Sirius Black und der Wächter des Reinen Blutes


Einundzwanzigstes Kapitel

Nächtliche Begegnungen


Das Erste, was Sirius am Montagmorgen verriet, dass der Tag gar nicht gut werden konnte, war die Art, auf die er geweckt wurde: »Es ist schon wieder was verschwunden«, rief Davey durch den ganzen Schlafsaal.

Während sich Sirius noch fragte, was es diesmal war, zog er seine Vorhänge zur Seite und begegnete Daveys grinsendem Blick, der am Fenster stand.

Seit der Sache mit dem Denkarium war Davey betont freundlich zu Sirius, was man von Timothy nicht gerade behaupten konnte. Er zollte Sirius zwar mehr Respekt, als zuvor, hatte aber nicht aufgehört, ihn ›Vampir‹, oder einfach nur ›Black‹ zu nennen.

»Nicht schon wieder! – Was von mir?« Auch James war von dem Schrei aufgewacht und lugte mit wie üblich extrem zerzaustem Haar aus seinen Vorhängen hervor.

»Nee… der Schnee ist weg. Und der See ist auch wieder ganz aufgetaut«, lachte Davey.

Sirius verkniff sich jeglichen Kommentar und zog sich stattdessen ohne einen Blick nach draußen an, um so schnell wie möglich von diesen Freaks weg zum Frühstück zu kommen.

Doch auch dort besserte sich sein Tag keineswegs. Im Gegenteil, es wurde sogar noch schlimmer.

Zuerst dachte er noch, es würde ganz interessant werden, als er zusammen mit James, Remus und Peter die Halle betrat und am Lehrertisch einen fremden Zauberer erblickte, der sich mit Dumbledore unterhielt und angesichts seiner korrekten Kleidung nur vom Ministerium sein konnte.

Sie liefen also extra nah am Lehrertisch vorbei, um vielleicht Gesprächsfetzen aufzuschnappen, doch da sprach der Zauberer Sirius zu seinem Bedauern direkt an: »Ah, da ist er ja! – Mr Black, wir haben erfreuliche Neuigkeiten für Sie!«

Sirius sah den von Kopf bis Fuß schwarz gekleideten Mann erstaunt an und fragte sich, ob er ihn überhaupt schon jemals in seinem Leben gesehen hatte. Trotzdem ging er mit einem vielsagenden Blick zu seinen Freunden – die ihn nicht minder überrascht ansahen – langsam auf Dumbledore und den Fremden, der ihn heranwinkte, zu.

Dumbledore lächelte Sirius wie gewöhnlich freundlich zu, doch in seinen Augen konnte man deutlich lesen, dass ihm der fremde Besuch ziemlich auf die Nerven ging.

»Ich habe hier die Unterschrift vom Zaubereiminister persönlich, dass Sie nach Slytherin dürfen«, verkündete der Fremde stolz.

»Keir, ich habe Ihnen bereits erklärt, dass seit Generationen der Sprechende Hut über die Hausverteilung entscheidet«, versuchte Dumbledore dem Zauberer die Angelegenheit verständlich zu machen.

»Aber außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen«, meinte der Zauberer altklug. »Und da hier nun mal eindeutig ein Fehler vorliegt…«

Sirius' Eltern hatten also seine fehlende Antwort als ›Ja‹ fehlinterpretiert – oder sie wollten es falsch verstehen, was wahrscheinlicher war…

»Ich finde, Mr Black sollte selbst entscheiden«, sagte Keir eben mit einem siegesgewissen Grinsen auf dem Gesicht.

»Schönen Gruß an meine Eltern, aber ich bleib dann doch lieber in Gryffindor«, knurrte Sirius nicht im Mindesten nett.

Dumbledore warf ihm durch seine halbmondförmige Brille hindurch einen amüsierten Blick zu, während Keirs Augen sich verengten und sein Blick sich verfinsterte. »Sie wissen hoffentlich, dass das Ihre letzte Chance ist!«, knirschte er drohend, doch mit aufgesetzt freundlicher Miene.

»Ja, ist mir bewusst«, entgegnete Sirius ohne zu zögern.

Der schwarze Zauberer blickte von Dumbledore zu Sirius und wieder zurück. Dann presste er hervor: »Dann wäre das ja soweit geklärt. In Zukunft wird es an dieser Schule vermutlich sowieso keine Auswahlzeremonien mehr geben, wenn das hier so weiter geht! – Guten Tag noch!« Damit rauschte der Ministeriumszauberer beleidigt aus der Großen Halle.


Wenn Sirius dachte, dass sein Tag damit an einem Tiefpunkt angekommen war, wo man schlichtweg nicht tiefer sinken konnte, so sollte er eines Besseren belehrt werden.

Er beschwerte sich gerade bei James: »Wenn die Unterschrift nicht gefälscht war – und dieser seltsame Zauberer nicht noch in der Schuld von meinen Eltern steht – dann fress ich deinen Nimbus 1001«, als er in der Eingangshalle auf Bellatrix stieß, die Arm in Arm mit Rodolphus in der Gegenrichtung unterwegs war.

Zu Sirius' Verwunderung liefen die beiden jedoch an ihnen vorbei, ohne auch nur eine abfällige Bemerkung zu machen. Scheinbar hatte seine Cousine ihn noch nicht mal bemerkt.

»Was ist denn mit der los?« Sirius starrte den beiden nach, da er sein Glück nicht fassen konnte.

»Heute ist Valentinstag«, meinte Remus prompt, der einfach weitergelaufen war und nun schon fast das Schlosstor auf dem Weg zu Kräuterkunde erreicht hatte.

»Na, die beiden passen ja echt gut zusammen!« Auch James sah den Slytherins verächtlich nach, die eben in den Kerkern verschwanden, bevor er Remus folgte.

Doch vor den Blumenbeeten, vor denen Professor Sprout bereits ihre Klasse sammelte, begegneten sie schon den nächsten Slytherins, nämlich Rosier, Wilkes, Avery und Snape, die gerade eine Freistunde hatten und diese anscheinend nicht besser zu verbringen wussten, als vor den Gewächshäusern herumzulungern. Zähneknirschend schlossen sich Sirius und James dem Rest der Klasse an.

»Wunderbar, jetzt sind wir ja komplett«, stellte Professor Sprout mit einem prüfenden Blick fest. »Heute beschäftigen wir uns mit der Frühen Schwertlilie.«

Die Schüler murrten lustlos. Allein Remus hob die Hand: »Was hat die denn für magische Kräfte?«

»Keine, Mr Lupin, aber die sehen so schön aus! – Sie vier können sich gleich das Blumenbeet dort hinten vornehmen. Die Nächsten werden…« Weiter hörte Sirius nicht zu, da sie sich schon auf den Weg zu dem Beet gemacht hatten – das unglücklicherweise das am nächsten zu Snape gelegene war.

»Was sollen wir eigentlich tun?«, wollte Peter planlos wissen.

»Keine Ahnung!«, kam die prompte Antwort von Sirius, da Professor Sprout das nicht erklärt hatte.

»Das ist ja wohl so was von klar…«, setzte Remus an, doch Sirius hörte James zu, der hinter vorgehaltener Hand, aber dennoch so, dass Remus es auch hören konnte, flüsterte: »Deshalb hat sie es uns nicht erklärt: Wir haben Remus dabei!«

Während Remus leicht verlegen lächelte, fuhr er in seinen Erklärungen fort: »…Hier sind ja auch schon die Samen, die wir jetzt im Abstand von zehn Zentimetern stecken. Aber es ist wichtig, dass…«

»Potty bei der Arbeit!«, schnarrte Wilkes, der von hinten herangekommen war.

»Wenn er sich da so anstellt, wie in Zaubertränke, dann gute Nacht«, lästerte Rosier bösartig, woraufhin Avery dunkel grinste: »Na, dann haben wir ja wenigstens was zum Lachen!«

Remus ließ sich nicht anmerken, dass er von den Neckereien der Slytherins überhaupt etwas mitbekam, sondern pflanzte seelenruhig seine Schwertlilien ein, während Peter immer weiter zurückwich, sobald die Slytherins näher kamen, sodass er schon halb im Blumenbeet stand.

Ganz anders dagegen Sirius und James, die ihre Hände schon ganz nah an ihren Zauberstäben hatten und nur noch auf das zündende Wort warteten, um loszuschlagen. Doch dieses kam nicht.

Deshalb blaffte Sirius wütend Snape an, der noch im Hintergrund stand: »Na los, Snape, gib du jetzt auch noch deinen Kommentar dazu ab, damit wir euch endlich fertig machen können!«

Mit einem siegesgewissen, bösen Lächeln trat Snape aus der Meute seiner Freunde hervor, bis er fast Nase an Nase mit Sirius stand.

Dann erst hauchte er: »Glaubst du ernsthaft, dass ich dich jetzt irgendwie provoziere, damit du mich dann gleich bei der Sprout verpetzen kannst? Ich habe es ehrlich gesagt lieber, wenn du ganz allein deine Aggressivität unter Beweis stellst, Black.«

Damit drehte er sich demonstrativ um und ging zurück zu dem Baum, unter dem sie vorher gesessen hatten. Das allerdings gab Sirius den Rest, so dass er schon seinen Zauberstab zückte und auf Snapes dargebotenen Rücken richtete.

»Halt, nicht!«, zischte James, wobei er schnell Sirius' Hand herunter drückte, »das will er ja gerade!«

»Hä? Was?«, fragte Sirius irritiert, als die anderen Slytherins Snape folgten und Peter wieder aus dem Blumenbeet trat.

»Dass du ihn ohne Provokation angreifst, damit er dann den unschuldigen Slytherin spielen kann«, kam es von Remus, der in Ruhe noch seine Frühen Schwertlilien pflanzte. »Jetzt kommt endlich her und helft mir hier!«


In der Hoffnung, dass er davon müde wurde und einschlief, starrte Sirius durch die nicht mehr existente Gemeinschaftsraumwand hinaus in den Regen, der am Abend kräftig eingesetzt hatte und der nun leise und rhythmisch gegen die unsichtbare Mauer prasselte. Der Winter schien endlich bezwungen und einem Matschwetter gewichen zu sein.

Die Gedanken in seinem Kopf bewegten sich nur träge fort, doch er konnte trotzdem nicht einschlafen. Umso überraschter war er, als James' besorgtes Gesicht plötzlich in seinem Blickfeld auftauchte.

Noch bevor dieser allerdings etwas sagen konnte (Sirius wusste auch, was, das erkannte er an der Falte auf seiner Stirn), winkte Sirius ab: »Denk dir nichts, ich kann einfach nicht schlafen!«

»Vielleicht solltest du dir bei Madam Pomfrey doch mal einen Traumlosen-Schlaf-Trank abholen«, schlug James ernsthaft vor.

»Dann müsste ich ja zu Brewpot gehen – und das werde ich sicherlich nicht tun«, erwiderte Sirius nur tro­cken. Allein der Gedanke, zum Zaubertränkemeister zu gehen und ihn um einen Schlaftrank zu bitten, schien ihm so absurd, dass er gar nicht näher darüber nachgrübelte.

James fläzte sich in einen Sessel und starrte ebenfalls nach draußen. Eine Weile lang hingen beide ihren schlaflosen Gedanken nach, bis Sirius irgendwann meinte: »Da wir ja jetzt eh beide nicht schlafen können…«

Er traf auf James' Blick und verbesserte sich schmun­zelnd: »Also gut, da ich ja nicht schlafen kann und du jetzt wahrscheinlich nicht schlafen willst, können wir doch eigentlich auf Erkundungstour im Schloss gehen, oder? Ich glaub', wir haben noch nicht alle Geheimgänge aus Remus' Buch erforscht.«

Nach einem schicksalsergebenen Nicken erhob sich James schwerfällig aus seinem bequemen Sessel und ging Richtung Porträtloch, wobei Sirius ihm animiert folgte.

»Was glaubst du, wie lange es dauert, bis ganz Hogwarts verschwunden ist, so dass wir gar keine Geheimgänge mehr erkunden können?«, fragte James bald.

»Ich hoffe mal, sechseinhalb Jahre«, grinste Sirius verschmitzt. »Aber ich glaub, lange hält es diese Schule nicht mehr aus – und dann schicken mich meine Eltern hundertpro nach Durmstrang.«

»Durmstrang? – Da sollen doch sogar die dunklen Flüche mit auf dem Stundenplan stehen«, entgegnete James geschockt.

Sirius grinste schief. »Na ja, dreimal darfst du raten, warum meine Eltern mich da gerne hätten. Als sie klein waren, war es immer ihr Traum, da hinzugehen, aber Hogwarts war einfach näher…«

Er brach jäh ab, da er gar nicht darüber nachdenken wollte, wie es in Durmstrang aussah. Hier hatte er schließlich schon Freunde gefunden…

Doch plötz­lich fuhr er erschrocken auf, als ihm etwas ganz anderes einfiel: »Wir müssen unbedingt schauen, ob der Geheimgang hinter dem Spiegel noch da ist! – Stell dir vor, wir könnten nie mehr unbemerkt nach Hogsmeade!«

»Komm, wir haben wirklich Besseres zu tun! – Zum Beispiel neue Ge­heimgänge suchen«, wehrte sich James.

Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken versunken, die sich in Sirius' Fall hauptsächlich darum drehten, wie er im Ernstfall Durmstrang entgehen könnte.

Er hatte mit James bisher nie darüber geredet… und vielleicht lag es auch daran, dass bisher noch nie akute Gefahr bestanden hatte, dass er dorthin müsste.

Aber Hogwarts würde sicherlich nicht so schnell geschlossen werden! Dieses Schloss stand jetzt schon über tausend Jahre… Außerdem kümmerte sich die Schulleitung – und sogar das Zaubereiministerium – bereits um die Angelegenheit!

»Ich möchte zu gern wissen, was es mit dem Wächter auf sich hat…«, sprach Sirius seine Gedanken irgendwann aus.

Abrupt blieb James stehen und schlug sich unerwartet gegen die Stirn: »Wieso bin ich da nicht gleich draufgekommen! In der Bibliothek müsste doch etwas von dem Wächter stehen! Schließlich hat Remus doch ge­sagt, dass er da mal was über den gelesen hat!«

Damit änderten sie umgehend die Richtung und eilten Richtung Bibliothek. Als sie eben einen besonders dunklen Korridor durchquerten, hakte James nach: »Hmm… in welcher Abteilung steht denn so was?«

Sirius grinste süffisant: »Du fragst mich, der ich doch schon so oft in der Bibliothek war, wo man ›so was‹ finden kann!«

»Pst! Sei mal kurz still« James hielt sich einen Finger an den Mund und deutete mit einer Geste zu der Tür, die sie eben passierten.

Gedämpfte Stimmen drangen aus dieser, die jedoch so leise sprachen, dass Sirius und James nichts verstehen konnten. Sie wollten sich eben wieder davonstehlen, da verstummten das Gemurmel und kaum hatten die Jungs ein paar Schritt getan, tauchte vor ihnen völlig unvermittelt eine große, hagere Gestalt auf, die aus ebenjenem Raum getreten war.

Alle drei schreckten voreinander zurück, bis mit einem »Lumos« drei Zauberstäbe aufflammten.

James erkannte überrascht: »Professor Jones!«

»Äh… w-was macht ihr denn hier? Ähm… Sie, meine ich, Sie«, stotterte der Lehrer sehr irritiert.

Sirius spitzte derweil durch die Tür, aus der er eben herausgetreten war – doch niemand war zu sehen. Einzig das Kaminfeuer loderte prasselnd vor sich hin, ansonsten herrschte Stille und Dunkelheit.

Während der Lehrer sich noch von dem Schreck erholte, tauschten die Jungs einen vielsagenden Blick und Sirius krümmte sich schnell zusammen. »Mir ist sooo schlecht«, stöhn­te er. »Wir wollten gerade in den Krankenflügel.«

Mit einem recht unsicheren Gesichtsausdruck entschloss sich Jones plötzlich: »Dann werde ich euch – ich meine, Sie, dahin bringen – begleiten… also… los jetzt!«

Damit zog er sie hinter sich her den Gang zurück, den sie eben heraufgekommen waren, während er sich flüchtig zu den Jungs umsah, die ihm mindestens genauso verwirrt folgten.

»Äh… Professor, hier geht's aber nicht zum Krankenflügel…«, machte James den verwirrten Lehrer nach einer Weile aufmerksam.

»Oh, äh… ich denke, ihr findet den Weg sicher auch alleine – Sie, wollte ich sagen! Ähm… Gute Nacht!«, stotterte Jones noch einmal, bevor er davoneilte.

Die Jungs starrten ihm irritiert nach, bis er schließlich von der Dunkelheit verschluckt wurde. Dann nutzten sie die Chance, unbehel­ligt und schnell in ihren Gemeinschaftsraum zurückzugelangen.

Dort angekommen verschnauf­ten sie erst einmal, wobei jeder seinen eigenen Gedanken nachhing, bis James sie auf einen Nenner brachte: »Was tut Jones nachts um halb eins noch in seinem Büro! Und vor allem: Mit wem hat er gesprochen?«

»Vielleicht mit Piler? – Die sind doch Freunde«, zuckte Sirius die Schultern.

»Klar. Und Piler ist dann disappariert – weil man ja in Hogwarts so gut disapparieren kann«, gab James mit einem sarkastischen Blick zurück.

»Ich weiß doch auch nicht! Dann mach einen besseren Vorschlag«, erwiderte Sirius nur.

»Wahrscheinlich haben Jones und Brewpot zusammen eine Bombe gebastelt, die Piler morgen nichts ahnend aufmachen soll und somit ganz Hogwarts in die Luft fliegt! Jones und Piler sind zwar Freunde… aber was sagt das schon!«, breitete James seine Verschwörungstheorie aus.

Mitleidig klopfte Sirius ihm auf die Schulter: »Gute Nacht, James!«


»Warum haben wir eigentlich Remus nicht mitgenommen!«, maulte Sirius, als sie in der nächsten Nacht wieder durch die Gänge streiften, um in einem zweiten Versuch in die Biblio­thek zu gelangen. »Der weiß doch bestimmt, wo so was steht!«

»Remus hätte es sicher nicht so toll gefunden, wenn er mitgekriegt hätte, dass wir wieder mal etwas Verbotenes tun, in das wir ihn mit reinziehen. Und Peter dann logischerweise auch«, gab James genervt zurück.

Unvermittelt tauchte ein ziemlich mies gelaunter Pringle wie ein Geist aus der Wand vor ih­nen auf und zischte böse: »Was – und ich frage euch nur einmal – tut ihr um diese Zeit hier!«

Sirius warf gleich mal einen prüfenden Blick auf seine Uhr, die ihm verriet, dass eine einfache Ausrede nicht mehr ausreichen würde, bevor er verschwörerisch zu James raunte: »Plan 1a.«

»Was für'n Plan!«, flüsterte James verunsichert zurück.

Siedendheiß fiel Sirius auf einmal wieder ein, dass er die Ablenkungsmanöver zwar in aller Perfektion aufgestellt, allerdings noch nicht die Zeit gehabt hatte, sie James detailliert mitzuteilen. »Is jetzt auch schon egal«, murmelte Sirius nur noch.

»Schweigen ist auch ein Schuldeingeständnis! Und eure Flüstereien gelten nicht! Wir werden jetzt hübsch zu Professor McGonagall gehen…«, blaffte Pringle siegessicher, da begann Sirius auch ohne James mit seinem Plan:

»Die ehrenwerte Professorin wird sich bestimmt freuen, uns um diese Uhrzeit bei sich zu sehen! Und außerdem giert sie sicher schon danach, uns ihren neuen Bademantel zu zeigen. Und erst ihre Gurkenmaske!«

»Gurkenmaske? Die hilft bei der doch auch nichts mehr«, stieg James endlich mit ein. »Aber ich glaube, dass Dumbledore immer eine hat. Seine Haut wirkt so weich und frisch…«

»Glaubst du? – Ich habe mich ja schon oft gefragt, wie der Fast Kopflose Nick ohne Haut zurechtkommt…«

Sie hatten sich unter ihrem sinnlosen Gespräch fast bis zur nächsten Ecke zurückgezogen, die ihnen eine Fluchtmöglichkeit bot, doch nun ließ sich das Pringle nicht länger bieten: »Hört auf, mich zum Narren zu halten! Auf die Tour lass ich euch nicht durchkommen! Diese faulen Tricks durchschaue ich sofort!«

»Plan 1b«, nuschelte Sirius nur zu James hinüber, der nach einem kurzen Nicken begann: »Die Gesichtsmaske haben Sie ja gar nicht nötig, Herr Hausmeister! Ihre Frisur ist heute ja echt cool! Muss ich mir merken! Sagen Sie mal, tragen Sie eigentlich Ihre Haare immer verfilzt offen!«

Sirius beobachtete Pringle aufmerksam, der plötzlich ganz rot wurde, woraufhin er James zuraunte: »Tja, Kumpel, das war wohl die falsche Taktik.«

Da begann Pringle auch schon vor Wut zu schreien, weshalb die Jungs einfach auf Durchzug schalteten, bis der Hausmeister zum wirklich wichtigen Teil kam: »…In mein Büro! Morgen wird euch eure Hauslehrerin schon zeigen, was man mit frechen Bengeln wie euch macht, die nachts auf den Gängen herumschlei­chen!«

Damit zog er die Jungs hinter sich her die Gänge hinab.

Hinter dessen Rücken flüsterte Sirius seinem Kumpel zu: »Gut, dass wir Remus nicht Bescheid gesagt haben.« Sirius grinste halb unterdrückt und halb trübsinnig, da sie innerhalb von zwei Nächten zweimal erwischt worden waren. Das erste Mal waren sie ja noch durch eine tolle Notlüge – und zugegebenermaßen auch durch die Zerstreutheit von Jones – davongekommen…

Unvermittelt lief er gegen einen alten, staubigen Stoffmantel, den er als Pringles erkannte, der abrupt stehen geblieben war.

Er trat einen Schritt zurück und sah unverhofft in Pilers freundliches, aber auch verdutzt wirkendes Gesicht. Sein Herz machte einen kleinen Sprung: Sie waren gerettet!

Sirius warf James einen Blick zu, der mit den Augen erst auf seine Uhr und dann auf Piler selbst deutete. Sirius wusste auch ohne Worte, was er damit sagen wollte: War es denn inzwischen Gewohnheit, dass die Lehrer um diese Uhrzeit in den Gängen herumschlichen – was sonst nur die Schüler taten!

»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Apollyon? Überlassen Sie mir das hier, dann können Sie in Ruhe Ihre Runde fortsetzen…«, sprang Piler sofort ein.

Pringle grummelte nur irgendetwas in seinen Bart, das sich für Sirius verdächtig nach »Lehrer verderben einem den ganzen Spaß am Schüler foltern…« anhörte, bevor er durch irgendeinen Geheimgang verschwand.

Sobald der Hausmeister weg war, stahl sich ein ernster Ausdruck auf Pilers Gesicht, bis er fast enttäuscht meinte: »Also Jungs, ich hätte euch für vernünftiger gehalten! Nachdem Mat euch gestern schon erwischt hat, dachte ich eigentlich, dass ihr die nächsten Tage nicht mehr so einen Mist macht. Zum Glück bin ich rechtzeitig gekommen, sonst würde euch jetzt was blühen…«

»Was wollte Mat eigentlich gestern hier – also Jones, mein ich?«, fragte Sirius gleich vorlaut.

»Und was machst du hier?«, fügte James an.

»Pringles Geschrei hat mich aufgeweckt und ich wollte dem auf den Grund gehen«, erklärte Piler, während sie zusammen in Richtung Gryffindor-Gemeinschaftsraum gingen. Erst jetzt fiel Sirius auf, dass Piler unter seinem Umhang nur einen blau geblümten Pyjama trug. »Wo wolltet ihr eigentlich diesmal hin?«, hakte Piler nun nach.

»Dahin, wo wir gestern auch schon hinwollten: In die Bibliothek«, erwiderte James wie selbstverständlich.

Piler lachte nur: »Okay, Jungs, – aber mir könnt ihr euch doch anvertrauen! Sagt mir doch einfach die Wahrheit!«

»Nein, wirklich!«, bekräftigte diesmal Sirius.

Nachdenklich blickte der Lehrer sie eine Weile lang an, bis er schmunzelnd meinte: »Schon mal überlegt, da tagsüber hinzugehen – oder schädigt das euren Ruf?«

Verdutzt wechselten die beiden Freunde einen Blick – diesen Aspekt hatten sie noch gar nicht bedacht, obwohl er doch ziemlich logisch klang –, woraufhin Sirius nur noch meinte: »Oh.«


Es ging schon gegen acht, als Sirius noch immer als Einziger wach im Bett lag.

Seine Gedanken kreisten um den bevorstehenden Schultag und zu welchen Stunden er gerne zu spät kommen würde. Schließlich entschied er sich nach kurzem Überlegen für Verwandlung und Astronomie – obwohl, in Verwandlung konnte er sich das nicht schon wieder leisten…

Gelangweilt spielte er mit der Kette um seinen Hals, bis er plötzlich die kleine, silberne Pfeife in der Hand hielt.

Ohne groß darüber nachzudenken, blies er einmal kräftig hinein, so dass im Nebenbett James wie von der Tarantel gestochen auffuhr und nach draußen fiel. Er verwickelte sich in den Bettvorhängen, bis er sich endlich nach einer Weile fluchend daraus befreien konnte.

Durch den Lärm, den er dabei veranstaltete, wurden nacheinander auch die anderen vier Schlafsaal­mitbewohner wach. »Hey Mann, was ist denn hier los?«, knurrte Timothy gleich genervt.

»Ist schon wieder was verschwunden?«, gähnte Peter, als er seinen Vorhang beiseite zog.

Mit einer beiläufigen Bewegung packte Sirius seine Pfeife wieder weg und stand mit einem brei­ten Grinsen auf.

»Alles… klar. Bin nur aus dem Bett gefallen… Schlecht geträumt«, brummte James, wobei er Sirius einen bösen Blick zuwarf.

Sirius und James ließen sich sehr viel Zeit beim Anziehen, so dass alle anderen schon mal frühstücken gingen und sie allein im Schlafsaal zurückblieben.

»Mann, Sirius, mach das nicht noch mal! Ich dachte schon, dir wäre wer weiß was passiert! Mir bleibt jedes Mal fast das Herz stehen, wenn ich diese doofe Pfeife hör«, schalt James seinen besten Freund.

Sirius lächelte gönnerhaft: »Na gut, ich versprech' dir, dass ich das nicht mehr mach…«

»He, das ist es doch! Wir nehmen die Pfeifen nur im Not­fall her… Also, wenn einer so richtig in Gefahr ist«, schlug James begeistert vor.

»Das ist ja dann so richtig oft«, erwiderte Sirius sarkastisch, der schon dem lieblichen Klang der Pfeife nachtrauerte.

»Aber dann wissen wir wenigstens, dass es ernst ist, wenn die Pfeife benutzt wird. Und sieh's doch mal so: Im täglichen Leben können wir eh nichts mit den Dingern anfangen. Ich mein, wir haben sie jetzt schon seit Weihnachten und haben sie vielleicht zweimal benutzt…«, erklärte James logisch.

Grummelnd bestieg Sirius ohne eine Antwort seinen Besen, um nach unten zum Frühstück zu fliegen. James folgte ihm bis in den Gemeinschaftsraum, wo Sirius nur noch widerwillig zustimmte: »Okay, gut. Abgemacht. Nur im Notfall.«

Kaum erreichten sie die Große Halle, als sie auch schon auf Jones trafen, der eben zum Lehrertisch gehen wollte. »Morgen«, nickte er ihnen zu, allerdings nicht ohne rot zu werden.

Die beiden Freunde grüßten zurück und nachdem der Lehrer sich neben Piler gesetzt hatte, hielt Sirius es für ungefährlich, das Thema aufzugreifen: »Sag mal, irgendwas heckt der doch aus! Wir haben den doch bestimmt bei irgendwas erwischt!«

Während sie sich neben Remus und Peter am Ravenclaw-Tisch niederließen, vermutete James: »Vielleicht ist Jones ja doch nicht so unschuldig in Sachen Hogwarts-Auflösen!«

»Kann schon sein. Warum sonst sollte er nachts irgendwo rumschleichen!«, meinte auch Sirius etwas nachdenklich.

Remus' Kopf ruck­te hoch: »Wann habt ihr denn das schon wieder mitgekriegt?«

»Ach, wir waren die letzten Nächte unterwegs, in der Hoffnung, was rauszufinden«, winkte James ab, während er sich einen Toast in den Mund schob.

»Und warum habt ihr uns dann nicht geweckt?«, warf Remus ihnen fast beleidigt vor.

»Du willst doch eh nie ins Regelbrechen reingezogen werden, oder?«, gab Sirius irritiert zurück.

»Ja schon…«, knirschte Remus, »aber mir geht's ums Prinzip! Ihr hättet uns wenigstens sagen können, was ihr vorhabt!«

»Das sind ja ganz neue Seiten an un­serem Remus, die wir da entdecken«, staunte James neckisch, während er kaute.

»Aber du hättest eh nicht dabei sein wollen. Wir sind nämlich erwischt worden«, winkte Sirius ab, woraufhin ihn Peter mit großen Augen anstarrte.

»Was? Und ihr habt keine Strafarbeit gekriegt? Das müsst ihr mir auch mal beibringen!«

Sirius allerdings überhörte den Kommentar des untersetzten Jungen schon wieder, denn er bemerkte etwas, das seinen Tag in der Beliebtheitsskala um einiges sinken ließ: Snape konnte sich wegen Platzmangels nicht an den Slytherin-Tisch setzen, son­dern kam nun grummelnd mit Wilkes zum Ravenclaw-Tisch herüber, um sich an die einzigen zwei freien Plätze zu setzen – gegenüber von Sirius und James.

»Kein Wort, Gryffindors! Diesmal ist kein Lehrer in der Nähe, der mich davon abhält, euch fertig zu machen«, zischte Snape dunkel.

»Ach ja? Ich glaub kaum, dass uns an unserem Tisch ein Slytherin den Mund verbieten kann«, grinste Sirius vorfreudig und James gab noch eins drauf: »Was für ein Ver­lierer kommt noch nicht mal an seinen eigenen Haustisch!«

Sirius setzte schon wieder an, eine weitere Provokation von sich zu geben, als ihm Remus unter dem Tisch einen leichten, nicht ganz ernst gemeinten Fußtritt gab, den Sirius geflissentlich ignorierte. Peter unterdessen sah sich panisch nach allen Seiten um, wahrscheinlich um nach Lehrern Ausschau zu halten.

»Was für ein Verlierer gibt sich schon mit so einer kleinen Ratte wie dem da ab? – Pettigrew ist ja wirklich der Abschaum der Zaubererschaft – gleich nach euch! Seht euch doch an, mit euren Muggelfreunden, mit denen ihr euch einen Schlafsaal teilt!« Snape hatte ein überhebliches Grinsen aufgesetzt.

»Wenigstens sind wir nicht so hinterhältig, böse und schwarzmagisch, wie ihr Slytherins«, hielt James sofort dagegen.

»Zu viel des Lobes für einen einfachen Slytherin! – Tetundo!«, schnarrte Snape nur und im nächsten Moment warf es James rückwärts vom Stuhl.

Augenblicklich zückte Sirius ebenfalls seinen Zauberstab, doch da deutete Wilkes auf etwas am anderen Ende des Tisches, woraufhin Snape sich mit einem gehässigen Lächeln erhob. »Wünsche noch einen schönen Tag«, raunte er hämisch und im nächsten Moment verschwanden er und sein Kumpel im Getümmel.

»Ich hetz ihm 'nen Fluch nach«, schnauzte James aufgebracht, der sich wieder aufgerappelt hatte. Doch da legte sich eine Hand auf seine Zauberstabhand und drückte sie runter. Verwirrt blickten die beiden Jungs hinter sich in Pilers besorgtes Gesicht.

»Jungs, langsam mach ich mir echt Sorgen um euch. Wenn ich euch noch ein paar Mal bei so was erwische, dann muss ich euch wirklich mal bei Minerva verpetzen. Was war denn diesmal los? Und sagt mir nicht, dass es allein Snapes Schuld war!«

Er warf ihnen einen strengen Blick zu, woraufhin Sirius nur mit zusammengebissenen Zähnen knirschte: »War's aber! – Komm, James, wir gehen!«

Doch Piler hielt sie am Kragen zurück: »Moment mal, nicht so schnell! – Remus, ich habe eine Aufgabe für dich: Du wirst auf die beiden hier mal ein bisschen aufpassen. Sorg einfach dafür, dass sie nicht allzu viel anstellen!«

»Ähm… wie lange denn, Sir?«, hakte Remus irritiert nach, der nicht sehr begeistert wirkte.

»Na, am besten die nächsten sechseinhalb Jahre!«


»Und jetzt stellen Sie Ihre Fernrohre bitte auf ›Drakon‹ ein. Er leuchtet in letzter Zeit auffäl­lig hell…«, forderte Highking sie in ihrer nächsten nächtlichen Astronomiestunde auf. »Falls Sie sich erinnern… ›Drakon‹ steht für die Freundschaft…«

Anne, die zusammen mit Lily neben ihnen stand, stöhnte auf: »Nicht schon wieder! Das erzählt er uns jetzt schon zum dritten Mal!«

Damit wollte sie sich melden, um Highking darauf hinzuweisen, doch James fuhr sie an: »Lass das gefälligst, das interessiert uns!«

Sirius bemerkte Lilys erstaunten Blick, als sie dies hörte, ließ sich aber weiter nichts anmerken, sondern hörte so ziemlich zum ersten Mal in Highkings Unterricht überhaupt aufmerksam zu, als dieser fortfuhr, über Drakon zu reden.

Am Ende der Stunde war Sirius wenigstens recht müde, sodass er sicherlich gleich ein­schlafen konnte, denn normalerweise nutzte er diese Mitternachtsstunde zum Schlafen. So bemerkte er erst, als sie sich ankeiften, dass Lily mit James auf dem Weg zum Turm stritt. Bevor sich Sirius jedoch einmischen konnte – abgesehen davon, dass er gar nicht wusste, worum es überhaupt ging – rauschte Lily beleidigt davon.

»…Kann ja wohl nicht wahr sein… blöde Zicke…«, regte sich James neben ihm auf.

»Was geht denn mit der ab?«, gähnte Sirius recht unbeteiligt. Alles was er jetzt wollte, war in sein Bett fallen und ausschlafen. Schließlich hatte er in letzter Zeit wenig Schlaf gehabt…

»Ach, was weiß ich! – Die regt sich doch immer über irgendwas auf. Sobald ich was sage, ist ja eh der Teufel los! Diesmal fand sie es irgendwie blöd von uns, dass wir Aveimperatore zugehört haben, oder so! – Mann, bin ich froh, mit der nicht befreundet zu sein!«

»Ich glaub, du hast da was falsch verstanden«, mischte sich Remus nun ein. »Sie hat sich darüber aufgeregt, weil ihr sonst nie aufpasst und wenn er dann zum hundertsten Mal so einen Scheiß erzählt, wollt ihr es unbedingt mitkriegen. Das nervt nämlich die Leute, die es schon beim ersten Mal mitgekriegt haben.«

»Willst du dich jetzt etwa auf ihre Seite schlagen!«, knurrte James drohend, als sie bereits Phineas Nigel­lus erreichten.

»Nein. Ich meinte nur, dass… ach, ist ja auch egal, lasst uns ins Bett gehen!«

Schläfrig flogen sie nacheinander in ihren Schlafsaal hinauf, wo sie sich in aller Eile umzogen. Als sich Sirius in sein Bett fallen lassen wollte – musste er feststellen, dass es nicht mehr da war.

»Okay, jetzt lasst den Mist und gebt mir mein Bett wieder«, blaffte er genervt die anderen an. Erst jetzt schienen auch sie den seltsamen Verlust zu bemerken (Wie konnte man ein fehlendes Himmelbett übersehen, fragte sich Sirius später.), denn zumindest James und Remus eilten zu ihrem Freund.

»Wenigstens sind deine Sachen noch da«, stellte Remus optimistisch fest.

»Hhmmmm, toll!«, erwiderte Sirius sarkastisch. »Bringt mir jetzt superviel! – Wo soll ich denn jetzt bitte schlafen!«

»Los komm, wir gehen zur McGonagall, die wird's schon wieder hinbiegen«, schlug James beschwichtigend vor.

Sirius fauchte auf dem Weg nach draußen noch Timothy an, hinter dessen Vorhängen es unverschämt kicherte.

Im Pyjama und barfuss (ihre Hausschuhe waren weg) tapsten die Jungs schließlich durch die dunklen und kalten Gänge zu McGonagalls Büro.

»Ich – hasse – dieses – Schloss«, grummelte Sirius, dessen Laune sich auf dem absoluten Tiefpunkt befand. »Vielleicht wäre Durmstrang doch nicht so schlecht!« Ihm war kalt, er war müde und sein Magen begann auch schon wieder zu knurren. Konnte es noch schlimmer werden! Ja.

»Ihr schon wieder! Jetzt seid ihr aber dran«, krächzte Pringles heisere Stimme plötzlich aus einer Ecke vor ihnen, so dass sie überrascht, aber nicht unbedingt erschrocken, stehen blieben, als der Hausmeister hervorhuschte.

»Wir wollen zu McGonagall«, blaffte Sirius nur unhöflich.

»Ach – was? Euch selbst anzeigen?«, fragte Pringle verständnislos.

»Nein, mein Bett ist weg. Und jetzt lassen Sie uns gefälligst durch«, befahl Sirius aggressiv.

»Ihr denkt, mit dieser Tour legt ihr mich noch mal rein, was? – Ich bringe euch jetzt zu eurer Hauslehrerin, wenn ihr doch da angeblich sowieso hinwollt«, grinste Pringle boshaft, womit er sie vor sich herscheuchte.

Vor der Bürotür der Hauslehrerin hielt er endlich an und ließ sie draußen warten, während er im Büro verschwand. Sirius war bewusst, dass James versuchte, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, hatte aber absolut keine Lust dazu und so standen sie untätig und schweigend herum, bis sich die Tür erneut öffnete und Pringle mit McGonagall heraustrat.

Die Schreckschraube hatte die Arme vor ihrem schottenkarierten Morgenmantel verschränkt und fauchte jetzt: »Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie spät es ist! – Was wollen Sie denn diesmal?«

»Glauben Sie mir, ich würde genauso gerne schlafen, wie Sie, allerdings fehlt mir dazu mein Bett. Es hat sich nämlich irgendwie – wie das ganze restliche Schloss auch– in Luft aufgelöst«, erklärte Sirius die Situation zum zweiten Mal.

»Und was soll ich da tun? – Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, lassen sich die verschwundenen Sachen nicht wieder herzaubern. Diesen Weg hätten Sie sich also sparen können. Gute Nacht!«

Sirius starrte die Lehrerin einen Moment lang völlig baff an, die sich einfach umdrehte und schon wieder in ihr Büro gehen wollte. »Moment mal!«, rief er ihr hinterher, sodass sie sich noch einmal ziemlich genervt umdrehte. »Und was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun? – Meine Eltern bezahlen hier nicht dafür, dass ich auf dem Boden schlafen muss!«

»Ich sehe hier, um ehrlich zu sein, kein Problem! – Ich dachte, Sie beide wären Freunde, also stellen Sie sich nicht so an, und schlafen Sie mit in Mr Potters Bett. Sonst hängen Sie ja auch ständig überall zusammen«, entgegnete die Schreckschraube scharf. »Langsam weiß ich nicht mehr, was mit lieber war: Die Zeit, als Sie sich noch bei jeder Gelegenheit duelliert haben oder wenn Sie mir die ganze Zeit zu zweit auf die Nerven gehen!«

Damit drehte sie sich endgültig um und verschwand in ihrem Büro.

Pringle starrte sie nur mit offenem Mund an, bis die Jungs ihn ebenfalls einfach stehen ließen. »Mann, wär' ich doch nach Slytherin gegangen, als ich die Chance dazu hatte! – Da hätte ich jetzt nicht die ganzen Probleme mit dieser scheißblöden Hauslehrerin«, regte sich Sirius den ganzen Weg zurück auf.

»Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?«, stellte James eher fest, als dass er fragte.

»Nein!«, antwortete Sirius dennoch, »aber es macht mich trotzdem wahnsinnig!«

»Draco dormiens nunquam titillandus«, weckte James Nigellus auf, indem er das neue Passwort nannte, der sie murrend einließ.

Oben im Schlafsaal war Remus wach geblieben und hatte auf sie gewartet. Peter hatte es Remus' Berichten nach auch versucht, doch als es zu lange gedauert hatte, war er schließlich doch eingeschlafen.

»Und? Wo ist McGonagall?«, erkundigte sich Remus gleich.

»Im Bett«, grollte Sirius, womit er sich in James' Bett warf.

»Äh… Sirius…«, begann Remus irritiert, doch James übernahm die Antwort auf die nicht ausgesprochene Frage: »Ist schon okay. Befehl von der Schreckschraube!« Damit legte er sich dazu und schlief sogleich ein.


Sehr zu Sirius' Ärger machte kein Lehrer in den nächsten Tagen Anstalten, ihm ein neues Bett zu beschaffen, obwohl er sich noch bei einigen anderen Aufsichtspersonen beschwert hatte.

Piler hatte sich nur halb totgelacht, als er von Sirius' Verlust erfuhr, während High­king ihm amüsiert zublinzelte, aber dennoch nichts weiter unternahm.

Flitwick dagegen war so mit der Allgemeinsituation beschäftigt, dass er irgendwann das Grundproblem ganz vergessen zu haben schien und ihn nur noch über fehlende Zauberkunstbücher zutextete. Als Sirius schließlich nur noch die Wahl zwischen Sprout und Brewpot hatte, gab er endgültig auf.

Einige Tage später fand er beim Schlafengehen in James' Bett eine zweite Bettdecke und ein zweites Kissen vor, sodass ihm endlich klar wurde, dass er wohl länger hier nächtigen würde.

Er war so mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass ihm erst auffiel, wie krank Remus in den vergangenen Tagen gewirkt hatte, als dessen Bett mal wieder verwaist war.

»Ich hab den schon seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen«, stellte James gerade mit zusammengezogenen Augenbrauen fest.

»Er meinte, er würde zu Madam Pomfrey gehen, um sich ein Kopfschmerzmittel abholen«, warf Peter von seinem Bett aus ein.

Sirius packte nur sein Bettzeug und zog in das freie Bett um. »Na ja, der bleibt ja eh wieder zwei Tage weg«, meinte er auf den fragenden Blick von James.

Und damit sollte er Recht behalten, denn Remus tauchte erst zwei Tage später an Daveys Geburtstag wieder auf, den sie im Gemeinschaftsraum feierten, bis McGonagall sie in der Nacht endlich ins Bett scheuchte.