmutig und kommentarlos zur Seite schwang. »Ja, warte, ich les vor«, meinte er, als sich beide in die Sessel warfen.

»Lieber James, lieber Sirius,

vielen Dank für euer schönes Geschenk!

WAS! IHR HABT SCHON WIEDER STRAFARBEIT!

Mich wundert es, dass ihr mich überhaupt fragen musstet, was ›Drakon‹ ist, da wir dieses Sternbild im Astronomieunterricht schon durchgenommen haben (warst du es nicht, Sirius, der die Sage nachfragen gegangen ist?).

Drakon‹ symbolisiert die Freundschaft. Dieses Sternbild ist ganzjährig im Norden sichtbar, erwartet jetzt aber nicht, dass ich euch noch mal die ganze Sage schreibe.

Zu eurer zweiten Frage: Man muss nicht unbedingt zaubern, um Geräusche zu erzeugen, aber ja, es gibt ein paar verschiedene Sprüche. Falls ihr euch näher dafür interessiert, schlagt doch einfach in ›Verwirrende Illusionszauber und wie man sich selbst darin wieder findet‹ nach. Das Buch steht in der Bibliothek ganz vorne im Illusionsregal, oben links.

Übrigens habe ich meine Eltern wegen dem ganzen verschwindenden Zeug in Hogwarts gefragt und die meinten, dass es außer dem Evanesco-Zauber auch noch andere Möglichkeiten gibt, Dinge verschwinden zu lassen.

Z. B. durch Flüche u. ä. Aber dazu wären wohl nur Siebtklässler fähig. Vielleicht könnt ihr mal nachforschen, welcher Siebtklässler einen triftigen Grund hätte, sich an Hogwarts zu vergreifen.

Freu mich schon auf Hogwarts und hoffe, dass ihr, bis wir wieder kommen, nicht schon wieder eine Strafarbeit bekommen habt!

In Freundschaft, Remus.«

»Na toll, lässt die ganze Arbeit an uns hängen! – Komm, wir gehen uns eine Strafarbeit bei Dumbledore besorgen«, schlug Sirius vor.

James sah ihn verständnislos an: »Nur, weil Remus gesagt hat, wir sollen uns keine Strafarbeit einfangen?«

»Nee, aber der hat doch sicher die Aufzeichnungen, in denen die Schüler der letzten tausend Jahre stehen! Vielleicht ist da jemand durchgefallen oder so was und will sich deshalb an Hogwarts rächen… Der muss da ja auch verzeichnet sein!«

Sofort und ohne weiteren Kommentar sprang James, der zu allen Schandtaten bereit war, auf. »Was, außer dem Verbotenen Wald, ist Schülern bei Todesstrafe untersagt?«, überlegte er, als sie zusammen aus dem Porträtloch kletterten, auf der Suche nach anzustellenden Dummheiten.

»Wir könnten ja mal Pringles Liste durchsehen, auf der die verbotenen Sachen draufstehen. Da fällt uns bestimmt was Passendes ein«, grinste Sirius, während James angestrengt nachdachte: »Ich glaub, neulich hat der sich mal über jemanden aufgeregt, der Fangzähnige Frisbees in den Gängen rumgeworfen hat. Weiß aber nicht, ob das auf dieser dubiosen Liste steht!«

»Bin dabei. Hast du welche auf Vorrat?«

James schüttelte den Kopf: »Nee, aber ich weiß, dass es in Zonkos welche gibt!«

»Ha! Nächste Straftat! Wir gehen einfach nach Hogsmeade und wenn uns irgendwer über den Weg läuft, sagen wir, dass wir Fangzähnige Frisbees kaufen gehen! – Also, wenn uns das keine Strafarbeit einbringt…«

Obwohl sie extra langsam durch den Schnee schlenderten, trafen sie noch nicht mal einen rachsüchtigen, magischen Holzwurm, der sie auf ihrem Weg aufhielt. Sie konnten es noch immer nicht ganz fassen, damit durchzukommen, als sie Zonkos betraten.

James steuerte schulterzuckend auf die Fangzähnigen Frisbees zu, die zwischen den Jaulenden Jojos und den Beißenden Bumerangs lagen, und klaubte drei von ihnen aus dem Fach.

»Reichen die?«, hakte er nach, wobei er sie hochhielt.

Es machte beiden nicht besonders viel Spaß, sich in Hogsmeade zu amüsieren, wenn sie dabei noch nicht mal erwischt wurden. Sirius schnappte seinem Freund die Frisbees aus der Hand, um sie ohne viele Worte zu bezahlen.

Danach spazierten sie schweigend aus dem Dorf auf das Tor zu den Länderein von Hogwarts zu – abermals ohne jemandem zu begegnen.

»Is' langweilig hier«, murrte Sirius, der schon angestrengt – aber ohne Ergebnis – überlegte, was sie noch anstellen konnten. Sirius hatte fast vergessen, dass es Mittagessenszeit war und erst als sie die Eingangshalle durchquerten und Piler ihnen eilig entgegenkam, erinnerte er sich wieder daran, da der Lehrer ihnen zurief: »Ah, ich komme also nicht als letzter! Dachte schon, ich bin zu spät zum Essen.«

»Wir waren noch Fangzähnige Frisbees kaufen«, meinte Sirius sofort.

»Etwa in Hogsmeade?«, wollte Piler unbeeindruckt wissen, wobei sie auf die Große Halle zusteuerten.

»Ja«, bestätigten Sirius und James sofort mit Nachdruck, doch Piler meinte nur: »Na, Glück gehabt, dass euch niemand erwischt hat«, bevor er die Türflüge der Großen Halle aufstieß und den Jungs aufhielt.

Das Mittagessen hielt Sirius für eine einmalige Gelegenheit, sich eine Strafarbeit einzufangen. Alles, was er tun musste, war, diese Fangzähnigen Frisbees quer über den Tisch fliegen zu lassen. Doch als er sie in einem eleganten Bogen über den Tisch segeln lassen wollte, musste er zu allem Überfluss auch noch feststellen, dass der Scherzartikelladen seinem Namen alle Ehre machte, denn die Fangzähnigen Frisbees hatten ihre Fangzähne verloren und wirkten nunmehr wie ganz normale Frisbees, an denen ja nichts verboten war.

Nun reichte es ihm endgültig und er wandte sich an Dumbledore, der mal wieder neben ihm saß: »Heute haben wir noch gar keine Strafarbeit bekommen, Direktor. Obwohl wir in Hogsmeade waren, Fangzähnige Frisbees gekauft haben und nicht zögern würden, die auch zu benutzen.«

»Ihr wollt wohl wirklich alle Rekorde brechen, oder? Das wird dann schon die zweite Strafarbeit in den Ferien«, seufzte Dumbledore, der langsam genervt wirkte.

»Professor Dumbledore, die Jungs könnten mir behilflich sein…«, mischte sich die Schreckschraube vom anderen Tischende mit ein.

»Öhm… eigentlich wollten wir lieber bei Professor Dumbledore…«, schaltete sich Sirius schnell ein, doch McGonagall unterbrach ihn: »Strafarbeiten sind nicht dazu da, sie sich auszusuchen, Mr Black!«

»Gut, dann wäre es ja beschlossen. Heute Abend werdet ihr Professor McGonagall helfen.«

Verärgert warfen sich die beiden Jungs einen vielsagenden Blick zu, so dass Sirius genau wusste, was James dachte: Jetzt hatten sie zwar eine Strafarbeit, allerdings am falschen Ort, beim falschen Lehrer und mit dem falschen Zweck. Klasse…

Um dem noch die Krone aufzusetzen, musste Sirius auch noch feststellen, dass die Fangzähnigen Frisbees ein paar Stunden später all ihre Zähne wiederhatten, weshalb er die Dinger wütend in eine Ecke pfefferte.

Daraufhin erklärte James ihm, dass sie natürlich ihre ersten Zähne verloren hatten, weil das ihre Milchzähne gewesen waren, was Sirius allerdings auch nicht wirklich aufheitern konnte.


»Merkwürdig ruhig hier«, bemerkte James, als sie abends im Gemeinschaftsraum saßen und darauf warteten, zur Strafarbeit bei der Schreckschraube gehen zu müssen. »Ich dachte eigentlich, dass die uns noch mehr auf die Pelle rücken, nachdem wir heute morgen unerlaubt in Hogsmeade waren!«

Auch Sirius war aufgefallen, dass lange kein Lehrer mehr ihre wohlverdiente Ruhe gestört hatte. Er zuckte die Schultern, wobei er ein Buch, mit dem Titel ›Verhaltensweisen für Schüler‹, gelangweilt aufschlug. Er konnte sich kaum vorstellen, hier das Schülerverzeichnis von Hogwarts zu finden, aber sie hatten sich nun mal alle Bücher ausgeliehen, die irgendetwas mit Schülern zu tun hatten.

»Ich glaub, Highking und Piler schauen schon wieder Sterne an…«, bemerkte er uninteressiert, während er das Buch unaufmerksam durchblätterte.

James starrte ihn an, als wäre ihm eben etwas aufgefallen, was Sirius nicht bemerken konnte, und er ließ sein Buch das er eben durchsuchte (›Zauberschulen ganz Mittel- und Nordeuropas‹) geräuschvoll auf den Tisch fallen.

»Na klar, das ist es!« Er sprang auf und sah Sirius aufgeregt an. »Man kann sicher auch ›Drakon‹ heute Nacht besonders gut sehen!«

Auch Sirius klatschte sein Buch auf den Tisch und erhob sich. »Na, dann, auf geht's! Ab in den Südturm!«

Die Lehrer schienen milde überrascht, als die zwei Jungen hereingestürmt kamen. »Wir dachten uns, man lernt ja in den Ferien sonst nichts«, entschuldigte sie James, während die Professoren einen erstaunten Blick wechselten.

Sirius suchte sich inzwischen schon ein gutes Teleobjektiv aus, das er aus einem offenen Fenster gen Himmel richtete.

»Und… ähm… wo ist denn dieser Drakon, von dem Sie uns mal erzählt haben?«, fragte James frei heraus, der anscheinend die Stille zu überbrücken suchte.

Highking, der sich immer noch nicht wieder gefasst hatte (er konnte es wohl nicht ganz glauben, dass Sirius und James sich so etwas wirklich merkten, womit er ja nicht ganz unrecht hatte), deutete bloß wortlos auf eine Ansammlung von Sternen im Norden, die, wie Sirius feststellte, in der Tat auffallend hell leuchteten.

»Etwas weiter im Nord-Westen befindet sich ›Herkules‹, aber dieses Sternzeichen kann man von hier aus zu dieser Jahreszeit leider nicht vollständig sehen. Im Frühling werden wir dieses Sternbild durchnehmen, dann ist es am deutlichsten…«, erklärte Highking diensteifrig, während Sirius sein Teleskop scharf stellte und sich Drakon anschließend genau besah.

Anscheinend dachte Highking, Sirius und James würden sich endlich für die Sternbilder interessieren und so nutzte er die Gelegenheit, ihnen etwas Wissen zu vermitteln: »Wenn Sie sich dagegen nach Süden wenden –«, Highking schritt elanvoll zu den gegenüberliegenden Fenstern, wobei er die Jungs zu sich winkte, »– so erblicken Sie Eridanus, der griechischen Sage nach der Fluss der Unterwelt…«

Sirius hörte nicht wirklich zu. Gerade ließ er James einmal durch das Beobachtungsgerät blicken und dachte über die seltsamen Worte des Reiters nach »Erhebt also eure Häupter zu Drakon«. Wie sollte ein Sternbild irgendeinen Einfluss auf sie haben können! Hatte es vielleicht etwas mit dessen Bedeutung zu tun? Freundschaft…

»…Leider kann man das Sternbild ›Centaurus‹ nur von der Südhalbkugel aus sehen, aber keine Angst, wir werden diesen faszinierenden Himmelskörper dennoch in einer Nachmittagsstunde mal in der Theorie durchnehmen…«

Drakon hob sich stärker denn je gegen den schwarzen Nachthimmel ab und Sirius' Blick wanderte unwillkürlich hinunter zum Verbotenen Wald, der sich einsam auf den Schlossgründen ausdehnte. Vielleicht, dachte Sirius, wobei er seinen Blick durch die Schwärze der Nacht schweifen ließ, vielleicht war irgendwo da drin die Antwort auf all die Rätsel, die Sirius seit der vorletzten Nacht beschäftigten.

»…Hierzu gibt es auch eine Sage, aber ich glaube, da sollte man besser die Zentauren selbst fragen – falls man mal an die rankommen würde…«

Konnte es sein, dass der Reiter ihn damit gemeint hatte? Schließlich hatte er ihn ja extra aufgesucht! Ha, du bist eine Schande für unsere Black-Familie, vergiss das nicht: Du hast doch keine Freunde, hallten Bellatrix' Worte in seinem Kopf nach, die sie ihm vor langer Zeit, als sie im Hogwarts-Express hier ankamen, an den Kopf geworfen hatte.

»…Kepheus, der wiederum südlich von Drakon liegt und…«

James, der vermutlich genug gesehen hatte, stupste Sirius an und holte ihn somit aus seinen Gedanken. Sie tauschten einen Blick und waren sich sofort einig, dass sie nicht mehr herausfinden konnten.

»…Außerordentlich beeindruckend sind auch die ›Zwillinge‹ – wenn Sie zu mir hier ans Ostfenster treten würden – mit ›Pollux‹ und ›Castor‹, auch so eine griechische Sage…«

Ohne den beiden Lehrern weiter Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, schlenderten Sirius und James zur Tür (Piler beachtete Highking indessen auch längst nicht mehr, sondern besah die Sterne ungeachtet dessen, was um ihn herum geschah).

»…Stellen Sie sich das mal vor, eine Oberflächentemperatur von 42000 Grad… – Wo wollen Sie denn hin?«

Sirius drehte sich noch einmal um: »Wir haben genug gelernt für heute!« und damit verließen sie den Südturm, um zu ihrer Strafarbeit zu gehen.


»Sie ordnen diese Testpapiere nach den Jahrgängen, angefangen mit dem Ältesten. In einer Stunde bin ich wieder da, dann sind Sie hier fertig«, blaffte die Schreckschraube, als sie in ihrem Büro standen, vor sich auf dem Schreibtisch drei riesige Berge Mappen.

McGonagall drehte sich um, wobei sie murmelte: »Posaunen einfach heraus, dass sie in Hogsmeade waren… unglaublich…« Kopfschüttelnd warf sie die Tür hinter sich zu, womit sie die Jungs verzweifelt auf die Akten starrend zurückließ.

James seufzte tief: »Na dann mal an die Arbeit…«

Sie brauchten über eine Dreiviertelstunde, um mindestens tausend Akten, wie es Sirius vorkam, in ein leeres Regal zu stapeln.

Endlich hielt Sirius die letzte in der Hand, fühlte sich allerdings zu überarbeitet, um sie eigenhändig die zwei Schritte bis zum Regal zu tragen, weshalb er mit seinem Zauberstab auf sie wies und meinte: »Wingardium Leviosa!«

Die Mappe flog mit sanftem Rascheln zu den restlichen Aktenordnern, stieß jedoch mit der Unterseite gegen das Regalbrett und stürzte ab, wobei sich alle Testpapiere über den Boden verstreuten. »War ja klar«, motzte Sirius sich selber an.

»Och komm, Sirius, wir wären fast fertig gewesen«, stöhnte James, begann aber schon damit, die Bögen aufzulesen.

Sobald sie alle zusammen hatten, überlegte James: »Okay, jetzt noch nach Alphabet ordnen und per Hand ins Regal stellen.«

»Ich hab hier ›Anderson, Jarla‹«, meinte Sirius.

»Ha, ich hab aber ›Alane, Louis‹«, grinste James.

»Okay, dann ›Bedraw, Joe‹.«

»›Boldrick, Melanie‹.«

So schlugen sie sich durch Ravenclaw-, Gryffindor-, Slytherin- und Hufflepuff-Siebtklässler des letzten Schuljahres, die alle schon ihre UTZ Prüfung absolviert hatten, bis sie schließlich bei ›Shannon, Sarah‹ ankamen.

»Okay, dann hier…« Sirius riss die Augen weit auf, als er auf das UTZ-Blatt starrte und den Namen las.

»Was ist denn?«, hakte James nach und schielte über seine Schulter. Auch ihm klappte die Kinnlade runter. »Das kann doch nicht sein, oder?«, stieß er ungläubig hervor.

»Andrew Specter!«, hauchte Sirius ungläubig.

»Sieh dir das mal an! Durchgefallen in Zaubertränke, Verwandlung, Geschichte der Zauberei… Mann, ist der letztes Jahr schlecht gewesen«, staunte James noch immer mit offenem Mund.

»Verdammt, James… – Specter hat ein Motiv! Er könnte der Typ sein, der in Gryffindor alles verschwinden lässt! Es passt alles zusammen«, ereiferte sich Sirius bestürzt.

Noch bevor James etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür und McGonagall stürmte herein. Schnell schob Sirius die übrig gebliebenen Blätter in die Mappe und stellte sie ins Regal. »Gerade fertig geworden«, grinste er etwas steif, doch er merkte selbst, dass er nicht so amüsiert klang, wie er es gerne gehabt hätte.

»Gut, dann können Sie jetzt gehen! Aber wehe, Sie bekommen noch eine Strafarbeit in diesen Ferien, dann sorge ich persönlich dafür, dass Sie den nächsten Zug nach Hause nehmen«, schnauzte die Schreckschraube noch immer verärgert.

Sirius und James, die beide zu bestürzt waren, um antworten zu können, nickten und verschwanden nach draußen.

Während sie noch auf dem Weg zum Gryffindor-Turm waren, trauten sie sich nicht, über ihre neue Erkenntnis zu reden, doch Sirius musste voller Frust darüber nachdenken, wie sehr er sich in Specter getäuscht hatte. Seine Gedanken wurden erst wieder abgelenkt, als sie im Schlafsaal, in den sie in schweigendem Einverständnis geflogen waren, eintrafen, wo der Vorhang von seinem Bett fehlte.

Auch die angespannte Miene von James löste sich und er meinte: »Mann, und das soll echt Specter sein? Der schien doch immer so nett!«

»Hmmmm…«, machte Sirius nur, der begann, in seinen Pyjama zu schlüpfen, um sich daraufhin in sein Bett fallen zu lassen.

James tat es ihm gleich, während Sirius schon weiterredete: »Frag mich, warum gerade Gryffindor? Ich mein, damit schneidet er sich doch ins eigene Fleisch. In Slytherin ist noch nichts verschwunden, obwohl Brewpot ihn auch hat durchfallen lassen.«

Es war eher ein letzter Versuch, Specter zu verteidigen, wenngleich sie beide wussten, dass sie das, was sie erfahren hatten, nur auf eine Weise deuten konnten.

»Ist dir aufgefallen, dass Specter der einzige war, der sich nie wirklich über das Verschwinden aufgeregt hat? Er hat es noch nicht einmal angesprochen«, merkte James an.

»Verflucht, warum musste Remus auch Recht haben!« Sirius warf sich unruhig herum.

»Das sollten wir dem übrigens morgen sofort schreiben«, schlug James nüchtern vor.

Sirius konnte sich trotz der ernsten Lage ein Grinsen nicht verkneifen: »Wieso nicht gleich?«

»Vergiss es«, winkte James ab. »Wenn uns die Schreckschraube dabei erwischt, dann fliegen wir endgültig raus!«

»Remus würde im Dreieck springen, wenn der wüsste, dass wir schon wieder 'ne Strafarbeit hatten und uns keine weitere leisten dürfen…«, kicherte Sirius bei dem Gedanken, was Remus sagen würde, wenn sie es tatsächlich schafften, noch in ihrem ersten Jahr rauszufliegen.

»Glaubst du dem eigentlich immer, wenn er mal wieder nicht da ist und uns dann mit irgendwelchen seltsamen Ausreden kommt?«, fragte James unvermittelt.

Sirius suchte im Halbdunkeln Blickkontakt mit ihm und zog nur vielsagend die Brauen hoch.


Der Plan, Remus gleich am nächsten Tag zu schreiben, scheiterte, da Piler sie schon am Morgen überraschte und sie auch den restlichen Tag von den Lehrern beschäftigt wurden. So kamen sie erst am Donnerstagabend, kurz vor dem Essen dazu, den Brief abzuschicken.

Tags darauf erhielten sie allerdings noch keine Antwort und so mussten sie sich die Zeit bis zur Sylvesterparty am Abend mit absurden Mutmaßungen vertreiben, wie Specter es wohl geschafft hatte, einen Fluch auf Hogwarts zu legen, wo er doch im vergangenen Jahr in vielen Fächern so schlecht gewesen war.

Die Party wurde trotz allem ein toller Erfolg, denn die Raketen waren riesig. Eine versengte Hagrid den Bart, doch insgesamt starteten sie gut in das neue Jahr.

Sogar McGonagall war in einer versöhnlichen Stimmung und zog mit ihnen an Knallbonbons. Als Dumbledore gerade Hagrids Bart mit einer Handvoll Schnee löschte, kam Highking mit seinem Glas Sekt zu den beiden Jungs, die das Feuerwerk am klaren Nachthimmel bestaunten.

»Sehen Sie doch mal dort oben, Drakon leuchtet heute Nacht besonders hell…«

Piler, der das mitbekommen hatte, grinste Highking leicht beschwippst an: »Jetzt hörst du dich schon an, wie ein Zentaur, Hieronymus. Bald wachsen dir noch Hufe!«


Sie mussten noch bis Mitte der nächsten Woche warten, bis sich beim Frühstück schließlich Oxbow auf Sirius' Teller niederließ.

»Hey, na endlich! Remus' Antwort«, flüsterte Sirius, als er den Brief aufrollte und Oxbow mit einem Toast wieder abzog. James beugte sich zu ihm hinüber und sie lasen gemeinsam leise die Antwort:

»Lieber James, lieber Sirius,

also Sirius, jetzt mal ehrlich: Oxbow ist toll! Er saß bei mir am Fensterbrett, gerade, als ich an euch einen Brief verschicken wollte! Tut mir übrigens leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich war völlig im Weihnachts- und Neujahrstress. Ihr kennt das ja, Verwandte besuchen, Nachbarn überraschen… Das übliche eben.

Dass Specter der Schuldige ist, konnte ja keiner wissen. Was glaubt ihr, was der uns alles hätte antun können, als wir mit ihm alleine geübt haben! Wie wir am besten vorgehen, besprechen wir, wenn wir wieder alle in Hogwarts beisammen sind!

Ich informiere Peter schon mal, der sich übrigens herzlich für euer Geschenk bedankt. Er hat nur in letzter Zeit ein paar Probleme mit Charles (er zerfetzt immer seine Briefe, weshalb er vermutlich keinen Kontakt zu euch aufnehmen kann).

Stellt keinen Unsinn an und denkt an die Zaubertränke-Tabellen! Wir sehen uns dann nächste Woche!

In Freundschaft, euer Remus«


Den restlichen Tag verkrochen sie sich im Gemeinschaftsraum, um ausnahmsweise mal nichts Verbotenes anzustellen und sich mit Süßigkeiten vollzustopfen. Die Hauselfen hatten ihnen am Morgen einfach keine andere Wahl gelassen, als das alles mitzunehmen; aber das war dann wirklich die letzte Straftat für den Tag! Währenddessen diskutierten sie ihre Lage in Hogwarts.

Erst am Samstagabend vor Schulanfang zog die lärmende Meute der Schüler wieder in Hogwarts ein, als Sirius und James gerade vom Abendessen kamen. Sie kämpften sich durch das Gedrängel auf Remus und Peter zu, die sie schon gesichtet hatten und freudig winkten. Statt einem »Na, wie waren die Ferien?«, platzte James gleich heraus: »Habt ihr ihn schon gesehen?«

»Ja, er war im Nebenabteil«, antwortete Remus abwesend, dem schon wieder etwas ganz anderes auf der Zunge brannte: »Ihr habt euch doch hoffentlich schon über den Verwandlungsaufsatz und die Zaubertrank-Tabellen gemacht?«

Ehe Sirius und James noch wahrheitsgetreu erwidern konnten, keinen Strich für die Schule getan zu haben, mischte sich Peter (in dessen Katzentransporter es heftig rumorte) mit ein: »Bei Verwandlung müsst ihr mir helfen, das hab ich nicht verstanden!«

Damit war die Sache für Sirius klar: »Ach, wir schreiben einfach alle von Remus ab!«

Remus verdrehte nur die Augen, kapitulierte aber: »Ich geb' es euch oben!«

Mittlerweile hatten sie sich zur Marmortreppe vorgearbeitet, doch gerade da trafen sie auf Bellatrix, die zusammen mit Malfoy, Narzissa und Rodolphus auf sie zuhielt. »Hey, Baby Black«, rief sie ihm herablassend zu. »Die Party in eurem Haus war echt geil! Warum hast du uns nicht gesagt, dass dein kleiner Bruder so toll ist!«

Malfoy und die anderen brüllten vor Lachen und Sirius erinnerte sich, wie Phineas Nigellus ihm erzählt hatte, dass sie auch alle auf der Feier eingeladen gewesen waren.

»Regulus konnte dich bei Verwandte-Raten echt gut nachäffen. War ja aber eigentlich auch nicht schwer, er musste sich nur in eine Ecke verkriechen und 'ne Idiotenfratze aufsetzen«, höhnte Malfoy verächtlich, worauf die anderen Slytherins schon wieder in Lachen ausbrachen.

Gerade, als Sirius seinen Zauberstab ziehen wollte, um sie allesamt an die Decke zu hängen, legte sich eine große Hand von hinten auf seine Schulter.

»Na, waren die Ferien angenehm? Ich finde es ja sehr schön, dass Sie Sirius daran Anteil nehmen lassen wollen, aber es ist nun wirklich schon sehr spät und Sie sollten sich jetzt alle in Ihre Gemeinschaftsräume zurückziehen!«

Piler lächelte sie freundlich an, aber in seinen Augen stand eine leise Drohung, die selbst die Slytherins nicht falsch verstehen konnten.

Mit einem letzten überheblichen Blick auf Sirius und Piler fuhr Bellatrix herum und stolzierte gefolgt von Malfoy, Rodolphus und Narzissa in ihrer arroganten Art zu den Kerkern davon.

Sirius' Griff, der sich in seiner Umhangtasche schon fest um seinen Zauberstab geschlossen hatte, lockerte sich ein wenig, auch wenn er innerlich noch immer vor Wut kochte.

»Also dann, bis Montag in Verteidigung«, verabschiedete sich Piler mit einem besorgten Blick auf Sirius. »Und wehe, ihr nennt mich im Unterricht Fred, klar?«, setzte er dann mit einem leichten Grinsen hinzu, bevor er sie ebenfalls alleine zurückließ.

»Was ist denn mit dem los? Wieso solltet ihr ihn Fred nennen!«, wollte Remus sofort wissen. Offenbar suchte er schnell nach einem anderen Gesprächsthema, das von den bissigen Bemerkungen der Slytherins ablenkte.

»Ach, der hat uns erlaubt, ihn in den Ferien Frederic zu nennen«, zuckte James nur die Schultern und Sirius fügte an: »Ja, der hat sowieso ständig bei uns rumgelungert… War mit uns in Hogsmeade, hat uns ein paar Abwehrzauber beigebracht… Deswegen sind wir auch großteils nicht dazu gekommen, irgendwas anzustellen…«

Remus sah sie etwas mitleidig an, bevor er ihnen feinfühlig erklärte: »Ist doch sonnenklar, dass er euch das ›Du‹ nicht aus reiner Freundschaft angeboten hat! Er sollte euch nur überwachen, gerade damit ihr nicht alles ins Chaos stürzt. Vermutlich hat Dumbledore das angeordnet.«

Remus' Worte machten leider zu viel Sinn, jetzt, wo sie einmal ausgesprochen waren, als dass sie geleugnet werden konnten. Verlegen blickten Sirius und James sich an, da sie selbst nicht auf den Gedanken gekommen waren, der bedauerlicherweise wirklich sehr offensichtlich war. Einen

Moment lang verschlug es Sirius völlig die Sprache, bis er sich durchrang, zu beschließen: »Jetzt reicht's! Wir stellen den sofort zur Rede!« Damit packte er James am Arm, um ihn hinter sich her zu Pilers Büro zu schleifen.

Ohne anzuklopfen stürmten sie hinein, um Piler an seinem Schreibtisch sitzend aufzuschrecken.

»Sie verlogener…«, begann Sirius schon wieder wütend, doch James drückte ihm schnell die Hand auf den Mund, um Schlimmeres zu verhindern, so dass der unfeine Ausdruck für Piler in einem Nuscheln endete.

Seufzend lehnte dieser sich zurück, wobei er seine Feder weglegte, und meinte: »Also habt ihr es endlich herausbekommen, was? Ich wusste, dass Mr Lupin das Ganze sofort durchschauen würde.«

»Und wir sind strohdumm oder was!«, empörte sich James, der vorsichtig die Hand von Sirius' Mund nahm.

»Nein, ihr vertraut nur eurem Umfeld sehr schnell…«, versuchte Piler sie zu beschwichtigen.

»Na, keine Sorge, kommt bestimmt nicht wieder vor«, spuckte Sirius ihm beleidigt vor die Füße.

»Hört mal zu, Jungs…«, begann Piler wieder ruhig, aber Sirius hatte keine Lust, so einem Lügner zuzuhören und wollte hinausstürmen. Erst Specter, jetzt Piler, was kam wohl als nächstes! Doch James hielt ihn am Arm zurück, der die Sache anscheinend gleich noch klären wollte.

»…Professor Dumbledore hat mich beauftragt, ihn über alle eure Schritte zu informieren… Er wusste, dass ihr, wenn ihr hier allein seid, auf noch dümmere Gedanken kommen würdet – schließlich wollte er sein Schloss – und euch – in einem Stück behalten«, fuhr Piler sanft fort.

»Dann sollen wir Dumbledore wohl noch dafür danken, dass er uns einen Babysitter angeheuert hat, oder was!«, blaffte Sirius zornig. James hielt ihn vorsichtshalber immer noch am Arm fest, obwohl Sirius nicht mal mehr daran dachte wegzugehen.

»Hör mal zu, Sirius, ich habe ihm zwar Bericht erstattet, aber das heißt nicht, dass unsere Freundschaft nicht ehrlich wäre. Wirklich – so ein guter Schauspieler bin ich nämlich nicht!« Piler grinste schief.

Sirius zog James, ohne ein weiteres Wort zu erwidern, hinter sich her aus dem Raum. Schweigend trotteten sie mit hängenden Köpfen und voller enttäuschter Gedanken zum Gemeinschaftsraum.

»Peitschende Weide«, murmelte Sirius nur, doch Nigellus höhnte schon wieder: »Passwort wurde geändert!«

»In was?«, knurrte James zurück.

»Rat mal«, grinste Phineas amüsiert. Viel zu amüsiert für Sirius' Geschmack. Ob man ihm glauben würde, dass Nigellus genau wie die fette Dame einfach so verschwunden war?

»Keine Ahnung«, kapitulierte James lustlos.

»Falsch, noch mal raten!«

»Die Feier ohne Sirius war total toll«, muffelte Sirius.

»Nein, auch falsch, aber danke für den Anreiz«, grinste Nigellus.

»Phineas Nigellus ist ein nervender Vollidiot?«, riet James sauer.

»Jetzt könnt ihr vergessen, dass ich euch das Passwort sage!« Nigellus drehte sich beleidigt weg.

»Mach uns sofort die Tür auf, du elender…«, schrie Sirius schon los, doch nun klappte das Porträt von innen aufgestoßen zur Seite und Specter grinste sie an: »Na, wusste ich doch, dass ich deine liebliche Stimme vernommen habe!«

Sirius und James wechselten einen schnellen Blick und ohne ein Wort drückten sie sich an ihm vorbei in den überfüllten, lärmenden Gemeinschaftsraum.

»Was'n los? Kein freundliches ›Hallo‹?«, hakte Andrew überrascht nach.

»Schlecht gelaunt«, knurrte Sirius nur und begab sich zusammen mit James zu Remus und Peter, die in Remus' Lernecke zusammen den Verwandlungsaufsatz durchgingen.

»Hab ich's euch nicht gesagt? Ihr braucht gar nicht so verletzt zu schauen, jeder Funken gesunden Menschenverstands sagt einem doch, dass eine solche Verbrüderung mit einer Lehrkraft gar nicht sein kann«, erläuterte Remus ohne aufzublicken.

»Hör bloß auf, uns mit so schweren Wörtern zu bewerfen, selbst Piler hat uns schon gesagt, dass wir dumm wie Bubotubler sind«, fauchte Sirius ihn an.

»Jetzt macht euch keine Gedanken darüber! Ihr hattet euren Spaß in den Ferien und nun vergesst das Ganze einfach!« Remus bückte sich zu seiner Schultasche, um die Zaubertränke-Tabellen herauszuholen. »Habt ihr die wenigstens schon gelernt?«, fragte Remus fast verzweifelt.

»Nee!«, erwiderten die beiden einstimmig, worauf Remus in einem letzten Versuch ungläubig wissen wollte: »Ihr habt also keinen blassen Schimmer, was eine Affodillwurzel bewirkt?«

»Doch«, entgegnete Sirius, »Wenn ich die in einen Wermutaufguss schmeiße, krieg ich einen superstarken Schlaftrank, der als der ›Trank der Lebenden Toten‹ bekannt ist.«

Remus gingen fast die Augen über, während Peter beinahe weinend auf seinen Aufzeichnungen zusammenbrach. In diesem Augenblick hörten sie Davey, der zusammen mit Timothy am Nebentisch an einem Kofferradio rumfummelte lautstark fluchen: »Verdammt, wieso funktioniert das hier denn nicht! Ich krieg einfach keinen Empfang rein! Im Hogwarts-Express ist das doch noch einwandfrei gelaufen!«

Alle anderen Schüler sahen sich ratlos an. Manche versuchten sich ebenfalls an dem Gerät, bis Remus genervt von der Dummheit seiner Mitschüler aufblickte und ihnen fast gereizt zurief: »Wenn irgendjemand in diesem Raum ›Eine Geschichte von Hogwarts‹ gelesen hätte, dann wäre euch vielleicht klar, dass elektronische Muggelgeräte in Hogwarts nicht funktionieren!«

»Mensch, Remus, du solltest mal lieber mehr in unserer ›Unendlichen Geschichte‹ lesen, als dir irgendwelche Schulbücher reinzuziehen«, neckte James und selbst Sirius kam nicht umhin zu grinsen.


Die Stimmung am nächsten Abend war äußerst drückend, was nicht zuletzt daran lag, dass sie am darauf folgenden Morgen wieder Unterricht hatten.

Außerdem vermisste Davey plötzlich sein Kofferradio und nur weil Sirius nebenbei bemerkt hatte, dass dieses dumme Radio sowieso nicht gelaufen war, hatten ihn Timothy und Davey den restlichen Tag gemieden, da sie ihn offensichtlich für den Schuldigen hielten.

Remus und Peter verzogen sich nach dem Abendessen in die Eulerei, da sie ihren Eltern Bescheid sagen wollten, dass sie heil in Hogwarts angekommen waren und die übrigen Schlafsaalgenossen waren schon nach oben geflogen.

So saß Sirius mit James gelangweilt im relativ leeren Gemeinschaftsraum vor dem Kamin. Da sie an so einem Tag selbst für Schlosserkundungen zu angeödet waren, beschlossen auch sie, früh zu Bett zu gehen.

Gerade als sie zu den Besen schlurften, kam jedoch Specter auf sie zu und meinte ernst: »Sirius, ich muss mal mit dir reden… ähm, allein«, fügte er mit einem Seitenblick auf James hinzu, der natürlich ebenfalls stehen geblieben war.

Fragend sah James Sirius an, der entwarnend nickte, sodass James sich auf seinen Nimbus schwang und hochflog. »Was gibt's?«, wollte Sirius kühl wissen.

»Sag mal, ist mit dir irgendwas? Du wirkst so verändert seit den Ferien«, fragte Specter brüderlich besorgt.

»Nee«, gab Sirius kurz zurück.

»Ich mein, wenn mit dir irgendwas nicht in Ordnung ist, kannst du's mir ruhig sagen…«, bot Specter erneut freundschaftlich an.

»Passt schon.«

»Ehrlich! Oder hat es was mit mir zu tun?«

»Nee«, log Sirius ohne ihn anzusehen.

»Gut, dann bin ich ja beruhigt. Wie waren deine Ferien denn so?«

»Joah…«

»Meine waren toll. Ich hab mich mit meiner Exfreundin getroffen, weißt du, irgendwie finde ich sie trotz allem noch toll…«

»Aha.«

»Sie hat letztes Jahr hier ihren Abschluss gemacht…«

»Mhm.«

Nachdem Specter Sirius noch seine sämtlichen Ferienerlebnisse dargelegt hatte, verabschiedete sich Sirius einsilbig von ihm und flog James nach in den Schlafsaal.

Gerade als er nachdenklich den Besen in die Ecke stellte und aufblickte, traf ihn fast der Schlag. Da stand James, umrundet von Timothy und Davey mit gezücktem Zauberstab – und Sirius' Denkarium in der Hand. Sirius stieß einen ungläubigen Laut aus, woraufhin sich James zu ihm umwandte und bei seinem Anblick bleich wurde.

»Sirius, ich… ähm…«, begann er zu stottern, doch bei Sirius setzte mal wieder alles aus.

Wie konnte James nur die Stirn haben, einfach sein Denkarium zu benutzen! Er wusste doch, dass Sirius fast nie jemandem etwas über seine Vergangenheit erzählte! Und dann lud er Timothy auch noch dazu ein! Hey, wollt ihr euch mal Sirius' größte Geheimnisse anschauen! Benutzen wir doch einfach sein Denkarium!

Es war, als stünde er einmal mehr einem Irrwicht gegenüber, nur dass diesmal der James, der ihn ansah, echt war. In wortloser Wut stampfte er auf die drei Jungen zu und riss James unwirsch sein Denkarium aus der Hand.

»Fass noch einmal was von meinen Sachen an und du fliegst hochkant aus dem Fenster, das schwöre ich dir bei meinem Leben«, brüllte er seinen ehemals besten Freund an.

Dieser blickte ihn nur getroffen an, während Sirius schon weiter schrie: »Dasselbe gilt für euch Freaks! Und wehe ihr erzählt irgendjemandem etwas von dem, was ihr hier drin gesehen habt und ich verspreche euch, es war euer letztes Wort!«

Damit schleuderte er das Denkarium unter sein Bett und rauschte zwischen den schockierten Jungs hindurch zur Tür, um mit seinem Besen wieder hinunter zu rasen. Im Gemeinschaftsraum begegnete er Remus und Peter, die eben aus der Eulerei zurückkamen.

»Alles klar, Si- «, begann Remus besorgt, doch Sirius zischte ihn nur zornig an: »Halt bloß dein Maul, Lupin, und geh hoch zu deinen Verbündeten!«

Ohne die beiden auch nur eines weiteren Blicks zu würdigen, stürmte er an ihnen vorbei aus dem Gemeinschaftsraum und scheinbar endlose Korridore entlang, bis er sich plötzlich vor dem Spiegel im vierten Korridor wieder fand, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er dort hingekommen war.

Aber eigentlich war ihm der Geheimgang gerade recht und so verschanzte er sich im Dunkeln hinter dem Spiegel. Er fühlte sich betrogen und aufs Schmählichste verraten von allen und besonders von James! Diese Gryffindors steckten doch alle unter einer Decke!

Unwillkürlich musste er daran denken, wie er zusammen mit James diesen Geheimgang am Anfang des Schuljahrs entdeckt hatte, wie viel Spaß sie in Hogsmeade gehabt hatten und wie sie schließlich zusammen hier eingeschlossen gewesen waren…

Vielleicht hatten sie ja alle recht: Nigellus, Bellatrix, Brewpot, seine Mutter, der Sprechende Hut… Vielleicht wäre er tatsächlich in Slytherin besser aufgehoben, obwohl er daran gar nicht denken wollte. Trotzdem: Er war in einer dunklen Zaubererfamilie aufgewachsen und vielleicht lag seine Zukunft doch in der schwarzen Magie! Sirius ließ sich verzweifelt an die Wand sinken und versenkte den Kopf in den Händen.

Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte, doch schließlich raffte er sich wieder auf und lugte vorsichtig aus dem Spiegel. Die Gänge lagen verlassen und dunkel vor ihm. Sie spiegelten völlig seine Stimmung wieder!

Leise, um ja nicht bemerkt zu werden, schlich er zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum zurück, doch als er vor Phineas Nigellus' Porträt angelangte, musste er feststellen, dass er das Passwort noch immer nicht kannte.

»Ach, mein unwürdiger Ururenkel«, begrüßte er Sirius mit seinem üblichen Hohn in der Stimme, während er sich gähnend den Schlaf aus den Augen rieb. »Passwort?«

»Keine Ahnung, aber lass mich jetzt gefälligst rein«, murmelte er niedergeschlagen.

»Vergiss es! Ohne Passwort kommst du hier nicht durch!« Nigellus schien es richtig auszukosten, dass er Sirius zu Weißglut treiben konnte.

»Reicht es dir nicht, dass ich ernsthaft erwäge, nach Slytherin zu wechseln, weil mich sämtliche meiner Freunde verraten haben?«

Sofort schwang Nigellus mit einem süffisanten Grinsen auf: »Hab ich's dir nicht immer gesagt, Urenkelchen!«

Einsam und verlassen stand Sirius noch eine Weile in der Mitte des Gemeinschaftsraums, bis er sich endlich überwand, sich in den Schlafsaal zu schleichen.


Am nächsten Morgen verschwand er schon gegen vier aus dem Schlafsaal, um ja keinem der anderen zu begegnen. Er lungerte so lange in der Eingangshalle herum, bis die Türen zur Großen Halle endlich geöffnet wurden.

Sirius frühstückte alleine (noch nicht mal ein Lehrer war anwesend) und begab sich dann nach draußen zu den Gewächshäusern, um gedankenlos auf Professor Sprout zu warten. Sobald die restliche Klasse eintraf, verschanzte Sirius sich alleine in der hintersten Reihe.

James machte zwischendurch zwar den Versuch, zu ihm zu gehen, doch Professor Sprout steckte ihn in diesem Moment mit Peter in eine Gruppe, während Sirius mit irgendeiner Hufflepuff arbeiten musste.

Auch nach der Doppelstunde sah Sirius zu, dass er möglichst schnell im Getümmel der Pause verschwand, um sämtlichen Gryffindors aus dem Weg zu gehen. Selbst Verteidigung nervte ihn total an, da Piler ständig versuchte, sich wieder mit ihm zu vertragen. Sirius erwiderte nicht mal sein Lächeln.

Nach der zweiten Pause reichte es ihm: Jetzt noch Brewpot zu ertragen, überstieg seine geistige Stärke, so dass er in den Krankenflügel ging, um sich für den restlichen Tag krankschreiben zu lassen.

Allerdings musste er auch die Nacht noch dort verbringen, weil Madam Pomfrey glaubte, er leide an einer unbekannten Krankheit, da seine Symptome zu nichts passten, was sie kannte.

Am nächsten Morgen, als sie ihm seine Medizin brachte, meinte sie allerdings sehr zu seiner Überraschung: »Sie haben Besuch von Mr Potter. Soll ich ihn reinschicken?«

»Nein«, stöhnte Sirius. »Ich fühle mich zu schwach.«

Nach dem Unterricht beschloss die Krankenschwester, Sirius zu entlassen, da sie zwei schwerverletzte Duellanten hereinbekommen hatte.

Sirius checkte erst ab, dass die anderen in der Bibliothek für Zaubertränke arbeiteten, ehe er sich in den Schlafsaal begab.

Zu seiner Verblüffung fand er auf seinem Bett saubere Notizen der Stunden, die er an diesem Tag verpasst hatte vor, teils mit James', teils mit Remus' Schrift. Achtlos warf er sie in seinen Koffer.

Langsam keimte in ihm der Wunsch auf, endlich völlig aus dem Gryffindor-Turm zu verschwinden. Wenn er Dumbledore die Sache detailliert darlegen würde, würde der ihm sicher erlauben nach Slytherin zu wechseln, wie es der Hut ihm sowieso freigestellt hatte.

An jenem Abend legte er sich früh hin, damit er sich zumindest schlafend stellen konnte, als die anderen nach und nach zu Bett gingen.

Während der Stunden am nächsten Tag reifte seine Überlegung, nach Slytherin zu wechseln heran, doch er brachte noch nicht den Mut auf, am Abend zu Dumbledore zu gehen und ihn darum zu bitten.

In der Doppelstunde Verwandlung am Donnerstagmorgen trat McGonagall während einer Übung hinter ihn, da er alleine in der letzten Bank saß und raunte: »Ehrlich gesagt, bin ich verwundert, Sie hier hinten zu sehen. Seitdem Sie sich so abkapseln, werden Ihre Verwandlungszauber nicht mehr ganz so perfekt, wie vorher. Außerdem haben Sie schon lange keine Strafarbeit mehr gehabt…«

Damit schritt sie weiter, um die Schüler bei ihren Übungen zu verbessern.

Zu allem Überfluss wurde Sirius in Kräuterkunde schon von der seltsamen Hufflepuff begrüßt, mit der er in letzter Zeit immer zusammenarbeiten musste.

»Freak!«, murmelte er deshalb nur und drehte sich demonstrativ weg. Aber auf der anderen Seite standen nur James, Remus und Peter, sodass er sich ein Herz fasste und doch mal einen Blick nach vorn zu Professor Sprout riskierte.

Als er in Zauberkunst noch mal die nichts sagenden Gesichter der Gryffindors musterte, wurde sein Beschluss bestärkt, Dumbledore gleich nach dem Unterricht einen Besuch abzustatten.

Schließlich kam in Verteidigung der Höhepunkt aller Erniedrigungen, als er mit Eileen zusammen arbeiten musste, von der er eigentlich immer gedacht hatte, dass sie nichts zustande brachte. Allerdings durchbrach sie zu seiner Überraschung seinen Schildzauber, weshalb er ihr aber sogleich einen Schockzauber verpasste, der sie an die nächste Wand schmetterte.

Aufgebracht trat Piler zwischen sie und beugte sich zu Sirius herab: »Ich weiß ja, dass du dich mit James gestritten hast, aber deswegen musst du deiner Kollegin nicht gleich das Genick brechen.«

Eileen hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und starrte Sirius sehr böse an.

»Das war jetzt sowieso das letzte Mal, dass ich mit einem Gryffindor zusammengearbeitet hab«, brauste Sirius auf, den das alles hier einfach nur noch nervte. Damit packte er seine Schultasche und stürmte aus dem Zimmer Richtung Dumbledores Büro.

Auf halbem Weg hörte er hinter sich Schritte heraneilen, die für Piler allerdings zu leise klangen. Ohne sich umzuwenden, beschleunigte er seine Schritte noch, bis er endlich vor dem Wasserspeier ankam. »Bertie Botts Bohnen aller Geschmacksrichtungen«, blaffte er ihn an, doch nichts geschah.

Jetzt bog James atemlos um die Ecke und prustete: »Sirius, hör mir doch mal zu…«

»Bertie Botts Bohnen aller Geschmacksrichtungen«, feuerte er dem Wasserspeier mit Nachdruck entgegen, um James nicht anhören zu müssen. Aber erneut blieb der Eingang geschlossen.

»Sirius, bitte…«

»BERTIE BOTTS BOHNEN ALLER GESCHMACKSRICHTUNGEN!«, schmetterte Sirius mit letzter Kraft. Als sich abermals nichts tat, drehte er sich drohend zu James zu, den Zauberstab im Anschlag.

»Bleib mir bloß vom Leib, Potter!«

Da James einen Schritt auf ihn zutrat, brüllte Sirius: »Stupor!«

Geistesgegenwärtig wehrte James den Zauber mithilfe eines »Protego«-Rufes ab und schmetterte dagegen: »Tetundo!«

Sirius' Reflexe waren zu langsam, weil er psychisch ziemlich mitgenommen war, sodass er gegen die Wand neben dem Wasserspeier geschleudert wurde, wo er liegen blieb, unfähig, neue Kräfte zu sammeln.

James eilte sogleich besorgt an seine Seite und versicherte, als er neben ihm niederkniete: »Sirius, ich wollte wirklich nicht in dein Denkarium schauen! Ich bin hochgekommen und da hatte Timothy es in der Hand! Ich habe es ihm sofort entrissen, aber in dem Moment kamst du rein, aber du hast mich ja nicht erklären lassen… Du bist doch wirklich mein bester Freund! So was würde ich doch nie tun. Bitte glaub mir doch endlich!«

Sirius blickte ihm noch etwas misstrauisch in die Augen, sah aber nur ehrliches Mitgefühl in ihnen und so konnte er nicht umhin, James zu vertrauen. Er streckte ihm die Hand entgegen, damit James ihm aufhalf, der gleich schüchtern fragte: »Du willst jetzt aber nicht trotzdem noch nach Slytherin wechseln, oder?«

Sirius blickte ihn einen Moment an, dann drückte er seinen überraschten Freund kurz mit einem Arm an sich. Danach fragte er: »Woher wusstest du das?«

James grinste ihn breit an: »Na komm schon, ein bester Freund weiß so was…«


»Und als Peter in Zaubertränke wieder den Kessel in die Luft gejagt hat… ich sag dir, das war soooo cool«, erzählte James, als sie zusammen den Gemeinschaftsraum betraten.

»Mann, da hab ich wieder ein Haufen Zeug verpasst, was?«, lächelte Sirius, der innerlich von einer wohligen Wärme erfüllt war. Sie steuerten auf die Lernecke zu, in der wie immer Remus und Peter saßen.

Als er sie erblickte, stieß Remus Peter lächelnd in die Seite und nickte ihnen glücklich zu. Etwas verlegen ließ Sirius sich bei ihnen am Tisch nieder.

»Na, alles klar?«, fragte Remus freundlich.

»Ja, seltsames Gefühl, wieder hier zu sitzen«, erwiderte Sirius, als er sich zurücklehnte und den Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen ließ.

Timothy und Davey senkten schnell de Köpfe, als ihre Blicke auf seinen trafen.

»Was ist denn mit denen los?«, hakte Sirius flüsternd bei James nach.

»Seit sie in dem Denkarium gesehen haben, wie deine Mutter mit dir umgeht – und nebenbei deine restliche Verwandtschaft auch – haben sie gehörigen Respekt vor dir bekommen«, erklärte dieser ernst.

Sirius versuchte schnell von dem Thema abzulenken: »Hör auf damit und erzähl mir lieber von dem explodierten Kessel!«

tbc...